William Shakespeare
Leben und Tod Königs Richard des zweyten.
William Shakespeare

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Sechste Scene.

Aufforderung von aussen, Antwort von innen; Trompeten-Klang, König Richard, Bischoff von Carlisle, Aumerle, Scroop und Salisbury kommen auf die Mauren.

York. Seht, seht, der König tritt selbst hervor, gleich dem von Unmuth erröthenden Phöbus, wenn er, aus der glühenden Pforte des Morgens hervorgehend, neidische Wolken gewahr wird, die sich vereiniget haben, seinen Glanz zu verhüllen, und die Pracht seines schimmernden Zugs nach Westen zu verdunkeln. Und doch sieht er wie ein König; seht, wie sein Auge, glänzend wie eines Adlers, herrschende Majestät um sich her blizt. O beweinenswürdig, daß eine so schöne Gestalt durch irgend einen Unfall entstellt werden soll.

König Richard (zu Northumberland.)
Wir befremden uns, und stehen schon lange hier, auf die ehrfurchtvolle Beugung deiner Knie zu warten, indem wir uns selbst für deinen gesezmäßigen König hielten; und sind wir's, wie dürfen sich deine Gelenke vergessen, den schuldigen Tribut der Unterthänigkeit unsrer Gegenwart zu bezahlen? Sind wir's aber nicht, so zeige uns die Hand Gottes, die uns unsrer Statthalterschaft entlassen hat. Denn das wissen wir, daß keine Hand von Blut und Knochen, ohne Entweihung, Diebstal und Verrath, nach unserm geheiligten Scepter greiffen kan. Und ob ihr gleich denkt daß alle von uns abgefallen, und wir allein und von Freunden entblößt gelassen seyen, so sollt ihr doch wissen, der Allmächtige, mein Herr, mustert um euertwillen Heere von Plagen in seinen Wolken, die euch treffen werden, euch, die ihre Vasallen-Hände gegen mich aufgehoben und der Majestät meiner Crone gedräuet haben, euch, und eure noch ungebohrnen Kinder. Sagt dem Bolingbroke, (denn dort, däucht mich, ist er,) daß ein jeder Schritt den er in meinem Lande macht, Hochverrath ist – – Er ist gekommen, das purpurne Testament des blutigen Kriegs zu öffnen; aber eh die Crone, nach der er strebt, ruhig auf sein Haupt herabsteigen wird, sollen zehentausend blutige Cronen von Mutter-Söhnen die Blume von Englands Antliz entstellen, die Farbe ihres jungfräulich-blassen Friedens in feurigen Grimm verwandeln, und ihre fetten Weiden mit getreuem Englischem Blut bethauen.

Northumberland. Der König des Himmels verwehre, daß unser Herr, der König, so mit bürgerlichen und unbürgerlichen Waffen angefallen werden solle! Nein, dein edler Vetter, Heinrich von Bolingbroke, küßt voll Ehrfurcht deine Hand, und schwört, bey dem ehrenvollen Grabmal, das auf euers beydseitigen Ahnherrn königlichen Gebeinen ruht, bey der geheiligten Quelle euers gemeinschaftlichen Bluts, und bey der Helden-Hand seines verstorbnen Vaters, und bey seiner eignen Würde und Ehre schwört er, daß seine Ankunft keinen andern Zwek hat, als die Besiznehmung von seinen eignen Gerechtsamen und Gütern, deren Zurükgab er auf seinen Knien erbittet. Wird bey euerm Königlichen Wort ihm nur dieses zugestanden, so will er seine blinkenden Waffen dem Rost überlassen, seine langmähnichten Rosse den Ställen, und sein Herz dem getreuen Dienst Eurer Majestät. Diß schwört er, so wahr er ein Prinz ist, und so wahr ich ein Edelmann bin, glaub' ich seinen Schwur.

König Richard. Northumberland, sag' ihm, so antwortet der König: Sein edler Vetter ist sehr willkommen, und alle seine Forderungen, so viel ihrer seyn mögen, sollen ohne Widerspruch zugestanden seyn. Sag' ihm in unserm Namen so viel verbindliches und freundschaftliches, als du nur immer kanst. – – (zu Aumerle.) Wir erniedrigen uns, Vetter, nicht wahr, da wir so armselig aussehen, und so gute Worte geben? Sollen wir Northumberland zurük ruffen, den Verräther herausfordern lassen, und so sterben?

Aumerle. Nein, Gnädigster Herr, bis die Zeit uns Freunde leiht, und unsre Freunde ihre Schwerdter, bleibt uns nichts übrig als mit Worten zu fechten.

König Richard. O Gott! o Gott! daß diese meine Zunge, die das Urtheil der Verbannung über jenen stolzen Mann ausgesprochen, dahingebracht seyn soll, es mit liebkosenden Worten zurükzunehmen! o daß ich so groß wäre als mein Schmerz, oder kleiner als mein Name; O daß ich vergessen könnte was ich gewesen bin, oder nicht fühlte was ich izt bin! Schwillst du auf, stolzes Herz? Ich gebe dir alle Freiheit, schlage wie du willt, da meine Feinde die Freyheit haben, dich und mich zu schlagen.

Aumerle. Northumberland kommt von Bolingbroke zurük.

König Richard. Was muß der König noch mehr thun? Muß er sich unterwerfen? Der König soll es thun. Muß er abgesezt werden? Der König soll sich's gefallen lassen. Muß er auch dem Namen eines Königs entsagen? In Gottes Namen, es sey so. Ich will meine Juweelen für einen Rosenkranz geben, meinen Palast für eine Einsiedeley, meine schimmernden Kleider für einen Bettlers-Mantel, mein goldnes Geschirr für einen hölzernen Teller; meinen Scepter für einen Pilgrims-Stab, meine Unterthanen für ein Paar geschnizte Heilige, und mein grosses Königreich für ein kleines Grab; ein kleines, kleines Grab – – ein dunkles Grab! – – Oder ich will auf des Königs Landstrasse begraben werden, auf einem ungangbaren Weg, wo meiner Unterthanen Füsse stündlich auf ihres Königs Haupt trappen mögen; denn auf mein Herz treten sie, da ich noch lebe; warum nicht auf mein Haupt, wenn ich begraben bin? – Aumerle, du weinst? Mein weichherziger Vetter! Wir wollen böses Wetter mit unsern verachteten Thränen machen; unsre Seufzer und Thränen sollen das Sommer-Korn legen, und eine Theurung in dieses rebellische Land bringen. Oder wollen wir uns aus unserm Jammer eine Kurzweile machen? Irgend ein artiges Spiel aus unsern fliessenden Thränen? Als etwann, sie so lange an den nemlichen Ort tropfen zu lassen, bis sie uns ein paar Gräber in die Erde eingefressen haben; und wenn wir da ligen – – Hier ligen zween Freunde, die sich ihr Grab mit ihren Thränen gegraben haben. Würde uns das unser Elend nicht versüssen? Wohl, wohl, ich sehe, ich rede phantastisch, und ihr lachet über mich. Großmächtigster Prinz, Milord Northumberland, was sagt der König Bolingbroke? Will seine Majestät dem Richard erlauben zu leben, bis Richard stirbt? Ihr macht einen Scharr-Fuß, und Bolingbroke sagt, ja.

Northumberland. Gnädigster Herr, er wartet in dem Hofe, mit euch zu reden; gefällt es euch herunter zu kommen?

König Richard. Herunter, herunter komm ich, wie der schimmernde Phaeton, da er die unbändigen Sonnen-Pferde nicht zu regieren wußte. In den Hof herunter, ein König in den Hof herunter, auf den Ruf eines Verräthers, um ihm seine Begnadigung zu geben. Herunter dann, König, herunter!

Bolingbroke. Was sagt seine Majestät?

Northumberland. Kummer und Sorgen machen ihn wunderlich, und wie ein Mann der nicht recht bey sich selbst ist, reden. Izt ist er da.

Bolingbroke (kniend.)
Tretet alle zurük, und bezeuget Sr. Majestät eure schuldige Ehrfurcht. Mein Gnädigster Herr – –

König Richard. Mein edler Vetter, ihr demüthiget eure fürstlichen Knie zu tief, indem ihr die niedrige Erde stolz macht sie zu berühren. Mir wäre lieber, wenn mein Herz eure Liebe fühlte, als daß mein unbefriedigtes Aug' eure Höflichkeit sieht. Auf, Vetter, auf; euer Herz ist zum wenigsten so hoch, (er deutet mit der Hand auf seine Crone) wenn eure Knie schon so niedrig sind.

Bolingbroke. Mein Gnädigster Herr, ich komme nur für das, was mein eigen ist.

König Richard. Euer Eigenthum ist euer, ich bin euer, alles ist euer.

Bolingbroke. In so fern möge Eure Majestät mein seyn, mein Gnädigster Souverain, als meine getreuen Dienste eure Liebe verdienen werden.

König Richard. Ihr verdienet alles; wer verdient mehr zu haben, als wer den sichersten und kürzesten Weg kennt, zu gewinnen? Oheim, gebt mir eure Hand; nein, troknet eure Augen; Thränen sind nur hülflose Zeichen der Liebe. Vetter, ich bin zu jung euer Vater zu seyn, ob ihr gleich alt genug seyd, mein Erbe zu seyn. Ich will euch geben was ihr haben wollt, und noch dazu mit Willen. Denn warum sollen wir nicht wollen, was wir müssen? Ziehet fort nach London. Ist das nicht eure Absicht, Vetter?

Bolingbroke. Ja, Gnädigster Herr.

König Richard. So darf ich nicht nein sagen.

(Trompeten. Sie gehen ab.)


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