Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Einige Worte über einen verdienten Schulmann, den verstorbenen Rector Mücke in Grimma.

Aus der Zeitung für die elegante Welt, 1804, Nr. 16 (7. Febr.). – A. d. H.

Es ist in einem öffentlichen Blatte mein Zeugniß über diesen Mann angeführt worden, und zwar zu seinem Vortheil gegen einen Andern, der nicht zu seinem Vortheil geschrieben hatte. Ich kenne weder den Verfasser noch dessen Buch, weiß also nicht, was er wider Mücke vorgebracht hat. Zwar bin ich kein unbedingter Verehrer des alten Weidsprüchelchens: »Von Todten und Abwesenden nur Gutes!« Wahrheit und ihre Würdigung gehen über Alles. Ich habe von Mücke nur einige Worte, so viel ich mich erinnere, in einem Gedicht über Oeser gesagt, bin es also ihm und seinen Freunden und mir selbst schuldig, noch etwas über ihn beizubringen, das mein Urtheil unterstützt. Ich rechne es mir zu keiner Schande, daß in meinen Gedichten keine Dichtung ist, und daß das Meiste rein in Gedanken oder Gefühlen aus der Seele hervorgeht. Wenn es mir nicht aus irgend einem Grunde Bedürfniß ist, etwas zu sagen, so sage ich nichts, und sage allezeit nur, was ich denke oder empfinde. Mir waren damals in einer sehr kurzen Zeit drei Freunde gestorben, die alle drei vom Publicum geschätzt waren, und deren Charakter mir ehrwürdig war, Oeser, Hedwig und Mücke. Mir liegt jetzt nur ob, meine Gesinnungen über den Letzten zu vertheidigen, von dem ich in moralischer Hinsicht kühn das ἐσχατοι πρωτοι Die Letzten (werden) die Ersten (sein). sprechen darf, ohne die Andern herabzuwürdigen. Mücke war einige Jahre in Grimma mein vertrauter Umgang, und ich bin nicht Enthusiast genug, wegen einiger guten Eigenschaften wesentliche Fehler zu übersehen, würde es also nicht für meine Pflicht halten, sein Vertheidiger zu sein, wenn es nicht meine reinste, übrigens ganz absichtlose Ueberzeugung wäre. Mücke als Schulmann kann ich nicht hinlänglich würdigen, da ich ihn als Lehrer nie gekannt habe. Aber so viele ich von seinen Schülern gesehen habe, und darunter sind mehrere sehr verständige, gebildete, rechtliche Männer, so haben alle mit wahrhaft kindlicher Liebe und Dankbarkeit von ihm gesprochen. Sein Stil war etwas hart, aber er enthielt Sachen. Er schrieb nicht zierlich, aber er schrieb gut. Mein Freund (Prof.) Carus in Leipzig hat mir noch neulich bekannt, daß er zu pädagogischem, psychologischem Behufe manches sehr Nützliche in den Programmen des alten Mücke gefunden habe, und viele seiner guten Schüler haben unaufgefordert gerühmt, daß sie immer bereichert aus seinem Unterricht gekommen seien. Ob Mücke in seiner Methode ein sehr glücklicher Pädagog gewesen, wage ich nicht zu behaupten; aber alle Zeugnisse sind für ihn als Lehrer, und wenn nicht Alle gleichen Vortheil von seinen Vorträgen zogen, so mögen wol mehrere Ursachen gewesen sein, die man nicht ihm aufbürden muß. Ich bin nicht der Meinung, daß alle Einrichtungen der sächsischen Fürstenschulen ohne Ausnahme pädagogisch zweckmäßig seien, aber wer die Verhältnisse kennt, wird dem Rector nicht beimessen, was Fehler des Instituts ist. Mücke war zu gewissenhaft rechtlich, um Aenderungen zu wagen, für deren Erfolg er doch nicht sicher stehen konnte, und für die er auf alle Fälle verantwortlich gewesen wäre. Er hatte nicht den gefährlichen Feuereifer eines Reformators, aber er hatte die liebenswürdige Beharrlichkeit eines verständigen, thätigen Arbeiters. Ich selbst bin mehrere Male Zeuge gewesen, mit welcher freundlichen, väterlichen Güte er die jungen Leute behandelt, und mit welcher schönen Aengstlichkeit er für ihr Physisches und Moralisches besorgt war. Er war fromm und kirchlich orthodox; aber er war gegen Jeden liberal und human, der nicht mit ihm dachte. Er hatte in Göttingen und Leipzig die Rechtswissenschaften gründlich getrieben und war also in den römischen Alterthümern sicherer und fester, als es die Meisten zu sein pflegen. Alle seine Schüler, die sich der Rechtsgelehrsamkeit widmeten, danken ihm eine sehr zweckmäßige Vorbereitung. Die Hauptzüge seines Charakters waren Liebe, Duldung und Wohlthätigkeit, und selten ist ein besserer praktischer Christ gewesen als er. Die Alumnen seiner Schule sind nicht immer Söhne wohlhabender Eltern; die Natur des Instituts bringt das mit sich. Wahrhafte Männer, die nicht schmeicheln, haben mich versichert, daß Mücke oft den Zettel der Handwerker bezahlte und von dem Vater nichts zurückforderte, weil er wußte, es würde dem armen Manne noch schwerer fallen als ihm selbst. Manchem armen Knaben soll er Beinkleider geschafft, seinen letzten Speciesthaler dafür hingegeben haben, ohne ihn in Rechnung zu bringen. Von dem ernsthaften finstern Gesicht und unter den großen, dunkeln, buschigen Augenbraunen hervor sprach eine besonnene Güte, die Hartherzige rühren konnte.

So habe ich Mücke die drei letzten Jahre gekannt, ihn oft gesehen und ihn sich immer gleich, als den musterhaft guten Mann gefunden. Der Himmel erhalte mir immer einen solchen Freund, wie er war, so werde ich mich nicht für arm halten. Hoffentlich soll diese Ueberzeugung Niemand antasten; erschüttern soll sie wenigstens Niemand. Daß seine Schüler seinen Werth fühlten, zeigt folgender Vorfall, den ich an Ort und Stelle gehört habe, und der fast so gut als actenmäßig ist.

Trauliche Gutmüthigkeit und Wohlthun zeichneten ihn vorzüglich aus. Den ersten Jahrtag seines Todes wollen alle junge Leute einstimmig, recht in dem Geiste ihres geliebten Lehrers, feiern und beschließen, den Mittag bei einer Trauermusik zu fasten und das Essen den Stadtarmen zu geben. Achtzig Arme hätten einen Festtag gehabt. Wir wollen den Zug zur Ehre unserer Jugend nicht vergessen. Sie baten um Erlaubniß; der Rector wies sie an den Inspector, und dieser verweigerte die Ausführung des schönen Entschlusses mit der elenden Ausrede: die jungen Leute könnten ihre Mahlzeit nicht veräußern, da sie – Wohlthat des Kurfürsten wäre. Was würde der gute, wackere, liebreiche Fürst einem solchen Manne sagen, wenn er ihn hörte? Die Schüler mußten essen. Das heißt doch wol den guten Geist ausrotten.


 << zurück weiter >>