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Vermischte kleinere Aufsätze

Vorrede zu Robert Percival's Beschreibung des Vorgebirgs der guten Hoffnung

Aus dem Englischen frei übersetzt. Leipzig 1805.

Der Verleger gab mir dieses Buch zum Uebersetzen, und ich machte es, so gut ich konnte. Es wäre unstreitig besser geworden, wenn ich mehr Naturhistoriker und Geograph gewesen wäre. Ich habe mich so viel als möglich treu an den Urtext gehalten und nur zuweilen einige Pleonasmen weggelassen. Zwar fühle ich wohl, daß die Sprache noch nicht gehörig geglättet ist; sie ist aber auch bei dem Engländer ziemlich kostbar und stattlich und ein Mittelding zwischen dem guten natürlichen Vortrag und dem vornehm gezwungenen Stil der Diplomatik. Der Wiederholungen sind nicht wenige; aber ihre Weglassung war ohne große Veränderung selten möglich. Wie viel wir durch dieses Werk in der Kenntniß eines wichtigen Strichs der Erde weiter kommen, mögen Kenner entscheiden. Die Absicht des Buchs leuchtet in die Augen; sie ist patriotisch englisch, dazu hat der Verfasser die Feinde seiner Nation so schlecht gemacht, als sich nur mit Ehre und einigem Schein von Wahrheit thun ließ. Ich glaube wohl, daß er ziemlich Recht haben mag; aber dadurch wird die Sache für seine Landsleute nichts besser; denn wo sie den Meister spielten und noch spielen, geht es im Ganzen mit ebenso wenig Mäßigung und Humanität her, als wo die Franzosen herrschen. Die Franzosen wissen doch allen ihren blutigen Erpressungen unter allen Malversationen noch einen Anstrich von Wohlwollen zu geben, wodurch sich freilich nicht leicht ein Sehender blenden läßt. Unser Mann sagt ohne Scheu geradezu: »Wenn wir das Vorgebirge haben, beherrschen wir den Handel Indiens, folglich den Handel der Welt, folglich –« die Folgen sind alle klar. Das ist ächt britisch; Britannia rule the waves, und durch die Wogen mache den Erdball zinsbar! Freilich kann ein Brite nicht wünschen, daß das Cap in den Händen der Franzosen bleibe, und die daraus gezogenen Inferenzen sind wol ganz richtig; aber ob irgend eine andere Nation zu wünschen Ursache habe, daß es in den Händen der Engländer sei, ist eine andere Frage. Mich däucht, die Folgen von dieser Seite sind ebenso klar und noch größer. Der jetzige politische Horizont kommt mir vor wie die Tage vor der Schlacht bei Zama. Siegt Frankreich, so haben wir wahrscheinlich eine Römerei, vielleicht etwas sanfter und glimpflicher nach dem Geist der Zeiten, im Uebrigen aber ganz ähnlich. Frankreich hat sich seinen Cäsarn auf Willkür übergeben, weil es der Freiheit und öffentlichen Gerechtigkeit nicht fähig ist. Wenn England dem Streiche nicht erliegt, ist dadurch nichts gewonnen als Dauer des Kampfes, zu dem die Andern die Kräfte liefern. Percival hat allerdings Recht, wenn er sagt, daß ziemlich alle Nachbarn Frankreichs Zinsleute sind; aber es ist nicht das Verdienst der englischen Mäßigung, wenn ihre Nachbarn nicht englische Tributäre werden. Ihre Navigationsacten sind von eben dem Stempel wie die französischen Conscriptionen und freiwilligen Anleihen, die man mit Bajonnetten ansagt. Siege, welche Partei man wolle, so haben wir Anderen nicht viel Erbauliches dabei zu erwarten, wir sind immer in Gefahr, ächt biblisch von der Ruthe zum Scorpion zu kommen. Die Energie der Engländer ist nicht zu verkennen, so wenig als ihr Freiheitssinn zu Hause; daß sie sich aber durch Gerechtigkeit, Humanität und reines Wohlwollen als Nation in fremden Welttheilen auszeichnen sollten, wird ihm nicht so leicht Jemand glauben, der nur etwas in der Geschichte geblättert hat. Einzelnen Charaktern der Großmuth wird dadurch nicht widersprochen. Das System der Nationen ist Sclaverei, feiner oder gröber; und alle Spitzköpfe arbeiten mit ihren Werkzeugen, den Plattköpfen, dahin, den alten Fuß so schlafsüchtig weiter fortzuführen. Rechtliche Leute sehen vor der Hand die Unmöglichkeit der Vernunft und suchen sich zu beruhigen, wie die Welt durch ein minimum sanae rationis regiert wird. Desto größer ist vielleicht die Weisheit der Einzelnen, wenigstens ihre Klugheit.

Daß ohne England Anarchie in der übrigen Welt sein würde, ist von dem Verfasser allerdings sehr patriotisch gesprochen, aber der Beweis will den Andern nicht so recht einleuchten. Daß die Engländer als Nation eine ehrenvollere Rolle in den Conjuncturen der letzten Zeit gespielt haben als wir Anderen, ist nicht zu leugnen; aber die Ursachen wären auch leicht aufzufinden, ohne daß eben ihr Verdienst beträchtlich dadurch gewönne. Wir sind noch lange nicht dahin, wo wir die Vernunft in das öffentliche Recht tragen dürften; Meinungen beherrschen immer noch die Welt, immer eine verkehrter als die andere. Obgleich das Meiste, was der Verfasser über den Charakter der Holländer und ihre Regierung sagt, eine Grundlage der Wahrheit hat, so geht er doch wol etwas zu strenge mit ihnen um. Die alte Kraft findet man freilich nicht mehr, aber durch Fleiß, Arbeitsamkeit und Bonhomie sind sie noch immer ausgezeichnet; dieses wird in dem Buche selbst hier und da zugestanden. Daß ihre Machthaber im Rohre saßen und also nach dem Sprichwort für sich schnitten, ist unter allen Nationen so etwas Alltägliches, daß es kaum Erwähnung verdient. Das Sclavenwesen mag im Innern am Cap freilich stark genug sein, aber ich erinnere mich nie, irgendwo gehört zu haben, daß sich die Engländer durch Mildheit gegen die ihrigen auszeichnen. Es ist aber keine Ehre für das Christenthum, daß seine Anhänger diesen Schandfleck der menschlichen Vernunft, die Sclaverei, auf alle Weise tiefer einzubrennen und zu verewigen suchen. Wo der Begriff Sclave noch im Recht gilt, darf man durchaus nicht behaupten, daß man nur die erste Stufe reiner menschlicher Bildung erstiegen habe. Es thut mir leid, wenn dieses Urtheil den alten classischen Nationen nicht günstig ist; aber es ist, däucht mich, philanthropisch ausgemacht, daß uns der Himmel vor griechischer und römischer Freiheit bewahren müsse, wenn für das allgemeine Heil der Menschheit Hoffnung sein soll. Nach den Angaben des Verfassers bin ich sehr geneigt, ziemlich vortheilhaft von den Malayen zu denken, weil ich ihren Handlungen psychologisch bessere Gründe unterlegen darf. Sie haben ein tiefes Gefühl natürlicher Befugnisse, aber ohne Läuterung der Vernunft. Wer zu mir sagt: »Du bist mein Sclave«, das heißt, ich gebrauche Dich unbedingt als Werkzeug zu meinen Zwecken, der giebt mir für den schicklichsten Moment rechtlich den Dolch in die Hand. Freiheit ist durchaus nichts als Gerechtigkeit und diese nichts als gleiche Befugnisse mit gleichen Pflichten im Staate; und so lange man sich ein Haar breit von dieser Bahn entfernt, mag man Constitutionen bauen, so viel man will, sie werden blitzende Meteore sein, aber nicht halten. – Nur die Natur mit ihren Gesetzen ist beständig. Die Sophismen dagegen, die man mit der Geschichte zu beweisen sucht, sind bekannt. Man appellirt an die Leidenschaft der Menschen; eben dieser sollte man auf alle Weise zuwider arbeiten, und man thut ihr auf alle Weise Vorschub. Man rede also doch nur von Ordnung und Gesetz, aber nicht von Gerechtigkeit! Sehr gern glaube ich, daß die Engländer sogleich mehr Industrie und Energie in die Capnation gebracht haben und bringen würden, und daß die Verwaltung der Holländer selbstsüchtig langsam hinbrütend war; aber ich sehe nicht ein, wie man einer feinen policirten Nation in unsern Tagen ein Verdienst daraus machen kann, daß sie den Ueberwundenen ihr Privatrecht und ihre Religion läßt. Das Gegentheil wäre Barbarei und, wenn es in dem Moment der Eroberung geschähe, noch dazu stumpfer Blödsinn. So weit sollte endlich doch wol der Menschenverstand gekommen sein, daß von Religion in Völkerverhältnissen nur insofern die Rede sein kann, als besondere Meinungen Einfluß auf den wahren Staat und die öffentliche Sittlichkeit haben können. So lange noch Religionskriege möglich sind, hat der Despotismus und die Gaunerei wenigstens auf einer Seite gewiß noch gewonnenes Spiel. Ein Gott, für den man fechten muß, ist das erbärmlichste der Wesen.

Uebrigens ist dieses Werk für jeden unbefangenen Beobachter von nicht geringer Wichtigkeit; wenn er nur sichtet, was der Nationalgeist aufgestellt hat, und was der reine Mensch äußert. Die Hauptzüge in dem Charakter der Capländer findet man natürlich schon im Mutterlande; nur scheint der Verfasser etwas mit Hogarthischer Feder gezeichnet zu haben. Es versteht sich, daß der Engländer überall von englischen Meilen spricht, und ein englisches Gallon hält ungefähr vier Maß. Daß der Verfasser nicht bekannter mit dem Hemmschuh war, kommt mir sonderbar vor, da es doch eine Maschine ist, die man fast in ganz Europa braucht. So viel habe ich über das Buch selbst in der Vorrede sagen wollen, da ich den Text nicht gern durch Noten unterbreche. Percival verdient übrigens, auch wo er irrt und den Contrast patriotisch übertreibt, als ein Mann von ernsthaftem wohlwollenden Charakter unsere Achtung. Nur überlasse ich nach diesen redlichen Aeußerungen jedem Unbefangenen, ob es wahrscheinlich ist, daß aus mir englische Guineen sprechen. Der Pariser Journalist hat unter dieser Rubrik mich zusammen mit mehrern Andern, deren Einige allerdings eine solche Beize verdienen, mit seiner Laverna begossen. Mein Buch, »Der Spaziergang nach Syrakus«, enthält nach meiner Ueberzeugung nur Wahrheit; und wenn ich darin über Wien und Rom, Neapel und Paris schrieb, so geschahe das ohne alle weitere Absicht, als weil ich eben dort war und sahe, was ich sahe, und darüber dachte, wie ich dachte, und weil ein rechtlicher unbefangener Mann mit Anstand darüber seine Meinung freimüthig zu äußern befugt ist. Wenigstens will ich mir dieses Recht nicht nehmen lassen, so lange ich das Wesentliche meiner Persönlichkeit fühle. Wenn Millionen vor einem einzigen Manne zittern und anbeten, so will ich weder das Eine noch das Andere; und wenn mich auch ein Schauerchen der Menschlichkeit überfiele, so soll es doch weder in Ueberzeugung noch Handlung etwas ändern. Ich werde nie so verwegen sein, mir irgend einen Einfluß auf öffentliche Dinge anzumaßen, aber auch nie so kleinmüthig, meine Begriffe von Freiheit und Gerechtigkeit durch despotische Willkür bestimmen zu lassen. Schweigen kann ich sehr wohl, das wissen Alle, denen ich nahe bin; aber wenn ich rede, rede ich nur, wie ich denke. Was ich damals dort in dieser Rücksicht gesagt habe, hat sich fast ohne Ausnahme bestätigt. Das Gewebe ist so stark und fest und doch so fein und vernünftig scheinend heilig gezogen, daß Hoffnung da ist, es werden es Jahrhunderte nicht auflösen oder zerhauen, wenn es so gut gehalten wird, als es angelegt ist. Kein französischer Staatsrath wird mir darüber seine Meinung aufdrängen, die ich ihm gern lasse, und bei der ich sodann die meinige über ihn habe. Bonaparte ist, wenn man will, durch die Nation gerechtfertigt; das beweist zwar in der Sache nichts, aber es ist genug für ihn und die Nation. Er opfert seinem Schöpfer und Erhalter, dem Bajonnett; das und der Glaube macht ihn selig; eine sehr alte Methode, die sich noch lange bewähren wird. Ich bin immer noch der Meinung, er habe das göttliche Geschenk des höhern Schicksals, bis jetzt der Einzige des ganzen Menschengeschlechts zu werden, von sich geworfen. Er ist vielleicht mehr als sein Emblem Karl, aber nicht, was der Genius der Menschheit von ihm forderte. Ein großer Geist hebt sein Zeitalter zu sich hinauf, ein kleiner steigt zu ihm herab. Und wenn er selbst ein halbes Jahrhundert die segnende Aegide der großen Nation würde, mein Glaube bliebe fest: er hat Samen gesäet, dessen Keim das Gute vernichten wird; der Weizen ist mit dem Unkraut ausgerauft. Wenn der Journalist in Paris überall feile Seelen sieht, so hat das nun wol seinen zureichenden Grund. Man kauft sich seine Scribenten nicht allein in London oder Paris; aber was moralisch käuflich ist, ist immer schlecht, desto schlechter, je glänzender. Die Wahrheit sieht man weder durch Wein noch durch Bier und noch weniger durch ein römisches Breve. – Die Inconsequenz sollte indessen doch keinem Pariser Halbminister entwischt sein, daß der Söldling britischer Guineen das Medium des Bierglases nöthig habe. Ich schäme mich meiner ehrlichen Armuth und des Nationalgetränkes gar nicht, das an dem deutschen Unfug ebenso wenig Schuld ist als hoffentlich der Burgunder an dem französischen. Armuth bürgt immer eher für Ehre als Reichthum; und nicht überall ist Ehre, wo Ruhm ist. Der letztere scheint wieder der Abgott der Franzosen zu werden, dabei ist die erste nicht immer ganz sicher.

Ich bitte den Leser um Verzeihung für diese Abschweifung; aber in einem politischen Buche läßt sich wol eine kleine Regung gegen politische Mißhandlung entschuldigen. Ich glaube übrigens nicht, daß der Journalist seiner Sache einen Dienst gethan hat, wenigstens nicht mit seinem Tone.


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