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Rede des Phliasiers Patrokles in Athen, als nach der Schlacht bei Leuktra die Thebaner die Spartaner hart bedrängten.

Aus Xenophon's griechischer Geschichte.

Niemand wird zweifeln, Ihr Männer von Athen, daß die Thebaner, sobald die Lacedämomer gänzlich bezwungen sind, zuerst gegen Euch ziehen werden; denn sie werden Euch sodann für das einzige Hinderniß ihrer Herrschaft über die Griechen halten. Wenn das nun ist, so müßt Ihr, glaube ich, den Lacedämoniern zu Hilfe eilen, als wolltet Ihr Euch selbst retten. Denn wenn die Thebaner, Euere Feinde und Nachbarn, den Oberbefehl über die Griechen bekommen, das muß Euch, dünkt mich, viel lästiger sein, als da Ihr die Gegner in der Entfernung hattet; und es ist leichter, Euch jetzt noch zu helfen, da Ihr noch Bundesgenossen habt, als wenn nach der Unterdrückung aller Uebrigen Ihr gezwungen seid, allein gegen die Thebaner zu fechten. Wenn aber Einige von Euch fürchten, die Lacedämonier möchten, wenn Ihr sie jetzt rettet, Euch wieder neue Händel machen, so bedenkt, daß man nicht die Macht Dessen fürchten darf, dem man Wohlthaten erzeigt, sondern Dessen, dem man Schaden zufügt; auch müßt Ihr erwägen, daß Einzelne und ganze Städte sich Schutz und Hilfe zu verschaffen suchen müssen, so lange sie noch Kräfte haben, damit sie, wenn diese Kräfte nicht mehr sind, Unterstützung ihres schwankenden Glücks finden. Euch hat jetzt ein Gott die Gelegenheit gegeben, wenn Ihr den Lacedämoniern auf ihre Bitten beistehet, sie auf immer zu sichern Freunden zu machen. Denn Ihr werdet nicht wenige Zeugen Euerer Wohlthat haben: es werden sie die ewig allwissenden Götter sehen; es werden Bundesgenossen und Feinde sehen, was geschieht, und alle Griechen und Barbaren. Alles dieses verdient Erwägung. Wenn sie undankbar wären, wer würde je noch mit Freundschaft an sie denken? Aber es ist eher zu erwarten, daß sie gegen Euch wackere Männer, als daß sie schlecht sein werden; denn wenn Jemand dem nachstrebte, was lobenswürdig ist, und die Schande floh, so waren sie es. Auch dieses überlegt! Wenn Griechenland je wieder Gefahr von den Barbaren drohen sollte, auf wen wollt Ihr Euch besser verlassen als auf die Lacedämonier? Wen wolltet Ihr lieber zu Kampfgefährten wählen als Diejenigen, die bei Thermopylä alle lieber fechtend sterben wollten, als lebend die Barbaren mit sich nach Griechenland bringen? Ist es nun nicht billig, daß wir und Ihr dafür, daß sie mit Euch so brave Männer waren, was sie wahrscheinlich wieder sein werden, ihnen auf alle Weise zu Hilfe eilen? Auch der anwesenden Bundesfreunde wegen sollt Ihr ihnen Euere Freundschaft zeigen; denn Ihr könnt versichert sein, daß Diejenigen, die ihnen in allen Unfällen treu blieben, sich schämen würden, Euch den Dank schuldig zu bleiben. Wenn wir Euch nur klein scheinen, die wir mit ihnen die Gefahr zu theilen entschlossen sind, so bedenkt, wir sind nicht mehr ohnmächtige Hilfsgenossen, sobald Euer Staat hinzukommt! Sonst, Ihr Männer von Athen, habe ich diese Stadt beneidet, wenn ich hörte, daß alle Unterdrückte und Nothleidende hierher flohen und hier Hilfe suchten und fanden; jetzt höre ich nicht allein, sondern bin gegenwärtig und sehe, daß die wackersten Männer, die Lacedämonier und ihre getreuesten Freunde mit ihnen zu Euch kommen und Euch um Hilfe bitten; sogar die Thebaner, die damals die Lacedämonier nicht überreden konnten, Euch in das Verderben der Sclaverei zu stoßen, glaube ich im Geiste Euch bitten zu sehen, Euere damaligen Retter nicht zu Grunde gehen zu lassen. Es wird als eine edle That von Eueren Vorfahren erzählt, daß sie einst die vor der Burg Theben's erschlagenen Argiver nicht unbegraben ließen; noch weit edler wird es von Euch sein, wenn Ihr die noch lebenden Spartaner nicht der Schmach preisgebt und umkommen lasset. Es war von ihnen schon schön, daß sie dem Hohn des Erystheus Trotz boten und die Nachkommen des Hercules retteten; wie viel schöner wird es nicht sein, nicht allein die Stammhalter, sondern den ganzen Staat zu retten! Am Herrlichsten aber, wenn Ihr, da die Lacedämonier Euch damals durch einen Beschluß ohne Gefahr dem Verderben entrissen, ihnen jetzt mit den Waffen und unter Gefahren zu Hilfe kommt. Da wir schon mit Stolz Euch aufmuntern, den wackern Männern beizustehen, wie erhebend muß Euer Gefühl nicht sein, die Ihr helfen könnt, wenn Ihr, da die Lacedämonier so oft Euere Feinde und Freunde waren, nicht daran denkt, wie viel sie Euch geschadet, sondern wie viel sie Euch Wohlthaten erwiesen haben, und ihnen nicht allein für Euch, sondern auch für ganz Griechenland dankbar werdet, gegen welches sie so brav gehandelt haben!

Hierauf hielten die Athener Rath, wo sie vor Ungeduld kaum die Andersgesinnten anhörten, und beschlossen, mit ganzer Macht zu Hilfe zu eilen, und wählten Iphikrates zum Heerführer.


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