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IX.
Das Vaterhaus

Es ist ein entzückender Abend! – Im Westen der Pflanzung erglühen die Wälder wie ein wogendes Feuermeer, die gebrochenen Strahlen flammen durch Plaquemines, Traubenkirschenbäume, Papaws und Peccans herüber – leuchtet die ganze Landschaft in siegender Glorie auf, sie erscheint wie die Hesperiden-Gärten; die Giebel des Vaterhauses neigen sich und tanzen in dem verschwimmenden Farbenschmelze der Kotton- und Akazienwipfel, Himmel und Erde scheinen in den lechzenden Strahlen des abscheidenden Gestirnes sich noch einmal zu umarmen. – Es bebt alles, zittert in den letzten Pulsschlägen des Tages; Bäume und Sträuche, die Orangen- und Zitronenbosketts, die südwestlich und östlich vom Seechen sich gegen das Negerdorf hinabwinden, schwimmen, die Negerhüttchen mit ihren winzigen Gärtchen scheinen zu tanzen in der szintillierenden Atmosphäre, die unabsehbaren Kottonfelder, die eine Meile lang bis zu den Urwäldern hinüberlaufen, zu wogen. – So weit das Auge reicht, wogt es wie ein Flammenmeer. – Ein solcher Abend läßt euch wieder die Hitze eines ganzen Sommers vergessen. Ist doch ein glorioses Land, unser Louisiana!

Aber Mistreß Houston und Kompagnie sind bereits ausgestiegen, warten unser auf der Piazza, neben ihnen einige fremde Gesichter, die unsere guten Landsleute in einige Verlegenheit zu bringen scheinen. Sie schauen darein mit Mienen, die recht deutlich sagen: Touch me not Rühre mich nicht an.. Ist eine wahre Plage, diese unsere Steifheit und Starrheit, die aller geselligen Annäherung Trotz bieten, solange sie nicht auf- und eingeführt sind. Wie ganz anders wieder diese Franzosen oder Kreolen, was sie sind? – Welche zuvorkommende Beweglichkeit! Sie Hüpfen, tanzen, springen uns entgegen, wie Schulknaben, die der Rute des Präzeptors entschlüpft, der Mama entgegenkapriolen, schon von weitem nach dem Butterbrote haschend, das aus ihrer Hand entgegenwinkt. Es ist ein schöner Zug, der unsere Schwiegereltern trieb, ihren Kindern entgegenzufahren; – ein lieber Zug in diesem Kreolen-Tableau, der viel Vertrauen in den Zartsinn ihrer Gäste beurkundet, das diese auch vollkommen zu rechtfertigen scheinen; zwei Damen zu Pferde mit einem ältlichen Herrn kommen gerade, als wir auszusteigen im Begriffe sind, durch das Dorf an unsern Wagen herangesprengt – aus den Laubengängen, die den See einfassen, brechen ein paar andere hervor. Es sind Vergennes und D'Ermonvalle mit einer Dame, die wahrscheinlich in einer Seefahrt begriffen waren; – sie schultern ihre Ruder, präsentieren und springen dann lachend herbei. Alle fühlen sich augenscheinlich wie zu Hause, bis auf Mistreß Houston und Kompagnie, die sehr anständig unbeweglich in der beweglichen Umgebung sich ausnehmen. Maman und Julie werden unterdessen von zwei Messieurs Lassalle und Monteville aus dem Wagen gehoben, Luise hüpft lachend statt mir dem Chevalier der beiden Damen, den sie Papa Rossignolles tauft, in die Arme, der auch sans façon, ohne mich erst zu fragen, vom Wagenrecht Gebrauch macht und ihr einen Kuß auf die linke, einen zweiten auf die rechte Wange drückt. Und sie macht es ihm recht bequem! – »George,« lacht sie, »Papa Rossignolles, Papa Rossignolles mon mari!« Und der Mann präsentiert sich mir, eine altadelige Physiognomie – man sieht es beim ersten Blicke. Ich war im Begriffe, während Luise den beiden von ihren Pferden abgestiegenen Damen in die Arme flog, einige Worte mit ihm zu wechseln, hatte aber nicht die Zeit, die Embrassements gingen so stürmisch vor sich. – »Ninon! Genievre! Luise!« rufen alle drei auf einmal und halten sich umschlungen, dann tanzen sie Arm in Arm der Piazza zu, ich hinterdrein – mit Retikule, Schal und derlei Konkomitantien. – Auf dem Wege hat sie, nämlich Luise, noch ein halbes Dutzend Knixe zu machen, Embrassements zu erwidern; Vergennes und D'Ermonvalle kommen gleichfalls, um ihren Anteil abzuholen, sie aber schlägt ihnen ein Schnippchen: » How d'ye do?« lachend und ihnen die kleinen Finger beider Hände reichend, die sie in Ermanglung etwas Substantiellerem zum Munde führen, was sie auch zugibt und ganz recht ist, denn reicht man diesen Franzosen den kleinen Finger, wollen sie in einer halben Stunde darauf die ganze Hand. Und jetzt kommt ein Dutzend Kammerzofen und Hausbediente, versteht sich Schwarze, alle in ihrer Galalivre, grün mit Goldschnüren, die Mädchen dunkelrot mit grünen, turbanartig gewundenen Kopftüchern, alle vor Freuden grinsend, die Zähne fletschend, unter Anführung der alten Diana, der Hausmeisterin, die mit vier Schlüsselbünden, jeder wenigstens zwanzig Schlüssel haltend, bewaffnet, einen Major-Domo gar nicht übel vorstellt. Kaum wird sie von Luise ersehen, so wird sie auch bereits in Empfang genommen. »Ah Diana! Unsere Zimmer, geschwind unsere Zimmer!« Und nicht Zeit läßt sie der Alten, ihr die Hand zu küssen, sie muß sogleich fort, die Zimmer! die Zimmer! Und hinter uns ein Vierteldutzend schwarzer dienstbarer Geister, jeder etwas von unserer Luggage Reisegepäck. in den Händen. Fort geht es wie im Sturme, durch die Gänge den Zimmern zu. Luise ruft: »Aber mein Gott, Diana, wo willst du denn hin, hast du den Kopf verloren? Da sind ja unsere Zimmer.«

Und Diana lacht und grinset und weist die Zähne: » Monsieur le comte de Rossignolles.«

»Aber mein Gott! Papa Rossignolles hatte ja sonst seine Zimmer über dem See.«

» Le baron de Lasalle«, grinset die Alte wieder mit einem schlauen Lächeln.

»Welche Verwirrung!« schmollte Luise. – »Da siehst du, George, wenn unsereines vom Hause ist, so geht alles bunt über Eck.«

Und fort trippelt sie bereits höchlich ungeduldig der Alten nach, die endlich am äußersten Ende des ewig langen Korridors vor einem Galeriezimmerchen hält und es sofort aufschließt.

Wunderschön dieses Zimmerchen, recht lieblich traulich! – Zitronen- und Orangenzweige ranken durch die Jalousien in das Kabinett, ihr könnt die goldenen Früchte pflücken, ohne die Hand durch die Fenster zu strecken.

»Aber klein, Luise, sehr klein, kaum zwölf Fuß lang, zwölf Fuß breit, enge, gar zu enge, und nur ein einschichtiges Bett.«

»Aber mein Gott!« ruft wieder Luise, »wo hat nur Papa hingedacht?«

Und die alte Diana lacht ihr ins Gesicht, sie aber läßt alles liegen und stehen, faßt mich bei der Hand und rennt fort, wohin weiß der Himmel! Doch fort geht es, durch den ganzen langen Zickzackgang zur Piazza, wo der Papa noch mit den Gästen steht. Wie er Luise sieht, überfliegt ein schelmisches Lächeln das einigermaßen vertrocknete väterliche Gesicht. Sie aber zieht ihn ungeduldig seitwärts: » Viens Papa, viens Papa, qu'as-tu fait?«

Und mit muß er, er mag wollen oder nicht, durch den labyrinthischen Gang; denn wie gesagt, das Haus oder vielmehr die drei Häuser bilden ein wahres chaotisches Labyrinth, das aber wieder mehr Komfort birgt, als ihr darin suchen würdet. – Und vor dem Zimmerchen angekommen, zieht sie ihn hinein, läßt ihn dann stehen, trippelt höchst ungeduldig auf und ab, – einmal, zweimal, recht possierlich ist sie zu schauen, gerade als ob sie die Nußschale von Zimmer abmessen wollte; auf einmal wendet sie sich zum Papa:

» Mais Papa! que penses-tu? – comment nous arrangerons-nous? – mais c'est trop petit.«

Und der Papa lacht – » Mais oui ma chère fille? – mais ma bonne petite, c'est pour ton mari, et ton mari, n'est-ce pas mon cher Howard, vous aimez ce petit cabinet? – et pour toi, ma bonne petite Louise, j'ai le cabinet, qui tient à notre appartement.«

» Mais Papa, comme tu es drôle!« schmollt Luise.

» Mais ma bonne petite Louise! je pensais, que tu aimerais mieux être près de Papa et Maman.«

» Mais tu es bien bon!« meint Luise, läßt aber dazu das Unterlippchen so allerliebst schmollig herabhängen, daß ihr die schneeweißen Perlenzähne durchschimmern; – sonst ein seltener Artikel bei unsern Kreolinnen, sie essen soviel Zucker. Es ist allerliebst, dieses schmollige Gesicht.

Und der Papa lacht und hüpft ein Entrechat zur Wand, und greift unter die Seidendecke des Bettes, und es knarrt eine Feder, und eine vergoldete Handhabe kommt zum Vorschein, und er dreht, und die Schuppenwand bewegt sich, geht auseinander, das einfache Bettchen wird zum doppelten, das Kabinettchen zum geräumigen Schlafzimmer. Luise schaut, klatscht in die Hände, fällt dem lieben Papa, der so wie die Mehrzahl der Kreolen ein mechanischer Tausendkünstler in derlei Bagatellen ist, um den Hals, und der Papa rollt die Wand wieder ineinander und zeigt auf eine zweite Feder, die eine in der Wand verborgene angebrachte Türe öffnet, dann läuft er mit den Worten: » Ah, te voilà bien attrappé« zur Türe hinaus. – Und wir besehen den niedlichen Einfall, die artige Überraschung, um so artiger, als wirklich eine Mauer durchbrochen werden mußte, um seinem lieben Kinde den kleinen Streich zu spielen. Das hätte wieder ein amerikanischer Pa nicht getan, eine solche kurzweilige Idee wäre alle Tage seines Lebens nicht in sein trockenes Gehirn gekommen.

Recht artig, wirklich recht artig! Die beiden Toiletten allerliebst, das Schlafzimmer, im besten Geschmacke eingerichtet, kann nach Belieben in zwei Ankleidezimmer umgewandelt werden. Und Luise trippelt aus einem Zimmerchen in das andere, prüft die Toilette, die verschiedenen Parfümes, Eaus, Bürsten, alle die namenlosen Items; – alles findet sie allerliebst.

»Luise, wollen wir uns nicht umkleiden?«

Und sie legt den Finger auf einen der Knöpfe ihres Reitkleides, – zögert aber; – etwas Neues fährt ihr durch den Sinn. Zuvor muß sie noch sehen, ob das Haus auch noch am alten Flecke steht. »Die Veränderungen, die Improvements,« lacht sie, muß sie zuerst schauen, und ich muß natürlich mit, und die Inspektionstour geht zuerst in das Appartement der Maman, die aber nicht chez elle ist, ein flüchtiger Blick wird auf das Boudoir geworfen, und dann geht es wieder weiter. Diana, die gerade vorüber trippelt, wird mit den vier Schlüsselbünden in Empfang genommen. Und nun beginnt ein Fragen, ein Examinieren! Beide reden auf einmal, jeder Nagel, der während ihrer Abwesenheit eingeschlagen worden, wie er eingeschlagen worden, alles wird erörtert, mit einer Volubilität erörtert! – Es ist etwas Einziges um ein paar voluble Weiberzungen! – Alle Gemächer, die noch nicht besetzt sind, werden im Fluge durchstrichen, in jeden Winkel wird hineingesehen, selbst die Vorratskammern, die Garderobe für die Schwarzen wird nicht vergessen. Bei dieser letztern kommt der Papa dazu. »Papa,« meint sie, »gar zu viele Wolldecken. Was willst du mit all den Wolldecken machen? Die Motten, weißt du.« – Und der Papa lächelt. – »Einhundert Wolldecken könnten wir brauchen«, ist ihre unmaßgebliche Meinung; »wollen darum senden, oder besser, Papa, du sendest sie uns selbst«, – und Papa lacht und nickt, und sie fliegt ihm um den Hals, – » O mon cher Papa« – und er » Ma petite chère Luise.« – Und weiter geht es, nachdem sie ihm die Hand zum Danke für die Wolldecken geküßt. – Alles wüßte sie zu gebrauchen, ich glaube, ließe sie der Pa schalten und die Ma, sie behielten keinen Topf im Hause. Aus dem Hause geht es in den Garten oder vielmehr den Orangen- und Zitronenhain, einige hundert Orangen- und Zitronenbäume sind mit Früchten ganz beladen, das erstemal seit sechs Jahren, denn im Winter von 22 erfroren sie in ganz Louisiana, sie bilden einen deliziösen Kranz goldener Früchte, duftender Blüten; auch hier weiß sie Rat. »Noch ein dreißig bis vierzig Zitronen- und Orangenbäume könnten wir wohl brauchen, George, die unsrigen tragen vor einigen Jahren nicht.« »Aber Luise, wir müßten erst Kübel haben, und sie darin hinabschaffen, die Vorrichtung würde viele Mühe verursachen.« – Aber sie meint: »Laß du dafür nur Papa sorgen, er wird schon Rat schaffen.« Und ich glaube, er würde Rat schaffen, denn in diesem Punkte ist wieder der Kreolenpapa ein ganz anderer als eure amerikanischen Pa's. Je mehr die Kinder plagen, desto lieber ist es ihm – seine Zärtlichkeit hat keine Grenzen, ist wirklich unerschöpflich. – Aus den Gärten springt sie hinüber ins Negerdorf, und kaum ersieht das schwarze Völkchen die Gestalt des Lieblings, so erhebt sich ein Jauchzen, von allen Seiten kommen die Kinder, Knaben, Mädchen frohlockend heran gesprungen, eine ganze Herde von schwarzen Wechselbälgen, wenigstens hundert stark, vom zweijährigen Picanini bis zum zwölfjährigen Mädchen oder Knaben. In jede Hütte guckt sie, ein paar Worte lacht sie hinein und springt wieder heraus, um dasselbe Spiel bei der nächsten fortzusetzen. Fort geht es weiter ins Negerdorf hinab, immer fort, endlich wendet sie sich: »George, wir gehen zur alten Toni, weißt du, die alte Toni, die schon bei Großpapa –«

Es ist die erste Schwarze, die in die Familie gekommen, gewissermaßen die Stammutter der schwarzen Generation auf der Pflanzung. »Toni!« ruft sie, »Toni, liebe, gute Toni, kennst du deine Luise nicht?«

Toni ist eine eisgraue Negerin, die ihr, säße sie in einem Garten im Gestrüppe oder vor einer Eremitage, unfehlbar für eine verwitterte, mit Moos überzogene Statue halten würdet, so ist ihr Gesicht nicht mit Negerwolle, nein, einem Haarmoose überzogen, das auf dem dunkelgrünen versteinerten Gesichte euch wunderbar anspricht. Ihre Augen sind tief eingefallen, und bloß ein zeitweiliges Schimmern des Weißen verrät, daß sie der Sehkraft nicht ganz beraubt ist. Sie ist ein malerisches hundertjähriges Fragment, die alte Toni, wie sie dasitzt, in dreifache Wolldecken, trotz der lieblich-milden Lüfte, gehüllt. Wie sie Luise hört, erhebt sie ihre Stimme, es ist mehr röchelndes Geächze als menschliche Stimme; sie streckt ihre klapperdürre Rechte aus der Wolldecke heraus und erfaßt die Hände Luisens und preßt sie in die ihrigen und schlägt die Augen auf, senkt sie aber wieder, die Abendröte ist zu grell für sie. – » Mon bon enfant!« kreischt sie endlich. Und Luise ruft ihr zu: »Toni! Toni! Du mußt in die Hütte, die Abendluft wird zu kühl für dich«, und die Alte nickt, und wir heben sie und führen sie ihrer Hütte zu, in der eine ihrer Urenkelinnen mit ihr wohnt, und lassen sie auf ihrem Bette nieder, und die Alte kreischt ein nochmaliges » Bon enfant!« Und Luise fragt sie, ob sie zufrieden, ob sie keinen Wunsch habe?

Den hat sie nicht; zur Ehre Menous sei es gesagt, der die Alte wie seine eigene Großmutter nährt und pflegt, obwohl sie mehrere tausend Dollars eigenes Vermögen besitzt, was sehr häufig bei alten treuen Negern, die mit ihren Ersparnissen hausgehalten haben, der Fall ist. Und sinnend verlassen wir die Hütte Tonis, vor der nun die ganze junge schwarze Bevölkerung des Dorfes versammelt ist. Luise hat nun Gelegenheit, ihren ziemlich schweren Reticule zu erleichtern. Und sie erleichtert ihn, jeder erhält seinen Anteil, die größern einen halben, die kleinern einen Vierteldollar, die kleinsten ein Escalin. Der Jubel ist groß, wir müssen uns im Ernste der Zärtlichkeiten erwehren, denn sonst würden wir auf Händen in das Haus zurückgetragen. Zurück geht es endlich auf dieses zu, gerade wie der flammende Feuerknäuel hinter dem Kranze der Traubenkirschbäume verschwindet.

»Wir müssen auf unsere Toilette denken, George«, meint Luise. »Papa sieht bei solchen Gelegenheiten darauf.«

»Er hat recht, Luise; eine elegante Toilette ist das Lebensprinzip eines Salons.«

Doch siehe da! Wie wir vor dem Wirtschaftsgebäude ankommen, finden wir Doughby mit Julie auf einer ähnlichen Tour begriffen, nur daß Julie, weniger beweglich, auch kürzere Entfernungen liebt. Sie steht vor dem Wirtschaftsgebäude, Doughby mit dem Aufseher, einem Monsieur Tricot, vor dem Hundebehälter. Menou hält nämlich ein Dutzend Hunde, auf deren Zucht und Veredelung er viele Sorgfalt verwendet. Es ist eines seiner altadeligen Steckenpferde. Drei Bluthunde von der Höhe halbjähriger Kälber, furchtbare Tiere, aber dabei ungemein edel und schlank gebaut. Doughby hat wieder irgendeine Teufelei im Kopfe; was es ist, weiß ich noch nicht. Er schaut sich die Hunde so inquisitorisch an, und man sieht zugleich, daß ihm etwas durch den Sinn fährt, endlich kommt es heraus. Er will die Hunde heraus haben, ihren Gang und so weiter sehen. Monsieur Tricot dagegen meint, wenn er vier Leben hätte, so möchte er es wagen; drei würden sie in weniger Zeit nehmen, als nötig wäre, eine Kotelette zu verzehren; bloß Monsieur de Menou könne sie meistern. Doughby aber meint, er wolle es probieren.

»Pah, mit ihren Bluthunden und wildem Getier!« schreit er. »Sag' Euch, Schwager, das wildeste Getier ist der Mensch, der ledert sie alle. Sah letztes Jahr so eine wilde Karawane in Neuorleans, einen Löwen und ein paar Bären und Panter, mit denen sie eine Hetze veranstalteten. Schaute mir den Löwen so an, und wie ich ihn mir ansah, kam es mir in den Sinn, und war auch vollkommen überzeugt, ihn ledern zu können. Sagt' es auch dem Tiertreiber, sagte ihm, was gilt die Wette, ich nehme es mit Euerm großmauligen Löwen auf, will ihn ledern. Euch zeigen, wie ein Kentuckier einen Löwen ledert, und mögt noch dazu ein paar Affen und Zibetkatzen an meinen Rockschößen herumzerren lassen, will mit allen fertig werden. Wollte es auch mit einem dieser Bluthunde aufnehmen. Aber wo geht Ihr hin?« ruft er uns nach, die wir bereits die Richtung dem Hause zu eingeschlagen haben, um nicht einer neuen kentuckischen Großtat beiwohnen zu müssen, das beste Mittel, den Wildfang ins Geleise zu bringen. Er hat Lust, man sieht es, zu einem pugillistischen set to Anbinden, Boxen, Fechten.. Vor acht Wochen würde er kaum widerstanden haben, aber sechs Wochen Ehestand machen doch kühler, zahmer. –

»Toilette zu machen«, war unsere Antwort.

»Toilette zu machen?« meint er – sich von Kopf zu den Füßen besehend. »Glaube, wir schauen doch sauber genug aus.«

»Gehen zur Tafel, und die Gesellschaft ist, wie Ihr wißt, eine ausgesuchte – können doch nicht in Stiefeln unsere Erscheinung machen.«

»Habt recht, dürfen uns nichts vergeben, möchten sonst glauben, wären so ein paar Squatters.«

Noch wirft er einen Blick auf die beiden Bären, die an einer Kette gefesselt vor dem Hundezwinger einherschreiten, kehrt ihnen aber dann den Rücken und trabt uns nach.

»Wollen also Toilette machen, nicht wahr, Julie; aber macht es kurz, Schwager; bin bei euch, ehe Ihr es euch verseht.«

»Braucht Euch nicht sehr zu beeilen, lieber Doughby; werden ohnedem noch oft genug das Vergnügen Eurer Gesellschaft haben.«

»Ist im Grunde genommen gar kein übler Bursche, liebe Luise; ein wenig rauh zwar, auch juckt es noch stark in ihm, lodert, brennt heraus wie inneres Feuer, kommt aber doch bereits nicht mehr so stark, die Ausbrüche sind bei weitem nicht mehr so heftig, und eine sehr schöne Falte in ihm ist wieder die Abwesenheit aller Malice, Bösartigkeit. Im ganzen ist doch schon viel Unterschied zwischen dem Junggesellen Doughby und dem Ehemanne zu spüren.«

»Aber noch fehlt die Politur«, meint Luise; »er ist ein halber Barbar.«

»Das ist wahr, wird sich aber geben, denn er hat Ehrgeiz, und dieser, weißt du, ist ein trefflicher Hebel, der den rauhsten Klotz –«

Doch Luise ist bereits in ihrem Kabinett verschwunden, und ich mache mich nun gleichfalls an die Toilette. –

Ich bin bis zum Anlegen des Rockes fertig. Luise tritt soeben im Peignoir in die Türe, in der Hand zwei Kornähren aus Madame Dubois berühmter Blumenfabrik, als es an der Korridortüre klopft.

» Walk in! Treten Sie ein! – Herein!«

Und Doughby tritt bereits umgekleidet ein.

»Doughby, wenn Ihr in zehn Minuten später uns mit Eurem Besuche beglücken wolltet, so glaube ich, unser Vergnügen würde durch die Verzögerung kaum gemindert; Ihr seht, wir machen Toilette.«

»Dann will ich euch nicht stören«, versetzt Doughby. »Komme nur, weil mich Julie mit dem Moskitowedel forttrieb, habe ihr, sagt sie, ein ganzes Blumenbukett verdreht, das, weiß nicht, wie viele Dollars kostet und aus einer weltberühmten Fabrik her ist.«

Luise gibt mir einen Wink, der zu sagen scheint: laß ihn.

»Wohl, Schwager; so nehmt denn Platz.«

»Hört,« fährt er fort, »wenn ich so allein bin, und gar nichts zu tun habe, kommen mir immer Teufeleien in den Kopf, eine nach der andern.«

»Was sagst du, George?« fragt Luise, die die beiden Kornähren über die in einen Knoten geschlungenen Haarflechten hält.

»Recht artig, doch würde ich sie nicht im Knoten, sondern zu beiden Seiten, und zwar mehr liegend, wogend anbringen, beiläufig auf diese Art, sie dürfen das Haar nicht verbergen.«

Und ich legte die beiden Kornähren zu beiden Seiten des Haarknotens.

»Du hast recht, George«, meint Luise, die wieder ins Kabinett zurückhüpft, und in der nächsten Minute coiffiert herauskommt.

»Und Robe, George?«

» Evening Dress, Luise. Weißt, Rosarot steht dir ungemein gut zu deinen blonden Locken und Schelmenaugen.«

»Aber was nimmst du für einen Rock?«

»Braun ist die letzte Mode.«

»Wohl, dann will ich gleichfalls braun nehmen.«

»Auch das kleidet dich vortrefflich.«

Und mein liebes Weibchen schlüpft abermals durch die Türe, Doughby sieht ihr aufmerksam nach, schaut dann mich an, er ist augenscheinlich in Gedanken. Sie kommt wieder hereingetanzt in einer Robe von braunem Gros de Naples.«

»Nun,« lacht sie, »gehe hin und tue desgleichen, ich will unterdessen unsern Schwager unterhalten.«

Und ich ging und tat – den braunen Frack an.

»Die emaillierten Busenknöpfe stehen dir recht gut, George; ich glaube, ich will Brasseletts von derselben Fasson nehmen.«

Und abermals schlüpft sie durch die Türe, kommt jedoch sogleich wieder mit den Brasseletts in der Hand, die sie mir reicht.

»Willst du so gefällig sein?«

Und ich lege die Goldschnallen um die zarten Gelenke, die ich dann küsse, gerade als die mit ihrer Toilette fertige Julie an der Türe klopft, den Kopf hereinsteckt und fragt:

»Darf ich?«

»Siehst du, Doughby!« lacht Julie, auf mich deutend, der ich soeben mit meiner Aufgabe fertig bin.

»Aber Julie,« ruft Luise, die Hände in komischem Schreck zusammenschlagend – »du hast ja noch die Chaussure vom Dampfschiff her!«

»Daran ist Doughby schuld, der mir und Polly den Kopf so wirre machte, daß sie mir wieder die Prünellstiefelchen anlegte. Psyche, gehe und sage Polly, sie soll die grünen Schuhe bringen.«

Und Psyche läuft, und Polly bringt die grünen Schuhe und Psyche das gepolsterte Fußschemelchen, auf das Julie den rechten Fuß setzt.

»Nun, Doughby, wißt Ihr nicht, was Pflicht und Schuldigkeit von einem galanten Ehemann heischt?« sagte ich.

»Was?« meint Doughby.

Ich deutete auf den Fuß.

»Werden doch nicht wollen, ich soll die Schuhriemen auflösen?«

»Er ist's nicht würdig, sie aufzulösen«, meint Luise.

»Da hat meine schöne Schwägerin ganz recht«, lacht Doughby, der sich recht bereitwillig herabläßt, die Schuhriemen zu lösen, und sich bückt, obwohl etwas mühsam ungelenk, und seine Bärentatzen an die Stiefelchen legt.

»Doughby, das ist brav, sehe, es läßt sich etwas aus Euch ziehen, aber was würden Eure Demokraten sagen, wenn sie jetzt einträten.«

» Honny soit qut mal y pense«, erwidert Doughby, der bereits einen Fuß seiner Einfassung entledigt und dafür eine neue substituiert. Während er mit dem zweiten beschäftigt ist, treten der Papa und die Maman ein.

Einen Augenblick schauen sie, angenehm überrascht; die Szene freut sie ungemein, besonders die Maman, die, nach ihrer halbverwunderten Miene zu schließen, Doughby einer solchen Aufmerksamkeit gar nicht fähig zu halten scheint.

»Schwager,« raunt mir Doughby zu, während der Pa und die Ma mit den beiden Töchterchen die Toilette Luisens besehen – »Ihr macht mich noch zum Adepten.«

»Der den Stein der Weisen noch sicher finden wird, Doughby. Merkt Euch das, unsere Weiber sind Kreolinnen, oder was dasselbe sagen will, Französinnen, die zwei Seelen haben, eine äußere konventionelle und eine innere. Erst wenn Euch in diese letztere zu dringen, Euch darin festzusetzen geglückt ist, seid Ihr ihrer sicher, sonst nicht, und das unfehlbare Mittel, da einzudringen, sind diese kleinen Aufmerksamkeiten, Spielereien, sie wollen in der Ehe ein wenig flattiert, kajoliert sein.«

»Wahr, aber ein wenig lästig.«

»Nicht, wenn Ihr Euer Weib liebt – dann ist es eine Lust. Auf alle Fälle laßt Euch ja keine Impolitesse, wie die auf dem Dampfschiffe, mehr zu schulden kommen.«

»Hobelt mich nur immer ein wenig«, meint Doughby, mir die Hand drückend; »brauche es, weiß es wohl.«

Und unsere Lieben, die wieder zu uns treten, unterbrechen unsere weitere Unterhaltung, und die Tafelglocke, welche sich nun hören läßt, führt uns alle heiter und fröhlich ihrem Schalle nach, dem Speisesaale zu. –


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