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I.
Unser Sonntag

Mein Schwiegervater Menou und Nachbarn haben uns letzten Sonntag überrascht; Taby, scheint es, will dasselbe ihren Stammesgenossen heute tun. Sie verläßt in einigen Tagen das Wöchnerinnenzimmer, und ist ganz die sorgliche Wirtin – über und über Beweglichkeit. – Es gibt einen Thé dansant – die Vorkehrungen sind im großen Stile. Am Eingange des Camp Camp: Negerdorf. stehen an die zwanzig Pfähle eingerammelt, unter jedem ist ein Haufen Kieferspäne aufgeschichtet. Sibylle, die bei solchen Gelegenheiten immer die Tonangeberin spielt, wackelt schon seit einer Stunde herum, mit Anordnungen beschäftigt. Sie nickt vertraulich bedeutsam links und rechts, kreischt mir zu: »Maum Maum, Negeraussprache statt Madam. darum wissen, Massa! Maum es erlaubt, Massa!« Die Maum, das ist Mistreß Howard, könnte einen beinahe eifersüchtig machen; an sie appelliert alles, sie ist in aller Munde, Premierminister, Parlament, alles in allem; ich, als Souverän, muß mich mit der Sinekure zufriedenstellen, bin bloße Zugabe. Also die Maum hat zwei Bouteillen Wein für die farbigen Ladies Farbige Ladies, gefärbte Damen; so nennen sich die Negerinnen und ihre Deszendenten., wie sich die Äffinnen titulieren, und ein halbes Dutzend Salzfische gesteuert, nebst einem Schinken, zu dem Phillis, die Kammerzofe, drei Apfeltorten mit eigenen nußbraunen Händen buk, »der Ehre des Hauses wegen; was Nachbarn sagen, wenn keine Torte sehen?« meint die kaffeebraune Nymphe wichtig. Das übrige hat Hannibal, der Gespons Tabys, auf- und zusammengetrieben. Vier Hühner und ein Welschhahn braten in der Rostpfanne; Welschkuchen und Konfitüren stehen in allen Ecken. Woher die Bescherung, läßt sich unschwer erraten. Liberty and property Liberty and property. Freiheit und Eigentum. sind zwar unsere Glaubenssymbole, aber oft kommt es mir vor, unsere Neger lassen uns beim Glauben, und halten es mit den Werken, wie Old Englands Gentry Old Englands Gentry, die vornehme Welt Englands. es mit dem Volke, oder in der fashionabeln Sprache ihres Landes zu reden, mit dem schweinischen Haufen tut, den es recht poetisch den Mund von diesen kostbaren Ingredienzen um so voller nehmen läßt, je leerer es in der Regel ausgeht. – Ja, es ist ein seltsam Ding um den Menschen und seine Sprache! – Zwischen Schein und Sein lernt er nimmer unterscheiden. – Als ich zuerst die hochtönenden Phrasen über britische Freiheit, auf schwergrobem, echt britischem Grunde basiert, alle Völker der Erde als Sklaven höhnend, las, kam mir eine so wunderbare Lust, diese Freiheit mit Augen zu sehen, – könnt es nicht glauben wie wunderbar! Habe sie auch gesehen. Kam mir vor, diese Freiheit, wie unsere Sümpfe mit Nelumboblumen Nelumbo hat breite Blätter, wie konische Gefäße geformte, goldgelbe, tulpenähnliche Blüten, die schaukelnd über dem Wasser emporragen. bedeckt, so herrlich, daß ihr schwören möchtet, ihr sähet festen Grund, aber tretet ihr auf eine dieser Nelumbos, so versinkt ihr, Alligatoren und Snapping Turtles Snapping Turtles, schnappende Schildkröten. Tortue crocodile, sehr gefürchtet von den Negern – ihr Biß ist gefährlich. zur Beute. Freiheit, du lieber Gott! Freiheit! Erinnere mich so mancher Belege zu dieser Freiheit, und wie geistreich John Bull ihren Begriff aufgefaßt. So ritt ich eines Tages von Hydepark herab, Knightsbridge vorbei, Tattersalls zu, bekanntlich nicht weit vom Bartholomew-Hospital, und jede Stunde umlagert von einer Schar emeritierter Helden von Abukir, Trafalgar und Waterloo, die euch wie Jagdhunde anfallen, alles um des lieben Schillings wegen. Auch ich hatte das Glück, ihre Aufmerksamkeit anzuziehen, und ehe ich mich's versah, waren die Zügel meiner Rosinante in ihren dienstfertigen Händen. Es hätte Streit gegeben, wären unter den sechs Individuen mehr als sieben Arme gewesen. Zweien warf ich die Zügel zu, aber vier erfaßten sie, und hielten sie so fest, wie John Bull nur immer einen zu expektierenden Schilling festhält. Als ich die Herrlichkeiten der englischen Roßwelt genugsam besehen, schickte ich mich an, meinen Gaul aus den Händen der dienstwilligen Geister, in deren Gewahrsam er stand, zu erlösen, hatte aber zuvor eine Taxe von vier Sixpence zu erlegen, wofür ich mit der Lebensgeschichte der vier Helden in extenso bereichert wurde. Zwei derselben waren zu Matrosen gepreßt, die andern zur Linie verlockt worden. Konnte mich nicht enthalten, etwas wie Bedauern über ihr herbes Schicksal einfließen zu lassen, kam aber schön dafür an. By Jove, did not I tell ye, if he beent a yankee« By Jove, did not I tell ye, if he beent a yankee. Bei Zeus sagt ich Euch nicht, er sei ein Yankee.; schrieen die Chelsea- und Greenwich-Residenten in einem Atem. A Hurrah, Sir! for old England and her liberty and property! A Hurrah, Sir! for old England and her liberty and property! Ein Lebehoch, Herr! dem alten England und Freiheit und Eigentum!«

Dem einen der Tröpfe war das Bein, dem andern der Arm weggeschossen worden, aber doch schrieen sie liberty, zum Danke für die Sixpence, die sie als Äquivalent für ihre verstümmelten Arme und Beine erhalten!

In diesem Punkte sind unsere Neger aufgeklärter – versichere euch! Wollte nur eines der Glieder unserer hundert oder tausend African Societies African Societies, Verbindungs-Gesellschaften, die die Befreiung der Negersklaven bezwecken. das Elend sehen, in dem die armen Teufel schmachten, den Jammer, unter dem sie erliegen!

Taby empfängt ihre Gäste, von denen bereits ein Dutzend beisammen sein müssen, nach dem Bisamgeruche zu schließen, der aus dem Wöchnerinnenzimmer herausduftet, auf dem Sofa sitzend, mit einem neuen Kalikokleide angetan, das ihr Mistreß Howard heute präsentiert, und wozu ich ein Paar Strümpfe, Schuhe, seidenes Halstuch und zwei Dollars gelegt; in der einen Hand hält sie den Rittikl, in der andern einen Fächer von Welschhuhnfedern.

Unter den Anwesenden sind mehrere farbige Gentlemen Farbige Gentlemen, coloured Gentlemen nennen sich Neger und ihre Abkömmlinge. von benachbarten Pflanzungen, wohlgemerkt! Die nächste ist wenigstens zehn Meilen – alle in Full dress Full dress, im vollen Anzuge – Staate. wie wir sagen. Die Ladies, wehe der Zunge, die ein anderes Wort über die Lippen brächte, in Kaliko-, auch Seidenkleidern, mit Florett-Schals auf den behandschuhten Armen, buntseidenen Tüchern auf den Wollköpfen, ihre Beaus in blauen, gelben, grünen und weißen Fräcken und Jacken, rot-, blau- und grüngestreiften Pantalons, Schuhen und Strümpfen, auch Uhrbändern und Ketten, und so wahr ich lebe, zwei dieser Welselbälge haben Lorgnons, oder richtiger zu melden, Gläser aus Pennyuhren, die ebensogute Dienste tun. Sie haben die neue Fashion an Vergennes und Merveille gesehen und wollen gleichfalls every bit gentlemen Every bit gentlemen, ein vollkommener Gentleman. sein. Soeben tritt Fabius mit Lily ein. Der Bursche hat Pantalons von gestreiftem Kaliko, gelben Nankingfrack und wäre gar nicht übel zu schauen, wenn er statt der Entenfüße, mit denen ihm die liebe Natur einen Possen gespielt – ein menschliches Gestelle hätte. So wie es ist, watschelt er ganz einher, wie diese tergiversierenden Tierchen auch, fühlt aber ganz seine und des Tages Wichtigkeit. Flankierend tritt er ein, Lily, wie es sich von selbst versteht, am Arme, er ganz scharmiert, Lady Taby so wohl zu sehen und ihr seine Aufwartung machen zu können, wogegen Taby sich erhebt, ihren Knix darbringt und ihrerseits nicht wenig erfreut ist, einen Gentleman of so berry good manners Gentleman of so berry good manners. Negeraussprache, ein Gentleman von so guten Sitten. zu sehen.

Wunderliche Geschöpfe, diese Schwarzen! Jeder Zug, jede Bewegung ist Äfferei, die großtuerischste Nachäfferei! Sie werden scheel angesehen, dieser Nachäfferei wegen, gehaßt, gestraft. – Sie ist unsern weißen Mitbürgern und Mitbürgerinnen – eines gewissen Schlages! – ein Greuel und erscheint selbst Hellersehenden ein bedenkliches Prognostikon. Hilft aber alles nichts! Der Neger will nun einmal nicht Neger, er will Weißer sein, und wenn er noch so schwarz ist, so will er in seinen Manieren weiß sein. All sein Dichten und Trachten geht dahin; ganz das Gegenteil vom Indianer, der Indianer sein und bleiben will. Wenn man sie so ansieht, mit ihren odiösen, unleidlich äffischen Manieren – kann man sich bei allem Gleichmut nicht der Galle erwehren. Schwören möchte man, es sei ein Trupp bekleideter Orang-Utans.

Gleich darauf tritt Vitell mit Dinah ein. Vitell ist der Sohn eines alten Afrikaners, mit Pflugscharen statt der Füße und einer Gattung Waden, die wie dreipfündige Kanonenkugeln statt hinten vorne ansitzen; Lippen, die wie mäßig dicke Blutwürste sich von einem Ohr zum andern ziehen – aber einem Gebisse, so weiß, so scharf. Darüber eine platte Nase, tiefliegende Augen. Er stolziert in einer Nankingjacke à la Créole – und gestreiften Pantalons einher, im Jabot eine daumengroße Vorstecknadel.

Wie er die Schwelle betritt, bespielt er wohlgefällig besagte Waden mit seinem Rohrstöckchen, reißt den Mund von einem Ohr zum andern auf und platzt heraus: »Mister Vitell sich die Freiheit nehmen, Mistreß Dinah und Mister Vitell der Lady Taby zu präsentieren.«

Und darauf bricht er in ein schallendes Freuden- oder vielmehr Roßgewieher aus. »Mister Vitell sehr willkommen sein«, lispelte ihm Taby süß entgegen, sich abermals erhebend und knixend.

»Wie sich liebe Picanini Picanini, kleine Negerkinder. befinden, Maum?« wendet sie sich an Dinah.

»Sehr wohl, Maum. Danke, Maum,« versetzt Mistreß Dinah, die all die Weile wie eine Truthenne gerundet, geknixt und sich gedreht. »Picanini sich sehr wohl befinden, nur heute vormittags nicht artig gewesen sein!«

»Was, kleine Gentleman nicht artig gewesen sein! Fy der Schande!« ruft Taby. »Kleine Gentleman doch sonst sehr artig sein.«

» Yis Maum!« Yis Maum. Verdorben, statt Yes Maum. versichert Dinah mit aller möglichen Affektation, »sonst ganz Gentleman sein, er so artig sein, aber ich ihm heute sagen: »Viti, Viti! heute nicht mit Sulla spielen«, (Sulla und Kompagnon Marius sind zwei Neufundländer, mit Fellen so beteert wie die hochschottischen Widder). »Er sagen Yis Maum. Ich ihm die neuen Hosen anziehen, und ihm«, – die Neger haben lauter Ihms – »in einer halben Stunde darauf sich mit Marius im Kote herumbalgen. Ich ihm sagen, Viti kein Gentleman sein, er sagen D–n your eyes Maum! D–n your eyes Maum. V–t seien ihre Augen, Madame. Viti nicht mit Sulla, Viti mit Marius spielen.«

»Oh, er lieber kleiner Engel sein«, versichert Taby.

Ich mußte lachen, wollte ich oder nicht. Aber so sind sie, alt und jung. Gestern morgens sah ich die Türe eines der Welschkornbehälter, die in das Departement Vitells gehören, offen stehen und bedeutete ihm sofort, sie zu schließen. Das tat er nun, schloß die Türe und kroch zu Mittag mit nicht geringer Mühe durch das Schiebfenster, durch das er das nötige Welschkorn zutage förderte und sich dann selbst auf demselben Wege. Den Schieber ließ er, wie es sich von selbst versteht, glücklich offen, und Hühner und Welschhühner feierten sofort ihren Einzug. Vitell, bedeutete ich ihm nachmittags, wozu hilft es, die Türe zu schließen, wenn der Schieber offen bleibt. – Vitell starrte mich an, riß die Augen weit auf und schloß den Schieber. Als er Abendfutter braucht, kommt er ganz perplex zur Maum, kratzt sich hinter den Ohren, fängt an zu stammeln und platzt endlich heraus: »Wie zu Welschkorn kommen, Maum? Massa befohlen, die Türe und Schiebfenster geschlossen zu halten.« Und als ihm nun die Aufklärung wird, stiert er, wie aus den Wolken gefallen, schlägt sich vor den Kopf, bleckt die Zähne und schreit: O Maum, Maum – God bless Maum! Dam, dem Durkies, Maum! Verdorbene Negeraussprache statt O Maam, Madame – God bless Maam! Dan, them Durkies, Maam. O Madame, Madame – Gott segne Madame! – V–e die Welschhühner, Madame!«

Doch zu unserer Teepartie, oder was es werden soll, zurückzukommen. Marion tritt zunächst ein, ein fünfzigjähriger Afrikaner, vom Stamme Kaury, der, trotz seiner bereits vor dreißig Jahren nach Louisiana stattgefundenen Verpflanzung, nicht zehn Worte englisch oder französisch korrekt aussprechen kann. Wie wäre das aber auch möglich bei den ungeheuren Lippen, durch die jedes Wort wie durch eine Brandung durchzischen muß. – Seine Nase ähnelt auf ein Haar einer plattgedrückten, unreifen Feige; selbst die blauschmutzige Farbe nicht ausgenommen. Aber die Herablassung, mit der die fashionable Koterie den Congo Ebony empfängt! Congo Ebony, buchstäblich Ebenholz von Kongo, werden die afrikanischen Neger genannt.

Kein britischer Staatssekretär des Auswärtigen kann sein Empressement insolenter affichieren, gegenüber dem Plenipotentiäre einer Viert-Ranges-Macht. Selbst hier haben wir, was soll ich sie nennen, hierarchische oder aristokratische Abstufungen? – vom rohen Afrikaner, mit dem tierischen Profile des Waldmannes zum Kreolen-Neger Kreolen-Neger, die im Lande geborenen Neger. und weiter hinauf zur träg' verschmitzten Mulattin, die ceteris paribus auf ihre Fraktion weißen Blutes nicht weniger stolz tut, als eure Vicomtesse auf ihr verschleimtes zwanzigahniges. Für den Psychologen und Physiologen müßte ein halbjähriges Studium dieser Geschöpfe ausbeutend werden!

Die Unterhaltung wird unterdessen lebhafter. Es schweben Cäsar und Prona heran. Das gibt Krieg mit Pompei, dessen Weib Prona ist – der aber die Zeit, wie sein Namensbruder, versäumte. Er hat sich zur Meeting des ehrwürdigen Roebuck gemeldet, das fünf Meilen von uns stattfindet, eine Espèce Laubhüttenfest. – Prona jedoch weiß sich zu trösten, allem Anscheine nach. Sie ist eine wahre Hebegestalt, und eine schwarze Taglioni dazu, hat bereits einem Dutzend Männern die Köpfe verdreht, und seit vier Wochen nicht weniger als dreier Ehebrüche sich schuldig gemacht, weswegen sie von Mistreß Howard, die in solchen Punkten keinen Scherz versteht, aus dem Hause verbannt und zur Feldnegerin degradiert worden, mit Androhung in Merveilles Zuckerpflanzung verkauft zu werden. Als sie dies hörte, und es war so ziemlich im Ernste gesprochen, wand sie sich freilich wie ein Wurm, ob es aber helfen wird, muß die Zeit lehren. Jetzt ist sie offenbar gereizt. Lady Tiber, deren Ehehälfte die Geige handhabt, hat laut erklärt, dieser, ihr Mann, dürfte seinem Instrumente keine Harmonie der Töne entlocken, wenn sie von der Partie wäre. Das ist freilich barbarisch, grausam! Sie ist so geschaffen für die Harmonie der Töne! Keine jener schwerhörigen, tückischen Seelen, wie Shakespeare sie nennt, in deren Innern es nicht wiederklingt. – Im Gegenteile, bei ihr klingt es nur zu sehr, so sehr, daß sie mit der Rache der beiden furchtbaren Rivalen, Cäsar und Pompei gedroht. – Alle diese Polizei-Nachrichten werden mir durch Mistreß Howard, die, ein wahrer Fouché in petticoats Fouché in petticoats. Fouchée im Unterröckchen., ihr Näschen überall hineinsteckt, alles an ihrem Fädchen leitet. Alles weiß sie, erforscht sie. Sie ist den Negerinnen und Negern, was den Katholiken ihr Beichtvater und ihre vierzehn oder vierzehntausend Nothelfer; besonders sind ihr die Liebesangelegenheiten unserer schwarzen Liege-Subjekte wichtig. Zum Teile ist dies auch ganz in der Ordnung, ja unumgänglich nötig. Der Aufseher, den mir Doughby zu senden versprochen, ist noch immer nicht erschienen; und so einige fünfzig schwarze – Teufel will ich sie nicht nennen – aber Engel sind sie auch wahrlich nicht – im gehörigen Geleise zu halten, braucht etwas; sie können euch den Kopf warm machen. Es ist ihnen nimmer ganz zu trauen, um so weniger zu trauen, je liebreicher, gütiger ihr sie behandelt. Eine traurige Falte, diese, im Negercharakter!

Cäsar hatte seine Komplimente noch nicht alle links und rechts abgefertigt und beteuert, wie sehr er sich geehrt fühle, Lady Taby von Angesicht zu Angesicht zu schauen, als Prona bereits einfällt:

»O Maum, nicht glauben, wieviel gewisse Leute sich einbilden, weil gewisse Leute in einem neuen Blockhause wohnen.«

Tiber wohnt nämlich in einem der neuen Blockhäuser, auch ist er zum Vormanne der Feldneger und interimistischen Ochsenkutscher avanciert.

» Yis Maum?« bekräftigte Cäsar, der seine gelben Inexpressibles wohlgefällig beschaut, den Kopf einige Male wegwerfend emporschnellt, und dann recht fashionable seine Waden mit dem Rohrstöckchen beklopft.

» Yis Maum!« versichert er abermals und ungemein wichtig.

» Maum she berry bad manners« Statt Maam she has very bad manners, Madam, sie hat sehr böse Manieren. beteuert Prona.

Wenn unsere Neger etwas als recht abominable bezeichnen wollen, heißt es immer: Es hat böse Manieren. So hat der Pflug, das Rind, die Axt oft abominable Manieren.

»O sie horrible Manieren«, bekräftigte Cäsar.

»O Maum, Maum, Sie tanzen gesehen? O Maum! Maum!« schreit Prona, und bricht sofort in ein gellendes Gelächter aus, und die übrigen stimmen ein, und allgemeines Gelächter, so herzinnig, so zwerchfellerschütternd! Ihr glaubt euch in irgendeinem Dorfparterre, und einen Zögling Listons mit seiner angebeteten Dora auf den Brettern. Wohl, so lacht ihr schwarzen Seelen! Wenn ich euch so ansehe, mit euren schwarzen und weißen Tugenden und Lastern, wie ihr des Lebens heitere Seite so unbekümmert fröhlich erfaßt, alles, was Sorge heißt, von euch abschüttelnd, frage ich mich immer: Wer ist wohl der eigentliche Freie? Du, der Herr, oder diese, deine Sklaven?

Das Gegenstück habt ihr an der andern Seite des Wirtschaftsgebäudes; zwei weiße Exemplare, Zimmermann und Schreiner, die einzigen Weißen, die sich zurzeit auf der Pflanzung befinden. Was die Neger an Geselligkeit zuviel zu haben, haben diese zuwenig. Langweilige Subjekte! Zweifle, ob sie den ganzen Nachmittag drei Worte miteinander gewechselt. Der eine, ein Plymouth-Mann aus dem alten England, mit mattblauen Gänseaugen und einem langen Profil, hat statt unserer was Bekanntlich wohs ausgesprochen, wird in einigen Shires Englands wähs prononciert. lauter wäs, und bringt in Cockney- Londoner Spießbürger.Manier das H glücklich da an, wo wir es für überflüssig finden, und so im Gegenteile. Er buchstabiert zu dato aus einem Buche, das der Deckel ermangelt, gähnt regelmäßig alle dreißig Sekunden, legt währenddem den Finger auf die Stelle, wo er aufgehört, wahrscheinlich um zu wissen, wo wieder anzufangen, und fährt dann in seiner Leseübung fort.

Eine Silbe klingt wie die andere; das Buch kann unmöglich Pausen, Kommata oder Punkte haben. Frage- und Ausrufungszeichen existieren darinnen nicht. Monoton, schleppend, gedehnt zieht er ein Wort nach dem andern wie aus einem Radbrunnen heraus, oder wie unsere alten Kreolinnen das Gebet des Herrn herableiern, wenn sie nachmittags in der Kathedrale Von Neuorleans, der Sitz des katholischen Bischofs von Louisiana. ihre Andacht verrichten. Die Geduld möchte einem schier reißen! Muß doch sehen, welche kostbare Geistesessenz es ist, die diesem britischen Gehirne Nahrung zuführen soll.

Ich trete näher und es lautet:

 

»Ich fühle tausend menschliche Regungen in mir nichts Göttliches wenn es nicht gerade das ist was ihr verdammet den Drang zu lieben Barmherzigkeit zu üben die Schwächen meines Geschlechtes zu verzeihen das menschlich ist nachsichtig gegen die Meinigen zu sein Sal Ach das Urteil von Ninive ist denn besiegelt Wehe Wehe der unvergleichlichen Stadt Sard was fürchtest du Sal du bist umzingelt von deinen Feinden wenige Stunden und der Sturm mag ausbrechen und dich vernichten und die Deinen und die Meinen noch einen Tag und Belus Geschlecht ist gewesen Sard was haben wir zu fürchten Sal verräterischen Ehrgeiz der dich mit Schlingen besetzt noch ist Hilfe möglich vertraue mir deinen Siegelring und ich lege dir die Köpfe der Verräter deiner Feinde vor die Füße Sard die Köpfe wie viele Sal soll ich mit Zählen beginnen wo dein eigener in Gefahr ist.«

 

Was, der Henker, kann dies sein? Ich sehe dem Manne, der sich nicht stören läßt, über die Schulter.

»Manen Byrons! Wenn euch herabzuschauen vergönnt ist auf diesen Verehrer eurer irdischen Muse – euer Frohlocken muß unbegrenzt sein!«

»Ihr leset da ein schönes Buch, Mister Wright! nur, sehe ich, fehlt der Titel.«

»Ja, der fehlt, Mister Oward«, bekräftigte der Zimmermann mit korrespondierendem Kopfnicken. »H'Und Schade, daß h'er fehlt. H'Ist h'ein schönes h'und h'erbauliches Buch, andelt vom Propheten Jonah h'und Ninive. Wissen, Ninive, wo der Prophet Jonah gepredigt. Müssen wissen, h'erandelte das Buch vom Kajütenjungen der Marta Glencairn für h'eine Bouteille Rum nebst noch andern Büchern. H'Ihm war der Ruhm, mir sind die Bücher lieber. H'Unteralte mich h'erstaunlich gerne mit Büchern, Mister Oward, h'an Sonntagen nämlich, wäre Schade h'um die Zeit h'an Werktagen.« Hier deutete der Mann, die Wahrheit seiner Worte zu bekräftigen, auf eine zu seinen Füßen stehende Schublade, die nebst seinem Rasierzeuge, Schuhbürsten und Wichse und andern Utensilien, mitunter seine Reisebibliothek enthielt, die Twinsisters, Adventures of Dick Turpin, of the enchanted castle, of a flea I. Akt, II. Szene der Tragödie »Sardanapalus«. und derlei klassische Werke mehr, ungemein divertierend nach seiner unmaßgeblichen Meinung, nur heute, da Sonntag sei, halte er es für schicklicher, etwas Erbauliches zu lesen.

Auf meine Frage, ob er den Jona bereits gefunden, meint er, noch nicht, werde wohl später kommen; aber Nimrod und Ninive und Baal habe er bereits öfter angetroffen; doch könnte er aus dem Ganzen nicht so recht klug werden, manche Worte und Namen kämen ihm auch nicht so ganz biblisch vor.

Und das alles gibt euch der Mann so abgemessen, so positiv von sich, gerade wie der Posthalter eure Briefe; und ihr müßt es anhören, ohne auch nur eine Miene zu verziehen. Wie ich fürderziehe, buchstabiert er weiter im ersten Akt Sardanapals. –

Fünfzehn Schritte gegen das Haus zu brütet der Schreiner, seine Füße al pari mit der Nase an das Hofgeländer gestemmt – über einem Exemplar des preziosen Daily Journal Pfennigsunterhaltungsschriften für die untersten Volksklassen. – In dieses jungen Menschen Leben kann kein grüner Rasenfleck, alles muß öde Wüste gewesen – und noch immer sein! Ihr könntet ihn für einen schlechten Nachdruck des Ritters von der traurigen Gestalt nehmen. Genevre und Kautabak und Laster haben das Gesicht mit jenem Aschkolorit übertüncht, das in der Regel Abzeichen ausgebrannter Leidenschaften ist. Ausgebrannte Leidenschaften, du lieber Himmel! Der junge Mensch zählt dreiundzwanzig Jahre und kam vor acht Tagen mit der Frage ans Land, ob ein Carpenter – Cabinetmaker Carpenter – Cabinetmaker: Zimmermann, (Möbel-)Tischler. vonnöten sei; da es ja hieß, blieb er, und präsentierte sich mir, als ich von den Feldern zurückkam, die eine Hand in der linken Hosentasche, mit der andern ein Stück Kautaback haltend, von dem er abbiß und mich währenddem gemächlich vom Kopfe zu den Füßen musternd – seinen verschossenen Biberhut mit fußhoher Krone auf dem Kopfe, einen schwarzen oxfordfarbigen Frack, in dem er die vier letzten Monate geschlafen haben muß, mit ebensolchen Pantalons auf dem Leibe, alles schlotternd, – schmutzige Strümpfe und ausgetretene Schuhe an den Füßen, ein Päckchen mit Zigarren und Zeitungen unterm Arme, wahrscheinlich seine leibliche und geistige Hauptnahrung – das Ganze ein Bild horribler Apathie. – Ich hielt ihn für eines jener Anhängsel an unsere Gerichtshöfe, die wir im Südosten Blutsauger taufen, fand mich aber im Irrtume, wie ich aus seiner Anrede entnahm, die dahinging, mich zu belehren: Er sei ein Gentleman, der als Carpenter und Cabinetmaker Eines der Hauptorgane der Workies, Handwerksleute in Neuyork. in zeitweilige Verhältnisse mit mir treten wolle gegen gesetzliches Aequivalent. Jetzt wußte ich, wer vor mir stand, einer unserer sogenannten Workies, ein Zögling jener neuen demokratischen Schule, die, wenn uns ja etwas mit dem Fluche des Sklaventumes auszusöhnen imstande ist, es vollkommen zu bewirken geeignet wäre. – Hatte im Norden so manches von dem Treiben dieser Menschen gesehen und gehört, dachte es der Mühe wert, die nähere Bekanntschaft eines Zweiges dieses weit verbreiteten Giftbaumes zu machen – da sie auf keinen Fall viel kosten kann. – Auf meine Frage, was er unter gesetzlichem Aequivalent verstehe, spritzte er einen Strahl kaffeebrauner Jauche aus dem zahnlosen Munde und meinte – einen Dollar fünfzig Cents per Tag, mit gentiler Kost und Wohnung, wie es sich für einen Bürger und Gentleman gezieme.

Ich bedeutete Mister Wright, ihn zur Probe zu nehmen und den Lohn nach seiner ersten Tagesleistung zu bestimmen. Nach vierundzwanzig Stunden kam er in die Galerie, wo ich mich mit Mistreß Howard befand; den Biberhut, wie gewöhnlich, auf dem rechten Ohr, die linke Hand in der Hosentasche, und sich in eine Stellung versetzend, die unsere westlichen Kreolen anzunehmen pflegen, wenn ihre Rinderherden vor ihnen vorbeigetrieben werden. Ehe er begann, spritzte er abermals eine Jauche über die Matte, worüber Luisens holdes Gesicht sich ganz furchtbar verzog; dann meinte er, echt pennsylvanisch lakonisch, er zweifle, ob wir lange beisammen bleiben würden, er vermute, ich wisse nicht mit Gentlemen umzugehen, er sei Cabinetmaker und Carpenter, aber Bürger und Gentleman, der, indem er seine Arbeit vermiete, auf gentile Behandlung nichts weniger als Verzicht leiste. Und es sei nicht gentil, ihm und einem Ausländer auf eine Art Katzentisch seine Speisen früh, mittags und abends in den Saal hinsetzen zu lassen; bei dem Worte Ausländer schoß abermals ein Strahl Jauche aus dem zahnlosen Munde – während wir, ich nämlich und Mistreß Howard, abgesondert in der Galerie äßen; im Norden, Pennsylvanien und Ohio nämlich, habe man mehr Lebensart, da säßen die Gentlemen Journeymen Gentlemen Journeymen: Herren Arbeiter, Tagelöhner. an der Tafel, während Herr und Frau aufwarteten. – »Hörst du, liebe Luise, wie aufgeklärt gentil die Leute in Pennsylvanien sind« – lachte ich, bedeutete aber dem Manne des Hobels trocken, er müsse sich in die Hausordnung fügen oder gehen. Er spritzte auf dieses mein Ultimatum abermals über die Matten hin, blieb aber.

Und wer ihn so sieht und sah, den Hut Tag und Nacht auf dem Kopfe, wie die alten Könige in der Bibel ihre Kronen, der muß und mußte notwendig glauben, er sei einer der souveränen Volkskommissäre, auserkoren, um mein Eigentum nach agrarischen Prinzipien unter ein Dutzend Zimmerleute, Schuster und Schneider zu verteilen. Ein schneidender Hohn umspielt seine Mundwinkel voll brauner Jauche, der zu verstehen gibt: Warte nur, unsere Zeit wird auch noch kommen. Luise wurde recht ungeduldig und beinahe böse, daß ich dem Menschen nicht sogleich den Laufpaß gab. Aber Leute so wie ihn, haben wir Tausende, Hunderttausende im Norden und dessen großen Seestädten. Neuyork, Philadelphia, Baltimore sind mit ihnen angefüllt, von ihnen beherrscht, kann man beinahe sagen. Sie verfügen über die Wahlen, ihre Werkzeuge sitzen in den Assemblies, dem Kongresse. Sie haben ihre Bureaus, ihre Präsidenten, Sekretäre, Emissäre, ihre vollständige Organisation, ihre Zeitungen, die das liebe Volk bearbeiten, ihre Pläne verwirklichen sollen. Diese Pläne sind freilich monströs, aber sie sind nicht neu. Es ist das agrarische Gesetz der Plebejer des alten Roms, was sie wollen, nur nach modernem, echt demokratischem Zuschnitte umgemodelt.

Sie wollen nicht bloß da nehmen, wo zuviel und hinzufügen, wo zuwenig ist; man müsse, ist ihre bestimmte Satzung, diesen beneidenswerten Zustand des Juste-Milieu auch dauernd machen, alles Monopol der Einsichten und Kenntnis aufheben, verpönen. Universitäten, Akademien, seien durch ihre Kostbarkeit bloß Reichen zugänglich, seien die Pflanzbeete müßiger Spekulationen, die Fundgruben aristokratisch-exklusiver Meinungen, überwiegende Einsichten durchgängig mit dem demokratischen Prinzip unverträglich; Mediokrität ist ihr Wahlspruch, nur durch sie erhalte sich dieses kostbare Prinzip in unbefleckter Reinheit.

Ja, so sagen, predigen, lehren sie, und wollt ihr's nicht glauben, so leset eine ihrer fünfzig Zeitungen. Ei, unsere Demokratie! Sie ist ein liebes Ding – auf dem Papiere, aber doch zweifle ich, ob ihr großer Apostel Jefferson, der bekanntlich für das demokratische Prinzip mehr getan als irgendein Staatsmann der alten oder neuen Zeiten. noch im Jahr 1828 derselbe Zelot ist, der er im Jahr 1801 gewesen. – Die Krebsschäden dieser Art Volksregierung treten furchtbar an die Tageshelle. Unsere bisherige Ordnung der Dinge, unser Festhalten am Gesetz, unsere ganze bürgerliche Gestaltung, gestehen wir es nur, hat ihre Betonung, ihre Richtung vom alten England empfangen. Unsere Achtung vor dem Gesetze, das Hauptbollwerk unserer gesellschaftlichen Ordnung, ist großenteils Nachklang von Englands starkem Zügel, mit dem es die Leidenschaften regiert, der tief eingeprägten Autorität, die es seinem großen nationellen Namen zu bewahren gewußt – und die, auf uns übergegangen, auch unserem Staatsschiffe jene günstige Richtung gaben, die noch lange nachhielt, nachdem es das Ruder aufgegeben; so wie das aufgetakelte Schiff seine Richtung noch lange behält, selbst wenn das Ruder verlassen ist. – Allein die Takelung fängt an, gewaltig nachzulassen, das Tauwerk zu reißen, die Autorität von geschichtlich großen Männern ist geschwunden; unsere Schuhmacher, Schneider sprechen von den Washingtons, Franklins, wie von ihren Lehrburschen, jeder glaubt ein besseres Staatsgebäude aufführen zu können. – Das sind traurige Symptome übermütig verdorbener Säfte!

Und wie ich mir den Mann der neuen Schule so besehe, reicht er mir die Zeitung mit einem triumphierenden Lächeln, das schneidend boshaft wird, wie ich ihm seine Aufkündigung gebe. – Wie er liegt, wirft er den Kopf auf die linke Achsel, nimmt einen frischen Biß Kautaback, spritzt die Jauche des ausgesaugten dicht vor mich hin und frägt mich, ob ich ihm nicht einen Rock und ein Hemd mit ein Paar Beinkleidern leihen wolle, seine bedürften der Ausbesserung, er wolle sie aber als Bürgschaft zurücklassen.

Ich wußte nicht, sollte ich lachen oder mich ärgern. In meinem flüchtigen Junggesellen-Leben wähnte ich, die Welt zu kennen, weil ich den bunt gewirkten Teppich ihrer Außenseite mit fröhlich unbefangenem Auge erschaute, jetzt sehe ich meinen Irrtum. In den vier Wochen meines Ehestandes habe ich mehr Schlechtigkeiten unseres Bürgerlebens erfahren als in meinen früheren siebenundzwanzig und dreiviertel Jahren zusammengenommen. Ich wandte dem Menschen mit Abscheu den Rücken. –

Die Sonne hat sich mittlerweile gesenkt, des Mondes Silberscheibe glänzt durch die Magnolien-Kronen vom jenseitigen Ufer herüber; einzelne Griffe am Pianoforte tönen durch die Jalousien; Luise ergeht sich im Reiche der Harmonie; es ist das zweitemal seit unserer Verheiratung. Sie war sonst eine ziemlich starke Spielerin und stärkere Tänzerin, allein mit dem Schlüsselbunde am Gürtel verliert sich Lust und Liebe zur Harmonie sehr bald. Vor dem Hause sind Gruppen unserer Neger und Negerinnen, wahrscheinlich um den Akkorden zu lauschen. Sie lauschen ihnen gerne, den Akkorden; so kam neulich Pompey in den Saal, zähnefletschend, bittend, Maum möchte ihm ein geistliches Lied aufspielen. Maum tat es, und der arme Pompey verlor darüber schier den Kopf vor Freude. Aber das Gesumse, Gemurmel ist zu stark, es klingt wie Spannung; aller Augen sind auf die Fenster und jetzt, da sie mich erblicken, auf mich gerichtet. Wie ich näher zur Piazza schreite, bricht Crassus der ältere auf Crassus den jüngern los: »Du Rascal, du Jackson-Mann sein, du schöner Jackson-Mann, du Schande der Familie, du Neun Neun Hiebe – Rascal Schurke. bekommen. – Du nichtsnützer Rascal sein?«

»Was ist das?«

»Hat sich die heillose Politik auch in die Köpfe meiner Neger verirrt! Sie macht uns genug zu schaffen!« Jetzt drehen und winden sich Tiber und Vitell näher an mich heran, beide sich hinter den Ohren kratzend, den Mund aufsperrend, die Augen furchtbar rollend, so daß ihr nur das Weiße seht, nach Worten haschend. – Endlich bringt Vitell » Massa, Massa, God bless Massa!« heraus.

Ich schaute Vitell ernsthaft an, ohne eine Miene zu verziehen. Sklaven sind Kinder, die euch die leiseste Regung in euren Gesichtsmuskeln ablauschen, und haben sie eure schwache Seite gefunden, euch zu meistern verstehen, trotz einem souveränen Meister.

»O Massa, Massa!« fiel Tiber ein.

Ich schwieg noch immer. In den Gruppen herrschte eine atemlose Stille.

»O Massa, Massa!« hob wieder Vitell an. »Maum.«

Jetzt erst war es meiner patriarchalischen Würde gemäß, zu reden. Ich fragte daher: »Was hat Maum?«

» O Maum, Maum, God bless Maum!« schrien die beiden Neger.

» God bless Maum!« fiel der ganze Haufe im Chorus ein.

»O Massa! Maum! erlauben – O Massa! Maum! erlauben, bit dancing Einen kleinen Tanz.«, hob wieder Vitell an.

Ich wurde ernst.

»Aber Vitell! was werden die Nachbarn sagen? Vor drei Wochen hattet ihr euer Fest, vor vierzehn Tagen das Nachfest.«

»Heute Nach-Nachfest haben«, frohlockt Vitell; »Massa! Nach-Nachfest.« –

»Was werden die Nachbarn sagen? Wir haben Baumwollen-Ernte.« –

»Dam Nachbarn – Dam Baumwollen-Ernte!« schreien Vitell und Tiber.

Ich wurde wieder ernst und ging feierlichen Schrittes der Piazza zu, um die Stimme meines Parlaments und Premierministers zu hören. Der Haufe stand in atemloser Spannung, das Resultat der Konferenz abwartend. Und Luise, die nichts lieber als die Neger fröhlich sieht, meint, daß wir ihnen die Freude gönnen sollten, Papa tue es immer, es sei besser, sie tanzen als grübeln und die Köpfe hängen zu sehen; ohnedem koste es nicht mehr als ein paar Gallons Rum und einige Schinken und Salzfische. Und wie nun die Konferenzglieder, Parlament und Krone einig sind, gibt letztere ihre Sanktion, und der Jubel ist im Lande. Kaum haben sie die Erlaubnis vernommen, so ist auch alles in der tollsten Bewegung; Bockssprünge, Geschrei, Gebrülle, Gesang – alle gebärden sich wie närrisch, Männer, Weiber und Kinder kapriolen wie besessen umher, keine fünfzehn Minuten sind vergangen und das ganze Camp ist wie im hellen Brande. Von jeder der in die Erde eingerammelten Stangen flammt eine Kienfackel herab; die zwanzig Leuchter werfen einen grellen, roten Widerschein auf die schwarzen Gestalten, die, wie ich jetzt ersehe, sich zu ihrem Nach-Nachfeste schon seit einiger Zeit gerüstet haben; es erscheinen nämlich Fahnen wie beim Hauptfeste, aber diesmal haben sie politische Farben, weiß und blau. – Jede Fahne einen Bogen weißen oder blauen Papiers, der beinahe so kriegerisch aussieht, wie unsere Milizen-Fahnen. – Und wie diese haben sie Tschakos, versteht sich, gleichfalls von Papier; und ein Treiben, wie es nicht toller beim Ausmarsche von einem Dutzend Miliz-Regimentern sein kann. Sie haben sich in zwei Parteien abgeteilt; die eine mit weißen, die andere mit blau- und goldpapiernen Tschakos und ebensolchen Fahnen, jede Abteilung zehn Fahnen, die sich schieflinig wie unsere Milizen aufstellen. Man könnte sie für zwei ausziehende Regimenter halten – bis auf die Farbe, – jedes zu dreißig Mann, worunter zehn Fahnenträger, fünfzehn Offiziere, drei Gemeine und zwei Bandisten. Die letzteren sind Tiber und Grachus. Tiber mit seiner Geige, Grachus mit dem Triangel. Was die Musik betrifft, so ist die Jacksonpartei offenbar im Vorteile, denn die Adamiten haben bloß einen Triangel und zwei Kuhschellen. Tut aber nichts. Männer, Weiber und Kinder rangieren sich so stolz um Fahnen und Kuhschellen und heben die Füße so schwingend! Der Tambour-Major eines englischen Grenadierregiments ist ein Holzmann gegen sie.

Tiber gibt mit seiner Geige das Signal.

Und dreißig Stimmen fallen ein:

Hurrah Jackson be a great man, Ho Ho Ho! Jackson ein großer Mann sein. Ho Ho Ho!
Er die Briten blau schlagen, Lo Lo Lo!
Jackson sagt der schwarze Mann für immer,
John Quinci wird Präsident sein nimmer.
Beat them Brittish blows lo lo lo!
Jackson says black man for eber,
Johnny President be neber!

Und fort ziehen sie, dem Tanzplatze zu. Nach ihnen die Adamspartie in unbeflecktem Weiß, das aber gegen das Blaue offenbar im Nachteile ist. Blau bleibt Blau, und gar Gold mit Blau!

Psyche, die Kammerzofe Luisens, die von der Jackson-Partie ist, springt triumphierend an Maum heran, während diese soeben einen Bissen gebratenen Huhns zum Munde bringt – »Maum! um Gottes willen Maum! nur schauen die Adamspartie! Nichts als weiße Fetzen auf den Köpfen, und die Fahnen! Fetzen schmutzigen Papiers! Und die Musik! Nichts als ein Triangel und zwei Schellen! Wohl! Wohl! Psyche nie so jämmerlichen Aufzug gesehen! Fy! – Psyche keinen Adamömann zum Tänzer haben!«

Und empor schnellt Psyche den Kopf, wirft einen Blick souveräner Verachtung auf die weißen Fahnen und Tschakos, und wechselt, was ihr schon zweimal befohlen ist – unsere Teller.

Wie der Blitz aber – wenn nämlich der Blitz eine alte Ente ist – kommt Sibylle hereingewackelt, sie hat im Hintersaale den beiden Zimmerleuten ihren Rum gebracht und Psyche, die ihre Großnichte ist, gehört. Natürlich muß alles liegen und stehen bleiben, um die Ehre der Adamspartie zu retten. Sie ist Aristokratin durch und durch und hat auf dem grauen Wollkopfe einen Capuchon, den sie von der seligen Baronin Carondolet, die vor einem halben Säkulum floriert, geerbt, und den sie nur bei den allerfeierlichsten Gelegenheiten zu deployieren geruht. »Was,« schreit sie, »du Nichtsnutzes Ding! Du Schande der Familie! Du mit dem Besen gepeitscht werden – du Adamspartie lästern! Du Jacksonistin! Du nicht besser als du sein sollst! Du, du!« – und fort trollt sie abermals, um die Adamspartie abziehen zu sehen, die nun gleichfalls ihre Feldmusik hören läßt und den Chorus anstimmt John Quincy Adams ein Alt-Amerikaner sein,
Yankee Doodle, yankee Dandy.
Andreas Jackson nur der Sohn eines schmutzigen Iren.
Ire sagt der schwarze Mann ein Dammée,
Yankee Doodle yankee Dandee.
:

John Quincy Adams be an Old American,
Yankee Doodle yankee Dandee.
Andrew Jackson son of nasty Irishman.
Irishman says black man be a dammée
Yankee doodle yankee dandy.

Ab zieht die kriegerische Schar, in Reih und Glied, so gut es gehen mag, zwei indianische Linien, Mann und Weib, mit Fahnen und Musik, nämlich dem Triangel und den zwei Kuhschellen.

Psyche rapportiert jede Bewegung der beiden Partien, während wir bei Tische sitzen. Auf einmal stockt sie in ihren Berichten. Es erhebt sich ein Geschrei und Gekreisch, das unmöglich das fröhlicher Menschen sein kann. Bangor und der junge Grachus kommen in den Vorsaal gesprungen, der Lärm draußen wird immer ärger. Die beiden Jungen schreien: »Sie abscheuliche Manieren haben, er horribler Neger sein.«

Das Lärmen draußen wird ein wenig zu arg. Psyche gellt uns in die Ohren: »Sie bereits fechten.« Ich saß ruhig, nicht so Luise, aber ich winkte ihr, und sie verstand mich.

»Sieh, was es gibt«, befahl ich Bangor.

Bangor kommt hereingesprungen und stammelt und platzt heraus, wie Tiber und Mistreß Tiber Prona vom Tanze weggewiesen, wie Cäsar die Partei Pronas ergriffen, nach ihm Achill, Priam, Hektor und die halbe Heroen- und Götterwelt, kurz, wie der Krieg im Olymp dem Ausbruche nahe sei.

»Ich lasse Ihnen sagen, sogleich mit dem Tanze einzuhalten« – bedeutete ich Bangor ruhig. Und Bangor springt und Grachus springt und Sibylle watschelt, um den hohen Beschluß zu verkünden.

Ich saß so fest wie ein Friedensrichter über einem Zehndollars-Prozesse. – Draußen trat gänzliche Stille ein. Luise fuhr einigermaßen ungeduldig auf dem Sessel hin und her, was ich aber nicht bemerken mochte, denn Bangor und Psyche bohrten uns in die Augen. Man sah ihnen die Gier an zu lesen, was in uns vorgeht. Endlich erhoben wir uns, Luise und ich, traten gravitätisch an die Piazza und von dieser dem Tanzplatze zu, wo sämtliches Tanzpublikum versammelt ist.

Es ergibt sich aus der gerichtlichen Untersuchung, daß Tiber oder vielmehr Mistreß Tiber die liebenswürdige Prona vom Tanzplatze weggewiesen, daß diese dafür Tiber einen schmutzigen Neger aufgeheißen, und er dagegen sie eine aufgeheißen, die nicht besser ist, als sie sein sollte, worüber der galante Cäsar so entrüstet worden, daß er mit seiner ganzen disponibeln Macht – dem Hirnschädel, gegen Tiber angerückt und ihm eine vollkommene Niederlage beigebracht. Deswegen und von wegen der Störung des Landfriedens wurde als Urteil erlassen, daß Prona sogleich in ihre Hütte, Lady Tiber und ihr Gespons gleichfalls in die ihrige sich zu verfügen haben. Cäsar erhielt ein paar Lungenhiebe und ebenfalls Arrest, und nachdem die Ruhe solchergestalt hergestellt, wurde huldreichst erlaubt, den eröffneten Ball fortzuführen. Die Geige fehlte nun freilich, aber der Jubel über das salomonische Urteil war deshalb nicht geringer.

Das ist so unsere Regierungskunst und Art und Weise. Das qui nescit dissimulare, nescit regnare liegt, wie bei jeder Regierungskunst, auch hier zugrunde. Freilich sind ihre Fäden nichts weniger als fein gesponnen, aber gerade so tun sie ihre Dienste – feiner gesponnen würden sie vielleicht reißen. Die besten Materialien, aus denen sie dauernd und fest gewoben werden, sind eine sich stets gleichbleibende Gelassenheit und Würde, mit der gehörigen Dosis Humanität, die das Wohl der Schwarzen über dem eigenen nicht vergißt, und eine Zugabe von heilsamer Strenge, die erforderlichenfalls nicht in Zuckungen gerät, wenn sie einen Hieb und auch zwei geben soll. Zu viel Zartgefühl in diesem letztern Punkte dürft ihr absolut nicht haben, und habt ihr es, dann taugt ihr nicht zum Herrn von Schwarzen, und diese nicht für euch; aber ihr müsset die Peitsche so wie der Vater die Rute – der Arzt die Medizin gebrauchen, zur Besserung, und nicht, wie der Russe die Knute oder der britische Trommelschläger den Stock, als täglichen Zeitvertreib.

»Du ewiger Perorist«, lachte Luise, mir den Mund zuhaltend. – »Willst du Tiber nicht seiner Haft entlassen?« »Noch eine halbe Stunde und dann wollen wir sehen.« Luise aber meint: sogleich, und daß die Musik auch gar zu erbärmlich sei; »aber dann, Luise, die Geige Tibers hat ja auch nur drei Saiten, und die Harmonie der Töne ist so horribel; und ihn sogleich freigeben, wäre Possenspiel, keine Strafe. Lassen wir ihn noch eine halbe Stunde schmachten, dann werden ihm die vier bis zu Mitternacht um so besser bekommen.« Und Luise neigt ihr Köpfchen und meint »du hast recht«, und wir vollendeten unser Abendessen, und dann erheben wir uns und begeben uns abermals auf den Tanzplatz, wo es so fröhlich hergeht, als hätte das Publikum Wipperts Bande im Orchester. Mit gehöriger Würde winke ich dem Dreizacke und den Schellen Stille, und verkündige sofort sämtlichen Liege-Subjekten, wie sie auf die Vorbitte von Maum wieder ihre volle Tanzmusik haben, und auch Tiberina und Cäsar hüpfen dürfen, Prona nicht ausgenommen, die gleich der Sempronia, berüchtigten Andenkens, die Füße zierlicher hebt als nötig, auch gebührlich ist. Und allgemeiner Jubel – und ein allgemeines God bless Maum! und ein Dutzend eilen den Inkarzerierten den hohen Beschluß zu verkünden, und Begnadigte erscheinen und hören noch eine zweiminutliche Strafpredigt, und dann geht der Jubel erst recht an. Tiber schüttelt und drückt Prona die Hände, Cäsar und Tiberina grinsen vor Freude.

Es ist nicht möglich, fröhlichere Gesichter als die eurer Neger zu schauen, wenn sie so recht von Herzen überzeugt sind, daß ihr es gut mit ihnen meint. Im Norden und auf euern St. Philippsbällen tanzen die Leute auch, aber was sind ihre geschnörkelten verkünstelten Tänze gegen diese Natursprünge und die con amore-Tänze unserer Kreolen-Negerinnen. Sie nehmen euch Attitüden an, die feste Grundsätze erfordern, um kalt zu bleiben. Wollust und Sinnlichkeit leuchten aus jeder ihrer Bewegungen. Die Männer sind Bengel gegen sie und verderben ihre zierlichsten Pas; dafür erhalten sie aber auch, besonders wenn sie aus dem Tanzkreise hopsen, von Crassus, der zwei Fahnen, eine weiße und eine blaue in der linken Hand, als Zeremonienmeister mitten inne steht, Maulschellen, die irgendeinem andern als Negerschädel noch nach acht Tagen Ohrenklingen verursachen müßten.

Drinnen im Vorsaal sitzen die beiden Zimmerleute, verdrossen debattierend, und gerade so lange, als die zwei Rumbouteillen währen, die ihnen zur Sonntagsfeier hingestellt worden. Angefüllt taumeln sie ihrem Lager zu; hier draußen denkt die Mehrzahl kaum an des Trinken, obwohl sie es sonst nichts weniger als hassen; aber die Gegenwart ihrer Ladies! Auch in diesem Punkte ist der Neger Affe.

Quadrille folgt auf Kotillon, Ecossaise auf Walzer; diesen letztern tanzen die Mädchen unvergleichlich. – Man kann nichts Üppigeres schauen! Und wie endlich die Mitternachtsglocke das Zeichen zum Aufbruche gibt, kommen die Männer mit ihrem humblesten Kratzfuße, die Weiber knixend, alle God bless Massa, Maum schreiend, gellend, brüllend. – Hochvergnügt und doch nicht übersättigt, trollen sie, nachdem die Leuchter alle ausgelöscht sind, ihren Hütten, die fremden Neger ihrer Herren Pflanzungen zu. Erst nachdem diese letztern fort sind, wird es ruhiger.

Einzelne Gestalten weilen noch vor den Türen in ihren Gärtchen, plappernd und lachend; allmählich verhuscht auch die Stimme dieser, der Bullfrosch läßt sich dafür lauter hören, das stöhnende Gebrülle der Alligatoren vom Flusse herüber, das schrille Geschnatter einzelner Wildgänse – die Nacht hat ihre Flügel über die westliche Hemisphäre ausgebreitet. Ruhet sanft ihr alle.

Uns war kein Schlaf gekommen. Luise zog ihren Mantel mehr über die Schulter, und ihren Arm in den meinigen gelegt, schlendern wir, von Marius und Sulla umwedelt, durch das Dorf – dem Säuseln des Nordwestwindes lauschend, der von den Palmettofeldern jenseits des Flusses herüber wunderlieblich unsere Wangen fächelt.

Es ist eine wunderliebliche Nacht. Der Mond mit seiner blau und grüngolden funkelnden Scheibe, sie leuchtet, als wäre sie aus Myriaden von Feuerkäfern zusammengesetzt, im hellblauen, wolkenlosen Firmamente – lächelt so freundlich herab, – der Geist, wir empfinden es, erhebt sich, die Sehnen schnellen elastischer; wir fühlen uns so wohl, so selig! – Wir umschlingen uns inniger; auf einmal!

»Was ist das? – Sulla, was gibt es?« Sulla wedelt mit dem Schweife und Marius wendet die Schnauze nach einer Negerhütte, wie um uns aufmerksam zu machen.

Ich ward ärgerlich über dieses Unterbrechen. Einer dieser v–ten schwarzen fremden Nachtwandler, der zurückkehrt – diese Negerinnen sind doch ärger als …

»Es ist einer der unsrigen,« bemerkt Luise, »sonst würden Sulla und Marius nicht so ruhig sein.«

Ihr Geflüster wird durch eine gellende Stimme unterbrochen:

»Pyrrhus ordentlicher Neger sein; Pyrrhus nicht die ganze Nacht von seinem Weibe wegbleiben, das nicht Pyrrhus sein.« –

»Was Teufel ist das? Wer ist da? – Luise, bleibe hier! Muß doch sehen! Es ist die Hütte von Pyrrhus und Venus, ihre Stimme; aber ihr Gezänk klingt so originell, und Originalität ist sonst ihr Fehler nicht.«

Luise zieht ihren Arm zurück, und ich trete einige Schritte vor und sehe Pyrrhus vor seiner Hütte, am ganzen Leibe wie Espenlaub zitternd.

»O süße, liebe, gute Venus! Mistreß Venus! Pyrrhus nimmermehr spät ausbleiben – Venus um Jesus willen! Venus Barmherzigkeit haben – aufmachen – es Pyrrhus sein«, bat Pyrrhus; »Pyrrhus schönes Seidentuch zum Präsent bringen, er alles bringen. O Venus! Mistreß Venus! Lady Venus! Nur diesmal verzeihen, daß Massa Maum nicht hören.« –

»Venus, Venus,« gellte es in der Hütte, »nicht von Pyrrhus venusiert sein wollen, sie nichts mit ihm zu tun haben wollen, das nicht Pyrrhus sein, das ein liederlicher Neger sein, der sagen, er in der Predigt gewesen, und er bei Symmes gewesen.«

»Schöne Venus! Gute Venus!« bat Pyrrhus vor der Türe; »Süße Venus! Um Gottes willen! Mich einlassen, sonst Massa hören, es Pyrrhus sein, Pyrrhus in der Predigt gewesen.« –

»Nicht wahr sein,« rief es von innen heraus, »Pyrrhus ein Gentleman sein, er gute Manieren haben, er bei seinem Weibe zu Hause bleiben, aber der Neger vor der Türe, Maroon Neger Entlaufene, in den Wäldern umherschweifende Neger., schelmisch, liederlich, diebischer Neger sein.«

Die Szene war gar zu drollig. Von innen heraus eine Hexe von Negerin, die dem armen Pyrrhus seine Identität abzustreiten daran ist, – und der arme Sünder, vor Angst mit den Zähnen klappernd und immer wieder die holde Göttin beschwörend, bei allem, was einem Neger heilig ist, versichernd, daß er Pyrrhus sei; – sie entgegenschreiend, er sei nicht Pyrrhus, Pyrrhus sei ein Gentleman, der Pyrrhus aber vor der Türe ein schlechter, liederlicher, bösen Weibern nachlaufender Neger. –

Das, fürchte ich, wird auch wenigstens zur Hälfte der Fall sein. – Pyrrhus wäre sonst kein übler Junge, arbeitsam und auch ziemlich treu. Ich habe seinetwegen die holde Venus von Bakers Station herab in meine Pflanzung mittels vierhundertfünfzig Dollars beschworen, nur um das ewige Geläufe los zu werden; aber wer sich dem Dienste Cytherens ergibt, hat eine lausig böse Gewohnheit angenommen, die eine starke Kur braucht. Es scheint, er ist abermals auf dem Wechsel und in seinen Exkursionen nach besagter Station begriffen, die ihm bereits so manchen Buckel voll Schläge von den dortigen Aufsehern zuwege gebracht. Auch dieses Mal, seinem Jucken und Frösteln nach zu schließen, dürfte er nicht leer ausgegangen sein. Es ist richtig, wie ich vortrete und ihn bei der Schulter erfasse, zuckt er zusammen, duckt sich, wie einem Hiebe auszuweichen, schaut verwildert auf und fällt, wie er mich erkennt, sogleich auf die Knie.

»Pyrrhus!« sprach ich – »ich sehe, du bist zeitig auf.«

»Zeitig auf sein, Massa«, wiederholte Pyrrhus in lakrymosem Tone.

»Dir ist kalt.«

»Kalt sein, Massa.«

»Aber es ist doch gar nicht kalt, Pyrrhus.«

»Gar nicht kalt sein, Massa«, stammelte der schwarze Polonius.

»O Massa! Massa!« rief es innerhalb der Türe.

»Venus! Was gibt es?«

»Massa! Massa!« ruft Venus, die nun die Türe aufreißt und im Negerinnen-Negligee, das heißt, einem Fragment von Hemde, herausfliegt: »O Massa! Pyrrhus abscheulicher Neger sein. Venus ihn nicht mehr zum Manne haben wollen, er sagen, er in die Predigt gehen, und er zu Symmes gehen.«

»Saubere Geschichten, Pyrrhus, muß ich von dir hören. Gestern meldetest du dich zur Predigt, schworst mir, du würdest in die Predigt des ehrwürdigen Roebuck gehen.«

»Massa! Pyrrhus zum Erbürdigen Roebuck gehn.«

»O Massa! Pyrrhus abscheulicher Neger sein. Schauen Massa, wie er zum Erbürdigen Roebuck gehn. O Massa! Massa!«

Und unter diesen Worten, gar nicht träge, beginnt sie dem wie ein Schlachtopfer zitternden Pyrrhus die Jacke, das Hemd abzuziehen, und im hellen Mondlichte auf die Geißelstriemen zu deuten. Pyrrhus hat nach der abermaligen Niederlage, scheint es, seinen Mut gänzlich verloren und läßt geschehen. »Massa mehr schauen«, schreit Venus, die in ihrem Kammerherrndienste weiter schreitet, worin ich aber einstweilen einzuhalten für gut befand.

Währenddem geht die Türe der Pyrrhus zunächstgelegenen Hütte auf; der Wollkopf, der zum Vorschein kommt, gehört Pompey an, welcher sich gestern gleichfalls zur Predigt gemeldet.

»Also das ist deine Andacht, Pyrrhus!« hob ich in ominösem Tone an – »das deine Andacht, zum Meeting meldest du dich, schwörst, du wollest in die Predigt, und statt in die Predigt zu gehen, läufst du allen liederlichen Dirnen nach und verläßt dein Weib, dem du vor vier Wochen angetraut worden.«

Pompey sprang mir buchstäblich in die Rede. Wie er war, im Hemde, hopst er vor mich hin! Der Triumph lacht aus allen seinen Zügen.

»Ah Massa!« platzt er heraus; »Pompey in der Predigt gewesen sein.«

»Und Pompey das Maul halten, bis die Reihe zu reden an ihn kommt.«

»O Massa! Massa!« schrie der zerknirschte Pyrrhus.

»Massa! ihm nicht glauben, er lügen, er lügen, wie ein schwarzer Neger.«

Pyrrhus und Venus sind Mulatte und Mulattin, das heißt von einem weißen Vater abstammend, wogegen Pompey ein echter Ebony ist. Er fährt bitterböse auf Venus los: »O Massa, Venus Mulattin sein! Sie Mulattin sein! Ha, ha! – sie wie noch in Bakers Station gewesen, alle Männer einlassen – ha, ha! – sie nicht besser sein, als sie sein sollte!«

»Halt das Maul, Pompey, sag' ich dir, und du, Venus, das deinige auch.«

»Also Pyrrhus bei Symmes gewesen und Peitschenhiebe bekommen?« fragte ich diesen.

Der Neger gibt nie Wahrheit von sich, solange noch eine Lüge möglich ist.

»Pyrrhus nicht bei Symmes gewesen«, heulte Pyrrhus recht unköniglich.

Ich hatte Bangor, der meine Stimme gehört und herbeigekommen war, gewinkt.

Er brachte die Peitsche, die ich hob.

»Also Pyrrhus nicht bei Symmes gewesen?« fragte ich schärfer.

»Pyrrhus bei Beards gewesen«, heulte der Neger.

»Und nicht bei Symmes?« fragte ich abermals, während die Peitsche daran war, auf den Rücken des Lügners herabzufallen.

»Pyrrhus bei Symmes gewesen«, jammerte er endlich.

»Massa!« schrie Venus – »Venus nichts mehr mit Pyrrhus zu tun haben, er lügen wie abscheulicher Neger, er sagen, er in der Predigt gewesen.«

»Und Massa sagen, Venus das Maul halten, sonst er es ihr stopfen.«

»O Massa! Massa!« schrie Venus unverzagt – »er abscheulicher Neger sein, er allen Mädchen in Bakers Niederlassung nachlaufen.«

Das schrille Gezänke hatte nun meine Neger alle aus ihrer Ruhe aufgescheucht. Wie Gespenster kamen sie von allen Ecken und Enden heran.

»Schöne Geschichten«, fuhr ich im Tone von Uncle Tobys Korporal fort. »Schöne Geschichten, die ich von dir hören muß, Pyrrhus. Hast nun das dritte Weib, und nie wird des Gelaufes ein Ende.«

»O Massa! Massa!« schrie Pyrrhus, »sie böses Weib sein, sie sagen, Pyrrhus kein Gentleman sein, er abominable Manieren haben.«

»Sie hat recht, Pyrrhus«, bekräftigte ich.

»Massa!« schrie der zerknirschte Neger abermals. »Pyrrhus es nimmermehr tun, er künftig in die Predigt gehen, er es schwören bei Jesus.«

»Er Jesus sagen – er bei Jesus schwören, er verdammt sein«, fiel Pompey mit verdrehten Augen ein.

»Halt's Maul, Pompey! Oder ich will dich v–n.«

»Für diesesmal«, sprach ich, »sei es dir verziehen, Pyrrhus, da du bereits vom Aufseher von Mister Symmes Pflanzung deinen Teil erhalten hast. Wärest du zu Hause geblieben, wie ein ordentlicher Schwarzer, so hättest du getanzt und deinen Rum und andere gute Dinge gehabt. Geschieht es nochmals, so wanderst du nach Merveilles Zuckerpflanzung. Brauche keine liederlichen Neger, die ihre Weiber zu Hause sitzen lassen und andern nachlaufen. Du weißt, ich scherze nicht.«

Der Neger stürzt wie ein Klotz mir zu Füßen. Venus' Herz ist gleichfalls erweicht, wie sie von Merveilles Zuckerpflanzung hört.

»O Massa, Pyrrhus verzeihen! Venus ihm verzeihen, er lieber, lieber Pyrrhus sein.«

Ich winkte ihr Stille.

»Und du, Pompey,« wandte ich mich nun zu dem einigermaßen eingeschüchterten Rivalen Cäsars, dem aber ein besseres Gewissen aus den Augen leuchtet, »von dir werde ich wohl ähnliches vernehmen müssen?«

Pompey ist ein stämmig untersetzter Bursche, mit Achseln und einem Schulterblatte, die zu einer Herkulesbüste als Modell dienen könnten, sehr brav, treu und fleißig. Er ist seit der Ankunft des Reverend Roebuck sein unverdrossenster Besucher und läßt auch bereits den Kopf nach Art und Weise der Methodisten hängen, ein Umstand, im Vorbeigehen gesagt, der Mistreß Howard gar nicht gefallen will. Auch mir nicht. Aber der Neger ist, so wie ich, eine Kreatur seines Schöpfers und soll ihn daher verehren nach seinem Belieben und Kräften. Und er tut es auf Negerweise; wo er geht und steht, singt er geistliche Lieder.

»Massa!« schrie Pompey, die Augen rollend und verdrehend – »o Massa! Pompey in die Predigt gehen, er gerne gehen. Es seine Freude sein – er hören, er singen – o Massa! So schöne Lieder singen.«

Und sofort verdreht er abermals die Augen, hebt sie gen Himmel und beginnt zu singen:

O Jesus my hope and joy! O Jesus meine Hoffnung und Freude sein –
O Jesus Pompey dein Bube sein.
Pompey be o Jesus thy boy.

Aus welchem Gesangbuche er diese verzweifelten Reime her hat, weiß ich nicht, aber diese Methodistenprediger haben wunderliche Weisen.

Ich schüttelte den Kopf.

»Das ist kein geistlicher Gesang, Pompey; Pompey, du bist nicht in der Predigt gewesen. Ich fürchte, du hast die Predigt wie Pyrrhus gehört«, setzte ich im strengem Tone hinzu.

»O Massa! Massa!« schrie Pompey. »Pompey in der Predigt gewesen sein, er alles wissen, er alles hören. Pompey Massa alles sagen.«

Ich schaute den Neger ernster an. »Pompey, du hast ein gutes Mundwerk, aber –«

»O Massa!« schrie Pompey; » Rebend Roebuck Verdorbene Aussprache statt Reverend Roebuck. schöne Predigt sagen, Massa; o Massa! Er schöne Predigt halten, Massa! Schön predigen«, schrie er immer frohlockender. »Er sagen, wir Jesus lieben, wir Jesus im Herzen tragen.«

»Und was weiter?« fragte ich scharf.

»O Massa! Er sagen, wir Jesus lieben, und immer lieben.«

»Und weiter?«

»Er sagen, daß alle die böse Neger seien, die bei Jesus schwören, sie verdammt werden.«

Ich sah den Neger schärfer an. –

»Er sagen, Jesus unser Trost und unsere Hoffnung sein, Massa! Ja, er das sagen, Massa! Trost und Hoffnung und unsere Liebe. Oh, er schöne Predigt sagen«, stammelte er.

»Und was weiter?«

Pompey reißt die Augen weit auf – bleckt die Zähne und stockt eine Weile. Endlich fährt er heraus:

»Weiter, Massa? Massa! Er immer sagen, wir Jesus lieben, Jesus unsere Liebe sein.«

»Alles recht gut, und liebe Jesus, und tue, was Jesus befohlen, und es wird dein Schaden nicht sein.«

Pompey war hoch erfreut.

»O Massa!« rief er; »Pompey Jesus gerne lieben, immer lieben, im Herzen tragen, aber Pompeji –«

Hier hielt er inne, fuhr mit beiden Händen hinter die Ohren und begann sich zu kratzen.

»Was will Pompey?« fragte ich.

»O Massa!« schrie Pompey, sich noch immer hinter den Ohren kratzend und mich stier anschauend, offenbar verlegen, wie seine Worte an den Mann zu bringen.

»O Massa!« schrie er abermals.

»Und was?«

Eine Weile stockt, stottert er, endlich stammelte er wie verschämt im leisen, zutraulichen Tone: »O Massa! Pompey sagen, Pompey gerne wissen – ob Jesus weiße oder schwarze Liebe gewesen, weißes oder schwarzes Mädchen?« platzte er heraus, den Mund weit aufreißend und mir in die Augen glotzend, offenbar sehr gespannt, über den wichtigen Punkt Aufklärung zu erlangen.

Ich bin nun Neger-Naivitäten so ziemlich gewohnt, aber diese brachte mich beinahe aus der Fassung.

»Jesus ist Mann gewesen, Pompey«, versetzte ich mit allem mir möglichen Ernste.

Der Neger schaute mich an, wie aus den Wolken gefallen – beinahe böse.

»Ah, Massa spaßen, Pompey nur zum Narren halten«, versetzte er kopfschüttelnd.

»Wenn Jesus Mann sein, warum Massa Roebuck sagen, wir lieben –«

»Jesus ist Mann gewesen, der Sohn Gottes, so lehrt es unsere Religion«, versetzte ich mit geziemendem Ernste.

Der Neger schüttelte den Kopf stärker und schaute mich forschender an, zweifelhafter; und als ihm endlich der ernste Ausdruck meines Gesichtes die Überzeugung aufdrang, schrie er ganz toll: » Dam dat Roebuck! Was für Sachen er uns da von Jesus lieben sagen, wenn Jesus Mann gewesen; wofür wir ihn im Herzen tragen? Dam him dat Roebuck«, schrie er immer giftiger. »Was er das sagen! Wir Jesus lieben, wenn Jesus Mann gewesen! Pompey schon vier Sonntage seinen Rum und Salzfisch und zweimal schöne Frolie verloren; er von Roebuck nichts mehr wissen wollen, er seine Predigt nicht brauchen. Er kein Narr sein. Was er Jesus lieben, wenn Jesus Mann gewesen. Dam dat Roebuck!«

»Tue, was dir am besten scheint«, sprach ich, über des Negers antireligiöse Sinnesveränderung nichts weniger als aufgebracht. »Ein ordentlicher Neger ist Sonntags zu Hause und sorgt für seine Familie und sein Weib.«

» God bless Massa and Maum!« schreit Pompey und Pyrrhus und Venus und alle küssen nun die Kleider der vortretenden Maum und ziehen sich zurück, nochmals » Good night, Massa Maum!« schreiend.

Mir war es vollkommener Ernst. Heilig, wie mir Religion ist, und wie sie jedem reflektierenden Wesen sein muß, und Achtung, wie ich vor der vollen Gewissensfreiheit jedes vernünftigen Geschöpfes habe, so ist mir diese Religionskrämerei, dieses Oppositionswesen unserer Methodisten, Tunker, Presbyterianer, Quäker, und wie sie heißen, ein wahrer Greuel, denn alles wird euch so kaufmännisch betrieben, sie ziehen euch umher, werden ausgesandt wie Musterreiter, diese ehrwürdigen Herren; die vielleicht vier Wochen zuvor die Nadel oder den Riemen verlassen haben, um die Köpfe unserer Indianer und Neger mit ihren kruden Ideen zu füllen und sie aus halb blödsinnigen Tröpfen zu totalen Narren zu machen. Ich habe noch nie einen Neger oder Indianer durch diese Missionäre gebessert oder bekehrt gefunden, wohl aber Hunderte, die eine noch weit empörendere Sprache führten, als die ich soeben gehört. Alle Achtung vor dem wahren geistlichen Berufe und den Männern, die sich in die Wildnis begeben, um unsere Indianer durch sittigende Beschäftigung zur religiösen Erziehung vorzubereiten; – mit diesen Camp-Meeting-Predigern aber verschont mich.

Bin nur begierig, was der ehrwürdige Roebuck sagen wird. Gestern war er über Mittag bei uns und näselte sehr über den wenigen Eifer unserer Neger, und wie er trotz seiner vielen Bemühungen im Weinberge des Herrn nur erst zwanzig Reben anzupflanzen vermocht. Diese zwanzig Reben, worunter auch Pompey, verursachten ihm aber wahren Trost, besonders Pompey, an dem er vielen Beruf, ja eine Art Zerknirschung und Verzückung spüre. Eine saubere Zerknirschung, Verzückung!

»Luise, wollen wir nicht ins Haus?«


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