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V.
Die Kreolen

Und wir stehen sprachlos – unsern Sinnen kaum trauend und die Gruppen anstarrend, und was wir sehen, ist so recht kreolisch, französisch, daß es uns zu jeder andern Zeit ausnehmend divertiert haben müßte, aber in diesem Momente wird es durch den Kontrast wirklich so unbeschreiblich widrig für einen Amerikaner! Unten dreißig bis fünfunddreißig Männer jedes Alters, jeder Beschäftigung, vom Holzhauer, Jäger, Viehhändler hinauf zum Senator, in gesetzlicher Versammlung das Wohl des Landes – gleichsam im Fluge beratend; Männer, die den Fluß heraufkommen, von allen Enden des Staates, der Union, ihren Heimaten, den Ihrigen zueilen, hören die Stimme eines Delegierten und geben Heimat und Weiber und Kinder und was ihnen teurer ist als beide, money making Geld schneiden – Erwerb. auf, um die Stimme des Vaterlandes zu hören, und hier! –

»Mein Gott!« seufzt Mistreß Houston. »Sind wir denn wirklich in unserem Lande, in der Union, in Louisiana, auf einem unserer Flüsse? Ist es Traum oder Wirklichkeit! – Kann es so unglaubliche –.« Sie spricht den Satz nicht aus, aber Ekel malt sich in allen ihren Zügen. –

»Du hast recht«, brummt Richard ingrimmig; »mit solchen Geschöpfen läßt sich nichts tun.« –

»Nichts tun«, setzt Mistreß Houston trostlos hinzu.

» Tra la la la la la tra la la la la la,« gellt es aus den Kehlen der holden Madame Dutang und Monsieur Rideaus und zur Abwechslung wieder: » Ha ha ha ha ha ha ha! Tidi tidi di!«

Und zu dieser Musik, deren Akkorde wie die lieblichen Töne unserer Welschhühner über das Verdeck hingackern, wirbeln, im Kranze verschlungen, Kreolen und Kreolinnen und hüpfen und springen Entrechats und Pirouetten und Galoppaden und Allemanden, angestarrt von Negern, Negerinnen und – uns.

Da ist der fünfundfünfzigjährige Bontemps, nicht durch zierliche Rundung der Formen anziehend, mit Ausnahme eines Bäuchchens, das wie eine mäßige Pauke ihm vorne anhängt, und mit den leichten Schafbeinchen ein recht unartig in die Augen springendes Gegenstück bildet; diese Schafbeinchen heben sich jetzt zum Entrechat, wieder hüpfen sie in der Galoppade mit Elstersprüngen über die Bretter des Alexandria hin, schleifen im Polonais pas sanft auf dem Estriche, die holde Demoiselle L'Estaing, eine Schönheit von fünfunddreißig Jahren und neun Steinen Stone Stein. Ein Stein ist 20 Pfund., ist ein wunderlieblicher schweißtriefender Partner; sie hat mit Luise, ich knirschte vor Wut mit den Zähnen, soeben die Aufgabe, der Teufel weiß was – ans Tageslicht zu fördern. – Rideau, der fünfzigjährige gelbbraune Rideau, dem die Schöße seines Frackes à l'incroyable, wie der Pennant eines Kommodore nachflattern, ist ihr Partner. Beide drehen sich einmal, zweimal, dreimal auf den Zehen herum, übertreffen sich selbst, werden mit einem gellenden Bravo ermuntert, einem » Divine! Superbe!« – Julie mit Demoiselle Levieux schweben hinter Floretschals von blaurotem, Demoiselles L'Estaing, Porlieux hinter den ihrigen von grüngelbem und blauweißem Farbenschmelze, sie bilden eine Iris, hinter der Bontemps, Le Vieux, Dutang, L'Etaing, die alle vier recht wohl ihre zweihundertzwanzig Jahre aus dem Rücken haben – etwas vorstellen, was, weiß der Himmel und diese Narren am besten. Figuren folgen auf Figuren, Pirouetten auf Entrechats, alles das nach den harmonischen Kehlentönen Monsieur Rideaus und Madame Dutangs, die, ein Blatt in den Händen haltend, singen: Ta ta ti ti Titi ta, Tata titi ta, lala lilli la, lalla lilly la, und abermals zur Abwechslung Ha ha hihi ha, ha ha hihi ha.

Als Maître de danse steht Monsieur Dufant, mit dem Sonnenschirme seiner Frau bewaffnet, regierend, mit Händen und Füßen den Takt gebend, encouragierend, auch kokettierend, trotz Podagra, Dispepsie, Hydropsie, ferner Zahnlosigkeit, Haarlosigkeit, Marklosigkeit. –

Man möchte aus der Haut fahren. –

Jetzt erspäht uns Leblanc, der mit der Miene eines Schiedsrichters bei den olympischen Spielen jede Bewegung der Paare klassifiziert, aber sofort offiziös an uns herantrippelt:

» Ma foi Misthere de Howard – haben Sie jemals gesehen, diese Leichtigkeit von Madame Howard – ah dieses Port au bras, dieses graziöse Halten des Kopfes. Und Madame Doffby! Misthere de Howard belieben Sie zu bemerken, wie unvergleichlich sie diese Galoppade – ah dieses Chassé en avant – incomparable! adorable! Bravo! Bravo! – Wirklich incomparable!«

Oben am Rande steht der Steuermann, zuweilen einen Blick der tiefsten Verachtung auf die alten Kinder herabwerfend, und vom Gallion stieren Neger und Negerinnen herüber, so verblüfft über den ex abrupto-Ball, daß ihre Augen rollen und bloß das Weiße zu sehen ist. Einige der Mädchen heben bereits ihre strumpflosen Füße und setzen sich in Positur, um die Pas ihrer Gebieter und Gebieterinnen in ähnlicher Vollkommenheit darzustellen. Auf einmal ersieht mich Luise, gleich darauf Julie – die beiden kommen fröhlich an uns heran.

»Lieber George – du siehst, wir haben uns eure Abwesenheit zunutze gemacht.«

»Sehe es«, versetze ich ein wenig trocken; »das ist wirklich eine Überraschung.«

Jetzt kommen auch die übrigen heran.

» Ah Madame Houston, ah Misthere Howard.«

» Messieurs et Mesdames!« schreit Levieux und Madame Dutang, die das Orchester bilden. – » Messieurs« gellt der Maître de danse – »il faut finir la figure.«

Monsieur Bontemps trippelt eilig an uns heran.

» Voici Misthere Howard, eh bien! Sehen, wir haben uns Ihre Abwesenheit zunutze gemacht.«

»Sehe es, sehe es, habe es schon von meiner Frau gehört.« –

» Ah Messieurs les Americains préfèrent la politique à toute autre chose, nous la danse.« –

»Wissen Sie aber auch, teurer Misthere Howard, was die Figuren repräsentieren?« fragt Bontemps geheimnisvoll; »bis jetzt bloß eine schwache Nachahmung,« fährt er, mir ins Ohr lispelnd, mit ungemeiner Wichtigkeit fort, »eine schwache Nachahmung für jetzt; sollen es aber dignement auf unserem Balle produziert sehen, das Ballett.«

»Du sagst doch zu, teurer Howard; Papa ist gleichfalls mit Mama und Charles zugegen. Er soll am siebenten November sein.«

»Wo Sie, Misthere Howard, das Ballett: die Vermählung Amors mit Psychen, in seiner ganzen Vollendung schauen sollen. Mais,« flüsterte er, die Finger auf den Mund legend, » mais c'est entre nous, Misthere de Howard, seulement entre nous. Ah,« fuhr er halb verzückt fort, »hätten Sie sie gesehen, Mittwoch abends, die göttliche, die entzückende Latrobe. Sie wissen doch, die Latrobe, die soeben angekommen –«

»Aus Paris«, fiel Rideau ein, der bereits ein dutzendmal um uns herumgetrippelt.

»War Kammertänzerin der Herzogin von Angoulême«, kreischte Porlier.

»Nicht doch, der Herzogin von Berry«, verbessert ihn Dutang. »Ihre Königliche Hoheit hat den Freuden der Welt entsagt.«

»Arme Dame!« jammern sie alle.

» Divine Creatur!« frohlocken sie gleich darauf.

»Hatten das Glück, sie in der Soirée M–ys zu sehen, einen Vorgeschmack! Einen ganz divinen Vorgeschmack«, lispelt der gute Bontemps, mit der Junge schnalzend.

»Ah, Misthere Howard!« seufzte er; »O Latrobe!«

»Göttlicher Abend!« fallen die übrigen ein.

So ging es fort volle fünf Minuten. Keiner von uns konnte zu Worte kommen, sie trippeln um uns herum, als wenn sie einen Eiertanz durchführten, jauchzen, frohlocken, klatschen in die Hände. Es sind wunderbare Menschen, diese Kreolen!

» Mais,« gellt endlich Rideau mit erhobener Stimme, » il faut finir la figure; Madame Houston, Monsieur Howard désireront peut-être voir.«

»Ganz und gar nicht«, meint Mistreß Houston trocken.

Die Kreolen räuspern sich, husten, sehen sich mit bedeutsamer Miene an, werfen einen Blick des Mitleidens auf die arme Mistreß Houston. Ich unterbreche endlich ihre Pantomimen mit den Worten:

»Aber wissen Sie, daß auch wir soeben unten einen Tanz aufführen gesehen?«

»Einen Tanz aufführen gesehen. Sie einen Tanz ausführen gesehen?« frägt Bontemps, eine Pirouette hüpfend.

»Unten in der Shentelmens Cabin?« Rideau, der einen Entrechat produziert.

»Von den Backwoodsmen?« brechen alle mit lautem Gelächter aus. –

»In der Gentlemens Cabin,« versetzte ich trocken, »einen Tanz, der mir gar nicht gefällt.«

»Ah, das glauben wir gerne, Misthere Howard. » Ma foi, les Backwoodsmen!«

»Und wirklich haben die Backwoodsmen?« – fragten mich alle, erstaunt über die Vermessenheit der Backwoodsmen.

»Bin ganz im Ernste, Messieurs! – Unsere Mitbürger, von denen, wie Sie wissen, einige sehr angesehene Pflanzer sind, führen soeben unten einen Tanz auf, nach der Musik meines Schwagers Doughby, der mir gar nicht gefällt.«

» Mais mon Dieu! Misthere Doughby un musicien?«

Die Kreolen sehen mich mit offenem Munde an. –

»Sie halten, so wie Sie, die Probe«, fuhr ich fort, »zu einem gleich großen Ballette, in dem sie Ihnen selbst den Rang ablaufen dürften, wenn Sie nicht beizeiten fürsorgen.«

»Misthere de Howard beliebt zu scherzen«, versetzt Bontemps halb beleidigt.

»Messieurs, ich würde es mir nicht erlauben, mit Männern wie Sie zu scherzen, ich rede im vollen Ernste, wenn ich Ihnen sage, daß unsere Mitbürger die Probe zu einem Ballette tanzen, das dem Ihrigen den Rang ablaufen wird, wenn Sie nicht –«

» Ma foi!« schrien Kreolen und Kreolinnen verwirrt untereinander.

»Mein Schwager ist ein guter Tänzer, und ein noch besserer Musiker, er teilt soeben die Partien zu dem großen National-Poll aus.«

»National-Ball?« wiederholen die Kreolen.

»Dem großen National-Poll,« fuhr ich fort, »der nächsten Montag, wie Sie wissen, abgehalten werden soll« –

»Großer National-Ball, Sie sagen Poll, teurer Misthere Howard, pardon! Wir sagen Ball.« –

»Mesdames!« kreischen Rideau, Bontemps und L'Estaing. »Haben Sie etwas gehört von einem National-Ball?« –

»Kein Wort, keine Silbe, nichts, gar nichts«, erwidern diese.

»Misthere Howard!« rufen alle.

»Aber doch zum Poll haben Sie, Messieurs, eine Einladung erhalten?«

»Scherz beiseite«, fragten die Kreolen immer ängstlicher; »ist wirklich die Rede von einem Ball? Haben Sie wirklich gehört?«

»Und Sie wissen nicht, daß Montag –«

»Was ist Montag?« rufen alle.

Mein Gott! Die ganze Union widerhallt von einem Ende zum andern, ist in Aufruhr; Millionen von Bürgern sind in tödlicher Spannung; aller Augen sind nach Norden und Osten gerichtet, und die guten Menschen wissen, sehen, hören nichts.

»Und was ist Montag?« fragen abermals die Kreolen.

»Ah!« schreit Levieux, der unterdessen mit Madame Dutang zärtliche Blicke gewechselt, herüber: Ah Messsisurs, je m'en souviens, savez-vous, écoutez, c'est l'affaire avec ces polls, l'élection de nos mandataires pour l'élection du Président et Vice-Président.«

» Mais quelle –« fällt Bontemps ein, höchst verdrießlich, ohne jedoch auszusprechen.

» Naiseries, naiseries, Misthere Howard«; versichert Rideau – »wie Sie uns erschreckt haben; dachten wirklich, es sei ein Ball.«

» Ce ne sont que les Polls«; gellt Porlier darein. » Qu'est-ce que nous importent ces Polls.« –

» C'est pour, nous tous égal,« kreischt Levieux.

» Tout égal si Misthere Ehdems ou Misthere chose, comment s'appelle-t-il? Chose, Chose« Rideau.

» Schekson,« hilft ihm Bontemps aus – » c'est un barbare.«

» Oui, c'est un barbare,« bekräftigt Levieux.

» Un tyran«, L'Estaing.

» Un Kentuckien«, Rilieux.

»Wer ist ein Barbar, ein Tyrann, ein Kentuckier?« schreit Doughby, der unbemerkt von uns an der Spitze seiner neugeworbenen demokratischen Schar aufs Verdeck gerückt, die letzten Worte gehört und sogleich eine Erklärung derselben zu heischen sich berufen findet. »Ah, Howard,« raunt er mir freudestrahlend zu, »sehe, habt mir eine Gegenmine gelegt, will sie sprengen, bei Jove! Will nur ehrlich Spiel. Wer ist ein Barbar, wer ein Tyrann? Wie kommen diese Ehrentitel in Verbindung mit einem Kentuckier?«

Der plötzliche Einbruch des Wildfanges mit seiner Kompagnie hat unsere Kreolen einigermaßen verschüchtert – sie stieben wie Welschhühner, unter die der Turkey Buzzard Welschhühner-Geier. eingebrochen, auseinander, sammeln sich jedoch wieder, wie sie die kalten, hohnsprechenden Mienen der Hinterwäldler näher ins Auge fassen, der französische Stolz regt sich.

» Ah Misthere de Doughby,« nimmt Bontemps das Wort; » nous parlons de Misthere chose, chose.«

» Misthere Schekson«, hilft ihm Rideau darein.

»Sie parlieren von dem Dinge, dem Dinge Mister Sheksen«, parodiert Doughby die Kreolen zu seinen Demokraten gewendet, mit einem Blicke, einer Miene, die die souveränste Verachtung ausdrücken. »Hat je einer so etwas in seinem Leben erhört?«

»Der alte Knabe«, schreien ein Dutzend Stimmen, »sollte geteert –«

»Und gefedert Tarred and feathered, geteert und gefedert. Ein Zeitvertreib, den sich der Pöbel bekanntlich mit jenen unglücklichen Wichten erlaubt, die sich ihm besonders verhaßt gemacht haben. werden«, fiel ein anderes ein.

»Nein, das nicht«, mahnt Doughby und mehrere Pflanzer; »sind in einem freien Lande, Männer, dürfen nicht vergessen, daß der arme Narr nur wiedergibt, was ihm von andern gegeben worden. Aber Mounshur,« wandte er sich auf einmal mit einer Donnerstimme zu Bontemps, »muß Euch belehren, daß das Ding, das Ding, das Ihr Shekson heißt, mehr amerikanisches Blut unter seiner Nagelspitze hat, als Ihr in Eurem ganzen Körper, daß es Generalmajor in diesen unsern Vereinten Staaten ist, Kongreßmitglied, Senator gewesen ist – auch Gouverneur von Florida, ferner seinem Lande einige Dienste geleistet gegen die Indianer, die Engländer, versteht Ihr, einige wesentliche Dienste, um mich ja eines recht bescheidenen Ausdruckes zu bedienen, und daß gewöhnliche gute Sitte eine andere Sprache fordert.« –

» Mais Mithere de Doffby!« fällt Dutang ein, der großmütig sich Bontemps an die Seite stellt, offenbar mit dem Entschluß, diesem einen ehrenvollen Rückzug zu sichern.

» Mais Mounshur, freut mich. Euch zu sehen«, ruft Doughby mit einem sardonischem Lächeln; »grüße Euch und alle Eure Kompatrioten und Kompatriotinnen, aber wie gesagt, ein Ding, Ding solltet Ihr den Mann nicht nennen, dem Ihr es verdanket, daß Ihr und die Eurigen, Eure Frauen und Töchter noch am Leben seid, und nicht unter den mörderischen Klauen Eurer Neger verblutet.«

» Mais pourtant.« –

»Verblutet«, fährt Doughby fort; »denkt an den Dezember 1814 und die ersten acht Tage im Januar 1815 – werden jetzt vierzehn Jahre sein. – Damals war er kein Barbar, nicht wahr, als ihr alle heultet und zähneklappertet und umherliefet wie Küchelchen, wenn die alte Henne in Schrecken versetzt ist? Wie der Tory Packenham herüberkam mit seinen roten Söldnern, da wußtet ihr nicht, wo aus noch ein? Habt es aber seither vergessen, daß die guten Tories in England ein Regiment Schwarzer von Jamaika in rote Röcke gesteckt, mit dem humanen Auftrage, eure Neger zu revoltieren, ihnen zum Stützpunkte bei ihren philanthropischen Großtaten zu dienen, euch nämlich die Kehlen abzuschneiden. Habt es vergessen, daß derselbe Sir Edward Packenham sehr generös diesen seinen Söldnern die Plünderung der Hauptstadt versprochen? – Ah Messieurs! Habt ein kurzes Gedächtnis, aber eure Damen haben ein besseres – verstehen den Wert des Mannes besser zu beurteilen, die hießen ihn keinen Barbaren, sondern bekränzten ihn mit Blumen und küßten ihn trotz seinem grauen Barte und seinen Borstenhaaren und Runzeln, und führten ihn jubelnd in die Hauptstadt ein, die er allein befreit von dem furchtbarsten Feinde durch seine rastlose Tätigkeit, Tapferkeit, Ausdauer, Mut und Entschlossenheit. Sage euch, Ehre den Kreolinnen, die das Verdienst würdigen, kenne sie, die Kreolinnen, habe selbst das Glück, eine mein zu nennen.«

»Ehre, Ehre den Kreolinnen!« rufen sämtliche Demokraten. –

Die Kreolen sind sichtlich aus der Fassung gebracht durch die plötzliche Wendung, die der Wildfang seinem Angriffe zu geben weiß, während die Kreolinnen geschmeichelt nähertreten und den Mann durch Lorgnons und Gläser zu mustern beginnen. – Feurige Blicke fliegen ihm aus den funkelnden schwarzen Augen entgegen, und wie er so dasteht, sein Auge in hoher Zufriedenheit strahlend, seinen Blick auf Julie gerichtet, gewinnt er im Strome seiner kentuckischen Beredsamkeit einen ganz eigenen Reiz. – Er steht wie ein Sieger; seine imposanten Körperformen, durch den geistigen Reiz erhöht, machen ihn nun wirklich zum schönen Manne. Und wie ich ihn mir so betrachte, geht mir in dem Manne auch ein neues Licht auf, und ich sehe die Art und Weise, wie sich unsere großen Autodidakten, die Clays, die Henry Patricks und so viele andere zu Rednern, zu Staatsmännern gebildet, gewissermaßen in Doughby personifiziert. Er ist ein ganz anderer, ein neuer Mensch geworden.

» Mais Misthere Doughby,« hebt nun Rideau seinerseits an – » nous ne voulions pas dire; de grace, nous disions.« –

Doughby steht erwartend, wie der Richter den stotternden Verdächtigen fest ins Auge nehmend.

»Ihr wolltet nichts sagen, nichts sagen,« wiederholt er, »nicht wahr, nichts, als was die Yankees oben sagten – nicht wahr?«

» Oui, oui, c'est la chose.«

»So erlaubt mir gefällig, Euch einige erklärende Noten zu diesem Yankeetexte zu liefern. – Merket wohl, dieselben Yankees, oder vielmehr die Söhne jener Yankees, die sich im Revolutionskriege so tapfer gegen die Briten geschlagen, hatten in der Zwischenzeit von Anno 1783 und 1812 es in der Aufklärung so weit gebracht, daß sie den zweiten Krieg von 1812 auf eine ganz andere, eine neue Weise zu führen meinten. Sie wollten die Briten durch ihren Handel, ihre Manufakturen besiegen, britischer Anmaßung Widerstand leisten auf Yankeeweise, nicht aber mit den Waffen; deshalb war ihnen die Kriegserklärung von 1812 ein Dorn im Auge, deshalb weigerten sie sich, Truppen zu stellen, deshalb wurden sie gewissermaßen Alliierte der Briten. Während ihr hier zittertet und zagtet, waren die Blue lights von Connecticut, die Evening post men von Neuyork, die Websters, die Dwights die besten Freunde der Briten und ließen die blauen Feuerkugeln an der Themse in Connecticut aufleuchten, alles in der wohlwollenden Absicht, diese ihre Alliierten aufmerksam zu machen, wenn der von ihnen blockierte Decatur mit seinem Geschwader auszubrechen versuchte. Dieselben heroischen Männer wollten auch die sechs New-England-Staaten von der Union trennen. Daß diesen Yankees nun, bei solcher patriotischen Denkweise, der General, der ihre Alliierten, die Briten, schlug, ein Greuel ist, das werdet ihr jetzt begreifen können, daß dieselben Yankees keinen Strohhalm darum gegeben hätten, wenn die Jamaika-Schwarzen euer Louisiana revoltiert und eure Neger euch die Gurgeln abgeschnitten hätten, mögt ihr um so sicherer glauben, als diese Yankees fromm philanthropische Abolitionisten sind. – Messieurs! Die Yankees haben Ursache, oder glauben sie zu haben, den General zu hassen, aber daß ihr dieselbe Sprache führt, das hat er um euch nicht verdient.«

»Bravo, bravo!« erschallt es von allen Seiten, und ich stimme selbst ein, und, o Wunder! Mistreß Houston nicht minder. – Unter den Kreolen jedoch scheint die meisterhaft bündige Auseinandersetzung nicht großen Anklang gefunden zu haben – die Armen gähnen.

» Mais pourtant cette affaire avec les six milices – on rencontre à Nouvelle-Orléans de scandaleuses – d'horribles …« –

»Man zeigt«, ergänzt Doughby den zaudernden Kreolen, »skandalöse, horrible Placarde in der Hauptstadt, nicht wahr? Und ihr natürlich nehmt diese Dinge aufs Wort, weil sie in Holzstichen abkonterfiert, und die Texte darunter gedruckt sind.«

»Steward!« ruft er einem horchenden Mulatten zu, »lauft mir in mein Schlafzimmer, werdet zwei Packe mit Papieren auf meinem Nachttische finden, bringt sie mir.« –

»Werde sie euch zeigen, Messieurs, und Gelegenheit geben, den Mann von seiner schlimmsten Seite kennen zu lernen. – Ja, das wollen wir, Gentlemen«, wendet er sich an die Demokraten. »Wer, wie der General, sein Licht auf den Scheffel stellt, und nicht unter den Scheffel, der soll beleuchtet werden, von allen Seiten beleuchtet werden; das Volk, die Nation soll, muß ihn kennen lernen, den ersten seiner Beamten, seiner Diener. Wollen ihn beleuchten.«

»Steward, habt Ihr gebracht? Gentlemen, ihr kennt sie – Messieurs, ihr sollt sie kennen lernen, die Placarde, die horriblen, die skandalösen, die Karikaturen, Spott-, Schmähbilder, die euch so sehr erschrecken; alles, was über den Mann gesagt wird, was die giftige Kröte von Cincinnati, der schmutzige Soidisant-Demokrat von Philadelphia gegen ihn ausspie, sollt ihr sehen, hören – lesen, nämlich wenn ihr lesen könnt«, setzte er leiser im verächtlichen Tone hinzu. –

Und so sagend tritt er in stolzer Haltung auf den Steward zu, nimmt ihm eines der Pakete ab, reißt die Bindfaden auseinander, und verteilt die Bilderbogen, wie der Schullehrer die Bilderbücher unter seine freudig und ängstlich gespannte Jugend verteilt.

»Sehe wohl,« spricht er im hingeworfenen Tone, »daß ihr läuten gehört habt! Messieurs! Aber nicht wißt wo, müssen eurem Ortsgedächtnisse zu Hilfe kommen und euch Materialien liefern, im Falle ihr eine Volksgeschichte dieser unserer Vereinten Staaten schreiben wollet.«

Und die Arme verschränkend, tritt er einen Schritt zurück und beginnt eine kursorische, gleichgültige Unterhaltung mit seinen Demokraten.

Die Kreolen schauen unterdessen und starren die Holzstichbilder kopfschüttelnd an, die auf großen löschpapiernen Bogen abgedruckt der Devisen mancherlei haben; die größten führen als solche:

» Account of some of the bloody deeds of General Jackson, with the Resolutions of Mr. Sloane of Ohio etc. etc.« Bericht über einige der blutigen Taten General Jacksons, mit den Resolutionen Mister Sloanes, Kongreßmitglieds von Ohio usw.

Obenan knien die sechs Milizenmänner mit verbundenen Gesichtern hinter ihren Särgen; vor ihnen stehen neun ihrer Waffengefährten und der die Exekution kommandierende Offizier, aus seinem Munde eine flammende Zunge das Wort Fire sprühend; darunter ein anderer armer Tropf, John Woods, wegen Insubordination in die andere Welt expediert; rechts Charles Dickenson Esq., vor ihm Jackson, die Pistole abdrückend und schreiend: » I'll have your hearts blood« Ich will euer Herzblut fließen sehen.; tiefer unten der wimmernde Neil Cameron, alle zum Sprechen getroffen, in Holzschnitten dem lieben Volke zur geistigen Nahrung und Aufklärung von seinen nordischen Freunden zugemittelt. Das Manöver Doughbys wäre unter andern Umständen eines der gelungensten zu nennen: der Kunstgriff, auf diese Weise ein aufgeklärtes Volk, dem die Verhandlungen des vielmals aufgeregten Prozesses in ihrer ganzen Stufenfolge bekannt sind, umstimmen zu wollen, ist zu grob; selbst Mistreß Houston fühlt das Unwürdige dieses Gaukelspieles, mit einem Manne getrieben, der heldenmütig für sein Land gefochten und geblutet, während seine Gegner sich gegen dasselbe mit den Feinden verbunden. Sie und Richard wenden ihre Augen von den ekelhaften Bildern. Doughby steht wie ein Verfechter der guten Sache, sein Auge schweift ernst, forschend über die Gruppen, nur zuweilen verzieht sich sein Mund zum Lächeln. –

»Messieurs!« spricht er endlich: »Ihr seht, wo hinaus die Beschuldigungen laufen. – Sechs Milizenmänner werden während seiner Abwesenheit in New-Orleans vor ein Kriegsgericht in Mobile Die Schmähschriften, von denen hier die Rede ist, beziehen sich auf Tatsachen, die während der Kriegsjahre 1814-15 stattfanden. gestellt und von diesem zum Tode verurteilt wegen Desertion und Konspiration, der General bestätigt das Urteil, und sie werden erschossen. So wird John Woods durch ein Kriegsgericht abgeurteilt und erschossen, so Neil Cameron. Messieurs, was würdet ihr, was würde, ich sage nicht euer Napoleon, nein, unser großer Washington getan haben – mit Soldaten, die, statt vor den Feind, au diable gehen?«

Bontemps und L'Estaing nehmen Prisen – die übrigen murmeln ein: » Ma foi, parbleu, Morbleu, Fistre!«

Doughby hält eine Weile inne, nimmt dann das zweite Paket aus der Hand des harrenden Mulatten, öffnete es, und das Paket in seiner Hand wiegend, beginnt er abermals:

»Messieurs! eine andere, eine womöglich noch härtere Beschuldigung enthalten diese Placards. Sie besteht in nichts geringerem, diese Beschuldigung, als daß der General einem Bürger seine Ehefrau abwendig gemacht, sie von ihm genommen und zu seiner Frau gemacht habe. – Er wird beschuldigt, die Gattin des Obersten H–n aus dem Hause ihres Mannes verlockt und sich mit ihr ehelich verbunden zu haben.«

»Doughby,« raunte ich ihm zu, »Ihr habt einen desperaten Kasus zur Hand genommen.«

»Messieurs!« fährt Doughby fort – »ein schwerer Vorwurf dieser, denn die Heiligkeit der Ehe, eines bürgerlichen Kontraktes, auf dem die Sittlichkeit des ganzen gesellschaftlichen Verbandes beruht, ist groß, ist gewissermaßen das Kriterion der Sittlichkeit der bürgerlichen Gesellschaft selbst. Messieurs! dieser Fall verdient nähere Beleuchtung, scharfe Beleuchtung, parteilose strenge Untersuchung. Wir wollen diese Untersuchung anstellen, denn wir haben die Beschuldigung mit dem Schmähblatte gedruckt vor uns, wir wollen sein Vergehen, denn Vergehen ist es auf alle Fälle, streng richten; – zuerst wollen wir die beiden Angeklagten vernehmen. Wer sind sie? Was finden wir, Messieurs? Wir finden, Messieurs, einen jungen kräftigen Mann, in der Blüte seiner Jahre, einen jungen Advokaten, der bereits in seinem vierzehnten Jahre seinem Vaterlande als Volontär Dienste dadurch geleistet, daß er, von den Briten gefangen genommen, sich weigerte, ihren Offizieren Dienste zu leisten.«

»Hört! Hört!« rief es von mehreren Seiten.

»Als der Befreiungskrieg vorüber, widmet sich der junge Held –«

»Der weiß doch die Geschichte mit dem Stiefelputzen ins Licht zu stellen«, flüstert mir Richard zu.

»Widmet sich der junge Held«, fährt Doughby mit einem Seitenblicke auf uns fort, »den Rechten. – Der Weg des Rechtes ist ein langer Weg, Messieurs, führt nicht so schnell zum Reichtum wie der des Unrechtes – das wißt ihr. Jackson schlug den längeren, mühsameren, aber ehrenvolleren ein, ward Verteidiger der Unschuld, der Unterdrückten, die Stütze, der Anker der Witwen und Waisen, der Gegenstand der Bewunderung aller Guten und Rechtschaffenen. Der Ruf seiner glänzenden Beredsamkeit dringt zu Ohren der Miß N., die, ein holdes Mädchen, für den Mann, der eine so schöne Rolle spielt, in Liebe entbrennt. Er empfindet gleichfalls das Süße der Liebe, die Liebe regt sich in seiner Brust, sein Herz kommt der holden Miß entgegen; – aber dazwischen treten die Eltern.« –

»Doughby, Ihr werdet auf einmal prosaisch.«

»Dazwischen treten die Eltern und sagen zu ihrer Tochter: Mister Jackson hat keine Mittel, Oberst H., der dir die Ehe anbietet, hat aber die Mittel – die Tochter läßt sich sagen und gibt dem Oberst H. ihre Hand.« –

»Gut,« fährt Doughby fort, sich mit dem Seidentuche den Schweiß von der Stirne trocknend, die zarte Liebesepisode hat ihm warm gemacht, scheint es, und viele Mühe – »gut,« wiederholte er, »die Miß N. zieht in das Haus ihres Gatten, der sonst ein respektabler Mann ist, aber doch nicht vergessen hat, daß seine Mistreß, wie sie noch Miß gewesen, auf Jackson hinübergeschielt hat. – Er läßt es sie fühlen, sie natürlich in ihrer Unschuld fühlt sich gekränkt, leidet das nicht, er wird heftiger, beginnt sie zu mißhandeln. – Sie, im Bewußtsein, dieses nicht verdient zu haben, verläßt sein Haus und entflieht zu ihren Eltern. –

Wohlgemerkt, zu ihren Eltern«, spricht Doughby mit starker Stimme. – »Mit Mister Jackson hat sie seit den Jahren ihres Ehestandes alle Verbindung abgebrochen, aber Jackson hat die treue Liebe im Herzen, das Gerücht bringt ihm ihre Flucht zu Ohren, er hört, vernimmt, läßt seinen Gaul satteln.« –

»Doughby,« raune ich ihm zu, »das ist wieder sehr prosaisch.«

»V–t sei Euer Prosaisch«, brummte mir Doughby entgegen; »läßt seinen Gaul satteln und fliegt in das Haus ihrer Eltern.« – –

»Da angekommen, wirft er sich zu den Füßen der Mistreß H–n und sagt ihr, Maam, sagt er, ich stehe ganz zu Ihren Diensten, gebieten Sie über mich. Und sie hebt ihn auf, und er umarmt sie und trägt ihr seine Hand an und sagt, sie solle sich den unmenschlichen H–n aus dem Sinne schlagen, und alte Liebe rostet nie, wisset ihr, sie aber – zaudert.«

»Was, sagt er, die Edelste, die Beste ihres Geschlechtes soll so behandelt werden, nein, ich will sie rächen, ich will H–n zur Rechenschaft fordern. Und sie, über so viele Liebe gerührt, läßt sich erweichen, und er sagt: meine Arme sind geöffnet.«

Doughby öffnet die Arme wirklich, sein hölzernes Pathos steigert sich, zum Liebesdichter hat er aber auf alle Fälle keine Anlage. Er fährt fort:

»Sie zaudert – komm in meine Arme, sagt er.«

Und abermals öffnet er die Arme. »Komm in meine Arme und sei mein Weib, und ich will dein Mann sein, dein getreuer Ehemann. Wir wollen unsere Liebe gegenseitig ehelich verbinden lassen, wollen Mann und Weib sein.«

»Und sie, von so vieler Liebe gerührt, sagt Ja, und sie werden ehelich verbunden, ehelich, Messieurs, aber nicht gesetzlich, hier liegt der Haken.« –

»Zarte, innige Liebe, die erste Liebe, hatte die beiden zu einem raschen Schritte vermocht, den sie nicht hätten tun sollen. Sie hätten warten sollen,« fährt Doughby schwer prosaisch fort, »warten sollen, bis die Ehe mit Colonel H-n aufgelöst worden, was sie versäumt, und worin sie gefehlt haben. Zwar«, meint er in einem weniger sittenrichterlichen Tone, »haben sie diesen Fehler verbessert, denn kaum waren sie ehelich verbunden, als auch Mister Jackson bereits Anstalt machte, die frühere Ehe seiner Frau trennen zu lassen, aber der Mißgriff war geschehen, und wie ein Mann von dem besonnenen umsichtigen Charakter Jacksons den Mißgriff begehen konnte, ist bis auf den heutigen Tag noch nicht ausgemittelt. Aber, Messieurs! Mister Jackson war ein heißer Südländer, wäre Mister Jackson ein erfrorner, kalter, salzsaurer Yankee gewesen, wäre ihm dieser Mißgriff nicht begegnet, war aber, wie gesagt, ein warmblütiger, treuherziger Südländer, der kein Unrecht dulden konnte, ein galanter Verteidiger der Damen, der Unschuld – das war sein Verbrechen – das seine Sünde. – Messieurs! Wer sich rein fühlt, keiner Sünde bewußt, der hebe den Stein auf und schleudere ihn auf ihn.«

»Doughby, das ist wieder nicht übel, aber in diesem Punkte wird es euch schwerlich gelingen, euern Helden weißzuwaschen.«

Doughby wirft mir einen schlauen Blick zu, überschaut die Kreolen mit Späherblicken und fährt fort:

»Das ist sein Verbrechen, deshalb wird er von den Yankees ein Ehebrecher, sie eine Ehebrecherin gescholten, in allen Zeitungen preisgegeben, in Placards gehöhnt und beschimpft, das Herz des armen Weibes mit glühenden Zangen zerrissen.« –

Und Doughby legte den Pack mit den Holzschnitten auseinander, und teilt abermals die köstlichen Bilder unter seine Zuhörer.

» Ma foi!« riefen die Kreolen. – » Mon Dieu, Parbleu, Morbleu, Diable, Fistre!« ist von allen Ecken und Enden zu hören.

»Ah, Messieurs!« fällt Doughby mit freudestrahlendem Antlitze ein: »Ah, Messieurs! So haben wir uns doch nicht geirrt, indem wir eurem ritterlichen humanen Sinne vertrauten, sehen uns nicht betrogen in unserer Erwartung, daß ihr in Entrüstung auflodern werdet über die Bosheit, die ihre Pfeile auf ein schwaches Weib abdrückt, die Geheimnisse einer Familie vor das Publikum bringt? Euer chevaleresker Sinn hebt den Handschuh auf, den diese gemeinen Seelen Hamond und Binns eurer Ritterlichkeit hinwerfen, ihr wollt die arme Dulderin rächen? Ich sehe das Feuer des Unwillens in euern Augen blitzen, ihr erhebt euch wie ein Mann, wie ein gewaltiger Riese, wie ein Goliath, mit eurer Keule die Philister zu zerschmettern! –«

»Doughby, es war ein Eselskinnbacken.«

»V–t sei euer Eselskinnbacken! Messieurs, ihr sollt sie rächen, es steht in eurer Gewalt, der Rächer der unterdrückten Unschuld zu werden, den bösen Verleumdungen dieser Unholde das Siegel eurer Verdammung aufzudrücken. Eine herrliche Gelegenheit habt ihr, Messieurs, wenn ihr am nächsten Montag, dem ersten im gegenwärtigen laufenden Monate Oktober, euch zu den Polls verfügen und da Jackson, dem ehelichen Gemahle dieser unterdrückten Unschuld, dem Helden unseres Landes, Jahrhunderts, eure Stimmen geben wollet. Ihr werdet es tun, ich bin dessen versichert. Ja, ihr werdet euch zeigen, als Verfechter nicht bloß der Unschuld, sondern als kräftige Männer des Westens, als Bürger dieses Staates, des Emporiums des westlichen Handels – beweisen, daß ihr euch nicht von Yankees am Narrenseile herumführen lasset, euer eigenes Urteil habt, keinen Tarifmann wollt, keinen tergiversierenden Adams, keinen Topaz und Ebonymann, keinen koaleszierenden Clay – Schade, daß er ein Kentuckier ist – sondern einen Freetrade- Freier Handel. Diese Partei ist in den südlichen Staaten vorherrschend, während es in den nördlichen die der Tarifs ist.Mann. Und einen Freetrade-Mann habt ihr an Jackson; Jackson ist der Grundstein des Prinzipes, ein Grundpfeiler, ein starker Pfeiler, seine Administration wird eine gute, eine solide, eine herrliche Administration sein.«

Und der Redeschwall entströmte dem Manne, wie der Ouachitta dem See gleichen Namens, ohne Unterlaß; mich wundert es nur, daß er endlich aufhört. – Unter den Kreolen ist eine Bewegung zu verspüren, keine starke, tumultuarische, rasche; sondern eine umherwedelnde, tänzelnde, halb keifende, zänkische, unzufriedene Bewegung. Bontemps nimmt eine Prise und reicht seine goldene Tabatiere Dutang, alle nehmen Prisen, stopfen sie in die Nasen, räuspern, niesen, sind auf dem Punkte, ditto etwas hören zu lassen. Wir alle schauen sie gespannt an – Mistreß Houston ist halb in Verzweiflung, denn sie glaubt nun alles verloren, aber es ist bloß ein flimmerndes Flämmchen, keine Flamme, die die Kreolen aufgeregt; ihre Beweglichkeit legt sich, sie werden ruhiger – Mistreß Houston und Richard wieder gefaßter.

Wir sind mittlerweile unter Bakers Station angekommen. Aus der seeartigen Bucht, in die der Fluß sich erweitert, fahren wir in eine der lieblichsten Krümmungen ein; ungeheure Kotton- und Immergrün-Eichenbäume mit Honigakazien und Bohnenbäumen untermengt, erscheinen in parkähnlichen Gruppen, wölben sich zu Domen, durch die der dunstige ferne Rand des Horizontes magisch wie die Zukunft durchschimmert. Züge von Paroquets, Spottvögeln, Redbirds beleben die Waldpartien, wilde Enten, Gänse und Schwäne die mit Tränenweiden und Zypressen überhangenen Flußbuchten; sie prallen wild, scheu empor, sowie wir uns ihren Verstecken nähern, und ziehen sich in langen Zügen über unsern Häuptern hin. Im Hintergrund überhängt das Panorama ein blauer, helldurchsichtiger, von den feinsten Dünsten gewobener Schleier, der obere Rand ist von der Sonne bereits in schillerndes Gold und Purpur aufgeleuchtet, die untern Schichten zittern noch, gleich Ungeheuern Atlasbändern, von leisen Lüftchen bewegt. Und wie der Dampfer den Strom hinanbraust, heben sie die ungeheuren Bänder wie der Vorhang eines hehren Tempels, und die Werke der Natur und der Menschenhand, die er verbirgt, treten vor unsern Gesichtskreis. Das erste, das wir zu schauen bekommen, ist eine Embryopflanzung, Tabak- und Welschkornfelder starren uns bereits in herbstlicher Nacktheit entgegen, einzelne Neger und Negerinnen, bis auf den Gürtel nackt, einige Schritte seitwärts der alte Grocier zu Pferde, mit einem Strohhut auf dem Kopfe, ein Mittelding zwischen Barbierschüssel und Chapeaubas-Hütchen; zuweilen läßt er die lange Peitsche knallen, sie ist bis zu uns herüber zu hören. Wir lenken in die Windung ein, und es erscheint das Pflanzerhaus, und wie wir so dem Dinge entgegenfliegen, und das Ding uns entgegenkriecht, – denn Haus könnt ihr es unmöglich titulieren, – braucht es einige Mühe, euch zu überreden, daß es nicht irgendein mexikanisches Idol auf allen vier hockend ist. Es ist eine Art chinesischen Vogelbauers, nur daß es der grellen Farben ermangelt, aber viereckig ist es halb und halb, hockt auf acht Pfeilern, wie ein häßliches mexikanisches Idol, und hat wie dieses die schmutzigbraune Tonfarbe wettergebräunter Zypressen. Das Dach hängt auf allen Seiten wie die Flaggen eines alten formlosen Hutes herab, ein wunderliebliches Kind aber steht in der linken Galerie. – Alles sieht so fremd, so exotisch aus; diese hölzerne Hütte mit ihren Gittern statt der Fenster, den braunen Wänden von Zypressenstämmen mit Tillandsea ausgefüttert, es ist kein amerikanisches – bereits ein mexikanisches Landschaftsgemälde. –

Luise steht, ihren Arm in dem meinigen, wie ich, im Anschauen der Pflanzung versunken, ihren Gedanken Audienz gebend, als die kreischende Stimme Rideaus uns in die Ohren gellt:

» Ah Misthere de Doffby wone firm governement say we shall haff –« Statt – a firm government you say we shall have – Eine feste Regierung, sagen Sie, sollen wir haben.

»Das sollt ihr, Messieurs,« versichert ihn Doughby: »fest wie der Felsen, fest wie der General selbst, der nie gewichen ist – nie weichen wird, sollt ihr eines haben.«

Es entsteht eine Pause, während welcher wir uns umsehen. – Die politische Fehde scheint noch nicht ausgefochten, die Kreolen sich erst ermannen zu wollen. – Ihr Champion, Monsieur Rideau, ein Zuckerpflanzer aus Cane-River-Station, steht wie ein Hahn Doughby gegenüber, ihm zur Seite als Sekundanten sämtliche Kreolen und Kreolinnen, erstere Parbleu, Morbleu, Diantre und so weiter von sich gebend – letztere die Ballett-Arie. Er ist ein klapperdürrer, zusammengeschrumpfter Kreole mit kaffeebraunem, galligem Gesichte auf flaschengrünem Grunde, nußbraunen, kleinen Augen, winziger Stirne und einer bitterbösen Miene. Er trippelt ungeduldig vorwärts, rückwärts, ohne jedoch Doughby zu nahe zu kommen, der immer gespannter wird, aber mit seinen Demokraten den Mann ruhig erwartend beschaut. Noch scheint dieser nicht ganz entschlossen, aber der Anblick der Pflanzungen von Bakers Station, die vor uns auftauchen, ermutigt ihn augenscheinlich.

»Ah, Misthere Doughby«, hebt der kleine, gallige Kreole, halb im französischen Kreolisch, halb im Englischen an; »ah, Misthere Doughby, Sie sagen, ein festes Gouvernement sollen wir haben; Plut au Dieu! Dasselbe aber haben gesagt viele vor Ihnen, und doch haben wir nicht gehabt, werden nicht haben, ein festes Gouvernement.«

» Parbleu!«

» Diantre!«

» Fistre!« pfiff es nacheinander aus dem zahnlosen Munde der Kreolen heraus.

»Kein festes Gouvernement gehabt? Zum Henker, was versteht ihr denn unter einem festen Gouvernement?« ruft ihnen Doughby zu. »Was nennt ihr ein festes Gouvernement? Wenn wir keines haben, welche Nation hat denn eines? Wo habt ihr die Ruhe, die Ordnung, die Sicherheit der Person, des Eigentums, des Handels, des Wandels wie bei uns?«

Der kleine Kreole ist einigermaßen verblüfft über diese Replike; die gespannt ungeduldigen Blicke seiner Umgebungen stacheln ihn jedoch, den Streit fortzuführen.

»Ah, Misthere Doughby, ich meine nicht den Handel, das Eigentum, aber ich meine, wir meinen – ja wir haben die Ehre, Sie auf Parole zu versichern, daß wir kein festes Gouvernement haben werden, sind schon so oft getäuscht worden, daß wir daran verzweifeln, ein festes Gouvernement, eine feste Administration, wie Sie sagen, zu haben.«

Die Wendung, die die politische Debatte nimmt, ist so neu, des Kreolen Sprünge verraten eine so seltsame Aufregung! –

»Was versteht er unter festem Gouvernement?« fragen mich Mistreß Houston und Richard.

»Das ist leichter zu fragen, als zu beantworten. Diese Menschen haben so eine eigentümliche Geistesrichtung.« –

» Ma foi!« schrie das gallige Männchen, mit Händen und Füßen arbeitend, und wie ein Hahn gegen Doughby und seine demokratische Schar vor- und zurückhopsend. » Ma foi! Die amerikanischen Shentelmen Französische Aussprache statt Gentlemen. wollen kein festes Gouvernement, weil sie keine Ruhe wollen, sie können nicht vertragen ein festes Gouvernement, müssen immer Veränderung haben, Parbleu!«

»Was!« ruft Doughby – »wir kein festes Gouvernement wollen? Wir die Ruhe nicht ertragen können? Und das sagt ihr Kreolen-Franzosen uns, ihr, die Abkömmlinge, die Blutsverwandten derselben Franzosen uns, die wir seit 89 ein und dasselbe Gouvernement haben, ein Gouvernement, so regelrecht wie das Einmaleins, ohne die mindeste Unordnung, Verwirrung, während eure gepriesenen Franzosen einem viertel Dutzend Königen und Kaisern den Garaus machten, sie erst, wie die alten Heiden ihre Götzen, anbeteten und dann im Kote herumschleiften, ihnen die Köpfe abschlugen, die ihnen geleisteten Eide brachen, ihre Regierungen wie Kleider wechselten? Bei Jove! das ist zu knollig!« wendet er sich zu uns und den Demokraten.

»Mister Doughby, Major Doughby!« rief es von mehreren Seiten, »wollen dem Manne seine Wortfreiheit lassen – ist Bürger, wollen ihn anhören.« –

Der kleine Kreole schaut einen Augenblick die Sprechenden an, ist augenscheinlich verwundert, aber die funkelnden Augen verraten nur die verstärkte Galle des durch die ruhige Herausforderung noch mehr aufgereizten kleinen Männchens. – »Ah, Misthere Howard! Misthere Doughby! Shentelmen! Pardon – wir nicht meinen den pauvre Louis seize, weder den grand Empereur – non, non, wir nicht von ihm sprechen – was wir meinen,« schreit er stärker, »etwas ganz anderes sein, eine andere Ruhe wir wollen, ein anderes festes Gouvernement. – Ah, die Shentelmen in Amerika sont une grande nation, aber sie geben keine Ruhe, keine Ruhe, weder bei Tag noch bei Nacht, alles sie kehren von unterst zu oberst, alles verbessern, immer in Bewegung sein, immer herumziehen, nie auf ihrem Flecke sitzen bleiben, sie immer Hurli Burli, keine Zeit sich geben zum Essen, Trinken, alles hineinwerfen, verschlingen – Fische, Braten, Kartoffeln, Hühner, Enten, dann aufspringen von der Tafel, und wieder Politik und Kanäle, und Dampfschiffe und Straßen, und Ehedems und Sheksons Adams und Jackson.

»Seid aus der Ordnung, aus der parlamentarischen Ordnung«, bemerkt ein Pflanzer.

»Eßt und trinkt, wie ihr wollt, davon ist hier nicht die Rede; laßt uns essen wie wir wollen, wenn wir es bezahlen, geht es weder euch noch sonst jemand an«, mahnt ein zweiter.

»Haltet euch an eure politischen Prinzipien«, ruft Kapitän Trumbull den Kreolen zu.

»Bleibt in der Ordnung, der Debattenordnung«, ein vierter.

Das Männchen wird immer toller und gebärdet sich ganz wie ein Affe, der sein Bild im Spiegel erblickt und herumspringt, zitternd vor Wut zu zappeln beginnt mit Händen und Füßen; die Galle kocht in ihm, und er peitscht sie mehr und mehr in sich hinein.

»Ah, die amerikanischen Shentelmen«, schreit er seinen Kompatrioten zu, »mögen sagen was sie wollen, sind unruhige Shentelmen, geben keine Ruhe, und wir wollen Ruhe und können keine haben. Jahraus, jahrein keine Ruhe; wird immer ärger, jeden Tag etwas Neues, eine frische Plage, immer Mühe, Plage, Sorge. Jetzt kommen sie, und wir müssen zu einer Meeting. Müssen eine neue Straße haben, sagen sie, eine Straße von Alexandria nach Natchitoches. Wohlan, sagen wir, wollen Geld hergeben, ihren Willen tun, eine Straße nach Natchitoches machen, unsere Neger sollen daran arbeiten; obwohl unsere Vorfahren, die auch keine drôles waren, es ohne Straße nach Natchitoches getan haben. Wir geben Geld her, unsere Neger her, zum Straßenbau nach Natchitoches. Sie ist noch nicht fertig, und die amerikanischen Shentelmen kommen bereits mit einer zweiten Meeting und sagen, die Straße muß von Natchitoches an den Sabine, Au diable mit dem Sabine! sagen wir, was sollen wir hinauf auf den Sabine, wo bloß Präriewölfe und Bären und wilde Indianer hausen? Handel nach Mexiko, sagen sie, die Missourimänner ziehen sonst den ganzen Karawanenhandel mit Mexiko und Santa-Fé an sich, müssen hier entgegenarbeiten, eine Straße an den Sabine haben. Wohl, sagen wir, sei es, wollen die Straße bis zum Sabine führen, aber dann laßt uns in Ruhe. Die Straße an den Sabine ist noch nicht ganz ausgelegt, sie kommen abermals: die Straße muß hinüber nach Nacogdoches. Peste! sagen wir, was geht uns Nacogdoches an, das zu Mexiko gehört? Handel nach Santa-Fé, sagen sie, was hilft die Straße an den Sabine, sagen sie, wenn wir zwischen dem Sabine und Nacogdoches stecken bleiben? Müßt Aktien nehmen, die Straße nach Nacogdoches vorzubringen. Und wir müssen Aktien nehmen, um nur Ruhe zu haben. Glauben, wir werden jetzt Ruhe haben. Ruhe? Sacré Fistre! Morbleu! Haben keine Ruhe, Messieurs. Ist kaum vorüber mit der Straße nach Nacogdoches, kommt wieder etwas anderes, heißt, die Rapides unterbrechen die Schifffahrt auf unserm Red River, müssen einen Kanal haben, so wie ihn die Yankees bei Louisville haben. Was, sagen wir, Shentelmen, einen Kanal haben? Haben Sie doch Räson, was Kanal? Wir haben keinen Kanal gehabt, Gott sei Dank, diese hundert Jahre, und doch gelebt. Wäre ein Kanal vonnöten, hätte ihn der bon Dieu unfehlbar gemacht, Parbleu! Sie uns nur auslachen und verspotten; sie sagen, der Kanal muß sein, der Handel leidet, und die Schiffahrt leidet, und der Himmel weiß was leidet.«

Das Männchen hatte sich mehr durch die seltsamen Sprünge als durch die Heftigkeit, mit der es die Worte ausstieß, außer Atem gebracht. – Es keuchte und hielt erschöpft inne. Neben mir ließ sich ein leises Gestöhne hören und Zähneknirschen. Es waren Mistreß Houston, die, bleich vor Zorn, ihr Gesicht abgewandt, in die magische Ferne hinausschaute, neben ihr der unwillkürlich zähneknirschende Richard. Die Demokraten mit Doughby standen lautlos wie Marmorstatuen, ihre Blicke auf den Boden geheftet.

Wir hatten uns dem Mittelpunkte von Bakers Niederlassung genähert, und das Dampfschiff begann einer Pflanzung zuzurunden, deren unabsehbare Baumwollenfelder tief in das Land hinein bis zu einem Lebenseichenwalde liefen.

Der Kreole fuhr in seinem halb englisch, halb französischen Jargon mit gellenderer Stimme fort:

»Wir uns sagen lassen, und Aktien nehmen zum Kanale, um doch einmal Ruhe zu haben. Ruhe! Diable! Wann haben Sie gehört, daß die Shentelmen in Amerika Ruhe geben; sie neue Dämme am Red River brauchen, sie brauchen Reinigung des Flußbettes, sie brauchen Kirchen, Markthallen, in Alexandria, Natchitoches, der Himmel weiß wo überall, sie brauchen Geld und wieder Geld zu ihren improvements Werden alle in bezug auf die Landeskultur unternommenen Verbesserungen genannt, als Straßen, Kanäle, Städte, Pflanzungen., – sie brauchten Millionen, wenn sie sie hätten, und wir sollen immer geben und nur geben, und kein Aufhören, keine Ruhe! Diable! sagen wir, wir wollen Ruhe, aber die Shentelmen kennen keine Ruhe – Ruhe ist nicht unter diesem Gouvernement zu finden«, schreit er, giftig die Fäuste ballend. »Sind von der Meeting, wo wir die Straße beschlossen, die Flußreinigung, die Dämme, noch kaum zu Hause angelangt, haben noch nicht unsere Kleider gewechselt, kommt der Konstabler; Messieurs, zur Grande-Jury, zur Petite-Jury. Au diable mit der Jury! Wofür bezahlen wir die Richter, wenn wir uns mit den Fripons plagen sollen? Was gehen uns die Quarter Sessions Die Assisen, Gerichtssitzungen, die jedes Vierteljahr in den Counties abgehalten werden. an? Helfen nichts alle unsere Klagen, Einwendungen, müssen fort in die Jury oder Strafe bezahlen; müssen vierundzwanzig Stunden bei einem Kruge Wasser sitzen, wenn es einem dickköpfigen Shentelman einfällt, sich entêté zu zeigen. Ah, Monsieur Dutang, Sie wissen, noch voriges Jahr bei der Dezember-Session, wo wir beide waren und saßen und darüber den Ball bei Monsieur Leroux versaßen. Und immer eine neue, frische Plage, eine neue Sorge, die das v–te Selbstregieren, das Selfgovernement, wie sie es nennen, über uns bringt. V–tes Gouvernement, das weder uns noch die Unsrigen ruhig schlafen läßt, – uns zwingt, immer auf der alerte zu sein, unser Geld wegzugeben für das maudit public good! Gemeinbeste, öffentliches Wohl. Au diable mit dem public good! Was geht uns das public good an? Wir wollen für unser good sorgen, andere mögen es für das ihrige, wollen unser Geld für uns behalten und nicht für andere ausgeben, es ausgeben für unser plaisir und nicht für das bon plaisir anderer. Sie lachen nur, wenn wir so sprechen! – Ihr bon plaisir ist das public good, ihre improvements – diese stecken ihnen Tag und Nacht im Kopfe. Sie sind ihr Theater, ihr Ball, ihr Spectacle, sie haben für nichts Augen, Ohren, als für ihr public good, ihre improvements, diese verwirren ihnen Tag und Nacht den Kopf. Was soll uns das public good? sagen wir. Gibt uns das public good ein frisches Hemd im Sommer, eine Kapotte im Winter, unsern Damen eine Robe? Wollte der Diable holte das public good und die improvements und das Selfgovernement, die vor lauter Sorgen uns an unser eigenes good nicht denken lassen. Ihre ewigen Veränderungen, Verbesserungen, immer Unruhe, Unstetigkeit, – Peste! Wenn ich ein Haus habe, das gut ist, und in dem ich bequem wohne, warum das Haus niederreißen, wenn mein Nachbar ein bequemeres hat, und ein ganzes Jahr in Sorgen und Arbeit mich abquälen? – Ah, Messieurs!« wendet er sich an seine Kompatrioten, » on appelle ces Shentelmen non sans raison des âmes damnées. Les âmes damnées – eine Spezies Seevögel, die auf den Gewässern des Bosporus nimmer ruhend umherfliegen.«

Und ein lautes Gekicher erschallt unter den Kreolen, die immer freier, lauter, ungeduldiger werden, ihre Bravos immer gellender hören lassen und bei dem letzten Bonmot kichernd in die Hände klatschen, während der Blick des Redners forschend auf den Gesichtern der Demokraten haftet. – Und während dieser Blick auf den Gesichtern haftet, schließt sich der bereits geöffnete Mund, das Wort erstirbt, schnappt ihm auf der Zunge ab, bloß ein schlangenartiges Zischen ist zu hören. Die Hinterwäldler waren schweigend gestanden, vor ihnen Doughby, Trumbull, Heath und Blount, die gleichsam eine Barriere für die Kreolen bildeten. Aneinander gereiht, horchten sie mit derselben lautlosen Spannung, mit der strikte Presbyterianer ihren Prediger von der Gnade Gottes und dem Sündenfalle donnern hören, und die seltsamen Glaubenssätze mit ihrer Ideenverbindung in Einklang zu setzen vergeblich bemüht – auf einmal ihre forschenden Blicke auf den frommen Verkündiger des göttlichen Zornes richten, um in seinen Zügen vielleicht die Lösung der rätselhaften Widersprüche zu entdecken.

Es war ein solcher oder ähnlicher Gedanke, der ein so plötzliches Aufwerfen der sechsunddreißig Demokratenköpfe zur Folge hatte, das den Redner gänzlich aus seiner Fassung brachte. Und allerdings war dieses abrupte Kopf-in-die-Höhe der zum Teil sonn- und wetterverbrannten Physiognomien, mit ihren scharfen – Kümmere mich den Teufel – Mienen, ihren trotzig zusammengepreßten und im schneidendsten Hohne gekräuselten Lippen, ihren tief gefurchten Stirnen – eben nicht zweimal geeignet, einem von Galle und Wut übersprudelnden Kreolen ins Konzept zu verhelfen. – Es lag in diesen bitter ironischen Zügen, den finster aus ihren Höhlen herausleuchtenden Augen bereits etwas von jenem Ingrimme, der sich dem Wendepunkt nähert, the whole hog zu gehen, sich nach einem Teer- und Federfasse umzusehen. Sie gaben sich Mühe, man sah es deutlich, den Ausbruch dieses Ingrimmes zu meistern, es kam ihnen peinlich, sie trauten kaum ihren Ohren und schauten auf, recht naiv, verwundert, sich zu überzeugen und den Mann von Angesicht zu sehen, der es wagte, dasjenige, was sie pflegten als ihren Augapfel, als das Teuerste, mit dem Geifer seiner verdorbenen Zunge zu besudeln. Ich und Richard und Mistreß Houston waren gespannt, besorgt näher getreten – aber wie sie nun den Mann anschauen und ihre Blicke weiter auf seine Kompatrioten gleiten, kommt eine Veränderung über diese Gesichter, ein Wechsel des Ausdruckes der Mienen, der uns mit Verwunderung erfüllt. – Zuerst zeigt sich ein leicht hingeworfenes Lächeln des Mitleides, das verächtlich auf den gekräuselten Lippen spielt, wie der Schmelz der Tinten in den Kronen der Papaws und Katalpas einen Augenblick dauert und dann in andere Farbenschmelze übergeht; es überzieht diese Gesichter ein Ausdruck von Hoheit, von so seltsamer Hoheit, daß unsere Blicke lächelnd auf die Linseywoolsey-Röcke, die Strohhüte, die Lederwämser herabgleiten, die mit diesem Ausdrucke von Hoheit so seltsam kontrastieren. Aber das Lächeln vergeht uns, und etwas wie Scheu überkriecht uns, Ehrfurcht gebietende Scheu. Ehrfurcht gebietende Scheu? Vor sechsunddreißig Hinterwäldlern mit höchstens einem Dutzend respektabler Pflanzer! Etwas derlei ist es, versichere euch, sowie ich euch versichern kann, daß unsere Demokratie sich Ehrfurcht zu erringen weiß, möget es glauben oder nicht. Ich liebe sie nicht besonders, diese unsere Demokratie, diese alles über einen Leisten schlagende, alles gleich machende Demokratie, aber verachten kann ich sie auch nicht, denn je mehr ich sie mir anschaue, desto deutlicher wird es mir, daß sie die notwendige Bedingung der Größe, des Gedeihens unseres Landes ist, daß sie es ist – gerade wie sie als Bruchstück vor mir steht, hoch und niedrig, rauh und gebildet, hausbacken und genteel, die in unserer gegenwärtigen Phasis unsere Gesamtkräfte in so verschiedenen mannigfaltigen Richtungen entwickelt, daß ohne sie jene Wunder der Kultur, der Tatkraft, Schimären wären, nicht denkbar unsere dreihundertsechzig Meilen langen Kanäle, unsere prachtvollen, kaum ein Vierteljahrhundert alten Städte, unsere alle Meere, Seen bedeckenden Flotten, unsere Straßen, die von den Gestaden des Atlantischen Ozeans bald hinüber zu denen des Stillen reichen werden und die Zivilisation bereits tief in das endlose Tal des Mississippi verpflanzt haben. – Es ist diese Demokratie, so mißverstanden von Großen und Kleinen, die ihr für nicht viel besser denn eine vorübergehende Schimäre haltet, bei uns in der Tat und Wahrheit ein Gesetz der Notwendigkeit; dieselbe Demokratie ist es, die die Bevölkerung unseres Landes in ein homogenes Ganze vereinigt, die unverdrossen, durch keine Hindernisse, keine Rücksichten abgeschreckt, an dem public good Tag und Nacht arbeitet, die selbst unsere unersättliche Geldgier adelt, indem sie dieses public good ihr zum Relief unterlegt, zur Folie, die bei aller scheinbaren Gemeinheit glänzend hervortritt. Sie ist es, diese Demokratie, die die Kraft eines Erdengottes, aus einer Hand gerissen, in Millionen Teilchen verteilt, jedem einen Splitter des Donnerkeiles, einen Funken des Blitzes zugeworfen, so zum millionenfältig belebenden Elemente im Lande geworden, in unsere Hütten Selbstachtung, ja Hoheit gebracht, die euch barock, ja lächerlich dünken mögen, aber wenn es zum Handeln kommt, gar nicht lächerlich sind. – Denn, merkt es euch wohl! So wie unser Land dasjenige in der Welt ist, in dem sich die Demokratie in ihrem weitesten Umfange entwickelt, so ist es auch das einzige, wo diese Demokratie ihre Sendung verstanden und glänzend erfüllt, die Sendung, den schönsten, den reichsten Erdteil der Kultur zu gewinnen. Und das Geheimnis, durch welches sie dies bewirkt, ist, die Zahl der free agencies Freier Wirksamkeiten, Selbständigkeiten. ins Millionenfache zu vermehren, im Gegensatze von euch, die ihr bloß durch Massen handelt. – In diesem Geheimnis der Individualisierung liegt ihre ungeheure Reproduktionskraft; in der Selbstachtung, die sie jedem Individuum verleiht, indem sie aus jedem ein für sich bestehendes Ganze, ein verantwortliches Ganze bildet, mit aller Freiheit des Handelns und Wirkens, wogegen ihr bloße Fragmente einer großen Masse habt, die auf höheren Antrieb in Bewegung gesetzt werden, wie die Planke eines Schiffes, die keine andere Bestimmung kennt, als auf sich herumtreten zu lassen – und dann weggeworfen zu werden. –

Noch nie war mir das Eigentümliche unserer Demokratie, ihr Wesen, ihre Natur so nahe vor den Gesichtskreis gerückt, als jetzt im Kontraste dessen, was ich gehört und gesehen, und beiden Parteien, die vor mir standen, die eine die Repräsentantin dieser Demokratie, die andere des alten Regime; – die erste aus verschiedenartigen, zum Teil gemeinen, rauhen, ärmlichen Elementen zusammen gesetzt, vom Holzhauer, dessen Hemde auf Urlaub ist, hinauf zum Pflanzer, der Hunderttausende besitzt, aber alle durch ein und dasselbe Band verbunden, bei allen das Bewußtsein einer Selbständigkeit hervorleuchtend, ja Hoheit, die ihr an den Kreolen vergeblich sucht, denn sie kommen euch in dem Augenblick gerade vor wie Schulknaben, die ihrem Pädagogen einen Streich gespielt haben, wie Affen herumschnoppern, tänzeln, blinzeln. – Ich muß gestehen, der Anblick ist für mich tröstend, er versöhnt mich wieder mit manchem Schattenrisse unserer Demokratie, macht sie mir wieder achtungswerter, erträglicher; denn in welchem Lande würde wohl eine solche Sprache von solchen Menschen ungeahndet geblieben sein?

Meine flüchtigen Gedanken werden abermals durch die gellende Fistelstimme Bontemps unterbrochen, der unter den Kreolen umhertänzelt, demonstriert, parliert, gestikuliert, auf einmal aber sich zu uns wendet, wahrscheinlich um eine neue Variante zu dieser wirklich einzigen Farce zu liefern.

»Ah, Shentelmen!« hebt er an, »Monsieur Rideau hat uns vollkommen aus dem Herzen gesprochen. Vollkommen aus dem Herzen gesprochen«, wiederholt er, uns forschend mit seinen schwammigen Austeräuglein anblinzelnd. –

»Ah, Shentelmen!« fährt er fort, »mögen uns immer scheel ansehen, denken, was sie wollen, sind ganz im Ernste – ganz im Ernste. Plût au Dieu, wir wären unter la belle France! wo wir nicht verspottet werden, Ruhe haben würden.«

»Seid in einem freien Lande, Messieurs,« fällt Kapitän Johns ein, »in einem freien Lande, so es euch bei uns nicht gefällt, mögt ihr eure Liegenschaften verkaufen und nach belle France übersiedeln.«

»Wer läßt euch nicht in Ruhe?« frägt Kapitän Blount. –

»Wer uns nicht in Ruhe läßt?« belfern zehn Kreolen und springen untereinander, ganz wie junge Hähne, unter die eine Brotkruste geworfen wird.

»Einer spreche, wenn es beliebt«, mahnt Trumbull.

Die Kreolen prallen bei dieser Zurechtweisung, wieder auf, springen vor, zurück, schauen sich an. – Dutang schreitet vor, ganz wie ein Tambourmajor, schiebt Bontemps mit einer zierlichen Wendung den Damen zu, stemmt seine Linke theatralisch in die Seite, und mit der Rechten gestikulierend, fängt er an:

»Wer uns beunruhigt, Shentelmen? Wer uns beunruhigt? Und Sie fragen? Morbleu! Sie können noch fragen, wenn Sie es selbst sind, die uns täglich, stündlich beunruhigen? Haben wir nicht täglich, stündlich Mühe und Plage mit den v–ten Meetings? Jetzt Meetings, um Straßen anzulegen, wie Monsieur Rideau gezeigt, wieder um Kanäle, Markthallen zu bauen, der diable weiß alles wofür, dann Town- und Countrymeetings. Haben wir nicht Meetings, um die Konstabler und Sherifs und Coroners zu wählen? Meetings, sie wieder abzusetzen und neue an ihre Stellen zu bringen? Parbleu, wie wir noch unter la belle France waren, brauchten wir uns um alle diese niaiseries nicht zu bekümmern. Hier ewige Meetings, um das pauvre Gouvernement in Ordnung zu erhalten – Ordnung! Peste! Es ist nie in Ordnung, immer außer Ordnung.«

»Wo zum Henker haben diese Menschen ihre Ideen von Ordnung her?« fragt mich Trumbull.

»Und im ganzen Lande«, fährt Dutang fort, »Meetings, um das pauvre Gouvernement in Ordnung zu bringen, und Lärmen, Trinken, Raufen und Geschrei und Zank und Uneinigkeit, Verwirrung in den Familien, und Hurras, um den neuen Präsidenten au diable zu senden und einen neuen zu machen, der die crême aller perfection sein soll; ja, Messieurs, crême de perfection, so heißt es immer. Au diable mit ihrem crême de perfection! Crême de Tartare sollte es heißen. Der Präsident ist nicht sechs Wochen im Fauteuil und haben schon wieder eine Menge, nicht Splitter, sondern Balken in seinen Augen gefunden, muß in allen Zeitungen herhalten, wollen schon wieder einen andern, eröffnen ihre Canvasse auf allen Dampfschiffen, in allen Hotels, der Streit, das Trinken, die Hurras beginnen von neuem. Ah, Messieurs,« schreit der Kreole giftig seinen Kompatrioten zu, »Sie erinnern sich noch, wie es hieß Misthere Shefferson Jefferson. – Ah, c'est un homme de bien, c'est un grand homme, un sage, ein glorreicher Shentelmen, hat Louisiana von dem großen Napoleon für die Vereinigten Staaten zu erhalten gewußt! – Wie froh waren wir, einen so glorreichen Shentelmen zu haben. Pah, in weniger als einem Jahre war er ein mauvais sujet, nichts war recht, muß nach vier Jahren weg, um einem Mister Maderson Madison. Platz zu machen, und Misthere Maderson ist wieder zuerst la crême of perfection gerade auf sechs Wochen, dann spielen sie ihm just dasselbe Spiel, kommt weg, und Misthere Monroe kommt, und Misthere Monroe erhält seinen Laufpaß, und Misthere Ehedems kommt, und jetzt wollen sie Misthere Shekson haben, und immer etwas Neues und nie zufrieden, und immer andere, bessere, und zuletzt zeigt sich's, daß es pis aller ist«, gellt der Kreole mit boshafter Freude. » Morbleu! Warum nicht behalten, Shefferson oder Maderson oder Ehedems, wenn er gut ist? Warum immer die Unruhe, Unordnung, Verwirrung im ganzen Lande, wieder von vorne anfangen? Und das nennen sie Selfgoverner, Selfgovernment Selbstregierer, Selbstregierung.! Au diable mit ihrem Selfgovernement!«

» Parole d'honneur!« kreischt Bontemps, »dieses Selfgovernment macht uns mehr Plage!« –

»Wollte, es wäre au diable!« fällt Rilieux ein.

»Wollen Ruhe haben!« Letemps.

»Wollen Ruhe, Shentelmen!« schreien alle – »Ruhe, Ruhe – wollen nichts mit dem Selfgovernment zu schaffen haben, verschont bleiben mit den Polls!«

» Au diable mit den Polls!«

» Au diable mit den Polls!« schreien die Kreolen nochmals uns und den von diesen Auftritten wie gelähmten Demokraten zu, hopsen mit einem Entrechat herausfordernd an Doughby und seine Schar heran, prallen wieder zurück, schieben ihre Damen zwischen sich und die Demokratie, und indem sie Arm in Arm werfen, ziehen sie gestikulierend im gloriosen Heldenschritte über die Bretter ans Ufer – ihnen nach ihre Damen, die die Arrièregarde bilden, uns, die wir unseren Ohren kaum trauen, das Nachschauen lassend.

Wie vom Sublimen zum Burlesken nur ein Schritt ist, sehen wir an unsern Gesichtern, sie haben alle Schattierungen dieser beiden Extreme. –


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