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II.
Des Pflanzers Woche

Ein prachtvoller Morgen! Das tiefblaue Himmelsgezelt mit seinen erblassenden Sternen, im Osten sich rötend, durch die Magnolienwipfel am jenseitigen Ufer wie ungeheure portenteuse Königskronen herüberblitzend! – Mir kommen zuweilen seltsame Einfälle, aber unser Louisiana ist ein halb exotisches Land, ein wunderliches Land! – Das magische Helldunkel in der Glorie der Tageshelle aufleuchtend! Von ferne her der wunderbare Schwanengesang, das hellgellende Geschrei der Wasservögel durch seinen nervenerschütternden Harmonikaton übertäubend, einzelne Silberglockentöne aus der glorreichen Kehle des Königs aller Sänger, das Nonpareil – das lauter werdende Geschwätz der Paroquets und der erwachenden Picaninis, Mädchen und Weiber, das wie Wellengemurmel immer stärker wird! Und während ihr den verschiedenen Tönen lauscht, und die Anklänge von Gottes erwachender Schöpfung euere Seele mit stillem Lob und Preis erfüllen, ein Lichtstrom, der wie auf des Allmächtigen Gebot » Es werde Licht« auf einmal und so urplötzlich hereinbricht, daß euere Augen schier geblendet werden. Und mit diesem Lichtstrom auch das lauteste Tagesgewimmel, Getümmel. – Bei uns kennt man keine Übergänge; in unserer physischen sowie in der moralischen Welt schnellt alles wie von einer Federkraft geschnellt empor – zurück; keine Dämmerung, kein Zwielicht. Winternacktheit und Frühlingsblüten wechseln in Tagen, ihr traut euern Augen kaum. Es ist etwas Phantastisches in diesen urplötzlichen, diesen abrupten Übergängen. Keine Viertelstunde noch ist seit meinem Austritte aus dem Hause verflossen, als alles in der tiefsten Ruhe begraben lag, nun saust es, schwirrt es an allen Ecken und Enden wie Bienenschwärme. Der Zinkenschlag hat ertönt, und als wäre er der Trompetenruf einer unsichtbaren Gewalt, so prellen auch die schwarzen Gestalten wie Dämone aus ihren Hütten heraus, eine grünbronzene, gespenstige Bande, deren koboldartiges Treiben euch für einen Augenblick an die unterirdischen Gewalten mahnt. Zugleich sind die Welschhühner und Hühner aus ihren Steigen, die Rinder ziehen ihren Weideplätzen zu, die Schweine und Ferkel grunzen, die Picaninis gellen, die alte Sibylle und Calypso keifen, und alle und alle beginnen ihr Kauderwelsch und sich des neuen Tages zu freuen und zu schreien und zu plappern, zu singen und zu springen; alles untereinander, zweibeinige und vierbeinige, befiederte und unbefiederte Kreaturen. Aus dem gestrigen Putz, den Seidenschals, den goldenen Ohrringen, den gestreiften Pantalons haben sie sich herausgeschält; die liegen nun sicherlich im Staube oder Schmutze, denn Neger sind euch die sorglosesten Geschöpfe, die nicht über den Tag hinaussehen. Wo ihr hinschaut, Gurkenbeine, an welchen die Waden statt hinten, vorne wie angekleckst sitzen, leichte baumwollene Beinkleider, und da es noch kühler Morgen ist, Hemden von demselben Stoffe; aber sie haben gewonnen im Vergleiche mit gestern, denn sie sind Natur, und Natur ist immer anziehend.

Ihr könnt nichts Pittoreskeres sehen als diese zwanzig Schwarzen, die nun Tiber mit offenen Mäulern anstieren. Er verkündet ihnen den Tagesbefehl, den er soeben von mir empfangen. – Kaum hat er das letzte Wort herausgestammelt, als auch alle bereits sich wenden, »Massa einen guten Morgen wünschen«. Das lassen sie sich absolut nicht nehmen. Tiber ist über ihr Zögern böse, er ballt die Fäuste, er heißt sie liederliche Neger, ist ergrimmt, aber sie sind es auch. »Was, Tiber ihnen sagen, sie nicht Massa sehen und ihm guten Morgen wünschen!« – Sie Massa sehen, es ihr Massa sein, und heran kapriolen sie: »O Massa! Good Morning, Massa! God bless Massa!« heulend, brüllend. »Aber Bursche,« sage ich, »der Kotton« – »Dam Cotton, Massa!« »Aber Bursche, eure Pensa!« – »Dam Pensa! O Massa, Massa!« schreien sie, schwenken ihre Körbe und ziehen ab; abziehen, was sage ich, abtanzen ist der passende Ausdruck; ihre Körbe theatralisch auf den Köpfen balancierend, gestikulieren sie, plappern, plaudern untereinander, mit Sulla, Marius, den Ferkeln, den Picaninis, allem, was ihnen in den Weg kommt, und mit einer Nonchalance, als ob es gar keine Pensa gäbe oder es in ihrer Willkür stünde, zu gehen oder zu bleiben. Der Neger, wenn er guter Laune ist, und er ist es immer, wenn sein Herr es ist –, geht mit einer Grazie, einem leichten Sinn an seine Arbeit, die ihr an Weißen wieder nicht findet. Ein weißer Arbeiter mit seiner verdrossenen Taglöhnermiene ekelt euch an gegenüber dem Schwarzen, der seiner Haltung, seinem ganzen Wesen auch bei den gemeinsten Verrichtungen eine Tournüre zu verleihen weiß, die etwas Poetisches hat, und sich nur durch die stete Gegenwart ihrer schwarzen Dulcineen erklären läßt, auf die natürlich alle ihre Gedanken, all ihr Dichten und Trachten gerichtet sind. Gerade als sie abtanzen, kommt ein Dutzend schwarzer Nymphen ihnen in den Wurf, in der einen Hand die Kessel mit Hominy Hominy: Brei aus Maismehl, Grieß u. dergl., in der andern die Schinken- oder Salzfleischschnitte, die es zu würzen bestimmt sind. – Es lohnt der Mühe, alle die verliebten und chevaleresken Bewegungen der beiden Parteien zu schauen; wenn sie sich zu einem Kotillon rangierten, könnte das Kokettieren und Verliebttun nicht ärger sein. Sie nehmen euch Attitüden an, wiegen sich in den Hüften, – ihr müßt euch wegwenden, denn bemerken sie euch, ist das Spiel noch ärger. Und die Zärtlichkeitsbezeigungen werden so handgreiflich! Sie, die Weiber nämlich, sind in kurzen Unterröckchen und bloßem Hemde, am Halse zugeknöpft; – es brauchte einige Mühe, bis Mistreß Howard es dahin brachte, daß sie den Busen bedeckten, obwohl dieser Artikel in der Regel nichts weniger als delektierend erscheint, – es gibt aber Ausnahmen. – Wie sie nun schwenken und manövrieren und anlocken! – Sind doch wollüstige Geschöpfe, diese Negerinnen! So von Natur aus, instinktmäßig wollüstig, daß es bei ihnen kein Laster mehr ist, sondern bloß eine schlimme Eigenschaft, die wieder ganz anders beurteilt werden muß, als die Geilheit weißer Schönen, mit der sie auch wieder nicht das Ekelerregende gemein hat. Seltsam bleibt es immer, daß sie, ich spreche von unsern Sklavinnen, bei all ihrer tierischen Sinnlichkeit, sich wieder nicht so ganz im Schlamme der Wollust herumwälzen wie weiße oder unter Weißen lebende farbige Schönheiten; auch sie bieten sich feil, aber es ist nicht das ekelhafte, schamlose Feilbieten der Weißen. Selbst in dieser Erniedrigung läßt sich noch etwas pikant Natürliches wahrnehmen. Veränderlichkeit, Leichtsinn, heißes Blut, der Drang nach einem neuen Bande, Seidentuche sind ihre Stimuli, lassen sie aber wieder nicht unter das Zero herabsinken; dafür erheben sie sich aber auch nicht zur hohen Sittenreinheit, zur keuschen Liebe der Weißen. Etwas vom Tiere und seinem instinktartigen Triebe herrscht immer vor und verhindert Extreme.

Im Vordergrunde, an den Stufen des Wirtschaftsgebäudes, seht ihr eine Gruppe, die eines Wouvermanns oder Van der Veldes Pinsel würdig wäre. Es ist ein Dutzend schwarzer halb und ganz nackter Wechselbälge, von zwei bis sechs Jahren, so kugelrund wie die vierteljährigen Ferkel, die sie umgrunzen; zwei derselben sitzen der alten Sibylle auf den Knien, zwei andere der alten Calypso; die übrigen balgen sich noch mit den Ferkeln, oder drängen sich an die beiden schwarzen Hekaten. Es ist etwas ungemein Mütterlich-Zärtliches in den Liebkosungen der alten Sibylle, » dou darlint Negeraussprache statt Thou darling, thou little little Negro boy, Thou art my darling, my little negro boy, Masters negro boy. Du Schätzchen, du kleines, kleines Negerlein – du bist mein Augapfel, mein kleiner Negerbube – deines Herrn Negerbube.,« kreischt sie, » dou lilly lilly nigger boyx be – dou my darlint be – My lilly Nigger boy, Massas Nigger boy« – gellt sie, ihn auf ihren Arm hebend und ihre verwelkten Lippen auf seine schneeweißen Zähnchen drückend, und dann einen Kochlöffel von Welschkornbrei zwischen diese einschmierend. »Du Sibyllens liebes, kleines Negerlein sein, du Massas liebes Negerlein sein, du sein Augapfel sein!« schreit sie abermals, einen andern Kochlöffel voll nachsendend. Und der Affe rollt die Augen, und die Alte schmiert dem zweiten unter ähnlichen Liebkosungen einen ähnlichen Klumpen ins Mäulchen; » My lilly lilly Nigger«, und zwei frische Wechselbälge drängen sich zwischen die Knie, und die Reiter purzeln herab und die Ferkel heran und lecken die Überreste des Breies von ihren Mäulern, und alle rollen, schreien, grunzen. Es ist eine Szene zum Malen!

Wohl, zum Malen haben wir nicht Zeit, die Negerinnen sind mit dem Frühstücke fertig und brechen in die Felder auf. Wir müssen nach. –

Wir haben Baumwollenernte. Die Arbeiten der Neger sind in Pensa abgeteilt. Die Männer haben als tägliche Aufgabe achtzig bis hundert Pfund roher Baumwolle einzusammeln, die Weiber von fünfzig bis achtzig. Der Schwarze, der seinen Korb voll hat, liefert ihn auf die Bretter vor der Kotton-Gin Auch schlechtweg Gin genannt, sowohl das Gebäude, in dem die Baumwolle gepreßt, als die Maschine, durch die sie von Samen gereinigt wird. – Letztere ist eine Mühle, gewöhnlich von Pferden getrieben, mit einer Kamm-Maschine und einem daran angebrachten Werkstuhle zum Packen der vom Samen gesonderten Baumwolle., wo die Baumwolle ausgebreitet bleibt bis sie trocken ist, um in die Gin abzugehen und da vom Samen gereinigt und in Ballen gepreßt zu werden. In der Regel hat der Neger sein Tagewerk um vier Uhr nachmittags vollendet; über die übrigen Stunden bis zu Sonnenuntergang verfügt er nach eigenem Gutdünken, und verdingt sich für diese entweder an seinen Herrn oder besorgt seine kleine Feld- und Hauswirtschaft. Gewöhnlich tun die Männer das erstere und erhalten als Entschädigung für die Stunde acht, und wenn sie fleißig sind, bis zwölf Cents. – Die Weiber besorgen Küche und Felder, in denen sie Tabak und Gemüse, vorzüglich aber erstern bauen, der, an unserem Red-River von der feinsten Qualität, ihnen ein sehr artiges Nadelgeld einträgt. – Alle Familien haben ihre Ferkel, Schweine und Geflügel, die in der Waldung und Pflanzung sich auf Kosten der Herrschaft umhertreiben, und die sie, wann sie gemästet, gleichfalls an die Dampfschiffe verhandeln. Jeder Neger sowie Negerin erhält monatlich ein Bushel Das bekannte amerikanische und englische Getreide- und Mehlmaß enthält zwischen 90 und 100 Pfund. Welschkorn in Kolben, die sie auf den im Kamp aufgestellten Handmühlen zu Grütze oder Mehl mahlen, und aus dem sie ihre Kuchen oder Homony bereiten. Wöchentlich haben sie ihre Rationen an Fleisch, Schinken und Salzfischen, jährlich zweimal Kleidung für Winter und Sommer. – Für erstern eine Wolldecke, die die Weiber zu Kapotten verarbeiten, mit Stoffen zu Beinkleidern – für letztere Baumwollenzeuge. – Diese Ordnung ist gesetzlich und findet sich auf allen auch nur einigermaßen respektabeln Baumwollenpflanzungen. Die Arbeit ist zudem leicht, der Gesundheit zuträglich, die Plackereien des Düngens und der schweren Feldarbeiten sind unbekannt, das Los des Negers in materieller Hinsicht so wenig beklagenswert, daß die meisten Familienväter bedeutende Summen zurücklegen, mit denen sie sich leicht loskaufen könnten. Sie ziehen es vor, in der Familie zu bleiben, in der sie geboren, zugleich als Kinder des Hauses behandelt und zum gesitteten Leben erzogen werden. Ich halte diese bei uns stattfindende Behandlungsweise der Schwarzen für die bei weitem geeignetste, obwohl die virginische den großen Jefferson In Virginien und einigen der älteren Sklavenstaaten leben die Neger auf größeren Pflanzungen häufig in großen Gebäuden, eigens für sie bestimmt. Daß dieses Zusammenleben die Sittlichkeit des Negers keineswegs befördert, ist augenscheinlich. zum Lobredner hat; bei uns lernen sie den Wert des Eigentums durch eigenen Besitz kennen, das sicherste Mittel zu ihrer Gesittung und Erziehung. Diese schreitet vorwärts, obwohl langsam, aber doch schreitet sie vorwärts. Die Behandlung der Sklaven wird besser, die Herrschaft milder, würde bereits um viel milder geworden sein, wenn nicht das Abolitionisten-Unwesen uns in eine retrograde Richtung gezwungen hätte und noch immer zwänge. Diese heillosen Abolitionisten! Negerfreunde.

 

Dienstag, den 23. September.

Heute kam der alte Peter mit seiner Familie an – Battucca-Indianer, die vierundzwanzig Meilen von den Rapides Die Stromschnellen bei Alexandria, von denen das County den Namen hat. ihr Dorf haben und in der Regel herabkommen, in der Baumwollernte zu helfen, und so für den Winter etwas zurückzulegen. Sie arbeiten, die Familie nämlich, Weib, Schwester und zwei Mädchen, in einem abgesonderten Felde. Dem Manne zuzumuten, auch nur die Hand zu irgendeiner knechtischen Verrichtung zu heben, gälte für tödliche Beleidigung. Er steht, auf seinen treuen Gefährten, seine Rifle, gestützt, wie eine kolossale Bronzestatue, den Weibern und Mädchen zuschauend und vielleicht seines Sohnes gedenkend, der als Opfer der Blutrache vor drei Jahren gefallen. Ein Indianer ist ein würdevolles Bild männlicher Ruhe; unbeweglich steht er stundenlang oder liegt malerisch hingestreckt, an Marius, wie er auf den Ruinen Karthagos sitzt, erinnernd. – Wenn er nur nicht gar so viel tränke! Ein betrunkener Marius! Gräßlich!

Dieselbe Ruhe herrscht auch unter den Weibern. Es kann kaum einen grellem Kontrast geben als Indianerinnen und Neger in den Feldern arbeiten zu sehen. Die Indianerinnen wie Automate sich von einer Baumwollenstaude zur andern fortbewegend, höchstens forschende Blicke miteinander wechselnd – lautlos – in ihrem ganzen Wesen stoische Apathie mit einem gewissen Stolze, der die hundertfünfzig Schritte von ihnen lachenden Schwarzen auch nicht eines Blickes würdigt.

Die Neger wieder in ewiger Bewegung, plappernd, lachend, scherzend. Hat der Neger niemanden, der ihm die Zeit vertreibt, so wendet er sich an den ersten besten Gegenstand, der ihm in den Wurf kommt. Ein Hund, eine Katze, eine Maus, eine Ratte dienen ihm für eine Weile gleich wohl, bis etwas Neues nachkommt, und erst wenn dieses nicht kommt, wird er übellaunig, ungeduldig, und bei längerer Isolierung stumpfsinnig. Der Neger hat dieses außerordentliche Bedürfnis der Gesellschaft, oder wie es der Franzose schärfer bezeichnet, Amusement, mit dem letzteren gemein, welcher sich auch immer amüsieren will, plaudern, causer, wie er es nennt, und der, einzig auf sich reduziert, bald jenes brillante Wesen verliert, das diese Nation so geistreich macht, aber zugleich ihren Mangel an geistiger Selbständigkeit, an schöpferischer Kraft verrät. Es gibt sicherlich in der zivilisierten Welt nichts Stupideres als einen längere Zeit auf sich selbst reduzierten Kreolen oder Franzosen, den Neger allein ausgenommen. Sein Rückschritt in der Zivilisation ist auffallend. Er hat auch nicht die mindeste Empfänglichkeit für geistige Genüsse. Lesen hält er für Zeitverlust, Narrheit. Er ist ganz das Gegenteil vom Amerikaner oder Briten, der selbst in der Einsamkeit vorwärtsschreitet, ja erst in dieser eigentlich zum unabhängigen Manne wird – auf seiner abgelegenen Pflanzung, mitten in Urwäldern seine ganze Charakterstärke mit allen ihren Hilfsmitteln entwickelt – mit einem Worte selbständig dasteht. Liegt in diesen verschiedenen Grundzügen des englischen und amerikanischen – und wieder französischen Nationalcharakters – nicht auch die Grundursache der großen Überlegenheit der erstern und ihrer höheren Grade bürgerlicher Freiheit? Ich glaube ja. – Wo das Bedürfnis der Gesellschaft überwiegend wird, läßt sich das Individuum auch die durch diese Konzentrierung notwendig werdenden Beschränkungen – die Zentralisierung der gesellschaftlichen Gewalten – leichter gefallen, und so umgekehrt.

 

24. September.

Einer der Zwillinge Tabys ist gestorben – Folge der Unbesonnenheit der Mutter. Gestern abend kehrt diese aus den Baumwollenfeldern zurück, in die sie eigentlich gar nicht gehört und die ihr ausdrücklich untersagt worden, stellt ihren Korb mit Baumwolle auf die Treppen des Wirtschaftsgebäudes – um sogleich einem halben Dutzend Ferkeln zum Zeitvertreib zu dienen, rennt die Treppen hinan in das Wöchnerinnenzimmer, wo ihre Zwillinge schlummern; das eine, in tiefen Schlaf versunken, erschreckt sie; sie wähnt es tot, zum Unglück ist niemand zugegen; sie reißt es auf, schüttelt, rüttelt es, das Kind erwacht, schreit; sie, voll Freude, springt wie toll herum, reißt die Fenster auf, schreit hinaus: »Kleine Picanini nicht tot, es leben«, die kühle Abendluft schlägt dem erhitzten Kinde den Schweiß zurück. Eine Stunde darauf dringt ihm bereits der Schaum zwischen die Lippen – die Spasmas werden stärker – alle Anzeichen des Lockjaw sind vorhanden. Mistreß Howard war freilich, als sie das Geschrei hörte, herbeigerannt, hat alle Mittel versucht, das Kind wieder in Schweiß zu bringen, – Aschenlauge, Bäder, alles wurde angewandt, – die ganze Nacht beinahe gewacht, – vergeblich! Um sieben Uhr morgens starb der arme Wurm. Der Schmerz der armen Mutter ist grenzenlos. Wie eine Niobe stand sie, ihre trüben, blutig unterlaufenen Augen zum Himmel gerichtet, die straffen Arme herabhängend, keines Wortes mächtig. Dann setzte sie sich auf das Bettchen des entschlafenen Kindes, die Hände gefaltet, die Zähne zusammengepreßt. – So kommen immer trübe Regenschauer in euer heiteres Familienleben. Zugleich ist ein Sack Kaffee mit einem Hut Zucker aus der Vorratskammer verschwunden, keiner will der Deukalion sein, der sie in Bewegung gesetzt, und von selbst können sie doch unmöglich hinter unserm Rücken lebendig geworden sein. Um neununddreißig Pfund Kaffee, einen Hut Zucker und ein Picanini minus und die Gewißheit, einen schwarzen Agrarier im Hause zu haben. Man möchte die Geduld verlieren!

 

25. September.

Papa Menou überrascht uns auf einen Augenblick auf seiner Fahrt nach Woodville zu Doughby, um das Ehepaar zum Familienfeste am fünften abzuholen. Emilie soll gleichfalls mitkommen. Mit ihm sind Messieurs Kirkby und Southby, die auf einige Minuten das Dampfschiff verlassen, mir den Ausgang des gestrigen Meetings in Bakers Station zu berichten. Es war zusammenberufen, um Mittel und Wege in Beratung zu ziehen, dem immer mehr um sich greifenden Unwesen der Abolitionisten zu steuern, – vor allem aber, nach dem aufgeklärten Beispiele Karolinas und meines geliebten Virginiens, die Zweckdienlichkeit in Erwägung zu nehmen, unsern Negern den Besuch der Schulen sowie den Unterricht im Lesen gänzlich zu untersagen. – Kirkby war einer der Opponenten, und von mir dahin instruiert, das Ganze uns, den Pflanzern, zu überlassen, und durch Assoziationen, wie die Temperanzgesellschaften, entgegenzuwirken, wodurch die General-Assembly Wird der gesetzgebende Körper in Louisiana, nämlich das Haus des Repräsentanten und des Senates, genannt. nicht kompromittiert, uns aber die Gewalt in Händen geblieben wäre. – Er wurde aber auf eine Weise überstimmt, die unsern Louisiana-Zeitgeist unvergleichlich charakterisiert. Alle Kreolen waren auf den Vorschlag des Präsidenten sogleich einig, die Repräsentanten des County zu ermächtigen, den Gesetzesentwurf in der General-Assembly zu unterstützen, infolgedessen unter solcher und solcher Strafe aller Unterricht den Negern untersagt werde – passiv und aktiv, wie es recht bezeichnend hieß. »Was, lesen lernen!« schrien sie alle in einem Tone, der, wäre der Vorschlag getan worden, unsere Rinder lesen zu lehren, nicht naivere Verwunderung hätte ausdrücken können. »Dem muß durch ein Staatsgesetz vorgebeugt werden.« – Mich wundert es nur, daß sie die Motion nicht als Supplementartikel in die Staatskonstitution aufnehmen lassen. Diese Kreolen sind, wie ihre transatlantischen Brüder, die Franzosen, erstaunliche Freunde vom Gesetzgeben, und erinnern mich immer an den Seekapitän Tonson in der Posse gleichen Namens (wenn ich nicht irre). – Es entsteht in der Nacht auf dem Schiffe, das er befehligt, Feuerlärm, ein gewaltiger Rauch dringt durch die Schiffslücken; die fünfzehn Schlafhauben der Franzosen sind nämlich in Brand geraten. Kapitän Tonson steuert sogleich dem Unwesen durch das Gesetz, daß alles Licht und Feuer für immer vom Schiffe verbannt werde; darüber rennt sich ein Matrose die nächste Nachtwache einen Splitter durch den Schuh in die große Zehe; des Morgens erläßt Kapitän Tonson ein frisches Gesetz, daß alle Matrosen hessische Kurierstiefel tragen sollen; die Kurierstiefel wollen aber nicht die Strickleitern hinauf; – wieder ein neues Gesetz, das die Leitern herabbringt; – darüber fallen freilich die Masten über Bord, und das Schiff geht zum – –; aber Monsieur Tonson hat gesetzlich regiert. –

Während wir unsere Freunde zum Dampfschiff zurückbegleiten, kommt die Hälfte meiner Neger gerannt, »Massa Menou zu sehen« Es half nichts, daß ich Mister Wright absandte, mit dem Befehle, sie sollten augenblicklich in die Felder zurück. Sie bleckten die Zähne – »Was er ihnen befehlen? – Er nichts zu befehlen haben, Massa befehlen, Massa nichts entgegen haben, wenn Massas Neger Maums Papa sehen.« Und nachdem sie Maums Papa gesehen, blecken sie abermals die Zähne, schreien ein » God bless, Massa Menou!« und ziehen wieder ab unter brüllendem Gelächter.

Menou schüttelt den Kopf und ist der Meinung, daß meine Disziplin zu lax sei. Dem mag sein wie ihm wolle – ich kann nicht helfen. Man müßte wahrlich, in der gebildeten Sprache des achtbaren Redakteurs des Gridirons Bekanntlich hatte die wöchentlich erscheinende Zeitung Cobbets, später Parlamentsmitglied für Conventry, einen Rost als Frontispiz. zu reden, ein ganzes R-h sein, wollte man bei solchen Sachen barsch verfahren!

 

26. September.

Es gibt Menschen, die da fest glauben, das Leben eines Louisiana-Pflanzers sei ein fortgesetztes Sybariten-Schwelgen, ein Liegen auf Rosenbetten, im Palanquin, gefächert von ein paar halbnackten Negerinnen, mit losem Bande um den Busen, rosenrotem Florröckchen um die wollüstigen Hüften, Prunellstiefelchen an den Füßen und so weiter. Und die Wahrheit ist, daß unser Pflanzerleben der Bequemlichkeiten des Lebens, des wahren Komforts, weit weniger darbietet als das nordische Bürgertum dem weit minder Wohlhabenden.

Nehmt nun zum Beispiel unsere Tafel. Diese besteht nun bereits die ganze Woche in Schinkenschnitten, Welschkornkuchen, gebratenen Kartoffeln, die ein Luxusartikel sind, da sie aus Irland eingeführt werden, und zur Abwechslung in Makarels, einem Huhne oder Welschhuhne, von welchem immer einer oder der andere der sich unpäßlich befindenden Neger seinen Anteil erhält. Freilich läuft uns das Wild vor der Nase herum, Hirsche, Bären lassen sich alle Tage an den Rändern des Waldes blicken, schwimmen über den Fluß, – Wildgänse, Enten schwirren euch zu Tausenden, Hunderttausenden über die Köpfe hin, oft könnt ihr euer eigenes Wort nicht vor ihrem Geschrei verstehen; aber ihr habt nicht die Zeit, ans Schießen zu denken, und schießt ihr sie, so ist zwei gegen eines zu wetten, daß irgendein Alligator vor euch da ist, die Beute in Empfang zu nehmen. Von diesen Alligatoren und Snapping Turtles wimmelt es im Flusse und dem See im Süden der Pflanzung sowie den Bayous, die uns umgeben. Hunde und Neger zittern, sowie sie eine der letztern sehen, ihr Biß ist sehr gefährlich. So denkt man bei uns gar nicht auf die Jagd, selbst wenn die fieberische Hitze sie erlaubte. Wir haben den ganzen Tag die Hände so voll zu tun, daß nur die pünktlichste Ordnung uns aus diesem Wust, diesem Treiben bringen kann. Vom frühen Morgen ist Mistreß Howard in Bewegung. Die Picaninis müssen versorgt, den Familien ihre Rationen ausgeteilt, ihnen selbst, wo sie gehen und stehen, nachgesehen werden. Eine Negerin wirft das Kleid, das sie am Sonntag nachts abgelegt, nie in ihre Kiste; nein, geradezu auf die Erde, die ganze Woche tritt sie darauf herum und wundert sich recht naiv am nächsten Sonntage, daß es schmutzig und voll Löcher ist. Ihre Rationen an Welschkorn, wenn nicht jedesmal nachgesehen wird, könnt ihr versichert sein, sind eine Stunde darauf, nachdem sie ihnen ausgeteilt worden, eine Beute der Borstentiere und Welschhühner. Je nachsichtiger ihr seid, desto ärger das Übel. Des Schmollens, Zankens ist kein Ende, daher haben auch die Kreolinnen in der Regel eine unliebliche, kreischend-zänkische Stimme; selbst Luisens Akkorde beginnen den schrillen Ton anzunehmen. Stets ist sie auf den Beinen, hinter ihr her Psyche mit zehn Schlüsselbünden, ewig aufschließend, zuschließend; läßt sie die Türe einer Vorratskammer auch nur zehn Minuten offen, so ist sie zur Hälfte oder ganz geleert. Sie stehlen euch, diese Neger, ärger als die Raben, verbergen das Gestohlene wo sie können und werfen, was sie nicht bergen können, geradezu weg. Kaffee, Zucker, Salzfleisch, besonders Gewürze, die sie zu Kochlöffeln voll in ihre Speisen werfen, verschwinden so. Der Kaffee und Zucker von gestern ärgert mich abscheulich. Die Vorratskammer blieb keine zehn Minuten offen, der Riegel war aus Versehen nicht eingefallen, – weg sind beide. – Keiner will etwas wissen. Unterdessen haftet auf Hannibal der größte Verdacht. Er ist ein arger Dieb, und aus seinen tückischen Tigeraugen leuchtet nichts Gutes heraus.

Während Mistreß Howard den Haushalt von fünfzig Negern besorgt, gewiß keine Kleinigkeit für eine siebzehnjährige Dame, liegt mir die Plackerei der Aufsicht über die Felder, die Baumwollen- und Welschkornernte, die Kotton-Gin und tausend andere Dinge ob. Nur die genaueste Kenntnis von dem, was jeder zu leisten imstande ist, kann euch vor Betrug und Ruin sichern. Zeitungen, Broschüren, neue Werke kommen täglich an, liegen aber seit Wochen uneröffnet. – Wo sollte man die Zeit hernehmen – wo die Lust!

Aber warum gebt ihr eure Neger nicht frei? Macht euch dieser Plage ledig?

Das ist eine Frage, von keinem Sachverständigen, nicht einmal Verständigen, getan. – Warum gaben Washington und Jefferson und Henry Patrik, Männer, deren Namen die Zungen aller Zeiten mit Ehrfurcht nennen werden, ihre Sklaven nicht frei? Weil sie vollkommen überzeugt waren, daß mit dieser Freiheit nicht einmal den Sklaven, viel weniger unserer bürgerlichen Gesellschaft, gedient wäre. Eine tierische, uns ohne unsere Schuld zugekommene Rasse kann nicht in wenigen Jahren zur Gesittung, zur Ertragung unserer Freiheit erzogen werden. – Es gehören der Jahre viele, Jahrhunderte dazu. Lernt diese Sklaven erst kennen und dann redet.

 

27. September.

Der Wind hat sich seit gestern gewendet. Wir haben Südost bei Süd – der Thermometer steht auf 77, die Hitze wäre zu ertragen, aber die Dünste, die Dämpfe! Es ist zum Ersticken schwül. – Unsere größte Wollust ist, täglich ein Dutzend Hemden zu wechseln. – Ich bin am achten, in das ich mit Hilfe Bangors krieche, und kaum so viel Luft erschnappe, um »ein Glas Limonade« herauszukeuchen. Und Bangor läuft in den Saal:

»Maum! Massa Glas Limonade.«

»Wo denkt Mister Howard hin!« höre ich Maum ausrufen und sehe sie sofort an der Schwelle unseres Schlafzimmers erscheinen. –

»Wo denkst du hin, George? Limonade! – Ein Glas Wasser mit Madeira oder Bordeaux.«

»Lieber Limonade, Luise!«

»Kann nicht sein, George. Du gehst wieder in die Felder; Limonade ist schweißtreibend, schwächt den Magen. Papa, du weißt.« –

»Hörst du, Luise, du bist doch so hart – so hart wie der Teufel mit Seiner Herrlichkeit dem Großkammerherrn.«

»Ich so hart wie der Teufel mit Seiner Herrlichkeit dem Großkammerherrn!« versetzte Luise pikiert. – »Du hast doch heute wunderbar artige Gleichnisse. Und was war denn das für ein –«

Damen tragen den Teufel wohl zuweilen im Herzen, aber nur selten auf der Zunge –

»Zuerst will ich dir sagen, wer die Herrlichkeit war. War ein wunderbar feiner Mann, der an einem englischen oder spanischen, ich weiß nicht mehr, welchem Hofe, in großen Gnaden stand, und zwar vorzüglich deswegen, weil er alles scharmant fand, was die Majestäten taten, welches Scharmantfinden ihn auch in die nächste Umgebung besagter Majestäten brachte. Es war dieses Scharmantfinden ganz bei ihm zur Gewohnheit geworden, und er befand sich wohl dabei sein ganzes Leben, bis der Faden ablief, und er sich übel befand, so zwar, daß er nach diesem Übelbefinden in die Hölle reiste, ein zweites, aber unterirdisches Louisiana. Als er nun dahingefahren, kam ihm der Teufel, dem seine Ankunft durch einen Kurier gemeldet worden, mit seinem Generaladjutanten an der Pforte seiner höllischen Residenz entgegen, ihn gebührendermaßen zu empfangen und ihn in sein Appartement einzuführen. ›Wie gefällt es Eurer Herrlichkeit?‹ fragte der schwarze Regent, als sie in das Portal eingetreten. ›Sehr wohl,‹ versetzte der Lord Großkammerherr – ›sehr wohl, sublime Beleuchtung – vortreffliche Szenerie – wünschte, ich hätte einen unserer großen Künstler hier.‹ – ›Freut mich, das zu vernehmen‹, versetzte der Teufel, der sich etwas darauf einbildete, es dem Lord in der feinen Lebensart gleichzutun. ›Freut mich um so mehr, als ich besorgte, die einigermaßen starke Hitze würde Euere Herrlichkeit inkommodieren.‹ ›Mit nichten,‹ versicherte der Großkammerherr – ›auf Ehre! Recht komfortabel – etwas warm zwar,‹ meinte er, nach seinem Madras-Seidentuche greifend, das ihm in der Hand in Flammen aufging – ›aber ein Glas Limonade wird nicht verfehlen, uns die nötige Kühlung zu verschaffen.‹

›Limonade,‹ wiederholte die schwarze Hoheit – ›wo denken Eure Herrlichkeit hin? Limonade ist schweißtreibend, würde Ihren Durst nur mehren, ja anderweitige üble Folgen haben; besitzen aber vortreffliche Fluida in unserem Hofkeller, hellklares Silber mit einem Zusatze von Schwefel und Alaun verdünnt, das vortrefflichste Getränk in unserem Klima und für Konstitutionen, wie die Eurer Herrlichkeit! Auch nach der neuesten Erfindung in Patentöfen geschmolzen. Haben eine Auswahl von Getränken für unsere Gäste und hohen und höchsten Herrschaften; so haben wir groben Schwefel und flüssiges Gußeisen für die grobe Kanaille, Kupfer und Blei für die schwergroben, eckigen Kleinstädter, Ihnen aber dürfen wir Silber mit einer Zugabe geschmolzenen Goldes geben; reines Gold, mit dem lautersten Aqua Tofana gewässert, ist bloß für die höchsten Herrschaften, die uns mit ihrem Besuche beehren.‹

›Sehr erfreu‹, versetzte die Herrlichkeit. ›Ersehe, daß die Etikette gehörig beobachtet wird. Hatte wirklich besorgt, mit dem horriblen schweinischen Haufen oder gar den Republikanern in eine Kategorie geworfen zu werden.‹

›Befürchten Eure Herrlichkeit nichts dergleichen‹, entgegnete ihm der Teufel. ›Letztere befinden sich alle in der sogenannten neuen Welt, tausend Meilen von dieser meiner östlichen Residenz im Westen, wo es noch sehr wässerig, dämpfig, dunstig ist, und sie alle, der beliebten Gleichheit wegen, ohne weiteres in den großen Strom‹ – Luise! Das muß der höllische Mississippi sein, – ›geworfen werden‹«

»Du bist ein gottloser Spötter!« drohte Luise, die eine ziemlich fromme Katholikin ist und mit der Hölle sich ja nicht zu scherzen erlaubt.

»Und du mein Engel, und wenn du willst, auch mein Schutzengel – wohl, so gib den Madeira oder Bordeaux.«

Luise ist beruhigt, als sie mich trinken sieht, und legt ihren Arm um meinen heißen Nacken. – Sie ist eine Kreolin, die in diätetischer Hinsicht nicht vorsichtig genug sein zu können glaubt und darüber oft zur Wärterin wird. Ich öffne abends, wenn der Luftzug den Mochettos eine andere Richtung gegeben, die Fenster; aber heranschwebt Luise und schließt, ohne ein Wort zu sagen, das Fenster. »Oh, so schließe doch das Fenster nicht!« »Nachtzug, teurer George, du weißt, Nachtluft und besonders Zug ist gefährlich«, und zu geht das Fenster ohne Gnade und Barmherzigkeit. Psyche kommt mit der Limonade, aber herantritt Luise, nimmt das Glas und schüttet es in die Kühlpfanne, so daß ich oft glaube, ich bin der Studiosus Lubberhead und Luise der Magister Pepperpot im Petticoat.

Die Wahrheit zu gestehen, so ist euch Louisiana ganz das Land, das den Mann zum Weibe und das Weib zum Manne umzuwandeln imstande ist. Darum sind auch die Kreolinnen weit mehr Männer als ihre Gesponse. Es ist ein wahres Faulland, für eine von Haus aus aristokratisch träge Natur, zur Not ins Demokratische schillernd, nicht übel passend, wenn nur die Hitze und Dünste und Schwüle nicht gar so entnervend, und die Atmosphäre so badstubenartig, und die Moskitos so bissig wären; aber diese zapfen euch noch das bißchen warme, reine Blut ab und lassen wenig mehr als rotes, laues Salzwasser in den Adern, das dann salzige Launen und gallige Reizbarkeit und grausame Leberwehen erzeugt, die ihr wieder an euern Negern auslasset! –

Und wie wir beim Teetische sitzen, Psyche Luise und mir die Ohren voll schwatzend, erhebt sich auf einmal unter den heimgekehrten Negern ein wüster Lärm. Ich bemerkte bereits etwas wie Zwiespalt in den Feldern und während des Ablieferns der Baumwolle; – nun ist er, scheint es, in vollem Ausbruche, ich setze gerade die Tasse an den Mund, als ein lautes Klatschen sich hören läßt; »Hannibal«, schreit Psyche, »dem Tiber eine Maulschelle gegeben.« Noch blieb ich sitzen, aber Tiber gab jetzt einen so unnatürlich gellenden Laut von sich, daß Luise die Tasse fallen läßt und erschreckt zum Fenster springt. »Um Gottes willen, Howard!« schreit sie, »Hannibal erwürgt Tiber.« Ich war mit einem Satze auf, mit dem zweiten draußen. Tiber ächzt unter den Händen Hannibals, der wie ein Tiger ihn in seinen Klauen hält und nicht loslassen will. Erst beim zweiten Schlage läßt er ihn fahren, und schießt einen Blick auf mich, wie die Tigerkatze auf den Löwen, der ihr die Beute entreißt. – Tiber schreit: »Boe, Boe! Kaffeedieb, Kaffeedieb – meine Nase abgebissen! Boe, Boe!« – Tibers Nase ist abgebissen, und der Bösewicht, ihre Reparatur unmöglich zu machen, denn wir hätten sie doch noch angenäht, hat sie mit dem Fuße zertreten. Meine virginischen Neger kommen endlich herbei und bringen Ketten. Hannibal wird gefesselt, in das Gefängnis abgeführt, Tiber in das Krankenzimmer, um mit Essig gewaschen und verbunden zu werden. Ich bin nicht leicht aus der Fassung zu bringen, aber die tückische Bosheit des Buben hat mich so furchtbar empört, daß es das ganze Gewicht Luisens brauchte, mich in Schranken zu halten.

 

Abends 6 Uhr.

Das Verhör gibt betrübende Resultate. Es findet sich, daß Hannibal den Sack mit neununddreißig Pfund Kaffee nebst Zuckerhut aus der Vorratskammer in das Wöchnerinnen-Zimmer, und zwar in seinem Korbe getragen, da unter Tabys Bett geworfen, und daß diese, weit entfernt, Gewissensskrupel zu verspüren oder ihres Mannes Dieberei zu mißbilligen, nicht säumte, den Diebstahl zu hehlen. Einen Teil trug sie in ihren Rocksäcken in ihre Hütte, das meiste aber in die Felder, um es in den noch hier und da umherliegenden hohlen Kotton-Bäumen zu verstecken. Das also die Ursache ihres Dranges, Kotton zu pflücken, und des Todes ihrer armen Picanini! Das schlimmste aber ist, daß die Eheleute zehn meiner von Menou neu angeschafften Neger ins Komplott zogen, die ihnen Beistand leisteten. Lange konnte jedoch die Sache nicht verborgen bleiben; meine Virginier merkten Unrat und zeigten es Tiber an, der gerade auf dem Wege in das Haus war, um mir das Ganze zu berichten, als ihn Hannibal anfiel und ihm die Nase abbiß. Ich hatte dem Burschen nie recht getraut, und ebensowenig Mistreß Howard Taby. – An beiden versuchten wir jedoch, was Güte und Milde zu bewirken imstande wären. Sie hat die letzten vier Wochen ganz von unserer Tafel gelebt und war mit Liebesbezeigungen überhäuft worden; das der Lohn dafür! –

Alles das ist von einer um so übleren Vorbedeutung, als es Symptome eines werdenden Komplottes birgt, die nur Zeit brauchten, um in eine recht artige Meuterei auszuarten. Hannibal scheint mir ganz der Mann dazu. Wohl, die Nacht bringt Rat. –

 

28. September.

Gerade wie die Glocke das Zeichen zum Frühstücke gibt, rudert das Dampfschiff » The Red-River« dem Ufer zu, und mein Schwiegervater mit zwei Fremden steigt ans Land, von denen einer Vergennes ist, der andere allem Anscheine nach sein Landsmann. Luise eilt dem Papa mit einem Herzklopfen entgegen, welches diesen stutzen macht. Sie hat – das arme Kind – die ganze Nacht kein Auge zugetan, glaubte, unsere Neger würden jeden Augenblick losbrechen, sah Haus und Hof in Brand, mich erwürgt; und jetzt rennt sie, bewegt, wie sie ist, auf den lieben Papa zu, fällt ihm in die Arme, »O Papa! – wie froh sind wir, daß du kommst!« Und am ganzen Leibe zitternd, fängt sie sogleich an, ihm den Vorfall in den schwärzesten Farben zu malen, und der Papa schüttelt den Kopf; »Sie behandeln Ihre Neger zu gut, lassen ihnen zu viele Freiheit – Überfluß; – und Überfluß erzeugt Übermut, und dieser traurige Folgen. Sie können leicht zu einer traurigen Katastrophe Veranlassung geben«, wiederholt er warnend. »Neger müssen gut, aber auch scharf gehalten werden, so daß sie nicht zur Besinnung kommen, nicht auf Komplotte denken. Was nun den Sack mit Kaffee betrifft, so hat dieser nicht so viel zu bedeuten; Neger stehlen wie Füchse, es ist Instinkt; aber der Umstand, daß zehn Ihrer neuen Neger ins Komplott gezogen worden, und gerade zehn neue Neger, das zeigt, daß Ihre Neger kombinieren. Schlimmes Zeichen, Mister Howard, sehr schlimmes Zeichen – Grausamkeit wäre nicht schlimmer, denn merken Sie wohl, Grausamkeit hält die Neger in Zucht, wenn sie nicht gar zu arg ist.« Und in diesem Tone geht es fort. Er ist Vater – Pflanzer; ich kann es ihm nicht übel deuten, wenn er über das Wohl seines Kindes ängstlich wird, aber solche Präzeptorsvorlesungen klingen euch so mißtönig in eurem eigenen Hause, und beim Bewußtsein, daß ihr eure Schuldigkeit als Mann tut. Ich war auf dem Punkte, ihm die Sache nach meiner Ansicht trocken darzustellen, als sich vom Ufer her eine jugendliche Stimme hören läßt:

»Hallo, Bursche! Setzt Eure Vordersegel ein und nehmt meine Jolle ins Tau, die Koffer, die am Ufer stehen, meine ich«, rief ein junger Mann meinen gaffenden Negern freundlich stolz zu. Ich schaue und höre nicht wenig verwundert; ein Jüngling im knappen militärischen Sommerrocke, mit steifem Kragen. »Sehr feine Wäsche«, bemerkte Luise, trotz dem gehabten Schrecken, durch die Jalousien. – Weiber haben doch in diesem Punkte erstaunlich feine Augen, – wohlgebaut, er mißt beiläufig fünf Schuh neun bis zehn Zoll, das Gesicht mit einem Ausdruck, der mehr das Befehlen als Gehorchen zu lieben scheint. Mit entschlossener Haltung schreitet er die Treppen der Piazza hinan. – Ich schaue meine Gäste fragend an. – Sie sahen den jungen Mann auf dem Dampfboote, keiner aber vermag über ihn Auskunft zu geben. Er klopft an die Saaltüre, tritt ein, sieht sich die Anwesenden flüchtig an, und indem sein Auge auf mir haftet, schreitet er auf mich zu:

»Ich glaube, ich habe die Ehre, mit Mister Howard zu sprechen?«

»Das bin ich; wen habe ich das Vergnügen, vor mir zu sehen?«

»Einen Freund Mortons.«

»Dann sind Sie mir willkommen, herzlich willkommen. – Wie lebt Morton?«

»In der Erinnerung der glücklichen Jugendtage, die er mit Ihnen genossen. Mein Name ist Granby. Mister Doughby wird Ihnen das Weitere gesagt haben.«

»Nochmals herzlich willkommen!«

Und der junge Mann überreicht mir mit einem Anstande sein Empfehlungsschreiben, der ganz den Gentleman verrät. – Er ist der Sohn Isaak Granbys, eines unserer humansten und achtbarsten Pflanzer im Staate Tennessee, seit den letzten fünf Jahren in der Militärakademie von Westpoint, wo er seine Erziehung vollendet; – also ein Jüngling, der, was Kenntnisse, geregelte Lebensart, gutes Benehmen betrifft, ohne den leisesten Argwohn in jedes Haus aufgenommen werden darf. Er will sich nach einigen Jahren gleichfalls in Louisiana niederlassen, zuvor aber als Aufseher auf einer respektabeln Pflanzung die Eigentümlichkeiten unseres Bürgerlebens kennen lernen. So recht! das ist mein Mann, wir brauchen solche Leute, die Humanität, Bildung und Vermögen zugleich besitzen, um die Zerrissenheiten unseres Sklaventumes, wenn nicht in Harmonie, doch in eine achtbare Haltung zu bringen. Er kommt mir in dem Augenblicke wie vom Himmel gesandt, denn umgeben von ängstlich herumschießenden, ewig brausenden, jetzt übermütig, wieder hasenherzig kleinlauten und alles durch die Peitsche kurierenden, engherzigen Kreolen wird euch doch zuweilen das Leben so sauer! – Es gehört wirklich nicht geringe Seelenstärke dazu, bei den ewigen Anfällen nicht den Gleichmut zu verlieren! Ich kann nicht umhin, ihm, der nun zu meinem Haushalte gehören soll, sogleich einen Beweis meines Vertrauens dadurch zu geben, daß ich den Vorfall von gestern ins gehörige Licht zu setzen beginne. Menou geht mit auf den Rücken gekreuzten Händen im Saale heftig auf und ab; – der junge Mann schweigt. Wir setzten uns zum Frühstücke, das durch seine und des Franzosen Gegenwart etwas belebter zu werden beginnt.

Nach dem Frühstücke schlug ich eine Tour durch das Camp und die Pflanzung vor, auf der uns die beiden Franzosen begleiten. – Es ist Sonntag. Die Neger sind zum Teile in ihrem Staate, aber, als hätten sie das schiefe Urteil, das mein Schwiegervater von ihnen gefaßt, Wort für Wort gehört, sie neigen ihre Häupter sehr demütig, als er an ihnen vorübergeht, begrüßen ihn aber mit keiner Silbe. Nur ein dumpfes Gemurmel läßt sich hören: » God bleß Massa, our beloved Massa! Good Morning Massa!«

Es tat mir wohl, dieses Gemurmel, ungemein wohl, mögt es glauben!

»Man sieht sogleich,« bemerkte Granby, »daß Ihre Sklaven nicht mit der Peitsche regiert werden. Das ist meines Vaters Art und Weise auch«, fährt er fort. »Ernst mit Gelassenheit, Milde, aber ohne Sentimentalität, ein Stets-sich-gleich-bleiben – führen richtig zum erwünschten Ziele, die Peitsche so wenig als möglich zu gebrauchen, aber wenn sie nötig ist, sie auch nicht aus törichter Philanthropie zu schonen; ein Hieb, zur rechten Zeit angebracht, kann unabsehbarem Unheile abhelfen.«

Der Mann spricht mir ganz aus der Seele. Mit den Details einer Pflanzung, den Eigenheiten der Schwarzen scheint er genau bekannt, wie kann er auch anders, da er von Jugend auf mit ihrer Behandlung vertraut geworden? Wir treten im Verlaufe der Unterhaltung in das Gefängnis, wo Hannibal gefesselt liegt. Er hockt halb, halb liegt er, ohne aufzublicken. Wie ich ihn anrede, schießt er einen tigerähnlichen Blick auf mich und stiert dann wieder auf die Erde. Der junge Mann schüttelt den Kopf, wie er das frühere Leben des Sklaven hört. Papa Menou hat ihn mit Taby vor beiläufig acht Wochen von Le Compte für eine Schuldforderung von tausend Dollars übernommen. Die Eheleute sind vierzehnhundert wert; aber der Mann besitzt eine unverbesserliche tückisch-störrische Gemütsart und ist bereits mehrmals entlaufen. In seinen Zügen liegt etwas Furios-Tierisches. – Granby ist der Meinung, daß ein solches Individuum bei der Angelegenheit der Pflanzung immer mehr oder weniger gefährlich sei, doch wolle er in einem so wichtigen Falle nicht auf der Stelle aburteilen. Neger, sie mögen noch so milde behandelt werden, sind, wie alle Unterdrückten, die sich vom Genusse ihrer, wenn auch noch so dunkel erkannten, Rechte ausgeschlossen sehen, – Menou beißt sich bei diesen Worten in die Lippen, – von Natur tückisch, und je dunkler das Bewußtsein, desto größer die Bereitwilligkeit, sich an denjenigen, die sie ihre Unterdrücker wähnen, zu rächen. – Dieses Rachegefühl ausrotten zu wollen, müßte man die Schwarzen auf gleichen Fuß mit den Weißen stellen; da dieses unmöglich ist, so haben wir die Folgen dieser diskordanten Stimmung zu ertragen. Granby rät an, den beiden Eheleuten ihre Verbannung nach Merveilles Zuckerpflanzung zu verkünden, sie mittlerweile scharf zu beobachten, bis auf den Punkt der Einschiffung zu bringen, und wenn sich Reue und Zerknirschung zeigen, sie auf seine – Granbys Fürbitte – zu begnadigen. Es würde ihm sehr erwünscht sein, seine Laufbahn in Louisiana und auf meiner Pflanzung mit einem solchen Gnadenakte zu beginnen.

Wie mir aus dem Herzen gesprochen, und auch Papa Menou ist der Meinung, obwohl er ihn kopfschüttelnd fragt, ob er glaube, daß Neger auch Rechte haben? – Granby lächelt, schaut den Mann forschend an und meint, sein Vater habe zweihundert Neger, aber nie gezweifelt, daß jeder derselben Rechte besitze. – Mister Menou ist zu aufgeklärt, um dies nicht anzuerkennen. – »Lassen wir diese Querfragen, nachmittag kommt der Monteczouma, wir wollen Ihrem Rate folgen, Mister Granby.«

 

Nachmittag 4 Uhr.

Die Atmosphäre ist trübe, zum Ersticken schwül. Eine tote Windstille mit Millionen Milliarden großer und kleiner Moskitos, die euch durch die Kleider, durch die Haut dringen. – Böse Vorboten diese! Die beiden Franzosen sind im Zustande der Auflösung, uns geht es nicht viel besser! Wein, Speisen, alles steht unberührt. Ist es Wirkung der fieberischen Temperatur oder üble Laune, die mich so ahnungsvoll düster umhertreibt, matt und todesmüde und doch so unruhig? Ich fühle wie vor zwei Jahren an demselben Tage – es war der achtundzwanzigste September, werde ihn in meinem Leben nicht vergessen – war auf dem Scipio im Golf von Mexiko; eine ähnliche tote Windstille und Schwüle, Hitze, Mattigkeit, die Haut so klebrig, als wäre sie mit Schreinerleim bestrichen. Um vier Uhr war unser Scipio ein so stolzer Dreimaster, als je auf dem grünen Erbsenwasser wogte, eine halbe Stunde später hatten wir zehn Fuß Wasser im Kielraume, alle Masten über Bord, die Schiffsgeländer alle gebrochen, die Boote gleichfalls, das Schiff jede Sekunde daran, in den Abgrund zu versinken. – Und diese ist gerade die nämliche Orkan-Atmosphäre.

Meine Neger sammeln sich mittlerweile vor dem Hause, ihre Blicke sind unruhig, besonders herrscht unter den Schuldigen ein ganz eigenes Gemurmel; Papa Menou, ich und Mister Granby treten auf die Piazza, vor der sie in Reihe und Glied aufgestellt sind. Ich präsentierte ihnen ihren neuen Aufseher, dem sie in allen Stücken zu gehorchen haben. Ein Geflüster, Gelächter, Gespötte, ganz in der Manier von Matrosen, die ihren neuen Schiffsleutnant zum ersten Male sehen und auch zugleich über den neuen Ankömmling ihre Glossen machen, die, wie sie wohl wissen, sich später nicht mehr machen lassen. Sie stieren ihn einige Augenblicke an, als wollten sie ihn verschlingen, blinzeln, nicken sich zu, scheinen die Schwachheiten des neuen Locumtenens aus seinen Augen herauslesen zu wollen, murmeln aber ein zufriedenes: » Dank Massa Dank for us giving Tennesse man – and no Creole or Frenchman.« Negeraussprache statt Thank you Master, Thank you for giving us a Tennesseeman and not a Frenchman or a Creole – Schönen Dank, Herr, schönen Dank, daß Sie uns einen Tennesseer und keinen Franzosen oder Kreolen geben. Kein großes Kompliment für Menou und die beiden Franzosen. Die Weiber kichern und beginnen an ihren Busentüchern zu zupfen, auf einmal jedoch halten sie inne, Todesstille herrscht. – Ich hatte Pompey und Tully den Wink gegeben, Hannibal und Taby vorzuführen.

Der Neger kommt einhergeschritten, ohne aufzublicken, stellt sich vor uns hin und hört mich an, ohne eine Miene zu verziehen. – Taby jedoch beginnt zu heulen, wie ich den beiden ihre Undankbarkeit und grobe Falschheit Vorhalte; von eigentlicher Reue ist aber auch an ihr nichts zu finden. Wir standen eine Weile, die beiden Eheleute betrachtend. – Menou zuckt die Achseln, Granby schüttelt den Kopf, und ich spreche das Urteil aus, daß sie als Diebe und Verführer ihrer Mitneger mit dem Dampfschiffe Monteczouma in die Zuckerpflanzung Merveilles abgeführt werden sollen.

Bei dem Worte Zuckerpflanzung schauderten alle. – Hannibal schoß einen wütenden Blick auf mich. Taby sprang vor und warf sich mir zu Füßen: »Sie es nicht mehr tun, sie schwören; sie es nicht mehr tun – sie Hannibals Weib nicht mehr sein wollen, – er böser Neger, er sie angestiftet, verführt – ihre Picaninis nicht von ihm, er nicht der Vater, – sie Massa beschwören, er sie nicht abzusenden, sie brav werden.« – Menou flüsterte mir zu, den letzten Auftritt abzuwarten. Granby ist derselben Meinung. Eheleute zu trennen ist grausam, aber der Verführten gleiche Strafe mit dem Verführer zuzumessen, ist es noch mehr. – Und doch kann Hannibal auf keine Weise auf der Pflanzung bleiben. Ich stand unschlüssig. Währenddem hatten Pompey und Tiber die Effekten Hannibals und Tabys aus ihrer Hütte gebracht und trugen sie dem Ufer zu, wohin wir uns gleichfalls begaben. Das Brausen des Dampfschiffes war deutlich zu hören, bald erblickten wir es selbst, und auf das gegebene Zeichen kam es an den Landungsplatz heran. Ich ging an Bord, um den Kapitän von unserem Vorhaben zu unterrichten. Er versprach, den Neger richtig abzuliefern und sandte ein paar Bootsleute ans Ufer, ihn in Empfang zu nehmen. Einige Worte richtete ich nochmals an ihn, ihn all die Weile scharf fixierend, und dann winkte ich den Matrosen, ihn fortzunehmen. Er schritt entschlossen zwischen den beiden Bootsleuten den Brettern zu, die ihn an Bord des Dampfschiffes bringen sollten; da angekommen, stutzt er einen Augenblick, stiert wild um sich, die Hände waren ihm freigegeben, nur die Füße waren leicht gefesselt; – ehe es sich die beiden Matrosen versehen, wirft er den einen mit einem Stoße auf die rechte, den andern auf die linke Seite, springt mit beiden Füßen zugleich vor, fällt aber, wälzt sich, rollt sich wie eine Schlange mit unglaublicher Schnelligkeit und dem Rufe: »Hannibal nicht in die Zuckerpflanzung gehen!« an den abschüssigen Uferrand und wirft sich mit einem plötzlichen Rucke in den Fluß, der, wenigstens dreißig Fuß tief, ihn sogleich in seine verschlingenden Arme reißt.

Lautes, rohes, viehisches Geschrei, Gebrülle, Gelächter am Verdeck.

»Fünfhundert Dollars beim T–l.«

»Holla, die Alligatoren und Snapping Turtles haben ein Barbe Barbecue.«

»Zehn Dollars, er sinkt –«

»Ist gesunken.« –

Weiter hörte ich nichts, sah nur des Negers Hand nochmals aus dem Wasser emporgestreckt; der schrille nervenzerreißende Schrei der Todesangst gellte mir bereits aus den Fluten in die Ohren. – Ich war von der einen Seite in den Fluß gesprungen, hatte seine Hand erfaßt, Granby von der andern den Wollschopf des Negers ergriffen. Ein Seil, das ebenso schnell uns zugeworfen wurde, brachte uns ans steile Lehmufer, an dem wir wie drei Gehenkte emporgewunden wurden. Ich eile zu Luise, die ihrem Vater ohnmächtig in die Arme gesunken – noch mit ihr beschäftigt, höre ich die gurgelnde Kehlenstimme Hannibals: »Massa, Hannibal totschlagen, aber nicht in die Zuckerpflanzung verkaufen.«

»Das sollst du nicht – wenigstens nicht für diesmal – ich hoffe, du wirst dir's zur Warnung sein lassen.«

Da habt ihr eine unserer Sonntagsfreuden. – Der Tag ist Unglückstag – das größte Übel kommt, fürchte ich, noch nach. Wollen die Kleider wechseln. –

 

Fünf Uhr.

Es wird mit jeder Minute unheimlicher. Vom Himmel ist seit zwei Stunden nichts mehr zu sehen. Die Luft, die uns umgibt, ist keine Luft mehr, es ist dicker, stinkender Dampf, so schwer, daß euch die Lungen das Spielen versagen. Es ist, als ob alle unsere tausend Sümpfe, Seen und Bayous ihre giftigen Miasmata uns zugesandt hätten, um die ganze Wut der Elemente auf uns herabzuziehen. Eine unbeschreibliche Müdigkeit, Mattigkeit, Bangigkeit hat alles Lebendige ergriffen; selbst der Bullfrosch und Alligator sind verstummt, nur die Stimmen unserer Neger sind zu hören, aber so unnatürlich hohl tönen sie euch in die Ohren, als kämen sie aus wässerigen Gräbern. – Sie bringen die auf den Brettern zum Trocknen ausgebreitete Baumwolle in die Gin. Mister Granby rennt an mich heran, der ich aus dem Camp komme, und deutet auf einen grellgelben Streifen, der grausig am südlichen Himmel gegen uns heraufzuziehen beginnt; und ein Luftzug keucht stöhnend nach, so giftig, dampfbadheiß, daß euch alle Glieder und Knochen eures Leibes schwer, unerträglich werden. »Das ist ein ominöser Bote, Mister Granby. Nehmen Sie noch zehn Hände, daß die Baumwolle so schnell als möglich in die Presse kommt.« Ich stoße ins Lärmhorn, die Neger, die noch im Camp sind, eilen herbei – »Pompey, Cäsar, Tully, bringt die Kähne in Sicherheit, wir dürften sie brauchen. Plato, Cyrus und Tiber, stellt die Feuerspritze hinter die Cottongin!« –

Noch ist die Sonne am Himmel, aber es ist stockfinster. – Sie wirkt wunderbar auf uns ein, diese Finsternis bei Tage, diese Laternen, die sich allerorten kreuzen und auf zehn Schritte nicht mehr zu sehen sind, und das Geschrei und Geheule, das euch von allen Seiten in die Ohren schlägt; auf einer Fregatte während eines Nordwestsqualls kann es nicht ärger zugehen. – Die beiden Franzosen kommen aus der Galerie herausgetaumelt und sinken auf der Piazza vor Müdigkeit nieder. Kein Wunder! Die Luft ist so erstickend geworden, daß die Lichter nicht mehr brennen, bloß flimmern, matt und lebensmüde.

Auf einmal schreit Vergennes: » Sair Howard!«

»Was gibt es?«

» Sair Howard! bill you not comm hair« schreit der Franzose abermals.

Zu einer andern Zeit würde mir der Jargon meines Agnaten sehr belustigend geschienen haben, jetzt gellt er mir widerlich in den Ohren.

» Wat is dat!« fragte er, auf einen lichten Punkt deutend, der sich in der chaotischen Finsternis fahlhell ausnahm. –

Ich schaute – es war Licht, aber kein Laternenlicht, es war eine Flamme – Feuer. »Feuer in einer der Negerhütten; Gott gnade uns!«

Der Anblick hatte mir meine ganze Kraft wiedergegeben. Ich sprang auf die Helle zu, als wäre ich von einem loskrachenden Pulverfasse fortgeschnellt. Die Helle wurde stärker, je näher ich zur Flamme kam, die aus einer der Negerhütten brannte. – Wie ich darauf zuspringe, kommt mir Taby entgegen. »Der Bösewicht,« heult sie, »mich gewürgt, mich geschlagen, er die Hütte angezunden – er fort sein – er entsprungen. O Massa, meine Hütte, Tabys Hütte!« Ich stürze der Hütte zu. Das Feuer brennt in ihr und leckt zur Türe und zum Fenster heraus; so furchtbar schwer ist aber der Druck der Atmosphäre, so erstickend die Dämpfe, daß die Flamme im Kampfe mit dem wässerigen Elemente sichtbar unterliegt. Ich schlage die Türe, die Läden zu, schreie nach der Spritze, springe, ihre Ankunft zu beschleunigen – als sich auf einmal ein Brausen hören läßt, ein Brausen, als wären hunderttausend Ventile von Tausend-Pferdekraft-Dampfkesseln auf einmal geöffnet, ihre grausig sprühenden Dampfmassen uns entgegenzuspeien. Ich sehe empor. – Der grellgelbe Streifen mit fahlen Rändern ist zum ungeheuern gähnenden Schlunde geworden, der Himmel, wie inmitten entzweigerissen, und wie ein endloser, über das ganze Firmament heraufgelagerter Löwe liegt es über uns, den furchtbaren Rachen öffnend.

Ich hatte nur noch die Zeit, dem Hause zuzuspringen. Wüstes Geschrei, Jammern, Verwirrung aus der Kottongin heraus, wohin Menou mit Schwarz und Weiß sich geflüchtet. Ich rufe nach Granby, springe der Türe zu, in dem Augenblicke öffnet das furchtbare fahle Phantom seinen Rachen; abermals das kochend zischende, gischende Gebrause, und dann ein Pfeifen, Heulen, ein Tanz der Windsbraut, so entsetzlich, daß die uns umgebenden Riesenwälder krachen und jammern, als flehten sie um Hilfe bei uns schwachen Sterblichen. Die Wogen des Flusses rauschen rückwärts, ihr Schaum gischt uns in die Gesichter, die Wälder krachen, die stärksten Bäume brechen mit Donnergetöse zusammen. – Es vergeht uns Hören und Sehen – die Sinne schwinden!

Ich stand betäubt, keines Wortes mächtig, Granby neben mir, die Richtung des Lichtstroms erforschend. Noch ist das furchtbare Element im Kampfe begriffen, es hatte sich bisher keine Bahn gebrochen. Weder Donner noch Blitz ist zu hören oder zu sehen, aber jetzt kommt ein Luftstrom, zuerst in Absätzen, er dauert eine Minute, hält inne, wie um frische Kraft zu sammeln, ein Innehalten, grausenhaft zu hören, denn die verhaltene Wut des Elementes scheint sich in den Erdball einwühlen zu wollen, um ihn mit seiner ganzen Kraft zu erfassen und mit sich fortzureißen.

»Jetzt ist es Zeit, Mister Granby! In das Wirtschaftsgebäude mit allen; folgen Sie mir. Es liegt auf der Leeside Die dem Winde abgewandte Seite. des Luftstromes.«

Ich springe in die Baumwollenpresse, rufe nach Luise, Luise nach mir, sie klammert sich an mich. Ich hebe sie in meine Arme und renne mit der lautlos sich Anschmiegenden dem Wirtschaftsgebäude zu; laufe wieder zurück, fasse den sich sträubenden Menou, trage ihn halb, halb schleppe ich ihn dem sichern Hause zu, die Neger folgen wie Kinder, jammernd, wimmernd; von allen Seiten fliegen Aste, Zweige, ganze Baumstämme an uns vorüber. – Wieder erhebt sich der heulende Luftstrom, das Gebrülle wird erschütternd, ein entsetzliches Krachen, der Luftstrom faßt seine Beute, die Grundpfeiler der Kottonpresse wanken.

»Gott gnade uns!« schreit Menou. »Dieser Windstoß noch zehn Sekunden!«

Seine Worte sind noch nicht ausgesprochen, der Luftstrom braust stärker, dazwischen ein entsetzliches Krachen; es ist furchtbarer als der stärkste Schlachtendonner, tausendjährige Lebenseichen brechen wie Kartenhäuser zusammen – Balken fliegen, Fenster klirren – auf einmal ein erschütternder Stoß, Riß – das Dach der Kottonpresse ist wie mit einer Zehntausend-Pferdekraft abgerissen. – »Rettet euch!« schreien zwanzig Stimmen, verhuschen aber in dem Augenblick in ein klägliches Wimmern, denn nun beginnt ein Tosen, ein Sausen, Brausen, ein Brüllen des rasenden Elementes, so furchtbar, daß mir wirklich in diesem Augenblicke bangte, Land, Häuser, Felder, Wälder und Hütten würden von dem furchtbaren Orkane gehoben und in alle vier Enden der Erde gerissen werden.

So dauert es zehn gräßliche Minuten. –

Auf einmal schlagen Flammen in das mit Laternen matt erleuchtete Haus. Neues Jammern, Geheul der Neger, die sich wie Schafe zur Türe drängen, »Massa, um Gottes willen uns hinauslassen, wir verbrennen.«

»Ruhig!« schreie ich. – »Stille.« –

Ich öffne die Türe – Balken, Bäume, Pfosten kommen noch immer wie ein Kartätschenhagel während einer Schlacht angeflogen. – Aber ich muß hinaus, »Luise, halte mich nicht, die Feuerbrände fliegen in allen Richtungen. Granby, kommen Sie!«

Wir springen zur Türe hinaus.

Feuerbrände leuchten vom Ufer her, aber es ist keine helle Flamme – angebrannte rauchende Stämme, die, vom Luftstrome fortgerissen, an das Ufer in den Strom geschleudert worden. Mein Haus, sehe ich, steht unversehrt. Und wie ich darauf zugehe, ruft eine freundlich sanfte Stimme Gottes Segen aus dem Sturme herab.

»Wer ist es, der hier spricht?«

»Der Herr prüft, die er liebt!« antwortete die Stimme.

»Sind Sie es, ehrwürdiger Herr, in diesem entsetzlichen Sturme?«

»Ich bin es«, sprach der Diener des Evangeliums, der während des gräßlichen Orkanes in meinem Hause Schutz gesucht und gefunden hatte. »Ich bin es, der Père Hyacinth ist es.«

»Sehen Sie das Feuer?«

»Der Herr prüft, aber vernichtet nicht. Das Feuer ist dem Flusse zugetrieben. Es ist eine Ihrer Negerhütten.«

Es war mir seltsam zumute, wie ich den Mann des Wortes Gottes so ruhig dastehen sah, im Kampfe der Elemente, gleichsam als lauschte er der Gottesstimme, die aus den Wolken sprach. Und als hätte er ihre Stimme verstanden, und fühlte sich gedrängt, wiederzugeben, was ihm verkündet worden, begann er aus tiefer Brust Worte zu reden, so salbungsvoll, so erschütternd, daß ich Sturm und Ungewitter vergaß und horchte, wie ich früher nie gehorcht.

Und während der Mann Gottes sprach, war es, als ob der Sturm, von seinen Worten gleichfalls durchdrungen, seiner Wut sich schämend, die Flucht ergriffe; das Geheul der tobenden Windsbraut wurde schwächer, die Stöße des Luftstroms kürzer, das nervenerschütternde Geheul, Gepfeife weniger durchdringend. Einzelne Lichtpunkte am dunkelfarbigen Himmel begannen hervorzuschimmern, die Friedensboten sich zu zeigen.

Die Türe des Asyls, wo die Meinigen Zuflucht genommen, öffnete sich; ich höre Luise und ihren Vater ängstlich meinen Namen rufen.

»Hier, teure Luise, bin ich, dem Worte Gottes horchend!« sprach ich seltsam bewegt. »Père Hyacinth, haben Sie noch ein paar Worte zu spenden? Tun Sie es. Streuen Sie den Samen des Guten aus; nun das Erdreich aufgelockert ist, wird die Saat sprossen und keimen.«

Und der Mann des Evangeliums sprach, und was er sprach, gab er mit einer Salbung, einer Rührung, die ergriff, erschütterte. Luise und ihr Vater hören mit gefalteten Händen, mit tränenden Augen den frommen Prediger, der uns im Sturme den ewig barmherzigen Gott und seinen erlösenden Sohn zeigt, und selbst die beiden Franzosen sind erschüttert und gestehen, wie das erstemal in ihrem Leben sie eine Predigt erschüttert.

Mir war nicht bald so religiös fromm zumute gewesen, aber nach den Schrecknissen eines mexikanischen Golfsturmes, denn ein solcher war es, der uns heimgesucht, lernt ihr Gott kennen, lernt ihn sicherlich und gewiß kennen, wenn euer Gemüt auch nur des kleinsten Funkens von Empfänglichkeit fähig ist. – Daß wir nicht alle zerrissen oder verstümmelt von der Windsbraut fortgeschleudert worden, hatten wir nur seiner verschonenden Barmherzigkeit und seinen Urwäldern zu danken, die er hingepflanzt, zum Schutze für uns schwache Kreaturen. Schön war auch, was der begeisterte Prediger in dieser Hinsicht mahnte, wie er uns beschwor, auch diese Kreaturen Gottes, die Bäume, nach Möglichkeit zu schonen, sie nicht in törichter, leichtsinniger Kurzsichtigkeit zu zerstören. Auch der Baum empfinde, und sei vom Allmächtigen gleich andern lebendigen Kreaturen zu unserem Besten und seiner Verherrlichung geschaffen, – daher solle ihn der Mensch nicht in seinem Übermute und ohne Not zerstören.


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