Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

III.
Ein Nachtstück am Red-River

Der Orkan hatte noch weit verheerender ober uns gewütet – leider besucht uns dieser schreckliche Gast in regelmäßigen Zwischenräumen von zwei bis fünf Jahren. Diesmal kam er von den Attacapas Dieses County, vom Atchafalaya und dem Teche bewässert, stößt südlich an die Atchafalaya-Bai, und durch diese an den Meerbusen von Mexiko, nördlich an die Opelousas, und ist einer der herrlichsten Landstriche von Louisiana, aber fieberisch, da es in allen Richtungen von Flüssen, Bayous und Seen durchschnitten ist. und Opelousas Hat paradiesische Gegenden und ist, obwohl nicht ganz so fruchtbar wie ersteres, doch ungleich gesünder. herauf und ging in nordwestlicher Richtung über Quachitta Nördlich vom Red-River gelegen. County in einer Breite von nicht mehr als einer, aber einer Länge von weit über zweihundert Meilen bis in die Wälder und Präries des südwestlichen Arkansas Das große Territory (jetzt Staat), das im Süden an Louisiana, im Norden an den Staat Missouri, im Westen an die Büffel-Prärien grenzt, die wieder in den Felsengebirgen endigen., wo er seine Wut vollends ausblies. Ganze Strecken Wälder sind niedergerissen, Pflanzungen zerstört, Menschen und Tiere verstümmelt, zerrissen, zerschmettert; Häuser, Hütten, Pflanzerwohnungen wurden wie Baumwollenflocken emporgehoben, abgerissen und unglaubliche Strecken weit fortgeführt. Auf der andern Seite wahre hairbreadth escapes Zur Not entronnen., wie wir sagen. So wurde in Coles Niederlassung das Wohnhaus eines Pflanzers vom Luftstrome gehoben, an die dreißig Schritte weit fortgeführt, und ganz wie es stand, ohne besonderen Schaden wieder zur Erde niedergelassen, dem Pflanzer der rechte Arm gebrochen, während sein Weib und zwei kleine Kinder ganz unbeschädigt davonkamen. Durch eine seltsame Fügung traf es sich, daß dieser Mann gerade mit seiner rechten Hand gesündigt. Er ist im Rufe eines unmenschlichen Tyrannen. Wir können uns noch glücklich schätzen, so wohlfeilen Kaufes davongekommen zu sein. Zwar liegt das Dach der Kottonpresse fünfzehn Schritte von dieser zertrümmert; es ist abgerissen von dem aus Zypressenstämmen aufgezimmerten Blockgebäude wie der Kopf vom Rumpfe; sieben Negerhütten, die aus der Linie des Camps hinaus, dem Luftstrome ausgesetzt standen, sind gleichfalls verschwunden; die ganze Pflanzung überdies mit Baumstämmen, Ästen, Zweigen, Zaunriegeln wie besät; kein Menschenleben jedoch ist verloren, Beulen und Quetschungen die Menge, aber Weingeist und Rum werden sie heilen. Die noch außen stehende Baumwolle hat auch nur wenig oder gar nicht gelitten, da die bereits vertrockneten Stauden zwar gebrochen, aber doch nicht vom Luftstrome mit fortgerissen werden konnten. Ein Glück für uns, daß es ein trockener, sogenannter pfeifender Orkan war; ein nasser hätte unfehlbar alles zugrunde gerichtet. Gestern räumten wir auf, heute fuhren wir wieder mit dem Einsammeln weiter. Mein Schwiegervater hat versprochen, einige seiner schwarzen Handwerker zu senden, die uns helfen sollen, das Beschädigte zusammenzufügen, Hannibal ist aber fort; fürchtete er eine Arrière-pensée oder traute er sonst dem Landfrieden nicht, genug, er ist ausgebrochen, und ich bin noch unschlüssig über die Mittel und Wege, seiner habhaft zu werden. Einstweilen können wir uns darauf gefaßt machen, jede Woche ein paar Ferkel oder Welschhühner weniger zu zählen. Diese Art Freibeuterei ist die gewöhnliche Rache, die unsere entlaufenen Neger an uns nehmen, bis sie eingefangen oder, von Not getrieben, in ihre vorige Dienstbarkeit zurückkehren. Eigentliche Maroon-Neger wie in Jamaika oder früher in St. Domingo, die sich unabhängig in den Wäldern umhertreiben und eine Flibustier-Republik bilden, haben wir zum Glück bei uns nicht, werden sie auch nicht leicht haben, da unsere Hinterwäldler das Land in allen Richtungen durchkreuzen. Ohne diesen glücklichen Umstand wäre unsere Existenz eine schwankende.

 

1. Oktober.

Papa Menou ist mit meinen beiden französischen Gästen auf seine Pflanzung abgegangen, mir nichts weniger als unlieb, was die letzteren betrifft. Sind unruhige Leute, diese Franzosen, wahre Hasenfüße. – Während des Sturmes waren sie doch so verzagt, verloren die Besinnung so gänzlich, daß sie hinter den Negerinnen Zuflucht suchten, die jetzt sich nicht wenig auf ihre Kosten erlustigen; tags darauf waren sie wieder ganze Helden, die Napoleons italienische Feldzüge besser gemacht hätten. Während wir alle Hände voll zu tun hatten, sprachen sie von Politik und wieder von Politik und abermals Politik; und das mit einer Bestimmtheit, die dem ersten Lord der englischen Schatzkammer in seinen Finanzdebatten Ehre gemacht hätte. Das wäre noch zu ertragen gewesen, aber das ewige Gestikulieren, Manövrieren mit Händen und Füßen, Parieren, das Zucken der Brauen während dieser Debatten: ihr mußtet jeden Augenblick glauben, eine Revolution von 89 sei sofort im Anzuge, oder ein paar mexikanische Banditen wollten euch geradezu an die Gurgel; ihre Augen funkelten, ihre Hände waren jetzt theatralisch in die Seite gestemmt, wieder geballt, ihre Attitüden heroisch, sie stampften, deklamierten. – Unausstehlich ist das, unsern Begriffen vom Gentleman schnurstracks zuwider. Und doch sind beide von sehr guten Häusern; d'Ermonvalle, der Sohn eines Marquis, beide Sprößlinge historischer Familien; aber die gentlemanische Würde, der das Bewußtsein zugrunde liegt, daß sie in der bürgerlichen Gesellschaft eine Potenz ist, das Gefühl der Unabhängigkeit, fehlt. Der wahre Gentleman soll sich stets gleich bleiben, seine Besonnenheit nie verlieren; dem Sturm die Stirne ebenso unverzagt bieten, wie dem sanften Fächeln des Nordwestwindes; den Scherif, der mit dem Verhaftsbefehle vor der Türe steht, mit demselben gelassenen Anstande empfangen wie den nachbarlichen Bekannten. Freilich gehört dazu eine gesicherte politische und gesellschaftliche Stellung, die der Franzose noch nicht errungen hat, schwerlich je erringen wird; seine Habeas-Korpusakte hat nur die gebrochene Bastille verlassen, um in die Conciergerie und la Force zu übersiedeln; und eben dieses Bewußtsein seiner prekären Stellung gibt ihm das unzufriedene, turbulente, widerwärtige Wesen. – Was folgt aber aus allem diesem anders, als daß der wahre Gentleman nur bei einem ganz freien Volke und in monarchisch-aristokratischen Staaten nur in den höchsten Ständen gedeihen könne.

»Du solltest ein Buch über gute Lebensart schreiben, so einen Pendant zu Chesterfield«, lachte Luise.

Und ich muß über mich selbst lachen. Das ewige Hofmeistern, Kommandieren, Reprimandieren gibt mir einen Schulmeisterton, der meinen achtundzwanzig Jahren zuweilen recht possierlich steht. Aber auf einer Pflanzung, umgeben von lauter schwarzen Gesichtern, die eure Weisheit bald ebenso anstaunen, wie die Hebräer die ihres Königs – wie kann es anders sein? Man legt allmählich das Gewand der Unfehlbarkeit an. – Bin nur begierig, wie Doughby der Ehestand anschlägt. –

 

3. Oktober.

Vierzig Ballen Baumwolle gestern mit dem Red-River, fünfundvierzig mit dem Montezouma heute nach der City Werden in der Regel die Hauptstädte der Staaten genannt, sonst erhält jede Stadt, deren Einwohnerzahl auf zehntausend gestiegen, von der Staatslegislatur die Vorrechte einer City. in Relieux Presse Sind von Cottongins, wo die rohe Baumwolle von dem Samen gereinigt und in Ballen gepreßt wird, zu unterscheiden. Letztere finden sich auf jeder respektablen Baumwollenpflanzung, erstere bloß in Neuorleans; in diesen Pressen werden die Ballen nochmals in den kleinstmöglichsten Umfang zusammengepreßt. abgesandt. Die Hälfte der Ernte wäre in Sicherheit. – Ein Stein ist mir vom Herzen.

 

Abends 7 Uhr.

»Dieser Taby ist sicherlich nicht ganz zu trauen«, wisperte mir nach dem heißen Tagwerke Mister Granby zu, als wir an der Hütte Tibers vorübergingen, in die sie einstweilen seit dem Brande der ihrigen einquartiert worden.

»Wenigstens gefällt mir die brutale Unempfindlichkeit nicht, mit der sie ihr Kind vernachlässigt, und die so grell gegen ihre frühere Zärtlichkeit absticht. Sibylle klagt, daß sie dem Kleinen seit vier Tagen keine Milch gereicht. Haben Sie sonst etwas bemerkt?«

»Sie verkehrt viel mit Prona, die mir gleichfalls verdächtig vorkommt. Während wir die fünfundvierzig Ballen an den Montezouma ablieferten, es war bereits ziemlich dunkel, wie Sie wissen, bemerkte ich die letztere hinter dem Holzstoße mit einem Mulatten, den ich als den Steward des Dampfschiffes erkannte. Sie gab ihm drei Buncheons Ein Pack, Bündel. Tabakblätter, wofür er ihr drei Bouteillen, wahrscheinlich mit Rum, in die Hände schob. Ist sie eine so starke Trinkerin?«

»Nicht, daß ich wüßte, da muß etwas anderes dahinter stecken. Des Stewards Rumhandel ist auf alle Fälle gesetzwidrig und muß sogleich gehörigen Ortes angezeigt werden. Haben Sie Prona zur Rede gestellt, Mister Granby?«

»Nein, ich wollte es Ihnen zuvor melden, Mister Howard. Die Bouteillen trug sie in die Hütte Tibers.«

»Sie taten wohl. Wir müssen sogleich Vorkehrungen treffen, um den eigentlichen Rumliebhaber ausfindig zu machen. Ist der alte Peter noch nüchtern?«

»Ich glaube, er ist es.«

»Lassen Sie ihn merken, daß wir ihn heute nachts brauchen dürften, das wird ihn nüchtern und wachsam erhalten. Unsere heutigen Indianer haben wenigstens eines gelernt, nämlich sich einen halben Rausch zu versagen, wenn ihnen die Hoffnung eines ganzen leuchtet. Jetzt wollen wir zum Souper.«

Wir gingen zur Abendtafel, und als die Hausneger sich entfernt, teilte ich Mistreß Howard die gemachte Entdeckung mit. Es ist Grundsatz bei mir, meiner Frau von allem – Gutem wie Bösem – ihre gebührende Hälfte zuzuteilen. Sie sinnt eine Weile nach, legt den Zeigefinger auf den Mund, sieht mich mit einem so superklugen Gesichte an – daß ich nach dem Handspiegel laufe, ihr dieses Gesicht vor Augen zu halten. –

»Aber George!« lacht sie, »sei doch nur nicht gar so närrisch.« –

»Und was weiter, meine Gnädige. Ich habe Sie, sehe ich, aus dem Konzepte gebracht –«

»Das nicht«, meint sie sehr positiv – und spricht wie die Priesterin auf dem Dreifuße, das Wort: »Hannibal –«

»Hannibal!« ruft Mister Granby, den wir ganz vergessen hatten – »das ist es?«

»Du magst recht haben, Luise, aber was hat Prona dabei zu tun?« –

»Das wird sich zeigen«, meint Luise, die nun ihr liebliches spitziges Mäulchen ungemein wichtig und ernst schließt. –

Mister Granby zieht sich in seine Zimmer zurück, und wir löschen zur gewöhnlichen Stunde die Lichter, mit Ausnahme der Nachtlampe. – Ich setzte mich, in Erwartung der Dinge, die da kommen sollen, aufs Sofa, Luise neben mir. – Mit verschlungenen Armen sitzen wir, sie plaudert eine Weile, dann werden ihre Worte Geflüster – Gelispel – das holde Weib ist den ganzen Tag so herumgezappelt – endlich verhuscht ihre Stimme, mein zweites, besseres, edleres, süßeres Ich ist mir im Arme entschlummert, die süßeste aller meiner Lasten, – gerade wie ich den leisen Fußtritt des Indianers im Vorsaale höre und das ebenso leise Tappen an der Türe des Galerie-Kabinettes. Ich lege meines Engels Haupt auf das Kissen des Sofas, drücke einen Kuß auf ihre rosigen Lippen und verlasse das Gemach. Wie ich in den Vorsaal eintrete, steht der Indianer in ganzer Länge vor mir. Er flüstert das Wort Salzlick und reicht mir Mokassins, die ich mit meinen Schuhen vertausche. Zwei der Pistolen, die immer geladen für extreme Fälle bereit sind, in der Hand, folgte ich Peter, der wie eine wandelnde Bronzestatue, seine Wolldecke malerisch um den halbnackten Leib geschlungen, vor mir dem Immergrün-Eichenwalde zuschreitet, der südwestlich an die Pflanzung stößt, west-west von einem Palmettofeld begrenzt, zwischen welchem und den schroffen, zackigen Stämmen eine natürliche Gasse sich längs Wald und Feld hinabzieht. Wie wir die Umzäunung des letzten Baumwollenfeldes überstiegen, schloß sich Mister Granby, der Sulla mit Marius gekoppelt hielt, an uns an. Ich löste den Hunden die Koppeln und gab ihnen das Losungszeichen, das sie mit Hundeinstinkt anhörten und zum Zeichen des Verstehens mit einem ganz eigentümlichen, verächtlichen Aufwerfen des Kopfes begleiteten. Sulla folgte dem Indianer, der bereits die Gasse zwischen dem Palmettofelde und Urwalde eingeschlagen hatte; Marius blieb bei uns, keiner aber gab den mindesten Laut von sich. Es ist ein seltsamer Zug unserer Hunde, ihre Antipathie gegen Neger – und wieder die Zuneigung der Schweine für dieselben Geschöpfe – und so vice versa. Seht die Picaninis mit Sulla spielen, es sieht aus wie eine Herablassung von seiten desselben Hundes, der sich von dem weißen Kinde wie ein Lamm scheren und plagen läßt. – Ich hatte einen Augenblick nachdenklich gestanden – um uns herum war Grabesstille – über der Pflanzung lag ein silberweiß-grünlicher Schleier ausgegossen, der Häuser und Hütten wunderbar verklärte. Ich schaute hin nach dem Dache, unter dem mein Alles schlummerte. – Oh, wenn ihr aufrichtig, herzlich liebt, wie schwer wird euch doch zu Zeiten der Schritt, der euch von dem geliebten Gegenstande entfernt! – »Granby, lachen Sie nicht, eheliche Liebe hat den Stempel der göttlichen! Wenn Sie eine zarte Liebe ehelich an Ihren Busen drücken werden, dann werden Sie fühlen, was ich jetzt fühle.« Granby drückt mir warm die Hand, und wir schreiten weiter. – Ich war so weich gestimmt; – nur das schauerliche Geheul der weißen Nachteule war zu hören, als wir in die Naturgasse einschritten, – zitternde Mondesstrahlen, die uns einige Minuten noch ihr blasses Silberlicht nachsandten, dann nahm uns düsteres Waldesdunkel auf. – Wir krochen und stiegen über Äste und Zweige und Baumstämme, die der Sturm entwurzelt, Marius als Wegweiser vor uns. Eine halbe Meile mochten wir so in westlicher Richtung vorgedrungen sein, als eine Helle uns entgegendämmerte. – Wir traten leise – behutsam auf diese zu. – In der Entfernung von hundert Schritten hielten wir wie festgebannt.

Ein kolossaler Immergrün-Eichenbaum, in dessen hundert Fuß hoher ungeheurer Krone die Lichtstrahlen des abnehmenden Mondes so seltsam mit den emporkräuselnden Rauchwolken eines starken Wachtfeuers sich umhertrieben, als ob Hunderte von Gnomen und Luftgeistern ihr mitternächtliches Beilager hielten. Kein Lüftchen regte sich, und die rot und grell emporleckenden Feuerzungen flogen wie zur Umarmung den Rauch- und Luftbildern entgegen, die sich wölbten zum Thronhimmel um die Riesenkrone des ungeheuern Baumes, in dem Silberlichte des Nachtgestirnes eine Weile ihre phantastischen Tänze wirbelten, und dann schwanden, in die höheren Regionen so sehnsüchtig aber sich neigten und umarmten und umfingen, ehe sie schieden! – Weder ich noch Granby sind Träumer, aber wir standen im Anblicke dieser Nachtbilder versunken, als schauten wir den Abschied lebender Wesen. – Gottes Natur ist unerforschlich, kann man wohl sagen, ohne Pantheist zu sein.

Jetzt richteten wir unsere Blicke auf die Gruppen unter dem Baume.

Vor einem Zypressenholzfeuer saßen und hockten vier Gestalten, von denen ich erst nach einem zweiten und schärferen Blicke Taby und Prona erkannte; die beiden anderen waren Männer, dem Baue der Schulterblätter nach zu schließen, obwohl nackt, so wie sie Mutter Natur erschaffen hatte, und über und über mit Kot beschmiert. Sie hockten vor dem Feuer, an dem ein Ferkel briet, von dem sie Stücke abschnitten und mit Heißgier verschlangen. Eine Bouteille, die zwischen ihnen stand, ging regelmäßig aus einer Hand in die andere. Das ekelhafte Mahl mußte schon vor unserer Ankunft begonnen haben, denn vom Ferkel sahen wir bald nur das bloße Gerippe übrig. Keiner und keine hatten bisher ein Wort gesprochen. Jetzt aber rückte Prona dem Feuer näher, stieß das Gerippe, das an einem hölzernen, auf zwei kurzen Querpfählen gelegten Spieße stak, in den brennenden Holzhaufen und zog den einen der beiden Hocker mit beiden Händen bei den Schultern zurück. – Er fiel ihr in den Schoß.

»Milo genug getrunken, gegessen, er betrunken sein«, stammelte sie, den Neger liebkosend.

»Milo nicht genug getrunken haben«, gellte Milo, der sich aufrichtete und nach einer zweiten Bouteille langte, die zwischen Prona und ihm stand.

Prona schnappte nach der Bouteille, aber der nach Rum lechzende Neger ergriff sie am Halse, riß ihr die Bouteille aus der Hand und schleuderte sie zu Boden.

Nachdem er einen langen Zug getan, reichte er sie dem zweiten Neger, der noch immer vor dem Feuer hockte.

»Hannibal,« schrie Taby, »nicht zu viel trinken – nicht zu viel trinken, Hannibal!« –

Das also ist Hannibal.

Hannibal setzte die Bouteille an den Mund.

»Hannibal zu viel trinken,« schrie Taby, »er nicht gehen können, er Massa in die Hände fallen.«

» Dam Massa, dam dat Fyrant Verdammt sei der Herr, der Tyrann.! Hannibal und Milo Massa totmachen.«

»Er Tyrann sein,« fiel Prona ein – »er und Maum Tyrann sein – er Prona aus dem Hause stoßen.«

»Er Tyrann sein«, lallt der betrunkene Neger, abermals die Bouteille an den Mund setzend, die ihm aber Milo zuletzt von den Lippen reißt, der sie mit einem langen Zuge leert und in das Feuer schleudert.

»Massa Tyrann sein, – Hannibal und Milo ihn totmachen –« schrie der Neger abermals.

Ich wurde aufmerksamer. – Die Worte waren mit einer seltsamen Wut, mit der Wut glühender, nachhaltender Rache ausgestoßen. Der Schwarze führt ohne Zweifel Arges im Schilde, der unwiderstehliche Rum hindert ihn an der Ausführung seines desperaten Planes. Was kann dem Tropfe diese verzweifelte Rachsucht eingeflößt haben! Er wurde stets mit Güte behandelt.

Die beiden Neger begannen die Liebkosungen der Weiber auf eine Weise zu erwidern, die uns zwang, die Augen abzuwenden.

»Hannibal Massa totschlagen,« stöhnte der Neger, »aber nicht Maum totschlagen. Maum für Hannibal sein.«

Taby stieß ihn in die Seite.

»Maum Tyrann sein, Hannibal Maum totmachen.«

»Milo«, fiel Prona ein, »Maum totmachen, oder Prona Milo keinen Rum mehr bringen.«

»Taby Hannibal keinen Rum mehr bringen, wenn er nicht Maum totmachen, Maum Tyrann sein«, heulte diese darein.

»Hannibal Massa totmachen, aber nicht Maum; Maum für Hannibal sein«, stammelte dieser.

Und die Augen des Negers rollen, und seine Fäuste ballen sich, und er hebt sich auf die Knie und versucht es, aufzustehen, taumelt aber wieder nieder.

»Hannibal Massa totmachen, aber nicht Maum«, stammelt er abermals.

»Hannibal auch Taby und ihr Picanini totmachen, so sie nicht mehr Rum bringen, aber nicht Maum«, brüllte er mit dumpfer Stimme.

Und unter diesem Gebrülle erhebt er sich auf die Knie, auf die Füße, taumelt auf Taby los, die auf die Seite gesprungen war, er ihr nach, lallend: »Er Massa totmachen, aber nicht Maum.«

Die Empfindungen, die mich durchzuckten, während ich dieses anhören mußte, waren so herb widerwärtig, daß ich in bewußtloser Selbstvergessenheit eine der Pistolen hob.

In diesem Augenblicke fiel ein Schuß, die vier Neger stürzten wie Klötze, von der Axt in der Lebenswurzel getroffen, zu Boden.

»Mister Granby, haben Sie geschossen?«

»Nicht, wie Sie sehen, Mister Howard, ich stehe keine zwanzig Schritte von Ihnen.«

»Woher der Schuß? Wer tat ihn? Ich habe doch nicht geschossen – beim Himmel, ich weiß nicht, habe ich oder nicht!«

Wir gingen auf die Neger zu, ich im halben Taumel, denn die empörend bestialischen Worte hatten mich in eine kochend stille Wut versetzt, die mich beinahe besinnungslos machte.

»Massa!« heulten Männer und Weiber; – »wir tot sein, wir erschossen sein! Barmherzigkeit, Massa!«

»Wir alle erschossen sein«, stöhnten sie abermals, ihre Gesichter in die Erde einwühlend.

Granby zog die Handschellen aus seiner Rocktasche; bei ihrem Geklirre schauen sie verwildert auf, stieren uns einen Augenblick an, fallen nieder zur Erde. »Massa, Barmherzigkeit! Wir erschossen sein, mausetot sein.«

»Macht es kurz,« sprach ich im strengen Tone – »Hannibal, steh' auf.«

Hannibal erhob sich.

» Massa!« lallt er, » God bless Massa, good Massa, Hannibal Massa Nigger, dat here Nigger bad Nigger – Taby bad woman Gott segne den Herrn, guter Herr, Hannibal ist Ihr Neger, dieser Neger da ein böser Schwarzer, Taby ein böses Weib.

Granby hat dem fremden Neger die Handfesseln angelegt, ich Hannibal.

» He Obeah man«, schreien Hannibal und Taby, mit Tränen in den Augen; » He bad Nigger Hexenmeister, Zauberer werden sehr gefürchtet, besonders von den afrikanischen Sklaven und ihren unmittelbaren Abkömmlingen.

»Mister Granby, die Weiber mögen ungefesselt bleiben. Wo ist nur der alte Peter?«

Ich tat einen Stoß ins Horn, des Indianers gellender Pfiff antwortete mir.

»Peter, wo seid Ihr? Warum kommt Ihr nicht? Waret Ihr es, der geschossen?«

»Der rote Mann ist auf seiner Väter Jagdgründe«, antwortete Peter.

Der Indianer hat sich das Wachtfeuer zunutzen gemacht und einen Hirsch erlauert. Wir müssen nach ihm sehen. –

Ich ging der Richtung nach, in der seine Stimme zu hören gewesen, und fand ihn etwa zweihundert Schritte von dem Wachfeuer beschäftigt, einem Hirschbocke den Kopf vom Rumpfe abzuschneiden; wie er damit fertig ist, stiert er mich einen Augenblick an, murmelt: Peter bessere Jagd machen als weißer Master, und steckt dann das blutige Messer zwischen die Zähne. Ohne ein Wort weiter zu sagen, faßt er das Tier an den Vorderläufen, hebt es sich zwischen die Schultern, und mir andeutend, ein gleiches mit den Hinterfüßen zu tun, setzt er sich in Bewegung auf das Wachtfeuer zu, an dem wir ziemlich müde – der Hirsch wog seine dreihundert Pfund – ankamen. – Sowie unsere Neger mich und den Indianer erblicken, ist alle Angst, aller Schrecken auch mit einem Male vergessen. » Look Massa deer shot!« schreien Männer und Weiber jubelnd. – »Schau, Master Hirsch schießen,« jubeln sie abermals – »er ihn selbst tragen – Massa Hirsch geschossen«, lachen sie, während ihnen die Tränen über die Wangen träufeln. Sind doch wunderliche Geschöpfe, diese Neger; über den Anblick eines frischgeschossenen Hirsches vergessen sie Angst und Schrecken. Der alte Peter weiß, scheint es, die Gelegenheit zu benutzen. Er wirft Hannibal den Vorderteil auf die Schulter, winkt mir, Milo den Hinterteil zu überlassen, die beiden Weiber häkelt er mit seiner Schlinge zusammen, und mit einem dumpfen » Hon« gibt er das Zeichen zum Aufbruche – zu beiden Seiten Marius und Sulla, die einigemal ihre klaffende Stimme erheben, die Neger, wie Metzgerhunde das Rind, umkreisen und den Zug in Bewegung setzen.

Eine volle Stunde hatten wir zu tun, ehe wir über die Baumstämme, Äste und das Palmetto in die Pflanzung zurückgelangten. Als wir vor dem Wirtschaftsgebäude ankamen, schlug die Glocke drei.

Luise schlummert noch immer auf dem Sofa. Ich nehme die Lampe und beleuchte das süße Weib – und es durchzuckt mich wie Dolchstiche – mir gellen die Worte des wüsten tierischen Schwarzen in den Ohren: »Maum nicht totschlagen, Maum für Hannibal sein.« Die Lichtstrahlen fallen auf ihr verklärtes kindlich-ruhiges Gesicht – sie schlägt die Augen auf, und mit dem holdesten Lächeln ruft sie: »George, du noch auf – George, wo bist du gewesen? Du siehst so furchtbar ernst aus – George, was ist's? Doch kein Unglück?«

Und sie wird so ängstlich; schlaftrunken wie sie ist, hascht sie nach dem Lichte und beleuchtet mich.

»Nein, Luise, alles ist gut abgelaufen, wir können ruhig zu Bette gehen – komm' teures Weib!« Aber sie wird immer ängstlicher, immer beklommener – »George, sage mir ums Himmels willen, was ist's?«

»Nichts, Liebe – wir haben Hannibal mit einem fremden Neger eingefangen.« –

»Und kein Unglück?«

»Keines.« –

Sie schaute mich noch immer zweifelhaft an, beklommen, als ob sie die empörenden Worte gehört hätte. – Nein, sie soll sie nie hören, sie würden sie in ihren innersten Fibern verletzen; für ihre reine Seele müßte der bloße Gedanke, die tierische Lust eines Negers gereizt zu haben, schmerzhaft, erschütternd, gräßlich sein!

 

Morgens, den 4. Oktober.

Es ergibt sich, daß der gestern von uns eingefangene Neger jener Milo ist, auf dessen Festnehmung seit mehreren Monaten ein Preis von hundertundfünfzig Dollars gesetzt ist. Er ist der Sklave Le Comptes und kam ursprünglich aus Nordkarolina, wo er wegen Widersetzlichkeit gegen seinen Herrn zum Tode verurteilt, aber schließlich nach Louisiana exportiert wurde, – die gewöhnliche saubere Weise, in der sich unsere östlichen und nördlichen Pflanzer ihrer schlechten schwarzen Sujets entledigen. Begeht ein solcher schwarzer Teufel ein todeswürdiges Verbrechen, so säumt man nicht, ihm das Urteil zu verkünden, statt ihn aber aufzuknüpfen, zum warnenden Beispiele, steht es seinem Herrn frei, ihn in einen andern Staat auszuführen. So machen wir aus unserem eigenen Lande ein schwarzes Botanybay und das ohnehin verheerend in unsern Eingeweiden zehrende Übel noch furchtbarer, alles der lieben Dollars wegen, ah!

Quid mortalia pectora non cogis
Auri sacra fames!

Bei uns ist dieser Durst nur gar zu heftig.

Will doch sehen, was Le Compte mit dem Maroon anfangen wird.

 

Eine Stunde später.

Hannibal, Taby und Prona sind nach der Zuckerpflanzung Merveilles eingeschifft. Sie hörten das Urteil, das Mister Granby verkündete und vollzog, über alle Erwartung ruhig an, ohne Zweifel, weil ihnen ihr Gewissen sagte, daß die Strafe eine sehr gelinde sei. Taby erbat sich als die letzte Gnade, Maum zu sehen, was ihr diese auch gewährte. Der Tränen flossen viele, auch bat sie recht dringend, ihr Picanini zurücklassen zu dürfen, da Hannibal es nicht leiden könne. Auch dies wurde ihr gewährt, da es Grausamkeit gewesen wäre, der fühllosen, und wie wir nun überzeugt sind, grundfalschen Negerin den armen Wurm zu überlassen. – Meine Schwarzen sind von Herzen froh, dieses bösen Kleeblattes los zu sein. – Alle drei sind Kreolenneger und haben sich einer Menge Diebstähle schuldig gemacht, die erst jetzt an den Tag kommen. Keine Familie, die nicht bestohlen worden wäre; Salzfleisch, Fische, Welschkorn, Bänder, eine Menge Dinge wurden in ihrer Kiste gefunden. – Männer und Weiber jubeln, wie ihnen ihr Eigentum zurückgestellt wird: »Sie nichts sagen, Massa Maum keinen Verdruß machen«, ist der Refrain aller. Aber auch mir ist ein Stein vom Herzen, seit diese schwarze Brut fort ist; die letzten Tage konnte ich beinahe kein Auge zudrücken, Luise ging es nicht besser. Feind wie ich der Peitsche bin, nagt jede Strafe, die ich diktieren muß, krebsartig an mir und trifft mich stärker als den Gestraften. – Und das ist gerade der Weg, eure Sklaven nie zur Ordnung zu bringen. – Es ist eine traurige Wahrheit, daß unsere größten Tyrannen am besten bedient sind. Ich wünsche aufrichtig das Beste meiner Schwarzen, ich habe den Weg eingeschlagen, der nach meiner innigsten Überzeugung der einzig richtige ist, sie allmählich zur Gesittung heranzuziehen. – Ich will nach Kräften beitragen, um ein bestehendes Übel in unserer bürgerlichen Gesellschaft zum Guten zu wenden; – allein die Schwierigkeiten werden größer und größer, eure Kräfte, euer guter Wille erlahmen, zuletzt werdet ihr hartherzige Tyrannen wie andere. –

Und wie das Dampfschiff hinter der Waldesbucht unter der Pflanzung verschwindet, kommt Luise, bereits im Reiseanzug, an mich herangetrippelt, dessen Auge nachdenklich die über die Baumwipfel noch herüberkräuselnden Rauchwolken anstarrt. Sie mahnt mich, daß der Alexandria, auf dem unsere Freunde kommen sollen, im Anzuge, und daß, wenn der wilde Doughby den Fuß ans Land gesetzt, an Vorbereitungen zur Abreise gar nicht zu denken; sie habe alles in Ordnung, Wäsche, Kleider, alles sei gepackt – und zwar in einem Koffer. »Recht gut! Wir können unser Haus nun ruhig verlassen, die Neger haben ein Beispiel statuiert erhalten, das wenigstens für einige Zeit zur Warnung dienen wird. Granby zudem ist ein Gentleman im vollen Sinne des Wortes. Ich habe ihn während des Orkanes beobachtet, die beiden Franzosen heulten und wehklagten und schmiegten sich an die Negerinnen. Granby stand wie ein Seeheld in der Schlacht, im Sturme. – Wir können ruhig sein, Luise.«

Und während ich so spreche, läßt sich ein fernes Brausen hören. Luise hüpft an den Seitentisch, ergreift das Teleskop, und richtet es sofort der Waldesspitze zu. Der Aeolsharfenton, der an den Fenstern hinaufseufzt, verkündet ein Dampfschiff. »Da ist es«, rufe ich. – »Da sind sie«, sie. »Sie sind es«, ruft sie abermals; »Julie steht ganz vorne am Anfange des Schiffes.« »Mein Gott, am Anfange des Schiffes,« – schmolle ich – »eine Amerikanerin, und nennt das Gallion den Anfang des Schiffes.« – »Also am Gallion«, lacht sie; »gerade oder dem Brustbilde des Alexandria.« »Laß schauen, Luise!« Aber Luise läßt nicht schauen, sie bohrt in das Teleskop hinein. »Luise, du wirst dir die Augen verderben«, mahne ich – hilft aber nichts, mein Mahnen. »Da ist der wilde Doughby!« ruft sie vergnügt, »er steht mitten zwischen Julie und einer andern Dame – es ist Emilie und Mistreß Houston und die Richards.« Jetzt erst reicht sie mir das Teleskop, da ich bereits die Gruppen mit freiem Auge erschauen kann. Wir eilen dem Ufer zu – da ist Doughby. Schon von weitem schreit er:

» A Hurrah for Jackson! Am glad to see ye hearty and well Ein Lebehoch Jackson! – Bin froh, euch frisch und wohl zu sehen.

»Und hat euch der Wind nicht weggeweht?« lachte er, noch zweihundert Yards Amerikanische Elle. vom Ufer. – Der Mann hat eine Lunge, sie könnte einem Hochofen zum Blasbalge dienen.

»O glorreicher Jackson!« schreit er abermals – »o glorreicher Jackson! Hat euch alle breit geschlagen, Das sauerkraut-deutsche Pennsylvanien hat wie ein Mann für ihn gefochten; das holländische Neuyork wie zwei Drittel von einem Manne. Ein Hurrah für Jackson!« » And a Hurrah for Jackson!« brüllen dreißig Kehlen dem Manne nach, während andere zischen und pfeifen. – Gibt also doch noch eine Minorität, die sich stark genug fühlt, das Panier John Quincy Adams flatternd zu erhalten.

Das Dampfschiff rundert dem Landungsplätze zu. – Die Bretter fallen vom Bord ans Ufer. Doughby kommt gerannt, Julie mit sich zerrend, die ihm kaum folgen kann. Man merkt halb und halb, daß er Ehemann ist. Noch vor sechs Wochen wäre er, ohne die Bretter zu berühren, gerade vom Verdeckgeländer ans Ufer gesprungen, jetzt nimmt er seinen Teil recht sorglich mit, obwohl so ziemlich in der Weise des halbtollen Petruchio in dem Lustspiele: » The Taming of the Shrew Shakespeares bekanntes Lustspiel: »So zähmt man böse Weiber.«.« Mistreß Houston und Emilie mögen selbst für sich sorgen und schauen, wie sie herüberkommen; steht doch er vor mir.

»Hört Ihr, Howard,« schreit er, meine Hände erfassend und sie drückend, daß mir das Wasser in die Augen trat. »Gott grüße euch, sage ich. Bin so froh, euch zu sehen; glaubt gar nicht, wie froh ich bin, und Schwägerin Louise, meine Herzens-Schwägerin! Gott segne Sie gleichfalls! Wie führt sich Howard auf? Doch nicht besser als Doughby? Julie, was sagst du dazu?«

Julie hält Louise umschlungen, findet aber doch noch Zeit, Doughby mit dem Zeigefinger auf den Mund zu schlagen.

Er fährt fort –

»Ah, Howard, hab ich euch's nicht gesagt, der Alt-Virginier da«, auf Richard deutend, »wollte mir es nicht glauben, wetteten auf Virginien. Virginiens vierundzwanzig Stimmen Im Census von 1830 verlor dieser Staat eine Wahlstimme, so daß er gegenwärtig bloß dreiundzwanzig hat., sagt' ich, sind für den alten Hickory und nicht für Clay, obwohl Clay ein geborner Virginier ist, seine Politik ist aber yankeeisch – er ist Tarifmann – und Maryland, sagt' ich Mistreß Houston, ist auch für Jackson, und Mistreß Houston sagt' nein – roch aber den Braten – wollte nichts mit Wetten zu tun haben. O glorioser Bursche, der alte Hickory –«

Mistreß Houston hat kaum Gelegenheit, die Worte einzuschalten: »Wo haben Sie die Art gelernt, Damen zu Wetten aufzufordern –?« Er überhört sie und fährt fort:

»Holla! was sehe ich, das Dach eurer Kottongin hat Reißaus genommen, der Orkan hat ihm Höflichkeit gelehrt. Sind heillose Bursche, diese Orkane; wurden diesmal verschont, wird wohl ein andermal nachkommen. War, höre ich, ein trockener Geselle, kein Tropfen Regen gefallen. Holla, Mister Granby! Gott segne euch, teurer Junge! Hört Ihr, Howard, das ist ein Tennesseer Kernjunge, sein Vater ein Kernmann, ein Freund, ein supporter Werden die Anhänger der Kandidaten für öffentliche Ämter genannt., ein Nachbar des alten Hickory. Der wird euch vom alten Hickory Geschichten erzählen, werdet Augen und Ohren aufreißen. Erzählt mal, Mister Granby, wie war es mit dem jungen Indianer, den der alte Hickory in der Schlacht am Horse shoe Schauplatz einer Schlacht, in der General Jackson die Indianer schlug. von der Brust seiner toten Mutter aufgelesen.«

»Ein andermal, Mister Doughby –«

»Wie Ihr wollt, aber hören müßt Ihr's, Howard, laßt Euch's erzählen, sage ich. Also glücklich, liebe Schwägerin. Ganz glücklich, so etwas sieht man an den Augen an. Ah, ihr taugt füreinander, und so taugen Julie und ich füreinander. Stellt Euch nur vor, Howard, sie lernt reiten und reitet auch schon wie besessen. Wie ich ihr zuerst sage, sie müßte reiten lernen, wie alle unsere Damen, sagt sie: ›Gott behüte, Doughby, wo denkst du hin, Doughby? Ich reiten lernen?‹ Ich aber nicht faul, sage kein Wort mehr, schreibe aber sogleich hinauf ins alte Kentucky an Uncle Snapper, schreibe ihm, er solle mir ein paar saubere Pacers Eine kleine Rasse von Pferden, die einen kurzen Galopptrab laufen, werden vorzüglich von Damen geritten. schicken, aber sauber müßten sie sein und gesund, daß sich eine Dame mit Ehre und Sicherheit darauf setzen kann. In weniger als vier Wochen hatte ich zwei so schmucke Tiere, als je am Mississippi-Levee trotteten. Julie war hocherfreut, wollte aber doch nicht in den Sattel. Da nehme ich sie in den Arm, hebe sie jumps hinauf, führe das Tierlein ein paarmal im Hofe auf und ab und lasse es dann laufen. Sie schrie euch doch anfangs, als ob sie am Spieße stäke, und war wirklich ein wenig böse und voller Angst, aber bald lernte sie sitzen und saß euch so ruhig, und ich lachte, wußte, daß es ein gutes zahmes Tier ist, sonst hätte ich dich ja nicht hinauf gehoben, Julie! Jetzt reitet sie wie ein Dragoner.«

»Howard, habe zwei Kentuckier kommen lassen, die sich so ähnlich sehen, wie ein Ei dem andern, den einen für Julie, den andern für ihr liebes Schwesterchen Luise. Liebe Schwägerin Luise, Sie nehmen doch das Präsent von ihrem lieben Schwager?«

Luise freute die Aufmerksamkeit des Wildfanges ungemein. Das niedliche Tier, das etwa vierzehn Fäuste hoch sein mag, wird soeben vom Dampfschiffe ans Ufer gebracht und tanzt uns munter entgegen. Wir bleiben stehen, um es zu besehen, gerade als ein Trupp meiner Neger mit ihren Weibern aus den Kottonfeldern kommt. Sie werfen die Baumwolle in Eile auf die Bretter und kommen gesprungen, so eilig, so schnaubend; wie sie an uns herankommen, schnüffeln sie wie Ferkel die Luft, schauen mich eine Weile an, und wie sie Doughby erblicken, schreien sie einander zu und deuten alle zusammen mit ihren Fingern wie Affen auf ihn – » Dat Massa Kentucky be, Massa Debil, bless Massa Kentucky, Massa Debil Das ist der Herr aus Kentucky, der Herr Teufel. Segen über Sie, Herr Kentucky, Herr Teufel.

»Grüße euch, ihr schwarzen Seelen!« schreit ihnen Doughby entgegen – dessen Ideenassoziation auch sogleich eine neue Richtung nimmt. »Aber hört ihr,« schreit er stärker, »hört ihr, so ihr es wagt, eure schwarzen, schmutzigen, tranigen, bisamrüchigen Leiber auf diesen edeln Kentucky-Trotter zu setzen, zu legen, zu hängen, zu hocken – was sage ich Leiber, ein einziges eurer schmutzigen Beine, Schenkel oder was es immer sei – hört ihr Bursche, so ihr es wagt, bei Jove! ich messe euch mit dieser meiner eigenen Hand, und sie mißt gut, versichere euch, neununddreißig auf, daß ihr das Sitzen, Liegen, Hocken, Stehen und Gehen acht Wochen verlernen sollt.«

Die Neger stieren ihn an, reißen Mäuler, Augen und Nasen auf und schreien abermals untereinander, mit den Fingern auf ihn deutend: » Massa Kentucky, Massa Debil, dat Massa Kentucky be, Massa Debil be.«

»Versteht ihr, schwarze Bursche, was ich sage? Beifallen sollt ihr es euch nicht lassen, diesen Trotter da auf euren höllischen Mitternachtsausflügen zu euern v–ten Nachtliebhaberbesuchen zu reiten. Weiß es, seid alle Gaulschinder, Roßtöter, Tierabschlächter; aber so ihr euch vermesset, sage euch, laßt es besser bleiben, schlage euch krumm und lahm, mit der Erlaubnis eures Herrn nämlich, habe an meinen Negern genug zu dreschen.«

»Howard,« wandte er sich wieder an mich – »wie steht es mit Eurer Baumwollernte? Habe achtzig Ballen gepreßt, sechzig hinabgesandt, denke noch ein achtzig zu pressen.«

»Und ich hundert gepreßt, und fünfundachtzig hinabgesandt, gedenke noch achtzig bis neunzig zu machen.«

»Wollen sie sehen, Eure Baumwolle, hat 'nen guten Ruf die Red-River-Baumwolle; gilt immer einen halben, auch ganzen Cent mehr, als die unsrige. Gebe die meinige für fünfzehn Cents – wollen die Eurige sehen.«

Und so sagend nahm er den Arm Juliens in den seinigen und zog sie fort, und wir mußten nach, um die Baumwolle zu besehen.

»Ist sechzehn Cents Bekanntlich wird der Preis der Baumwolle nach dem Pfunde berechnet. unter Brüdern wert, keinen Liard weniger. Gebt Ihr sie darunter, so solltet Ihr mit Schwefelhölzern statt Baumwolle handeln. Sende die meinige Milaudon, ist sicher und fest – sendet Sie ihm auch. Ist zwar ein genauer Franzose, steht aber gehörig in seinen Schuhen.«

»Heda!« brach er auf einmal wieder aus – »Was hat Menou gesagt? Hattet Gäste, den lustigen Vergennes und einen jungen Grafen, und ein alter soll aus den Attacapas heraufkommen, auf den unser Schwiegervater große Stücke hält, soll von gutem Hause sein und Geld ins Land gebracht haben, ein seltener Fall bei Franzosen. Wollte, sie blieben, wo sie herkamen, oder gingen – ins Pfefferland, taugen nicht zu uns, diese Franzosen, sind keck wie Affen und mengen sich in alles. Wollte, Vergennes solle uns ein Stück Landes am Ouachitta ausmessen, das Papa Menou da hat, und das sich prächtig zu einer Countystadt eignen müßte. Ist aber nichts mit ihm. Was denkt Ihr, schreibt euch Gedichte und Artikel in eine französische Zeitung in der City, ich glaube die Abeille. Ist ein kompletter Narr, schrieb ein langes Gedicht, das da anfängt:

Vous citoyens libres!
Voyez les Esclaves Tigres,
Par votre cruauté.

Las es gerade seinem Freunde vor, als Julie mich rief. Sagte ihm trocken, er solle derlei Dichtungen bleiben lassen und sich nicht mit Dingen befassen, die ihn nichts angingen, sonst dürfte es ihm leicht zu heiß in unserem Louisiana werden. Fanfaronierte mir da ein Langes und Breites von Humanität, Philanthropie. Kenne eure französische Philanthropie, sagt' ich, unsere Neger kennen euch auch; einen Franzosen zum Herrn zu haben und den eingefleischten Satan, ist eines und dasselbe, heißt das Negersprichwort – Gott behüte Neger und uns vor eurer Philanthropie, sagt' ich ihm.«

»Doughby, ich glaube, Ihr habt recht, doch vergeßt nicht, er ist Gast.«

»Wohl,« fuhr Doughby auf, »dann soll er die Gesetze der Gastfreundschaft auch beachten. Höret, Howard, ein Ausländer, der ein fremdes Land betritt, übernimmt bei diesem Eintritt Pflichten, die ihm heilig sein müssen, und sind sie ihm nicht heilig, und mischt er sich in die Angelegenheiten eines Landes, das ihn nichts angeht, so gibt man ihm den Laufpaß, wie ihn Washington Ginet Das feste Benehmen Washingtons als Präsident der Vereinigten Staaten gegen den Gesandten der französischen Republik, Ginet, ist bekannt. gegeben. Dürfen unsere Würde, unsere Pflichten gegen die bürgerliche Gesellschaft, der wir angehören, nicht vergessen.«

»Bei meiner Seele, Doughby! Ihr redet wie ein Senator dieser unserer Vereinigten Staaten!« rief ich, nicht wenig verwundert über des Mannes neue Sprache.

»Wißt Ihr,« fiel Doughby lachend ein, »daß alle meine Nachbarn darauf dringen, ich solle mich als Kongreß-Kandidaten für unsern Distrikt melden. – Versprach es zu tun, wenn Ihr Euch für den Eurigen meldet.«

»Gott behüte! Luise und ich machen das nächste Jahr eine Tour in den Norden, vielleicht die große« – Die Reise nach und durch Europa.

»Habt prächtige Leute«, rhapsodierte er, meine Neger überschauend, weiter. »Haltet sie gut, sehe es. So lieb' ich's. Leben und leben lassen. Sag' euch, ihr schwarzen Kreaturen,« wandte er sich an diese, »liebt eure Herrschaft, tragt sie auf den Händen; besser als hier, habt ihr es nicht an vielen Orten mehr.«

»Wir das wissen, Massa Kentucky, Massa Debil.«

»Und wir gehen jetzt zu Papa Menou, versteht ihr, und ihr bleibt unter Mister Granbys Aufsicht, eines so braven Tennesseers, als je in Schuhen stand, und wenn ich das Mindeste höre, und ihr duckmäuserisch seid, oder träge, oder stehlt, oder revoltiert, oder zuviel Rum trinkt, oder ihn von Zwischenhändlern und Dampfbooten einhandelt, oder Neger zu Nachts einlasset, oder die Gäule eurer Herrschaft um Mitternacht aus den Ställen zieht und über Stock und Stumpf auf eure v-ten Nachtschwärmereien reitet, oder nicht die Lichter auslöscht, so daß Feuer ausbricht, oder euer Welschkorn und Salzfleisch von den Schweinen fressen laßt und die Herrschaft bestehlt, oder in die Camp Meeting geht und statt der Religion eine schmutzige Krankheit nach Hause bringt: hört ihr, so ihr etwas von diesem tut, sage euch, schlage euch mit Erlaubnis eures Herrn halbtot, wenn ich das Mindeste erfahre.«

Meine Neger hörten ihren langen Sünden-Katalog mit gesenkten Häuptern und Ohren an.

»Massa,« schrien sie, » we good boys be Wir wollen gute Bursche sein.

»Hoffe, daß ich keine Klagen hören werde, ist mir vollkommener Ernst. Nicht wahr, Howard? Jetzt habt ihr da etwas, euch einen guten Tag anzutun. Mister Granby, verteilen Sie gefällig diese Zehn-Dollars-Note unter sie.«

»Habe mich durstig geschrien, Howard, durstig und hungrig. Etwas zum Imbiß, mit einem Glase es hinabzuschwemmen, wird auf keine Weise schaden, aber zu lange darf es nicht dauern. Seid doch zur Abreise gerüstet. Howard, wißt Ihr, daß Julie meine Ration auf acht Gläser per Tag herabgesetzt hat?«

»Gott sei Dank! ich glaube, sie ist noch ziemlich liberal, – Luise, was sagst du dazu?«

» Horrible«, lachte Luise.

Wir traten in den Saal, und jetzt erst ließ uns die Suade des Wildfanges Zeit, unsere Gäste gehörig zu bewillkommen.

Und Mistreß Richard trägt abermals die süße Strafe eines süßem Vergehens. Das Mississippi-Wasser bewährt seinen Ruf, wie ich sehe, und Emilie schmachtet im Vorgefühle künftiger Wonnen – eine neue Lebensepoche ist bei ihr eingetreten – die Epoche der Liebe. – Es ist etwas Glorioses, etwas Göttliches in der Liebe. Erst jetzt fühle ich es, welchen Zauberreiz sie über unser verdrießliches Leben spreitet, wie sie uns dieses Leben mit allen seinen Mühen, Wehen zu versüßen weiß. – Es müssen aber noch jugendliche Gemüter sein, die sich zusammenfinden, sie müssen ineinander gleichsam verwachsen, wie unsere Reben, unsere Lianen in unsere Magnolien, unsere immergrünen Eichen verwachsen, dann blühen beide kräftig und bringen Früchte, sonst nicht. Und Emilie scheint glücklich, ganz glücklich, glücklicher als Klara, um deren Stirne ein dunkles Wölkchen schauert. Auch Richard ist sichtlich magerer geworden. Was ist es? Die Zeit bringt Rosen, wenigstens Aufklärung. Jetzt muß ich noch zu meinen Negern.

 

Zehn Uhr morgens.

Das Dampfschiff hat Holz eingenommen. Meine Gäste mit dem Kapitän sind über dem Déjeûner à la fourchette, ich mit Mister Granby bei meinen Negern, denen ich Verhaltungsbefehle erteile, Abschiedsworte spende: Wachsamkeit wegen Feuer, keiner in der Kottonpresse rauchen, bei unvermeidlicher schwerer Strafe, keinen fremden Neger während meiner Abwesenheit im Camp zu lassen, selbst während der Tageszeit auf jeden Ankömmling genau acht zu haben, die Schlüssel zu den Vorratskammern stets in Ihrer Verwahrung, Mister Granby. Morgen Sonntags mit dem rückgehenden Alexandria die zehn heute gepreßten Ballen in die City abgesandt. – »Und nun behüte euch der Herr alle! Seid fleißig, treu und gehorsam, und wenn wir zurückkommen, sollt ihr ein Extrafest zur Belohnung haben.«

» God bless Massa! our beloved Massa! Him Bless!« schreien alle mit einer Stimme, die, wenn sie nicht von Herzen kommt, ein Meisterstück schwarzer Ton-Modulation und Verstellung genannt werden kann; doch da steht ja Doughby auf der Piazza mit dem Schal Juliens am Arme, er paßt ihm, wie Herkules der Spinnrocken; – und Richard und so weiter kommen nach. »Wir müssen uns nun trennen, lieber Granby, denn Luise wird sonst ungeduldig.« Doch nein, sie ist inmitten eines halben Dutzends schwarzer Nymphen, denen sie gleichfalls Ermahnungen und Trostsprüche spendet, so ernst, so matronlich! Da kommt auch Peter mit seiner Familie, uns die Hand zum Abschiede zu reichen.

»Peter, trinkt nicht zuviel,« mahnt sie ihn, »und denkt auf Eure Familie.« –

Und der alte Indianer sieht sie an, mit einem Blicke, so starr, so liebevoll, man sollte schwören, sie hat eine Eroberung an ihm gemacht. Von ihr läßt er sich alles sagen. Er faßt ihre Hand und murmelt leise: »Der große Geist segne seine Tochter!«

Die Herrschaft unserer Weiber (aber schön müssen sie sein) über die Indianer ist wunderbar. Sie beten sie an, – die Blicke, die sie kaum zu ihnen zu erheben wagen, sind wirklich die der Anbetung.

Da kommt auch der schöngeistige Mister Whrigt, h'uns h'eine glückliche Reise zu wünschen.

Endlich sind wir am Abzuge begriffen. »Mister Granby Good bye Abgekürzt: Good be to ye – wünsche Ihnen viel Gutes., und ihr alle Gott behüte euch, und gedenkt dessen, was ich gesagt habe, in einigen Tagen sehen wir uns wieder!«

» God bless Massa, Maum! We good boys be!« lautet es im Chorus.

Wir haben das Verdeck des Alexandria betreten – der Dampf zischt durch das Ventil, die Brücke fällt – das Schiff regt, bewegt sich – meine Neger stehen, lautlos ihre starren Blicke auf uns gerichtet, ihre Hände zusammengefaltet, ihre Mienen gespannt; wie das Schiff rundend sich vom Ufer entfernt, nehmen sie einen Ausdruck von Schmerz an: » God bless Massa, Maum!« schreien sie abermals herüber und starren. Luise steht, ihren Arm in dem meinigen, ihre Augen unverwandt auf die Neger gerichtet.

»Nicht wahr, Liebe, sie machen uns vielen Verdruß, diese Geschöpfe, aber auch wieder Freude. – Mit unserem Vermögen könnten wir im Norden ohne Sorgen leben, ein glänzendes Haus machen, aber die Vorsehung hat uns diese schwarzen Kreaturen – die Kinder tierischer Väter, durch geldgierige Ungeheuer aus den Sandwüsten Afrikas in unser Land herübergeschleppt –, in die Hände gelegt, sie uns zur Erziehung überlassen. Luise, wir wollen Vater-, Mutterstelle an ihnen vertreten. Es ist ein schöner Beruf, Vater, Mutter von fünfundzwanzig Familien sein.«

Und wie wir uns von dem Ufer entfernen, überschauen wir nochmals unsere irdischen Herrlichkeiten, unsere Hütten und Häuser und Felder und Wälder und Neger und Negerinnen, ein Gefühl inniger Zufriedenheit leuchtet aus den Zügen Luisens. –


 << zurück weiter >>