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VII.
Die Kreolen

»Aber so sage mir doch nur ums Himmels willen, was die Leute mit ihrem Lachen wollen«, fragt mich Luise.

Und Mistreß Houston fällt mit einer Kathedermiene ein:

»Es ist, wie Sie sehen, teure Maam, ein Ausbruch, durch Überraschung hervorgebracht, durch ein plötzliches Gewahrwerden, daß etwas nicht an seinem Platze ist, welches Gewahrwerden zweifelsohne mit dem Bewußtsein der Abwesenheit aller Gefahr verbunden ist.«

Nun spielen unsere nordischen Damen, wie ihr wißt, sehr gerne die Blue stockings, wozu unsere Fünfzig- oder Sechzig-Pfennig-Magazine die wohlfeilen Karten liefern, aber noch war mir diese nordische Liebhaberei nicht an Mistreß Houston vorgekommen, um so mehr fiel sie mir daher auf, und ich sah sie an, nicht wenig frappiert über die aristotelische Ursprungserklärung der obwaltenden Hilarität; als aber mein fragender Blick auf Luise gleitete, und ich die starren Augen schaute, die die gute Dame anstierten, gerade als ob sie frisch aus den Wolken gefallen wäre, konnte ich mich nicht mehr enthalten, und Luise noch weniger; ihre Lippen barsten wie auseinandergerissen, und sie brach mit Julie in ein so schallendes Gelächter aus, daß alt und jung herbeisprangen.

» Bless us!« stockt Mistreß Houston beleidigt – aber Luise und Julie waren bereits entsprungen. – Die närrischen Weiberchen liefen als ob sie gejagt würden die Treppe hinab in den Damensalon, um sich da auszulachen.

Und das Lachkonzert beginnt von neuem, in allen Variationen, die ganze Tonleiter hinauf, schwarz und weiß, jung und alt, groß und klein, alle lachen. An beiden Ufern stürzen Kreolen und Kreolinnen aus den Galerien, Neger und Negerinnen aus den Hütten, staunend und starrend. Unsere Demokraten nehmen eine lachende Rache für die Farce, die die Kreolen gespielt; kaum sind unsere Frauen verschwunden, so beginnt der allgemeine Angriff. –

»Nein,« schreit Doughby, auf eine Gruppe von Negerhütten deutend, die wie schwarzbraune, häßliche Pilze aus der Erde hervorstarren – »nein, das muß wahr sein, saubere Leute habt ihr hier! – Sagt mir nur ums Himmels willen, wozu eigentlich diese Dinger gut sein sollen?«

»Wozu? ma foi!« parodiert Blount die Kreolen – »wozu? Peste mit ihren Improvements! Wenn ich ein Haus habe, das gut ist, und in dem ich bequem wohne, warum das Haus niederreißen, wenn mein Nachbar ein bequemeres hat, und ein ganzes Jahr in Sorgen und Arbeit mich abquälen?«

» Au Diable mit Ihrem Improvements!« schreit Kapitän John.

»Was geht uns das public good an?« Heath.

»Aber so sagt mir nur zum T–l, wozu diese Behälter eigentlich sollen? Zum Stehen sind sie zu niedrig, zum Liegen zu hoch.«

Und es dürfte euch wirklich schwer werden, die Bestimmung dieser Cases à nègres, Negerbehälter, wie sie recht bezeichnend genannt werden, auszumitteln, sähet ihr nicht die armen Teufel soeben aus- und einschleichen – es ist Samstag. – Sie sind aus Pfählen von Zypressenholz zusammengestoppelt, die zwölf Fuß lang, drei Fuß tief in die Erde eingerammelt, mit Sparrenwerk belegt und mit Dachdauben, hier Pieux genannt, gedeckt werden, keine Fenster haben, aber der Löcher so viele, daß zwei- und vierbeinige Geschöpfe nach Herzenslust aus und ein können.

»Wißt ihr, wie mir diese Pflanzerhäuser mit ihren Cases à nègres hinterdrein vorkommen?« schreit Trumbull. »Wie eine Schar schwäbischer Bauern, die ich voriges Jahr mit ihren Jungens, sich an den Rockschößen der Alten haltend, in der Rotonda des Kapitols zu Washington umherstarren sah.«

Das Simile brachte ein lautes Gelächter hervor, und es paßt vollkommen. Das Sublime und Ridiküle ist dicht nebeneinander. – Wir sind nämlich von der eigentlichen Station, wo das Dampfschiff angehalten, abgefahren und in den Busen eingerundet, von dem aus wir die Landschaft zu beiden Seiten des Flusses übersehen. – Sie rollt sich auf wie ein ungeheurer Park von den grandiosesten Dimensionen, die Natur erscheint hier titanenartig. – Ihr lasset euer Auge eine Minute auf dem roten Wasserspiegel des Red-River ruhen und schaut dann auf, und wie euer Blick auf die Landschaft fällt, glaubt ihr in den Vorhof eines Kaiserpalastes zu schauen, so erglänzen diese hehren Waldmauern, die kolossalen Baumwollen-, Immergrün-Eichenbäume und Magnolien und Peccans und wölben sich zu Domen und Kuppeln; aber inmitten dieser prächtigen Dome und Naturmauern hinken und hocken wieder Objekte, die eure Lachmuskeln unwillkürlich in Zuckungen bringen, und die, wenn sie die schneidendste Ironie hieher postiert, sich nicht barocker ausnehmen könnten. Es sind die Kreolenhäuser, hinter ihnen die Behälter der Neger, die sich hier eingenistet haben und sich gerade ausnehmen, wie Trumbull witzig sagt, wie ein Dutzend betrunken umhertaumelnder Bauern, die, die breiten Hüte in die Stirne gedrückt, umherstolpern und verwundert starren und staunen, daß sie hiehergekommen sind; auf ihren Fersen eine Horde zerlumpter Jungen, die mit der einen Hand ihre Inexpressibles, mit der andern die Rockschöße ihrer Erzeuger halten. –

»Bei meiner Seele!« schreit Doughby, »man sollte die Leute, die diese Behälter bauen lassen, selbst darein einsperren. – Sagt mir nur, was die armen Teufel von Negern tun, wenn es regnet?«

»Dann laufen sie«, versetzt Blount, »unter den ersten besten Baumwollenbaum; und regnet es stärker, so kommen wohl die Herrschaften aus ihren Häusern nach, denn wie ihr seht, so sind diese Bauwerke mit ihren breiten bis zur Erde herabhängenden Zypressendächern recht eigentlich dazu eingerichtet, das Naß aufzunehmen.«

»Und dann könnt ihr es gar nicht glauben«, parodiert abermals Trumbull, »wie der Regen in unserem Louisiana so naß tut, und wie er immer nur an Feier- und Heiligentagen kommt. Parole d'honneur!« versichert er, »immer nur an Feiertagen. Voyez-vous! käme er an einem Werktage, so ließen wir alles liegen und stehen und würden die Ritzen und Löcher in unsern Zypressendächern und Wänden ausstopfen, aber so kommt er an Feiertagen, wo wir nicht arbeiten dürfen, sondern – tanzen müssen.«

»Kommen mir vor, wie die britischen Rekruten in Montreal und Quebeck, die die Arme und Beine heben und heben und vorwärts werfen und doch nicht vorwärts kommen.«

»Ärger als die Shakers«, brüllt ein anderer.

Und abermals lautes Gelächter, selbst die armen Shakers müssen herhalten, um die armen Kreolen zu beleuchten. – Und es sind doch so gute, harmlose Leute, diese Shakers, ein drolliges Häufchen alter zölibatisierender Männerchen und Weiberchen, an denen eine gewisse Shoreham oder dam – es gehörte das Gedächtnis Mezzofantis von Bologna dazu, die berühmten Namen alle zu behalten – das große Werk der geistlichen Wiedergeburt glücklich vollbracht, die darin besteht, daß die guten Leutchen tanzen in ihren religiösen Versammlungen oder vielmehr hopsen, zur Ehre Gottes. Wir sind nun in diesem Punkte Latitudinarianer, die freien Spielraum geben und nehmen und selbst bei den tollen Sprüngen unserer feurig devoten Methodisten und den Spektakelstücken unserer Tunker kaum eine Gesichtsmuskel straffer anziehen; aber diese Shakers, sie bringen uns um den wohlverdienten Ruhm unserer Gleichmütigkeit. Und der Henker möchte nicht darum kommen, wenn er diese mehrenteils steinalten Leutchen sieht, in aller Steifheit ihrer schwäbischen Trachten und altväterischen Manieren, mit unbeschreiblich devotem Dekorum sich ihrer Röcke entledigend, feierlich die Füße auf das Signal der Geige hebend und zu hopsen beginnend, vorwärts, rückwärts, wieder vorwärts und so fort, bis ihnen der Atem vergeht und euch die Geduld und ihr in lautes Gelächter ausbrecht über das närrische Spektakelstück, das die guten Leute in jedem andern Lande unfehlbar ins Tollhaus bringen müßte, bei uns aber hingeht; denn eigentlich böse könnt ihr den guten, redlichen Tröpfen nicht sein, die, abgesehen davon, daß sie in der Einfalt ihres Herzens Gott durch Hopsen wohlgefällig zu werden glauben, sonst wieder die allerbesten Tröpfe sind! Gerade wie die Kreolen, die, abgerechnet ihr Faulleben und ihre Kleinstädterei, sonst gar nicht uneben wären, im Gegenteil so drollige Geschöpfe, als ihr je sähet, die ihr Faulleben so leicht kleidet und so wohl, so naiv umgibt – ihr sollt sie nur einmal hören! – Das Land ist so reich, die Natur hat ihr Füllhorn hier nicht ausgegossen, nein, ausgeschüttet; die schwarze Dammerde liegt achtzehn Fuß tief, sie gibt ihren Tribut beinahe ohne alle Mühe hundertfältig, die Wälder starren von Papaws, Plaquemines, Traubenkirschen, Peccans, die Erde von Erdmandeln, so daß, wenn die guten Leute es selbst darauf anlegten, weder sie noch ihre Neger verhungern könnten, aber ihre Klagen, hört diese ihre Klagen! Peste! schreien sie – Peste über die Erdmandeln, die alle Felder durchziehen, Peste über die Papaws, deren Wurzeln all ihr Land durchkriechen – Peste über die Schlingpflanzen, die höher wachsen als ihre Baumwollenstauden; – in Belle France, sagte Grand-Papa, war das alles nicht; Peste über den Regen, der ihnen in die Häuser dringt, gerade wenn sie Ball geben. – Und ihre Bälle! Was wären sie ohne ihre Bälle! – Sie sind ihr Element, ihr Plaisir, ihr Public good, ihre Improvements, ihr Anfang, ihr Ende, der Triumph ihrer Zivilisation. ›Misthere Howard!‹ mußte ich tausendmal in der ersten Woche meiner Ankunft hören – ›Sie haben noch keinen Kreolen-Ball gesehen – ah, Misthere Howard, Sie haben nichts in Louisiana gesehen!‹ Das konnte ich nun nicht sagen – ich hatte vieles gesehen, so viel gesehen, daß ich gar keine Lust bekam, mehr zu sehen; denn in ihrem Alltagsleben bekommt ihr schwerlich eine vorteilhafte Idee von den guten Leutchen. Die Männer sind friedfertige Leute, trotz ihren hagern Cassiusgesichtern, ruhig friedfertige Leute, die sich um die Welt und ihre Revolutionen so wenig kümmern, daß sie sie nicht einmal in den Zeitungen lesen mögen, aus neunundneunzig Gründen, weil nämlich von zwanzig Kreolen achtzehn nicht lesen können; die nie aus ihren Pflanzungen gekommen, ihre vertrockneten Cassiusgesichter ihren Negerinnen verdanken und allzu großer Reizbarkeit. Wird ihnen viel Böses bezüglich allzu großer Reizbarkeit für diese Negerinnen nachgesagt, die wieder zur Folge hat, daß sie im Ehestande in der Regel eine einigermaßen klägliche Rolle spielen. Sind zu bedauern, die armen Kreolinnen in diesem Punkte – und deshalb stark, was wir Vixen Zänkerin, Hausteufel. nennen, auch haben sie für unsern Gout ein zu schleppend gedehntes languissantes Wesen und eine kreischend zänkische Stimme, die euch gar mißtönig in die Ohren klingt. Aber wahre junonische Gestalten, und wie weiland Juno eifersüchtig. – Es war ein prachtvolles Gebilde, die hehre Euphonie, versichere euch, ein prachtvolles Gebilde; ein paar Augen, die wie zwei kirschengroße Karfunkel unter der hochgewölbten Stirne hervorblitzten, mit Brauen und Wimpern, die einer Zenobia wohl angestanden wären. – Sie war etwas blaß, indolent, selbst schleppend, über ihr ganzes Wesen war energisches Schmachten ausgegossen. Ihr konntet nichts Pittoreskeres sehen, als diese volle, üppige Gestalt, mit den einigermaßen fleischlich gesinnten Lippen und Zügen, im weißen Peignoir auf das Sofa hingegossen, das mit verblichenem Brokat überzogen war, die Fragmente von jedem Luftzug, der durch die Galerie strich, malerisch wie die zerfetzten Fahnen eines tapfern Bataillons emporgehoben, ein Brennpunkt, der alle eure Strahlen auffing und euch die hochlehnigen Sessel, mit ditto Brokat überzogen und so alt wie mein Urgroßvater, wäre er noch am Leben, und die Hügelchen von Schmutz, in denen nicht selten wie Prairiedogs Prairiedogs: Wörtlich = Präriehunde; völlig falsche Benennung des kleinen amerikanischen Murmeltiers. Ratten und Mäuse umhersprangen – vergessen ließ. – Es gab Momente, wo es euch deuchte, als ob diese Umgebungen zum Ensemble gehörten und geflissentlich zusammengestellt und gehäuft seien, euch den Zauberreiz der junonischen Gestalt um so malerischer vor Augen zu bringen. Sie war die Königin der Niederlassung in geistiger, körperlicher und sonstiger Beziehung. – Keine warf sich mit so unendlicher Grazie unter dem gellenden Geschrei ihrer Gespielinnen ins Bayou – ihr kennt das Bayou oberhalb der Niederlassung – keine fischte euch einen Dollar mit mehr Geschicklichkeit vom Grunde oder spielte Dame Loup und Sept et trois mit mehr Sans gêne. Ich war mehrere Male gekommen, da mir ihr Papa einige seiner Neger vermietet hatte, und ich als Nachbar in gutem Einvernehmen mit den etwas barocken Leutchen zu leben wünschte, – die einiges Empressement zeigten, den Cochon Yankee ihrer Familie einzuverleiben. – Doch wollten alle diese Zauberreize nicht so recht Eindruck machen. – Nun aber kam die Hauptattacke, der schöne Mund mit den etwas fleischlich gesinnten Lippen lud mich zum Balle, – und ich, George Howard, versprach zu kommen. Viel hatte ich mir nicht von diesem Balle versprochen, aber schon beim Eintritt in den Saal änderte ich meine vorgefaßte Meinung. Zwar war der Saal noch immer derselbe, Zypressenwände mit Lehm und Tillandsea ausgefüllt, einzelne Talglichter und aus der Mitte ein hölzerner Lüster mit sechs Kerzen; – ein paar Neger, die die Geige spielten, – aber die Gesellschaft war superb, wie sie sagen, divine; ein Kranz von Damen, die durch ihre Haltung, ihre Grazie, ihre Leichtigkeit ebenso imponierten wie durch ihre geschmackvollen Toiletten. Die meisten hohe, üppige Gestalten, zum Embonpoint sich hinneigend, aber die bleichen Wangen waren gerötet, die prachtvollen Rabenhaare mit Rosen und Perlen durchflochten, das schmachtende Air war zitternde Lust und Begierde geworden, sich in den Reihen zu verschlingen. – Es war viel Reichtum an Perlen, Diamanten zu schauen, denn, wie ihr wißt, so bergen diese Baracken mit allem ihrem Schmutz oft Hunderttausende, und auf zerbrochenen Tischen seht ihr oft Tafelsilber, hinlänglich, um eine elegante Villa aufzubauen. –

Ich war wirklich überrascht, bezaubert; – sie erschienen mir wie ein Kranz von Prinzessinnen in – einer Bauernhütte. – Euphonie war mir vom Maître des cérémonies, – denn bekanntlich sind auf jedem nur einigermaßen respektablen Kreolenballe zwei derlei Maîtres – als Tänzerin angewiesen. – Bald ward ich in den Strudel hineingerissen, auf eine Weise gerissen, die mich alles um mich herum vergessen ließ. Man muß diese Kreolinnen auf Bällen sehen, diese Leidenschaft, dieses stürmische Feuer, wieder so zart geregelt durch die feinste Eleganz, dieses Gewirre der lieblichen Gestalten, in den graziösesten Ringen verschlungen! – Sie extemporisieren von der Quadrille in den Kotillon, in die Allemande, in die Polonaise mit einer Leichtigkeit, einem Gout, einem Aplomb, die euch nicht zur Besinnung kommen lassen, euch im Strudel mit sich fortreißen, daß ihr im Meere von Entzücken schier zugrunde geht.

»Vollkommen wahr,« rufen Blount und Weatherell, »Mister Howard – wir danken Ihnen für die Fortsetzung«; denn was anfangs bloß Meditation gewesen, war allmählich in eine wirkliche Erzählung übergegangen. »Vollkommen wahr« – wiederholen sie.

»Aus diesem Strudel wurden wir plötzlich durch lautes Rauschen aufgeschreckt, durch ein starkes Plätschern, das an die Gitter und Jalousien der Galerie schlug und uns in den allmählich in den Saal träufelnden Wassertropfen einen starken Regenschauer verkündete. –

Peste‹, schrien auf einmal alle die herrlichen Gestalten – › Fistre! Sacré!‹ hörtet ihr von allen Seiten. – Wäre ich im heißesten Augusttage aus meinen Kottonfeldern in den Red-River gesprungen, meine Abkühlung hätte nicht plötzlicher sein können über die unästhetischen Flüche, die ich den holden Lippen der reizenden Schönen entströmen hörte. – › Peste!‹ fragte mich die Frau des Ballkönigs, nämlich die Hausfrau. – › Peste! Haben Sie, Misthere Howard, in Virginien auch solche verwünschte Regen, die so naß tun?‹ – Ich versicherte die Dame, daß sie bei uns noch mehr naß tun, daß aber unsere Häuser dafür desto trockener wären.

Mais‹, versetzte sie, › mais cela ne vaut pas la peine – Qu'est-ce qu'il y a un peu de pluie! – Nous y sommes accoutumées‹.

Und ich fand es so, wir setzten uns in den Saal – ein halbes Dutzend zerbrochener Regenschirme, die die Neger über unsern Köpfen hielten, wehrten den Regen von uns ab, und unter diesen doppelten Dächern begannen Pfänderspiele, Rätselspiele, Bonmots wurden hervorgesucht – kurz eine Stunde verfloß, und während dieser hörte der Regen auf, und wir arrangierten uns abermals zum Tanze.« –

»Vortrefflich!« riefen Blount und Trumbull. – »Was hatte der Ball für weitere Folgen?«

»Ich ritt am Morgen nach Hause und sandte nachmittags einen meiner Neger mit einem Brieflein, in dem ich mich pflichtschuldigst nach dem Wohlbefinden meiner Tänzerin und ihrer liebwerten Mama und Papas erkundigte. – Am dritten Tage kam ich selbst, um ihr meine Aufwartung zu machen. Ich band mein Pferd an einer der Negerhütten an und ging durch das Camp auf die Wohnung zu. Als ich mich auf fünfzig Schritte der Galerie genähert, hörte ich eine gellend kreischende Stimme – Sacré, chien – und so weiter, und als ich aufschaute, um die Quelle dieser unlieblichen Töne zu entdecken, erblickte ich die holde Euphonie, die, eine Peitsche in der Hand, sich bloß, wie sie meinte, an einer ihrer Negerinnen eine kleine Bewegung machte. – Sie schien mein Staunen ganz seltsam zu finden. Das kühlte das Feuer, das noch vom Balle her in meiner Brust loderte, so ziemlich, und es verlöschte gänzlich, als ich an der Küche vorbeikam, wo eben das Mittagsmahl angerichtet wurde.« –

»Ja, da haben Sie recht,« fallen Weatherell und Blount und Heath ein – »eine Kreolenküche zu schauen!« –

»Ich trat mit der schönen Euphonie in den Saal. Auf dem Brokatsofa lag mein Briefchen, mitten unter zerknitterten Kleidern, Schnürleibchen und derlei namenlosen Dingen. Ihre Bitte, ihr den Brief vorzulesen, frappierte mich ein wenig, obwohl ich mir auch nicht träumen ließ, daß dieser naive Wunsch aus ihrer Unbekanntschaft mit Cadmus' Erfindung herrühre. Als sie aber, nachdem ich ihn vorgelesen, den Aufseher rief und ihn nochmals zu lesen befahl, um zu hören, wie sie naiv meinte, ob wirklich alle die schönen Sachen darin stünden, wurde es mir doch endlich zu rund, und vollends, als ich zu Mittag bleiben mußte. Es war darauf abgesehen, mir die Würde einer Kreolenfamilie in vollem Glanze vor Augen zu bringen. Silberteller und Becher in Menge, aber dazwischen Bouteillen, die nur einen halben Hals hatten, – Negermädchen und -burschen hinter unsern Sesseln, deren Oberleiber in eine Art goldbordierter Jacken eingetan, während die untern Teile leer ausgegangen waren, so daß die Armen, wenn sie sich bückten oder eine plötzliche Wendung zu nehmen hatten, Point de vues darboten, die euch das bißchen Appetit, das die Küche gelassen hatte, vollends nahmen. Dabei konnte ich nicht umhin, das Sans gêne zu bewundern, mit dem meine werten Gastgeber ihre schwarzen Ganymede und Heben um sich herumkapriolen ließen.«

»Und weiter?«

»Mein absoluter Mangel an Appetit gab Gelegenheit, meinen baldigen Rückzug zu bewerkstelligen und zugleich meine Rechnung mit D. für die mir vermieteten Neger abzuschließen, die ich im Verlaufe der nächsten Woche sandte. Das Bête, der Cochon Yankee, der so vielen Reizen widerstehen konnte, sei der Ehre einer Liaison mit einer altadeligen Kreolenfamilie gar nicht wert, äußerte er sich später.« –

»Das heiße ich in wenigen Zügen eine meisterhafte Skizze der kreolischen Aimabilität entworfen.«

»Unübertrefflich, so was man sagt im aristokratisch-sarkastischen Tone gehalten«, lacht Weatherell; »ganz wie es zu vermuten stand. – Was würden Sie aber erst sagen, wenn Sie den großen Marquis seinerzeit gesehen hätten?«

»Den großen Marquis?«

»Und Sie haben nie vom großen Marquis gehört?«

»Von Barons, Grafen und so weiter wohl, da mein Schwiegervater mit mehreren verwandt ist, aber nie von einem großen Marquis, doch nicht Cortez?«

»Nein«, lacht Weatherell; »mein großer Marquis war von einem ganz andern Kaliber, wollte zwar auch ein Reich errichten, aber auf friedfertigste Weise, haßte Krieg und Kriegestaten, liebte die Künste des Friedens.«

»So laßt hören vom großen Marquis«, meinen Blount und Johns.

»Laßt hören aus Eurem Erfahrungsschatzkasten, Mister Weatherell«, Heath und Doughby. »Ihr seid nun an die sechzig Jahre in Louisiana, müßt so manches erfahren haben.«

»Das habe ich, Freunde«, erwidert Weatherell. »Ich habe noch Natchitoches in all seinem Glanze, seiner Blüte, seinem Flor gesehen, es gesehen in seiner Abnahme, seinem Fall – nun ist es wie Troja, und Rinder und Rosse werden, wo die Herrlichkeiten des Ancien régime zu schauen waren. – Ich habe mehr als dieses gesehen, die Gründung eines neuen Reiches, einen Staatswagen, so schön, so groß wie eines der Pflanzerhäuser, die ihr seht, und zwar in den Wäldern von Ouachitta; ich habe Farobänke, Theater, eine Hofkapelle, Cour- und Galatage, Kammerherren, Bediente, alles das habe ich gesehen.«

Der Alte, indem er so sprach, lachte in seiner eigentümlich heimlichen Weise. – Wir wurden immer neugieriger, waren in einer recht fröhlichen Stimmung. Der große Haufe hatte sich in kleinere debattierende Gruppen abgesondert; wir standen im engern Ausschusse mit Heath, Blount, Trumbull und Richard beisammen. Doughby und Johns spielten die Parteigänger, die bald an die Demokraten, bald an uns heranhorchten. Der Umstand, daß die Kreolen trotzend zurückgeblieben waren, hatte der allgemeinen Fröhlichkeit jenen leicht medisanten Anklang verliehen, der die herkömmliche gute Sitte, die Abgegangenen näher zu beleuchten, möglichst zu benutzen sich gedrängt fühlt; so horchten wir alle gespannt dem alten Weatherell, der begann:

»Es war eines jener epochemachenden Ereignisse, das die friedfertigen Bewohner von Natchitoches ungemein aufregte. Wie ihr wißt, war Natchitoches früher weit bedeutender, als es gegenwärtig ist, da sämtliche Pflanzer ober- und unterhalb in dieser weitberühmten Stadt wohnten und von derselben aus ihre Pflanzungen regierten. Anfangs wunderte ich mich über ihren Eigensinn, der sie in einer schmutzigen, ungepflasterten Stadt, – Dorf sollte man sagen, festhielt, erfuhr aber bald die Ursache und schaute sie mit Augen. Sie hatten nämlich jeden Sonntag große Kirchenparade, Cour und Repräsentation, die sie alle Ungemächlichkeiten und Verluste einer Stadtresidenz gerne ertragen ließ. Es würde euren Augen wohlgetan haben, einer solchen Cour am Sonntage beizuwohnen, die alten Ludwigsritter und courfähigen Personagen zu sehen, wie sie aufzogen, in Schuhen und Strümpfen und Stahldegen mit fischbeinernen Klingen, excuses genannt, abgelebten Uniformen, von denen manche an die fünfzig Dienstjahre zählten und aus der Zeit des Regenten von Orleans und Laws herabdatierten, und die wie Fahnen, je älter, desto geschätzter waren, – in aller Grandezza aus ihren Hotels – so nannten sie die Löcher, die sie bewohnten – herausschreiten und, gefolgt von einem schuhe-, strumpf-, oft hosenlosen Neger, dem Château des Kommandanten im feierlichen Schritte zusteigen, um sich dem Zuge des Repräsentanten der Majestät in die Kirche anzuschließen, – währenddem die Glocken läutend, das Militär, fünfundsiebzig Mann, vor dem Château des Kommandanten, einer elenden Baracke, und der Calebouse Gefängnis. paradierend. Wie schlug das Herz den Kreolen höher! Und dann nach der Messe feierlicher Empfang der Courfähigen und ihrer Damen! Wenn ihr heute noch einen Kreolen über jene Zeiten sprechen hört, wird er euch mit Tränen in den Augen erzählen. Aber wie gesagt, bloß die Courfähigen wurden dieser Ehre teilhaftig, etwa zwanzig Familien, die von alten Häusern, den Aktionären der Mississippi-Gesellschaft und frühern Kommandanten abstammten und Schenkungen von der Krone erhalten hatten, – das Volk, die Abkömmlinge der Pariser und Franzosen, die auf Kosten der Regierung importiert worden, wurden nur an allgemeinen Audienztagen und die Akadier und Illinoisansiedler gar nie in das sogenannte Château zugelassen. Ah Messieurs, alors on connaissait ses gens et nous autres – nous étions gentilhommes – notre cour était petite, mais c'était pourtant une cour – mais à présent cette maudite Démocratie –«

»Siehe da!« lachten wir, »der alte Weatherell weiß den Mimiker gar nicht übel zu spielen.« – Er fuhr fort:

»Wie gesagt, so gab es drei Kategorien in Natchitoches, die Courfähigen – das Volk, nämlich die Pariser und übrigen Franzosen und ihre Abkömmlinge – und die Akadier oder den Pöbel, die ganz wie Pöbel behandelt wurden. Ich gehörte natürlich zu keiner der drei Klassen und arbeitete als neunzehnjähriger Bursche an der ersten Baumwollengin, die damals errichtet wurde, eine Meile unter der Stadt. Es war sechs Monate nach meiner Herabkunft an einem Sonntage, daß ich durch den Donner von zwei Kanonenschüssen – denn auf dem Fort befanden sich sechs Kanonen – aus meinen Betrachtungen aufgeschreckt wurde. Zwei Kanonenschüsse! Die Indianer werden doch nicht? – Die Franzosen lebten sonst in so ziemlich gutem Einverständnisse mit den Wilden, doch Indianer sind Indianer! – Ich fühlte mich unruhig, warf meinen Rock über und eilte der Stadt zu. Ich fand sie in tumultuarischer Bewegung. Die ganze disponible Force war ausgerückt in größter Gala mit der Fahne; ein Trommeln, daß einem schier das Gehör verging, alle Courfähigen in größtem Staate, die übrigen Einwohner in ihren besten Kleidern – Blumen auf dem Wege von der Landung zur Stadt gestreut – eine halbe Meile. Ein Traghimmel stand vor der Kirche, die Courfähigen mit dem Kommandanten waren im Saale des Château in großer geheimer Konferenz versammelt, von Zeit zu Zeit sah man einen Kopf mit Perücke und Haarbeutel sich herausstrecken und hinüber auf die Straße schauen, auf allen Gesichtern frohe ängstliche Erwartung. – An der Pforte der Kirche stand der Priester im vollen Ornate mit seiner ganzen Kirchensuite. Ich fragte einen, zwei, drei, konnte jedoch bloß zur Antwort erhalten: ›Er ist gekommen, er wird kommen, er wird in einer Stunde da sein – in einer halben Stunde, in zwei Stunden.‹ –

›Wer ist gekommen, wer soll kommen?‹

»Der Mann, den ich fragte, wandte mir befremdet den Rücken – bête murmelnd. – Ich versuchte mein Glück bei einem zweiten. –

›Der große Marquis,‹ erfuhr ich endlich, ›der große Marquis‹, jubelte der Mann, ›wird in Natchitoches einkehren, seine Residenz in Natchitoches nehmen, seinen Hofstaat hier aufschlagen.‹

»Jetzt wußte ich, woran ich war. Der große Marquis war der von Maison Rouge, der vom spanischen Hofe eine Schenkung am Ouachitta erhalten hatte. Diese erstreckte sich in einer Länge von dreißig Stunden und derselben Breite bis nahe an den Red-River herab. Jener Waldsaum, den ihr am Ende des Palmettofeldes wie ein Dunstbild herüberhängen seht, gehörte noch zu seiner Schenkung. Es war ein glänzendes Besitztum von vollen zwei Millionen Ackern, ein kleines Königreich von Naturwiesen und Waldungen, den schönsten Teil Ober-Louisianas umfassend.

›Seine Majestät haben ihm so viele Hunderttausende aus ihrem Staatsschätze angewiesen‹, schrie mir ein anderer in die Ohren.

›Er wird einen neuen Staat bilden‹, ein dritter.

›Jede Familie, die sich in seinem Lande ansiedelt, erhält eine Pension.‹

›Er wird in Louisiana Epoche machen.‹

›Natchitoches ein neues Paris werden.‹

»Der Jubel wurde immer stärker. –

»Ich hörte und hörte und schüttelte den Kopf. Ich hatte von der wahrhaft königlichen Schenkung früher gehört, gelesen, wie der spanische Hof durch diesen Marquis eine neue Ära über Louisiana zu bringen huldreich beschlossen; – aber ich konnte mich nicht überreden, daß der große Marquis Natchitoches zu seiner Residenz wählen oder es selbst nur besuchen würde, da es gute hundert Meilen von seinem Weg ablag. Das Ereignis beschäftigte unterdessen meine jugendliche Einbildungskraft. Von allen Seiten hörte ich Pläne der guten Bewohner von Natchitoches, wie sie in seinem Reiche sich niederlassen, von der Pension in Jubel und Fülle leben wollten. – Ich wurde nachdenklich. Einem Landsmann, der mit mir auf der Pflanzung arbeitete, teilte ich meine Ansichten mit, wir hatten in Natchitoches nichts zu verlieren, zu gewinnen konnten wir nicht viel hoffen, Lebensmittel zwar im Überfluß, aber das Geld war selten – unsere Kontrakte waren auf Wochen abgeschlossen. Kurz, den folgenden Tag nahmen wir von Monsieur Mutton Abschied, zimmerten uns in den nächsten acht Tagen ein Boot zusammen und gingen mit einer Familie Akadier, Mann und Weib und einer Tochter, die sich an uns anschlossen, um gleichfalls an dem neuen Jubel teilzunehmen, den Red-River hinab, den Ouachitta hinauf, trafen mehrere Boote, die mit Effekten und Lebensmitteln für die neue Hauptstadt beladen waren; an diese schlossen wir uns an und kamen, wie wir vernahmen, gerade recht, um die Feierlichkeit der Besitznahme des neuen Reiches durch den künftigen Monarchen zu schauen.

»Meine Erwartungen wurden sehr gespannt.

»Am Ende der dritten Woche langten wir am Orte unserer Bestimmung an. Der Punkt der neuen Ansiedlung war am linken Ufer des Ouachitta nicht übel gewählt, aber der erste Blick, den ich auf die neu zu gründende Stadt warf, enttäuschte mich. Ich erwartete ein Getriebe zu sehen, zu hören, wie es bei einer neu anzulegenden Stadt gewöhnlich ist, Leute geschäftig, Wälder umzuhauen, Straßen auszulegen, Blockhäuser zu errichten; statt dessen fand ich ein paar hundert Menschen in einem Gebäude versammelt, das einer großen Scheuer glich. – Ich dachte, die Leute hielten Abendgottesdienst, und wir gingen darauf los; – wirklich hörte ich die Stimme eines Mannes, gleich darauf die eines Weibes, Geigen, Flöten. – Das konnte doch kein Gottesdienst sein! Es war eine Komödie mit Ballett, die Leute waren au spectacle.

»Mein Gott! dachte ich, was für leichtsinnige Menschen – sie vertändeln ihre Zeit mit Komödienspielen, statt Blockhäuser zu bauen.

»Unsern Akadiern war dies ein herrlicher Zeitvertreib, die französische Natur erwachte, sie horchten, rissen Ohren und Augen auf. Wir beiden Amerikaner gingen mit unsern Habseligkeiten und errichteten uns mit unsern Äxten in derselben Nacht eine Nothütte aus Baumzweigen, unter der wir ruhig schliefen. –

»Am folgenden Morgen besahen wir uns das neue Paris, wie die Leute ihre acht oder neun Hütten nannten. Alle waren von Holzstämmen aufgebaut, einige größer als die andern. – Das Hauptgebäude, in dem der große Marquis wohnte, war mit rohen Galerien und einer Arkade von glatt gehobelten Baumstämmen umgeben und hatte eine Flucht von Treppen oder besser zu sagen Baumblöcken zu beiden Seiten; durch die Öffnungen der Zypressenwände sah man Tapeten, Lüster und all die eilfertig zusammengestoppelte Pracht, die dem Ganzen mehr Theatralisches als Wirkliches verlieh. Mir erschien es wie das Feldlager unserer französischen Alliierten vor York, wo ich, wie ihr wißt, als siebzehnjähriger Volontär mitgeholfen. Es waren, wie gesagt, acht oder neun große und kleine Blockhäuser, von denen das zweite dem Château, wie es genannt wurde, zunächst stehende, die höhere Suite des neuen Landesherrn enthielt, Kammerherrn und Pagen, das dritte die Kammerdiener und Lakaien, das vierte Kutscher und so fort; eines war für den Hofkaplan bestimmt, auch eine Hofkapelle befand sich etwa fünfzig Schritte gegenüber dem Hauptgebäude, sie hatte über dem Dache eine Glocke, durch vier Bretter gegen Wind und Regen geschützt. – Das war die neue Residenz Sr. Exzellenz des Marquis von Maison Rouge, wie er tituliert wurde, des auserkornen Werkzeuges, das über Louisiana eine neue Ära bringen und so den revolutionären Staaten, wie wir genannt wurden, das Gleichgewicht halten sollte.

»Der Morgen war für die feierliche Besitznahme des neuen Reiches bestimmt. Zu diesem Behufe hatte der große Mann einen eigenen Staatswagen aus Paris herüberkommen lassen, willens, in besagtes Territorium als Landesherr einzufahren, von welchem Vorhaben der Gouverneur von Louisiana ihn nur durch die bündige Erklärung abbrachte, daß sowohl der Mississippi als Red River, ebensowenig als der Ouachitta, fahrbare Landstraßen wären, auch schwerlich irgendeine zu seiner neuen Residenz zu finden sein dürfte; – worauf sich der Marquis, obwohl ungern, entschloß, den Wagen zerlegt in Booten hinaufschaffen zu lassen. Zerlegt war er also angekommen, und angekommen, hatte man ihn wieder zusammengesetzt, und als wir aufstanden, es war ziemlich spät, denn wir hatten bis in die Nacht hinein gearbeitet, sahen wir ihn vor dem Château halten. Er war mit sechs Pferden, die hohe Kopfbüsche trugen und glänzend angeschirrt waren, bespannt – ein ungeheurer Kasten mit Glasfenstern, von denen jedoch mehrere gebrochen, vier Liebesgötter, von der Größe zwölfjähriger Knaben und Mädchen, schienen ihn an den vier Ecken zu tragen. Vor dem Gespanne hielten zwei Läufer mit sonderbar gefalteten Kappen und Jacken, Schellen und Stöckchen, ein gewaltiger Kutscher, trotz dem heißen Sommer im Pelze und einer Perücke, saß auf dem Kutschbocke. – Und ringsum Indianer und Neger und Akadier, halbnackte und ganznackte, rote, schwarze, wettergebräunte Gestalten in Wolldecken, Tierfellen, und dazwischen das Läuten der Glocken und Abschießen der zwei Kanonen, die gleichfalls mitgebracht worden, und die Garde des neuen Landesherrn, dreißig Mann stark, in Reihe und Glied aufgestellt. – Hört ihr, es war ein Anblick, der nicht bald wieder am Ouachitta so barock zu schauen sein wird.

»Noch waren die Tore des Château geschlossen, aber jetzt gingen sie auf, die Garde präsentierte, die Kanonen donnerten, die Glocke läutete, daß der Turm wackelte, heraus strömten Bediente, Pagen und endlich der große Mann, im gestickten gallonierten hellblauen Sammetrocke mit breiten steifen Schößen, kurzem Kragen mit Fleurs de lis besäet, einer Perücke, deren Flaggen wie Taubenflügel über das Ohr herabhingen, über die Brust herab ein breites Band, das sie den großen Cordon hießen, in der Hand ein flaches dreieckiges Filzding, dessen Gebrauch ich nie recht ausmitteln konnte. Der Mann war aber gar nicht stolz, er lächelte so freundlich links und rechts, aus seinen blauen Augen leuchtete viel Gutes, Leichtes, Leichtsinniges. – Sein Gesicht war schwammig mit einem Doppelkinn, das einige Vorliebe für eine gute Küche verriet, sein Schritt leicht, wie tanzend. – Zu seiner rechten Seite ging der Kommissär der Regierung, er war gleichfalls in Uniform, hatte ein Kreuz im Knopfloche. Kammerdiener in Haarbeuteln halfen den beiden großen Männern in den Staatswagen, sechs Bediente sprangen hinten auf, der Zug setzte sich, eskortiert von der Garde und dem sämtlichen Hofe, in Bewegung, und fort ging es zur Kirche. Der Weg zwischen dieser und dem Château war so viel als möglich geebnet worden, aber doch bedurfte es mehrmalen der Beihilfe der Eskorte und Diener, ihn über die Baumstumpen zu bringen, und der hohe Mann erhielt während der fünfzig Schritte langen Fahrt Stöße, die ihm, wie der Erfolg zeigte, alle Lust benahmen, ein zweites Mal in Gala zur Kirche zu fahren, denn im Verlauf der nächsten Woche sahen wir den Staatswagen wieder auseinanderlegen und einpacken, um nach Paris zurückzuwandern, wo er wahrscheinlich als ein gereistes Wunderding teuer losgeschlagen wurde.

»Doch zu unserm Marquis zurückzukehren. An der Kirchtüre angekommen, trat ihm der Priester entgegen mit Weihwasser und einer silbernen Sprengkapsel, und dann war Messe und nach der Messe Verlesung der Schenkungsurkunde und darauf große Tafel und darauf Ball, und – so endigte der große Tag.«

»Und weiter?«

»Ich fand Arbeit als Zimmermann und mein Landsmann gleichfalls. Wir bauten uns eine geräumige Hütte, in der wir den Hof-Zuckerbäcker einlogierten, der uns dafür die Kost aus der Hofküche gab; im ersten Jahre waren wir imstande, jeder dreihundert Dollars zurückzulegen, da wir schier die einzigen waren, die arbeiteten.«

»Und die andern, was taten die?«

»Die lebten von den Gehalten, die der katholische König zahlte, und spielten Komödie, Tragödie und Faro und L'hombre und abermals Komödie, tanzten Ballette, gaben Bälle. – Es kamen Gesellschaften aus dem ganzen Lande. Das erste, was ich zu tun bekam, war ein Kasino zu bauen. Dieses Kasino bestand aus zwei Sälen, mit großen Spieltischen besetzt, der eine für die hohe Noblesse, der andere für das Volk. Es hatten sich nämlich viele Familien eingefunden, aus allen Teilen von Louisiana, von Frankreich herüber, Sänger, Schauspieler, Dichter, Musiker, Zuckerbäcker, Gold-, Silberschmiede, Croupiers, alles fandet ihr in dem Nestchen, nicht minder Liebesintrigen; – einige der schönsten Quateroons waren von New-Orleans herauf beschieden worden, die aber zu den Courbällen nicht Zutritt hatten; zwar versuchte der Marquis, die Kreolinnen philanthropischer zu stimmen, mußte aber in diesem Punkte den kürzern ziehen.«

»Und weiter?«

»Wir hatten natürlich refüsiert, uns der Zahl der Untertanen Sr. Exzellenz beizugesellen oder die Pension anzunehmen, es vorziehend, unabhängig von unserer Hände Arbeit zu leben. So wenig uns das Treiben gefiel, beschlossen wir, ein zweites Jahr auszuhalten. – Dies taten wir und brachten unser Kapital nahe an die siebenhundert Dollars. Einige Wahrzeichen, die sich mittlerweile unsern heller sehenden Blicken aufgedrungen, ließen uns voraussehen, daß die Herrlichkeit nicht lange mehr dauern konnte, auch war uns das wüste, leichtfertige Leben, das wir täglich mit ansehen mußten, zuwider geworden. – Wir verkauften unsere Hütte noch zu rechter Zeit an den Zuckerbäcker und zogen vor Ende des dritten Jahres wieder an den Red-River herab.« –

»Und wie ging es mit dem neuen Paris?«

»Ich hatte gerade mein Haus auf meinem neu erworbenen Lande vollendet, als die Nachricht kam, daß der Marquis verschwunden, die Garden verschwunden, Theater, Kasino, kurz alle die Herrlichkeiten, von denen ganz Louisiana so groß: Dinge erwartete, verschwunden – bloß einige der Ansiedler zurückgeblieben, aber Komödianten, Goldschmiede, Sänger und all das Volk war verstoben, nach New-Orleans, Paris, in die weite Welt. Der Traum war zu Ende.«

»Das war wirklich ein Traum Geschichtlich. Der Marquis von Maison Rouge, früher Schatzmeister von Perpignan, erhielt von dem spanischen Hofe eine Konzession von zwei Millionen Äckern. Mit demselben Schiffe, das sein Diplom als Landesherr brachte, kam auch sein Staatswagen an, der bloß ein einziges Mal gebraucht worden. Nach dem Tode des Marquis kam die Schenkung an die Familie Bouligny, die sie bis zur Vereinigung Louisianas mit der Union behielt.

»Solcher Träume hatten Louisiana und unsere Kreolen die Menge, und daher das schmerzhafte Erwachen. Könnte euch noch ein Dutzend derlei Träume aufzählen, zum Beispiel den Traum des Baron Bostrop Baron Bostrop, ein Holländer, erhielt eine Schenkung von fünfzehntausend Äckern – zwölf Quadratstunden – mit der Bedingung, eine Kolonie von Deutschen und Sägmühlen anzulegen. Er hatte sich zugleich, wie es häufig gebräuchlich war, für sein Land das Handelsmonopol erteilen lassen., der wieder eine andere Seigneurie von deutschen Bauern gründen sollte, auch richtig fünfundzwanzig Familien zusammenbrachte, und in seinem Eifer, ein Douanensystem einzuführen, das Norm für ganz Amerika werden sollte, so klug rechnete, daß er über fünfzig Zollbeamte, Direktoren, Kontrolleure auf die fünfundzwanzig Bauern anstellte, die ihn und seinen Partner in drei Jahren glücklich, sowie die fünfundzwanzig armen deutschen Bauern bis aufs Hemd auszogen.« –

»Diese Franzosen sind wirklich die barocksten Menschen, die je als Kolonisten auftraten. Es muß lächerliche Szenen gegeben haben.«

»Nur hatten«, bemerkt Weatherell, »diese Lächerlichkeiten wieder ihre schlimmen Seiten. Diese adeligen Aventuriers brachten Geld, das ist wahr, ins Land, aber auch alle Torheiten eines dissipierten Hofes, Hang zum Faulleben, zu gutem Essen, Trinken, zum vornehmen Müßiggange und eine Arroganz, die den redlichen Landbauer über die Achseln ansah, was ihr noch heutzutage stark an unsern Kreolen hervortreten seht. Hört sie nur die guten alten Zeiten preisen, wo die Regierung Geld ins Land sandte und feinpolierte Gentilhommes, die es mit Anstand verzehrten. Freilich können ihnen dann die Cochon-Yankees, die statt der Harmonie der Töne die der Äxte aufführen und unabhängig dem Boden den schuldigen Tribut abgewinnen, nicht gefallen.«

»Ihr nehmt die Sache wieder zu streng, Mister Weatherell. Wißt Ihr, daß gerade diese Etourderie der französischen noblen Kolonisten ihren Nachkommen, den Kreolen, einen so eignen Reiz erteilt, den wir billig schätzen sollten. Unsere Entwicklung war zwar weit vernünftiger, freiheitgemäßer, aber wieder so linealmäßig, regulär, daß Ihr in unserer ganzen Geschichte kaum Stoff zu einem Romane findet, und unsere Novellisten immer nur zu den Indianern ihre Zuflucht nehmen müssen. Dagegen die der Kreolen und ihrer Vorfahren! Denkt nur, was für herrliche Sujets sie darbieten – welch prächtigen zweiten Knickerbocker der große Marquis de Maison Rouge nicht liefern könnte! Ich glaube, ein Lustspiel könnte ich selbst daraus machen.«

»Da sieht man wieder einmal den Aristokraten«, lachte Weatherell, hält jedoch inne – und ich gleichfalls, denn ich fühle an meinen Augen eine Hand, die Luisens sein muß.

»Was!« ruft sie, »der Marquis von Maison Rouge Sujet zu einem Knickerbocker?«

Ich drehte mich, sah sie an, und Weatherell und Blount und alle, wir schauten aus wie kleine Kinder, die über dem Naschen einer verbotenen Frucht ertappt werden.

»Nein, nein, Madame«, lacht Weatherell; »wir haben nur leichten Gebrauch von der herkömmlichen Sitte gemacht.«

»Welchen Gebrauch, welcher herkömmlichen Sitte?«

»Der Sitte, Madame, die Abgegangenen nach christlich gutem Herkommen fein durch die Hechel zu ziehen – aber allen Respekt vor den Kreolinnen, besonders wenn sie sind wie die edlen Töchter Menous.«

Luise droht mit der Hand.

»Ihr abscheulichen Demokraten, wißt ihr, daß Howard nie ein Demokrat werden darf?«

»Dann sagen wir, Mister Howard steht unterm Pantoffel.« –

»Er glaubt es nicht – wollte, ich könnte ihn darunter bringen«, lacht sie. Und die Tischglocke läutet und macht dem Scherze ein Ende. Einen Augenblick stehen alle erwartend, den Damen den Weg frei zu lassen, wir aber, die wir erst vor wenigen Stunden unser Gabelfrühstück genommen, ziehen es vor, auf dem Verdeck zu bleiben. – Und ab ziehen sie, die gloriosen Jackson-Helden!


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