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Vierzigstes Kapitel.

– – – Mein Leben war ein Stück,
Verbraucht in deinem Dienst – zu deinen Füßen sterbend.

Don Sebastian.

Gleich dem Winde fliegen die Jahre an uns vorüber. Wir sehen weder woher der Wirbel kömmt, noch wohin er sich wendet, und es scheint, als betrachteten wir seine Flucht, ohne es selbst zu wissen, daß wir verändert sind; doch entreißt uns die Zeit unsere Stärke, so wie der Wind die Bäume ihrer Blätter beraubt.

Nach der Verehelichung der Alexis und des Markham Everard, bewohnte der Ritter ein altes Herrenhaus in ihrer Nähe, das zu dem wieder eingelösten Theil seiner Güter gehörte, wo Joceline und Phöbe, nun Mann und Frau, nebst einigen Dienern, die Geschäfte seiner Haushaltung besorgten. War er seines Shakespeares und seiner Einsamkeit müde, so wußte er, daß er seinem Schwiegersohn ein willkommner Gast war, den er nun um so viel häufiger besuchte, da Markham allem Antheile an den bürgerlichen Geschäften entsagt hatte, weil er die gewaltthätige Auflösung des Parlaments mißbilligte, und sich der darauf folgenden Herrschaft des Cromwell, mehr als einem nothwendigen Uebel, als einer Regierung unterwarf, die er für gesetzmäßig hielt. Zwar schien Cromwell immer bereit, sich freundschaftlich gegen ihn zu zeigen, aber Everard, der ihm noch wegen des Vorschlags, den König zu verrathen, den er für beschimpfend hielt, einen Haß nachtrug, erwiederte seine Zuvorkommenheit nie, und nahm, im Gegentheil, die Meinung an, welche nun bei der ganzen Nation vorherrschend wurde, daß man nämlich nie zu einer ruhigen Regierung gelangen könne, wenn man nicht die verbannte königliche Familie zurückberufe. Es ist außer Zweifel, daß die persönliche Huld, welche Carl gegen ihn an den Tag gelegt hatte, den Obristen dieser Ansicht geneigter machte. Doch wieß er, bei Cromwell's Lebzeiten, alle Verbindungen kräftig von sich, da er die Macht des Protektors für zu fest gegründet hielt, als daß eine Verschwörung sie erschüttern könnte.

Unterdessen fuhr Wildrake fort wie bisher, abhängig unter Everard's Schutz zu leben, obgleich ihm zuweilen diese Verbindung nicht wenig lästig fiel. Wirklich verrichtete dieser ehrwürdige Herr, wenn er sich im Hause seines Beschützers oder des alten Ritters befand, manche kleinere Dienste für die Familie, und gewann sich die Zuneigung der Alexis durch seine Aufmerksamkeit für die Kinder, da er die Knaben (deren sie drei hatte) Reiten, Fechten, Stoßen und ähnliche Künste lehrte; und vorzüglich dadurch, daß er die Leere der Beschäftigungen des Ritters ausfüllte, mit dem er Schach spielte, oder den Shakespeare las, oder beim Gottesdienste als Gehülfe diente, wenn es ein Geistlicher wagte, die Gebete der Kirche zu lesen. Bald trieb er Wildpret auf, wenn der alte Gentleman auf die Jagd ging, bald schwatzte er mit ihm über den Sturm von Brentford, und über die Schlachten von Edgehill, Banbury und Roundway-down; Erinnerungen, in denen der bejahrte Ritter schwelgte, aber mit denen er den Everard nicht erfreuen konnte, der sich seine Lorbeeren im Dienste des Parlamentes errungen hatte.

Wildrake's Umgang wurde dem alten Sir Henry noch unentbehrlicher, als er seinen tapferen, einzigen Sohn verlor, der in der unglückseligen Schlacht bei Dünkirchen blieb, wo man unglücklicherweise auf beiden Seiten die englischen Fahnen flattern sah; da die Franzosen mit Oliver ein Bündniß geschlossen hatten, der ihnen ein Hülfscorps zusandte, während die Truppen des verbannten Königs für die Spanier kämpften. Sir Henry empfing die traurige Nachricht wie ein alter Mann, das ist, mit größerer äußerer Ruhe, als man erwartet hatte. Wochen und Monate lang starrte er das Blatt an, das der unermüdete Doctor Rochecliffe ihm zuschickte, das mit kleinen Buchstaben C. R. dann aber Louis Kerneguy unterschrieben war, und worin der Schreiber ihn beschwor, den unschätzbaren Verlust mit um so viel größerer Festigkeit zu ertragen, da ihm ja immer noch ein Sohn bliebe (er meinte sich damit), der ihn stets als seinen Vater betrachten würde.

Aber ungeachtet dieses Balsams, wirkte der Kummer unvermerkt, er saugte das Blut gleich einem Vampyre, schien die Quelle des Lebens auszutrocknen; und ohne völlig krank zu sein, und ohne äußere Beschwerde verlor sich die Kraft und Thätigkeit des alten Mannes täglich mehr, und täglich wurde Wildrake's Bedienung unentbehrlicher.

Doch war er nicht immer zu haben. Der Cavalier war eine von den glücklichen Personen, die eine starke Leibesbeschaffenheit, ein gedankenloses Gemüth und ein zügelloser Geist in den Stand setzt, durch ihr ganzes Leben die Rolle eines Schulbuben zu spielen, – glücklich im Augenblick und sorgenlos für die Zukunft.

Ein- oder zweimal im Jahre, wenn er sich einige Goldstücke erspart hatte, machte Freund Wildrake einen Ausflug nach London, wo er, wie er sich ausdrückte, umherstreifte, so viel Wein trank, als er bekommen konnte, und bei den liederlichen Royalisten, wie er selbst einer war, ein lustiges Leben führte, bis irgend ein vorschnelles Wort, oder eine tolle That ihn nach Marshalsea, nach Fleet oder in ein anderes Gefängniß brachte, wo man ihn auf Kosten seines Einflusses, seines Geldes, und manchesmal sogar seines Rufes, befreien mußte.

Endlich starb Cromwell, sein Sohn entsagte der Regierung, und die vielen Veränderungen, welche darauf folgten, bewogen den Everard, so wie viele Andere, kräftigere Maßregeln zu Gunsten des Königs zu ergreifen. Everard gab sogar bedeutende Summen für seinen Dienst her, aber nur mit der größten Vorsicht, und correspondirte mit Niemanden, als mit dem Kanzler selbst, dem er ungemein nützliche Berichte über den Zustand der öffentlichen Angelegenheiten abstattete. Mit aller seiner Klugheit wäre er fast in den erfolglosen Aufstand des Booth und Middleton im Westen verwickelt worden, und nur mit großer Mühe entging er den unglücklichen Folgen dieses unzeitigen Versuchs. Hierauf schien sich, trotz der Anarchie im Königreiche, dennoch kein günstiger Augenblick für die königliche Sache zu zeigen, bis zum Aufstande des General Monk in Schottland. Aber selbst da, auf dem höchsten Gipfel des Erfolgs, schien sich Carls Glück am tiefsten zu neigen, besonders als die Nachricht zu seinem kleinen Hofe nach Brüssel gelangte, daß sich Monk bei seiner Ankunft in London dem Parlamente unterworfen hatte.

Es war um diese Zeit, gegen Abend, als der König, Buckingham, Wilmot und einige andere Ritter seines wandernden Hofes bei einem Zechgelage saßen, als der Kanzler (Clarendon) plötzlich um Audienz bat, und indem er mit weniger Ceremonie als sonst eintrat, außerordentliche Nachrichten ankündigte. Von dem Boten, sagte er, könne er nichts berichten, außer, daß er viel getrunken und wenig geschlafen zu haben scheine; aber daß er ein sicheres Beglaubigungszeichen von einem Manne überbracht habe, für dessen Treue er sein Leben verbürge. Der König wollte den Boten selbst sehen.

Ein Mann mit einigen adelichen Manieren, aber mehr mit denen eines ausgelassenen Wüstlings, – die Augen aufgeschwollen und entzündet, – die Kleider in Unordnung und Verwirrung zum Theil wegen Mangel an Schlaf, zum Theil wegen der Mittel, die er ergriffen hatte, um seine Anstrengung zu ertragen. Ohne weitere Ceremonie ging er auf das obere Ende des Tisches los, ergriff die Hand des Königs, die er wie ein Stück Zuckerbrod beleckte; während Carl, der sich seiner, an seiner Art und Weise zu grüßen, erinnerte, sich nicht sehr darüber freute, daß ihr Zusammentreffen vor so vielen Zeugen Statt fand.

»Ich bringe gute Neuigkeiten,« sagte der sonderbare Bote, »glorreiche Neuigkeiten, – der König wird wieder das Seinige genießen! – Schön sind meine Füße auf den Bergen. Ach Gott, ich habe so lange unter den Presbyterianern gelebt, bis ich ihre Sprache angenommen habe. – Aber wir sind ja Alle Kinder eines Mannes, – Alle arme Säuglinge Ew. Majestät. In London ist der Rumpf zu Grunde gerichtet, – Feuerwerke flammen, Musik ertönt, Rindfleisch bratet, Gesundheiten werden getrunken, London ist ein Lichtstrahl vom Strand bis Rotherhithe, – Becher klirren.« –

»Das können wir uns denken,« sagte der Herzog von Buckingham.

»Mein alter Freund Everard schickt mich mit dieser Neuigkeit. – Bin ein Schurke, wenn ich seitdem geschlafen habe. Ew. Majestät erkennen mich doch gewiß wieder. Erinnern sich Ew. Majestät noch, ha – ha, bei der Königseiche zu Woodstock?

Tanzen wollen wir, singen und springen,
Wenn wir zurück den König bringen.«

»Mr. Wildrake, ich erinnere mich Ihrer recht wohl,« sagte der König. »Ich hoffe, die gute Neuigkeit ist doch gewiß?«

»Gewiß! Ew. Majestät, hörte ich nicht die Glocken? – Sah' ich nicht die Feuerwerke, trank ich nicht Ew. Majestät Gesundheit so oft, daß mich meine Füße kaum in den Hafen trugen? Es ist so gewiß, als ich der arme Roger Wildrake von Squattleseamere in Lincoln bin.«

Hier flüsterte der Herzog von Buckingham dem Könige zu: »Ich habe immer den Verdacht gehegt, daß Ew. Majestät nach der Schlacht von Worcester nicht immer in der besten Gesellschaft waren, aber das scheint jetzt ein ganz auserwähltes Beispiel.«

»Je nun ungefähr so, wie Sie selbst und die andere Gesellschaft, mit der ich seit vielen Jahren hier umgehe, – eben so wacker im Herzen, als leer im Kopfe,« sagte Carl, »eben so viel Borten, obgleich etwas veraltete, eben so viel Runzeln auf der Stirne, und ungefähr eben so viel Kupfermünze in der Tasche.«

»Wollen mir nicht Ew. Majestät den Ueberbringer der guten Neuigkeit überlassen, um die Wahrheit von ihm zu erforschen,« sagte Buckingham.

»Ich danke Ew. Durchlaucht,« erwiederte der König; »aber er hat eben so gut seinen eigenen Willen, wie Sie, und solche Leute kommen selten überein. Mylord Kanzler ist ein weiser Mann, auf den wir uns verlassen müssen. – Mr. Wildrake, Sie werden den Lord Kanzler begleiten, der uns Bericht von Ihren Nachrichten abstatten wird, unterdessen versichere ich Sie, daß Sie es nicht zu bereuen haben werden, der erste Bote der guten Nachrichten gewesen zu sein.«

Indem er das sprach, gab er dem Kanzler ein Zeichen, den Wildrake fortzuführen, von dem er glaubte, daß er bei seiner jetzigen Stimmung wohl einige Züge aus seinem früheren Leben in Woodstock mittheilen könnte, welche den Witzlingen seines Hofes mehr zur Unterhaltung als Erbauung dienen würden.

Bald traf die Bestätigung der freudigen Nachricht ein, und Wildrake ward mit einem schönen Geschenke und einer kleinen Pension entlassen, mit welcher nach des Königs eigenem Wunsche keinerlei Dienstleistung verbunden war.

Bald nachher sang man in ganz England das Lieblingslied:

Am neun und zwanzigsten Tag des Mai
Da erhob sich laut das Freudengeschrei:
Der König genießt das Seine auf's Neu.

An diesem merkwürdigen Tage bereitete sich der König dazu vor, seinen Zug von Rochester nach London zu halten, wo er von allen seinen Unterthanen so liebreich empfangen wurde, daß er fröhlich sagte: »es müsse nur sein eigener Fehler sein, daß er ein Land so lange vermieden habe, wo seine Ankunft so viele Freude errege.« Zu Pferde zwischen seinen Brüdern, den Herzogen von York und Glocester, ritt der wieder eingesetzte Monarch langsam über die mit Blumen bestreuten Straßen, – bei den Brunnen vorbei, aus denen Wein floß, und durch den Triumphbogen und die Straßen, die mit Tüchern behängt waren. Da sah man die Bürger in verschiedenen Haufen, einige mit schwarzsammtnen Röcken und goldenen Ketten, andere in militärischen Anzügen, in Kleidern von Gold oder Silberstoffen, denen die Handwerksleute folgten, die, nachdem sie den Vater in Whitehall verhöhnt hatten, nun dem Sohne zuzujauchzen kamen, als er wieder Besitz von dem Palaste seiner Vorfahren nahm. Bei seinem Zuge durch Blackheath musterte er die Armee, die so lange sowohl England als Europa in Schrecken setzte, und das Mittel war, durch welches die Monarchie wieder hergestellt wurde, die ihre eigenen Hände zerstört hatten. Als der König bei den letzten Reihen dieser furchtbaren Armee vorüber war, kam er an eine offene Heide, wo viele Personen von Ansehen, nebst andern von geringerem Range ihn erwarteten, um ihm bei seinem Zuge zur Hauptstadt Glück zu wünschen.

Doch stand hier eine Gruppe, welche die besondere Aufmerksamkeit der Umstehenden wegen der Achtung erregte, die ihnen die Soldaten erwiesen, die im Hintergrunde standen, und die, sie mochten nun Royalisten oder Rundköpfe sein, zu wetteifern schienen, wer am meisten zu ihrer Bequemlichkeit beitragen könne; denn ein älterer und ein jüngerer Gentleman aus der Gesellschaft hatten sich im Bürgerkriege ausgezeichnet.

Es war eine Familiengruppe, in welcher die Hauptfigur ein alter, auf einem Lehnsessel sitzender Mann war, über dessen Antlitz ein freundliches Lächeln schwebte, und in dessen Auge eine Thräne zitterte, als er in unabsehbarer Reihe die Paniere flattern sah und die Menge den lange verstummten Zuruf jauchzen hörte: »Hoch lebe König Carl!« Aschgrau war seine Wange, bleich sein lang herabwallender Bart, wolkenlos das blaue Auge, doch fehlte ihm das Licht. Seine Bewegungen waren schwach und er sprach wenig, außer wenn er das Geplauder seiner Enkel beantwortete, oder eine Frage an seine Tochter richtete, die ihm zur Seite saß, gereift in weiblicher Schönheit, oder an den Obersten Everard, der neben ihm stand. Da war auch der kräftige Waidmann Joceline Joliffe, immer noch in seinem Jagdkleide, wie ein zweiter Benaiah auf den Knotenstock gestützt, der seiner Zeit dem Könige gute Dienste geleistet hatte, und seine Gattin, eine kräftige Frau, wie früher ein zierliches Mädchen, die über ihre eigene Wichtigkeit lachte, und jedesmal ihre gellende Stimme mit dem kräftigen Tone vereinigte, den ihr Ehemann zu den allgemeinen Ausrufungen hinzufügte.

Drei zierliche Knaben und zwei schöne Mädchen plauderten mit ihrem Großvater, der ihnen für ihr Alter passende Antworten gab, und gar oft mit seiner dürren Hand die schönen Locken der kleinen Lieblinge streichelte, während Alexis mit Beihülfe des Wildrake (der in einem neuen Kleide prunkte, und dessen Augen nur einen Becher Sect verriethen) zuweilen die Aufmerksamkeit der Kinder auf andere Gegenstände lenkte, damit sie ihrem Großvater nicht beschwerlich fallen möchten. Wir dürfen auch eine andere merkwürdige Gestalt in der Gruppe nicht vergessen, – einen riesenmäßig großen Hund, welcher Spuren trug, daß er schon dem Ende seines Lebens nahe war, da er vielleicht fünfzehn oder sechzehn Jahre alt sein mochte. Aber obgleich er nur noch eine Ruine seiner vorigen Gestalt schien, da seine Augen trübe und seine Glieder steif waren, da sein Kopf hinab gebeugt war, und seine zierliche Haltung und seine edlen Bewegungen einem steifen, unbeholfenen Wesen gewichen waren, so hatte doch der wackere Hund nichts von seiner angebornen Zärtlichkeit gegen seinen Herrn verloren. Im Sommer in der Sonne und im Winter am Feuer zu Sir Henry's Füßen zu liegen, seinen Kopf zu erheben, um ihn anzublicken, seine dürren Hände und seine eingefallenen Wangen von Zeit zu Zeit zu lecken, das schien Alles, wofür jetzt Bevis noch lebte.

Drei oder vier Bediente sollten diese Gruppe vor dem Andrange der Menge schützen; aber es war unnöthig. Die hohe Ehrwürdigkeit und die anspruchslose Einfachheit ihres Aufzuges verlieh ihnen, selbst in den Augen des niedrigsten Pöbels, ein Ansehen patriarchalischer Würde, das allgemeine Hochachtung einflößte; und sie saßen auf der Bank, die sie zu ihrem Ruheplatze am Wege ausersehen hatten, so ungestört, als wären sie in ihrem eigenen Parke.

Nun aber verkündeten die fernen Posaunen die königliche Nähe. Einher zogen die Diener und Trompeter – einher zogen Federn und goldene Kleider, und aufgerollte, flatternde Standarten, und Schwerter, die in der Sonne blitzten; endlich an der Spitze der Edelsten Englands, von beiden Seiten von seinen königlichen Brüdern begleitet, zog König Carl einher. Schon hatte er mehr als einmal eingehalten, aus Güte sowohl als aus Politik, und hatte mit den Personen, die er unter den Zuschauern erkannte, schon manches Wort gewechselt, unter dem Aufjauchzen der Nebenstehenden, die einer so wohl angebrachten Höflichkeit ihren Beifall zollten. Aber als er einen Augenblick auf die Gruppe blickte, die wir schon beschrieben haben, da mußte er wohl sogleich, wie sehr sich auch Alexis verändert haben mochte, den ehrwürdigen Sir Henry Lee und seinen getreuen Hund erkennen. Der Monarch sprang vom Pferde, ging sogleich auf den alten Ritter unter dem donnernden Beifall der umstehenden Menge zu, welche zusah, wie Carl mit seiner eigenen Hand sich den schwachen Versuchen des alten Mannes widersetzte, der aufstehen wollte, um ihm zu huldigen. Liebreich führte er ihn zurück zu seinem Sitze. »Segnen Sie,« sagte er, »mein Vater, segnen Sie Ihren Sohn, der in Sicherheit zurückkehrte, so wie Sie ihm Ihren Segen ertheilten, als er in Gefahr von Ihnen schied.«

»Gott segne – und erhalte,« – stammelte der Greis, von seinen Gefühlen übermannt; und der König, um ihm einige Augenblicke Ruhe zu verstatten, wandte sich zu Alexis.

»Und Sie,« sagte er, »mein schöner Führer, wie haben Sie seit unserem nächtlichen Spaziergange Ihre Zeit zugebracht? Aber ich brauche ja nicht zu fragen,« fügte er hinzu, indem er um sich blickte, – »im Dienste des Königs und des Königreichs, indem sie Unterthanen erzeugten, die so getreu sein werden, wie ihre Ahnen. – Ein schönes Geschlecht, bei meiner Treu, und ein köstlicher Anblick für das Auge eines englischen Königs! – Oberst Everard, wir werden Sie hoffentlich zu Whitehall sehen?« Hier winkte er dem Wildrake zu. »Und du, Joceline, du kannst doch gewiß deinen Knotenstock auch mit einer Hand halten? – Reiche mir die andere.«

Vor Schüchternheit zur Erde blickend, und wie ein Stier, der eben stoßen will, streckte Joceline über die Schulter seiner Lady eine Hand aus, die so breit und hart war, wie ein hölzerner Teller, und die der König mit Goldmünzen anfüllte. »Kaufe für einige davon einen Kopfputz für meine Freundin Phöbe,« sagte Carl, »auch sie hat ihre Pflicht gegen Alt-England erfüllt.«

Dann wandte er sich abermals gegen den Ritter, der sich zu sprechen anstrengte. Er ergriff seine bejahrten Hände mit den seinigen, neigte ihm den Kopf zu, um seine Töne aufzufassen, während der alte Mann, indem er ihn mit der anderen zurückhielt, mit zitternder Stimme etwas sagte, das Carl nicht verstand. Indem er sich also so liebreich, wie möglich, von einer Scene losriß, die schmerzlich und beunruhigend zu werden anfing, sprach der gutmüthige König mit ungewöhnlicher Deutlichkeit, damit der Greis ihn verstehen könne: »Dieser Ort ist etwas zu öffentlich für Alles, was wir uns gegenseitig zu sagen haben. Aber wenn Sie den König Carl nicht bald zu Whitehall besuchen, so wird er Ihnen den Louis Kerneguy schicken, damit Sie sehen, wie vernünftig er seit seiner Reise geworden ist.«

Sprach's, drückte dem Greis nochmals zärtlich die Hand, verbeugte sich gegen Alexis und gegen die Umstehenden, und ritt davon; ein Lächeln umzog das ehrwürdige Antlitz des Sir Henry, welches bezeugte, daß er den huldreichen Inhalt der Rede begriffen hatte. Der alte Mann lehnte sich zurück und flüsterte vor sich.

»Entschuldigen Sie mich, daß ich Sie warten ließ, Mylords,« sagte der König, als er sein Pferd bestieg; »wäre es nicht dieser guten Leute wegen, so hättet Ihr noch lange warten können. – Voran, meine Herrn!«

Demzufolge setzte sich der Zug wieder in Bewegung, der Schall der Trompeten und Trommeln vermischte sich mit dem Beifalljauchzen, das verstummt war, so lange der König anhielt; kurz der Zug war so glänzend und blendend, daß selbst Alexis für einen Augenblick ihre Aengstlichkeit für die Gesundheit ihres Vaters vergaß, während ihr Auge der langen Reihe des strahlenden Glanzes nachfolgte, der über die Heide zog. Als sie aber wieder auf Sir Henry blickte, da erschrack sie, als sie bemerkte, daß seine Wangen, die während seiner Unterredung mit dem Könige einige Farbe bekommen hatten, sich mit einer Todtenblässe überzogen, daß seine Augen geschlossen waren, und sich nicht wieder öffneten, und daß seine Züge selbst in ihrer Ruhe eine Strenge zeigten, die nicht vom Schlafe herrührte. Sie eilten ihm zu Hülfe, aber es war zu spät, das Licht, das so tief in der Lampe gebrannt hatte, war verloschen, und verging in stiller Selbstauflösung.

Das Uebrige kann man sich denken. Ich muß nur noch hinzufügen, daß sein getreuer Hund ihn nur einige Tage überlebte, und daß Bevis Bild abgebildet ist, wie er zu den Füßen seines Herrn liegt, auf dem Grabmale, das errichtet ward, dem Andenken des Sir Henry Lee von Ditchley.


 

Druck der C. Hoffmann'schen Officin in Stuttgart.

 


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