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Einunddreißigstes Kapitel.

Schurke laß ab von dem groben Betragen.

Zwei Edelleute von Verona.

Es ist Zeit, daß wir auch einigen Bericht von den übrigen Schauspielern unseres Drama's geben, da der Antheil, den man an der Hauptperson nimmt, für eine Zeitlang ausschließlich unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nahm.

Wir müssen also den Leser davon in Kenntniß setzen, daß die zögernden Commissäre, die aus ihrem vermeintlichen Paradiese von Woodstock, zwar nicht durch einen Cherub, aber wie sie glaubten, durch Geister einer andern Art vertrieben worden waren, sich immer noch in der Nähe aufhielten.

Sie hatten freilich, unbedeutende Dinge zum Vorwand nehmend, den Flecken verlassen. Der wahrscheinlichste Grund war, daß sie ein Rachegefühl gegen Everard, als gegen das Mittel ihrer Täuschung hegten, und nicht da zu verweilen wünschten, wo er ihre Verfahrungsweise übersehen konnte; doch nahmen sie in Ausdrücken der höchsten Achtung Abschied von ihm. Sie gingen jedoch nicht weiter als Oxford, und blieben dort wie Raben, die, gewöhnt einer Jagd zuzusehen, sich in einer kleinen Entfernung auf einen Baum oder Felsen setzen, und die Theilung des Wildprets erwarten, da sie hoffen, es würden auch einige Ueberbleibsel ihnen zu Theil werden. Unterdessen bot ihnen die Universität und die Stadt, aber besonders die Erstere, Mittel genug dar, ihre Fähigkeiten bis zum erwarteten Augenblick nützlich anzuwenden, wo sie dann, wie sie hofften, entweder nach Windsor berufen oder wo ihnen Woodstock von Neuem auf Gnade und Ungnade übergeben werden würde.

Zum Zeitvertreib neckte Bletson die gelehrten und frommen Geistlichen und Studenten, indem er ihnen seine verhaßte Gegenwart aufdrang, um durch Sophistereien, atheistische Reden und Aufforderungen die schändlichste Thesis zu vertheidigen. Desborough, einer der unwissendsten Menschen seiner Zeit, ließ sich zum Vorsteher eines Collegiums ernennen, und verlor keine Zeit, die Bäume abzuhauen und das Silbergeschirr zu stehlen. Harrison aber predigte in vollkommener Uniform in der Kirche der heiligen Maria mit büffellederner Jacke, mit Stiefeln und Sporn, als wolle er eben die Schlacht von Armageddon schlagen. Es war schwer zu entscheiden, ob der Sitz der Gelehrsamkeit, der Religion und der Biederkeit, wie es Clarendon nennt, mehr durch den Raub des Desborough oder durch den kalten Zweifel des Bletson, oder durch den schwärmerischen Eifer des Kämpfers der fünften Monarchie geplagt war.

Unter dem Vorwande, die Wachen abzulösen, oder unter sonst einem Grunde kamen und gingen immerwährend Soldaten von Woodstock nach Oxford und unterhielten, wie man es sich denken kann, eine Correspondenz mit dem getreuen Tomkins, der, obgleich er vorzüglich seinen Wohnort in der Stadt Woodstock aufgeschlagen hatte, doch hie und da das Jägerhaus besuchte; und auf dessen Nachrichten wegen der dortigen Begebenheiten die Commissäre einen blinden Glauben setzten.

Wirklich schien dieser Mann Tomkins ein Geheimniß zu besitzen, das theilweise wo nicht das ganze Zutrauen eines Jeden zu erlangen, der mit diesen Intriguen in Verbindung stand. Alle flüsterten mit ihm, alle unterhielten sich mit ihm im Geheim; diejenigen, welche die Mittel dazu hatten, begabten ihn mit Geschenken, und die, denen sie fehlten, waren freigebig mit Versprechungen. Wenn er nach Woodstock kam, was immer nur zufällig zu geschehen schien, und die Halle durchwandelte, so war er sicher, daß der Ritter ihm einen Gang mit dem Floret anbot, und Jener war eben so sicher, nach geringerem oder größerem Widerstand siegreich aus dem Kampfe herauszugehen; so daß in Betracht so vieler Siege der gute Sir Henry Lee ihm fast die Sünde der Rebellion und des Puritanismus verzieh. Ward hierauf sein feierlicher langsamer Schritt gehört, wenn er sich der Gallerie nahte, so konnte man darauf rechnen, daß Doctor Rochecliffe (obgleich er ihn nie in sein verborgenes Zimmer führte) mit dem Tomkins auf neutralem Boden zusammentraf und sich in eine lange Unterredung mit ihm einließ, die für Beide großes Interesse zu haben schien. Nicht minder freundlich war der Empfang des Independenten, wenn er die Treppe hinab ging. Da stand Joceline und bewillkommte ihn mit der herzlichsten Freundlichkeit; sogleich war Pastete und Flasche bereit, und gutes Essen und Trinken war das Losungswort. Man muß dabei bemerken, daß die Mittel dazu in Woodstock häufiger geworden waren, seitdem Doctor Rochecliffe seinen Aufenthaltsort dort aufgeschlagen hatte, der als Geschäftsführer für viele Royalisten immer Geldsummen zu seiner Verfügung hatte. Wahrscheinlich fand auch der getreue Tomkins seinen Vortheil bei diesen Summen.

Bei seinen gelegentlichen Ausschweifungen, die er fleischliche Schwachheit nannte (und für die er, wie er sagte, ein besonderes Privilegium hatte), und die in einer großen Anhänglichkeit an hitzigen Getränken, und zwar in nicht geringem Maße bestand, ward seine sonst so anständige und zurückhaltende Sprache heftig und wild. Dann schwatzte er wohl zuweilen mit der Freude eines alten Wüstlings von früher vollbrachten Thaten, von Wilddiebstählen, Waldfreveln, Trinkgelagen und Raufereien, in welchen er früher verwickelt gewesen war; dann sang er Trink- und Liebeslieder, erzählte Abenteuer, welche Phoebe Maiblume aus der Stube trieben und bis zu den Ohren der Dame Jellicot drangen, die alsdann selbst die Speisekammer, wo sie ihre Wohnung aufgeschlagen hatte, für keinen passenden Aufenthaltsort mehr für eine arme, alte Frau hielt.

Mitten unter diesen wilden Ausschweifungen kam Tomkins plötzlich zwei- oder dreimal auf religiöse Gegenstände, und sprach geheimnißvoll, aber sehr lebhaft und mit großer Beredtsamkeit von den glückseligen und vorzüglichen Heiligen, die wirklich den Titel verdienten – Männer, welche die geheime Schatzkammer des Himmels erstürmt hätten, und ihre köstlichsten Perlen besäßen. Alle übrigen Seelen behandelte er mit der größten Verachtung, da sie sich, wie er sich ausdrückte, bloß um einen Haufen Schaalen und Eicheln, wie die Schweine, zankten; worunter er die gewöhnlichen Gebräuche und Ceremonien sowohl, als die Glaubensartikel der bestehenden christlichen Kirchen, ja sogar die allgemein menschlichen Gebote und Verbote verstand. Joceline, der kaum auf ihn hörte und ihn noch viel weniger verstand, schien dann sein vertrautester Freund zu sein, und pflegte ihn an eine rohe Freude oder an eine gemeinschaftliche Thorheit zu erinnern, die sie vor dem Ausbruche des Bürgerkrieges zusammen getrieben hatten. Auch war es des Försters Sorge keineswegs, die Ansichten des Heiligen zu prüfen, sondern er bedachte nur den Schutz, den seine Gegenwart Woodstock gewähre, und vertraute auf die Ehrlichkeit eines so offenherzigen Burschen, dessen größte Lebensphilosophie in Bier und Branntwein bestand, wenn man nichts Besseres haben konnte, und der auf die Gesundheit des Königs und eines jeden Anderen anstieß, wenn nur das dargereichte Glas bis zum Rande gefüllt war.

Diese Grundsätze, welche einer Secte, die man gewöhnlich die Liebesfamilie nannte, eigen waren, hatten zu einer Zeit bedeutende Fortschritte gemacht, wo die Verschiedenheit der religiösen Meinungen so groß war, daß man Ketzereien bis zur höchsten und gottlosesten Verrücktheit trieb. Den zügellosen Gläubigen der gotteslästerlichen Lehre wurde aus Furcht, daß diese allgemein werden möchte, das tiefste Stillschweigen auferlegt; auch trug Mr. Tomkins Sorge, die geistigen Freiheiten, die er erlangt zu haben glaubte, vor denen zu verbergen, deren Rache er sich durch ein öffentliches Eingeständniß zugezogen haben würde. Das war nicht schwer; denn ihr Glaubensgeständniß erlaubte, ja befahl ihnen sogar, sich je nach den Umständen scheinbar den Sectikern oder Religionsstiftern anzuschließen, welche gerade die Oberhand hatten.

Demzufolge besaß auch Tomkins die Kunst, sich dem Doctor Rochecliffe als ein noch immer eifriges Mitglied der englischen Kirche vorzustellen, und ihn glauben zu machen, er diene nur unter den Fahnen des Feindes, um ihr Lager auszukundschaften; und da er ihm mehreremal wahre und wichtige Nachrichten hinterbracht hatte, so bewog dieß den thätigen Royalisten, seinen Versicherungen einen um so viel größern Glauben zu schenken.

Dennoch aber, da die zeitige Anwesenheit dieser Person im Jägerhause nicht zu vermeiden war, ohne Verdacht zu erregen, so empfahl Rochecliffe (welches Zutrauen er auch sonst in ihn setzen mochte), den König immer entfernt von ihm zu halten, und wenn er ihm zufällig begegnen sollte, ihn nur als Louis Kerneguy erscheinen zu lassen. Zwar halte er, wie er sagte, den Joseph Tomkins wirklich für den ehrlichen Joc; aber die Ehrlichkeit wäre ein Pferd, das leicht ausschlagen könnte, und man solle nicht unnöthig seinen Nächsten in Versuchung fuhren.

Es schien, als gebe Tomkins selbst seine Einwilligung zu dem beschränkten Zutrauen, das man in ihn setzte, oder als wünsche er gar nicht, die Gegenwart des Fremden zu bemerken. Es fiel dem Joceline, der ein äußerst scharfsinniger Mann war, auf, daß, als durch unvermeidliche Zufälle Kerneguy dem Tomkins ein- oder zweimal begegnete, dieser weniger Antheil an der Sache zu nehmen schien, als man bei seiner Neugier hätte erwarten sollen. »Er frug gar nicht nach dem jungen Fremden,« sagte Joceline. »Gott verhüte nur, daß er nicht zu viel weiß oder vermuthet!« Aber sein Verdacht verschwand, als bei der nächsten Unterredung Joseph Tomkins die Flucht des Königs von Bristol als eine vollkommen sichere Sache erwähnte, und sowohl das Schiff nannte, mit welchem er fort gesegelt sein sollte, als den Capitän, der es befehligte, und so sehr von der Wahrheit des Gerüchtes überzeugt zu sein schien, daß Joceline es für unmöglich hielt, daß er auch nur den geringsten Verdacht über die Wirklichkeit haben könne.

Doch, ungeachtet dieser Ueberzeugung und ihrer Freundschaft, beschloß der getreue Förster strenge Wache über seinen Kameraden Tomkins zu halten, und bei jeder Gelegenheit auf seiner Hut zu sein. Freilich dachte er: habe er Ursache zu glauben, daß sein besagter Freund, trotz seinen betrunkenen und schwärmerischen Ausschweifungen, des Zutrauens werth sei, das Doctor Rochecliffe ihm schenke; doch wäre er immer ein Abenteurer, dessen Kleid von verschiedenen Farben sei, und den eine große Belohnung und Verzeihung für frühere Handlungen gegen die Regierung wohl in Versuchung bringen könnten, abermals einen anderen Entschluß zu fassen. Dieser Gründe wegen hielt Joceline eine strenge, obgleich nicht übertriebene Aufsicht über den getreuen Tomkins.

Doch gab es zwei Personen, die aus sehr verschiedenen Gründen eine persönliche Abneigung gegen eine so allgemein beliebte Person nährten; die eine war Nehemias Holdenough, der sich noch immer mit großer Bitterkeit der heftigen Aufdringlichkeit des Independenten in seiner Kanzel erinnerte, und von dem er im Geheim immer als von einem lügenden Missionär sprach, in welchen der Satan den Verführungsgeist gelegt hätte; auch hielt er eine lange Predigt von dem falschen Propheten, aus dessen Munde Frösche kamen. Die Predigt ward von dem Bürgermeister und der bessern Klasse höchlichst gepriesen, da sie glaubten, ihr Pfarrer habe einen schweren Streich bis auf die Wurzel des Independismus geführt.

Aber dem Joc Tomkins war weit mehr an der schlimmen Meinung gelegen, die eine Person gegen ihn hegte, deren Wohlwollen zu gewinnen ihm weit wichtiger war, als das des Nehemia Holdenough. Dieß war Niemand anders, als das schöne Fräulein Phöbe Maiblume, zu deren Bekehrung, seit ihrem ersten Zusammentreffen im Jägerhause und seiner Vorlesung über Shakespeare, er große Neigung fühlte. Doch schien er zu wünschen, diesen ernstlichen Plan im Geheim auszuführen, und seine Schritte dazu vorzüglich vor seinem Freunde Joceline Joliffe zu verbergen, um dessen Eifersucht zu vermeiden. Aber umsonst bewarb er sich bei dem getreuen Mädchen bald mit Versen aus dem Hohen Liede, bald mit Auszügen aus Greens Arkadia, oder mit jämmerlichen Stellen aus Venus und Adonis und mit noch verkehrteren Lehren aus dem Volksbuche, das Meisterstück des Aristoteles genannt. Keiner seiner Bewerbungen, weder den heiligen noch den profanen, weder den metaphysischen noch den physischen wollte Phöbe Gehör schenken. Erstens liebte das Mädchen den Joceline Joliffe, zweitens, wenn sie schon den Joseph Tomkins als rebellischen Puritaner nicht leiden konnte, so hatte sie sich um so weniger mit ihm ausgesöhnt, als sie Ursache hatte zu glauben, daß er ein scheinheiliger Wüstling sei. Sie haßte ihn beider Eigenschaften wegen – duldete nie seine Unterhaltungen, sobald sie sie nur vermeiden konnte – und war sie gezwungen sich zu verweilen, so horchte sie nur auf seine Reden, weil sie wußte, welches große Zutrauen man in ihn gesetzt hatte, und daß eine Beleidigung gegen ihn die Sicherheit der Familie gefährden könne, in deren Dienst sie geboren und erzogen und deren Interesse sie ergeben war. Aus ungefähr denselben Ursachen zeigte sie ihr Mißfallen gegen den Beamten nicht vor Joceline Joliffe, der als ein Soldat und Förster die Sache leicht hätte übereilen können, und wobei das Jagdmesser und der Knotenstock ihres Lieblings gegen das lange Schwert und die Pistolen, welche sein gefährlicher Nebenbuhler immer bei sich trug, wohl schwerlich die Oberhand behalten hätte. Aber wo Zweifel obwalten, da ist es schwer, die Eifersucht zu verblenden; und vielleicht lag der Grund, warum Joceline seinen Kameraden so scharf bewachte, nicht allein in seinem Eifer für die Sicherheit des Königs, sondern auch in einem unbestimmten Verdacht, daß Tomkins geneigt sein könne, sich an seinem eigenen Gut zu vergreifen.

Unterdessen suchte Phöbe, wie ein vernünftiges Mädchen, soviel wie möglich in der Gegenwart der Goody Jellicot ihre Zuflucht. Freilich führten die Anreden des Independenten oder was er sonst sein mochte, zu keinem Zweck; denn Phöbe schien durch eigenen Willen so taub, wie die alte Matrone durch den der Natur. Diese Gleichgültigkeit brachte ihren neuen Liebhaber entsetzlich auf, und bewog ihn zu dem Entschluß, Zeit und Ort ängstlich abzuwarten, wo er mit Aufmerksamkeit gebietender Energie seine Bewerbung anbringen könne. Fortuna, die boshafte Göttin, die uns sehr oft dadurch zu Grunde richtet, daß sie uns den Gegenstand unserer Wünsche gewährt, verschaffte ihm endlich eine Gelegenheit, wie er sie längst gesucht.

Es war um Sonnenuntergang oder kurz darauf, als Phöbe, von deren Thätigkeit vieles im Hause abhing, nach dem Rosamundenbrunnen ging, um Wasser zu dem Abendessen zu holen, oder vielmehr, um das Vorurtheil des alten Ritters zu befriedigen, welcher glaubte, daß die berühmte Quelle das auserlesenste Getränk liefere. Und so groß war die Achtung, welche die ganze Familie vor ihm hatte, daß einen seiner Wünsche zu vernachlässigen, ihrer Meinung nach, fast dem Bruche einer religiösen Pflicht gleich kam.

Den Krug zu füllen war, wie wir wissen, neulich ein unangenehmes Geschäft gewesen; aber Jocelins Gewandtheit hatte es in sofern leichter gemacht, daß er einen Theil der verfallenen Fronte der alten Quelle wieder herstellte, so daß das Wasser sich sammelte und durch eine hölzerne Rinne ungefähr zwei Fuß hoch herabträufelte. Daher konnte ein Mädchen ihren Krug unter die langsam herabtriefende Quelle stellen, und ohne sich selbst zu bemühen, warten, bis das Gefäß gefüllt war.

An dem Abende, von dem wir sprechen, sah Phöbe Maiblume zum erstenmal die kleine Verbesserung. Mit Recht betrachtete sie es als eine Artigkeit ihres waidmännischen Geliebten, die darauf berechnet sei, ihr die Mühe zu ersparen, ihr Geschäft auf eine unbequemere Weise zu verrichten. Dankbar benutzte sie daher die paar Minuten des Zwischenraums, um über die Gutmüthigkeit und Gewandtheit des zuvorkommenden Försters Betrachtungen anzustellen, und vielleicht daran zu denken, daß er eben so vernünftig gehandelt hätte, zu warten, bis sie zur Quelle käme, damit er sich gleich für seine Mühe einen persönlichen Dank holen könne. Aber dann fiel es ihr ein, daß ihn der verhaßte Tomkins im Jägerhause zurückhielt, und ehe sie den Independenten bei ihm sehen wollte, entsagte sie lieber dem Gedanken, dem Joceline zu begegnen.

Als sie nun gerade in diesen Gedanken vertieft war, war Fortuna boshaft genug, den Tomkins zur Quelle zu schicken, und zwar ohne Joceline. Als sie seine Gestalt den Weg verdunkeln sah, auf welchem er kam, da schlich sich die ängstliche Betrachtung in den Busen des armen Mädchens, daß sie allein im Bezirk des Waldes sei, dem sich in der Dämmerung Niemand nahen durfte, um das Wild nicht in seiner Ruhe zu stören. Doch faßte sie Muth und beschloß, ihre Furcht nicht zu zeigen, obgleich, als der Beamte sich nahete, etwas in den Blicken und Augen des Mannes lag, das keineswegs geeignet schien, ihre Ahnung zu verscheuchen.

»Der Segen des Abends auf dich, mein schönes Mädchen,« sagte er. »Ich begegne dir, wie der erste Diener des Abraham, der ein Haushofmeister war, wie ich, der Rebecca, der Tochter Bethuels, des Sohns der Milka, bei dem Brunnen in der Stadt Nahor in Mesopotamien. Soll ich daher nicht zu dir sagen: neige deinen Krug, auf daß ich trinken kann?«

»Der Krug steht Ihnen zu Diensten, Mr. Tomkins,« erwiederte sie, »und Sie können trinken so viel Sie wollen; aber wie es mir scheint, haben Sie vor noch nicht langer Zeit ein besseres Getränke gekostet.«

Wirklich konnte man es deutlich sehen, daß der Beamte von einem Trinkgelage kam; denn seine Züge waren sehr bewegt. Phöbe's Beunruhigung ward dadurch noch vergrößert.

»Ich mache nur von meinem Privilegium Gebrauch, meine schöne Rebecca; die Erde wurde den Heiligen gegeben sammt ihrer Fülle. Sie sollen sie bewohnen, und sich erfreuen der Reichthümer der Erde und der Freude des Weins; sie sollen sie genießen und ihr Herz zur Wonne stimmen. Du mußt noch die Vorrechte der Heiligen kennen lernen, meine Rebecca.«

»Mein Name ist Phöbe,« sagte das Mädchen, um die schwärmerische Entzückung zu mäßigen, die er fühlte oder heuchelte.

»Phöbe dem Fleische nach,« sagte er, »aber Rebecca vergeistigt; denn bist du nicht ein wanderndes, verirrtes Schaf? Und bin ich nicht hieher gesandt, um dich zur Heerde zurückzubringen? – Denn warum hieß es sonst: Du sollst sie finden, sitzend bei dem Brunnen in dem Walde, genannt nach der alten Buhlerin Rosamunde?«

»Freilich haben Sie mich hier sitzend gefunden,« sagte Phöbe, »aber wenn Sie mir Gesellschaft zu leisten wünschen, so müssen Sie mit mir dem Jägerhause zugehen, und Sie sollen meinen Krug tragen, wenn Sie so gütig sein wollen. Ich werde alle die guten Dinge, die Sie mir zu sagen haben, auf dem Wege anhören. Aber Sir Henry verlangt regelmäßig vor dem Gebete ein Glas Wasser.«

»Was!« rief Tomkins aus, »hat der alte Mann mit der blutigen Hand und dem verruchten Herzen dich hieher geschickt, um Sclavenarbeit zu verrichten? Wahrlich du sollst befreit werden, und das Wasser, das du für ihn schöpftest, soll ausgegossen werden, so wie es David mit dem Wasser des Brunnens zu Bethlehem that.« Indem er das sprach, leerte er den Wasserkrug trotz Phöbe's Bitten und Ausrufungen. Dann stellte er das Gefäß unter die kleine Rinne und sprach: »Wisse, daß dieses dir ein Zeichen sein soll. Das Füllen des Kruges soll sein, gleich dem Ablaufen einer Sanduhr; und wenn innerhalb der Zeit, welche verstreichen wird, ehe er sich bis zum Rande füllt, du den Worten, die ich sprechen werde, Gehör schenken wirst, dann wird es dir wohlergehen, und deine Stelle soll hoch sein unter denen, die, die Lehre vergessend, die wie Milch für Kinder und Säuglinge ist, die kräftige Nahrung genießen, welche der Männlichkeit ziemt. Aber wenn der Krug mit Wasser überrinnt, ehe dein Ohr hören und verstehen wird, dann sollst du zur Beute gegeben werden und zur Sclavin, denen, die das Fette und das Schöne des Landes besitzen sollen.«

»Sie erschrecken mich, Mr. Tomkins, obgleich ich überzeugt bin, daß es Ihre Absicht nicht ist,« sagte Phöbe. »Ich wundere mich, wie Sie es wagen, Worte auszusprechen, die den guten Worten der Bibel so sehr gleichen, da Sie über Ihren eigenen Herrn und die Uebrigen so sehr lachten, als Sie halfen die Gespenster im Jägerhause zu spielen.«

»Glaubst du also, du einfache Thörin, daß ich, indem ich Harrison und die Uebrigen so hinterging, meine Privilegien überschritt? – Nein, wahrlich – horch auf mich, thörichtes Mädchen. Als ich in früheren Zeiten in der größten Ausschweifung in Oxfordshire lebte, Kirchweihen und Messen besuchte, um die Maien tanzte, und in allen Spielen meine Ausgelassenheit zeigte – ja, als man mich in der Sprache der Unbeschnittenen noch Philipp Hazeldine nannte, und ich einer der Sänger im Chore und der Küster im Glockenhause war, und jenem Priester dort Namens Rochecliffe diente, da war ich nicht weiter vom geraden Wege entfernt, als zur Zeit, wo ich nach langem Suchen, einen blinden Führer nach dem andern fand – aber sie waren sämmtlich Backsteinbrenner Egyptens. Ich verließ sie einen nach dem anderen, zuletzt den armen Thoren Harrison; und durch meine eigene Kraft, ohne fremden Beistand, habe ich mich zu dem hellen, gesegneten Lichte gedrängt, das du, Phöbe, mit mir theilen sollst.«

»Ich danke Ihnen, Mr. Tomkins,« sagte Phöbe, die ihre Furcht unter dem Anscheine der Gleichgültigkeit zu verbergen suchte; »aber ich werde schon Licht genug haben, meinen Krug nach Hause zu tragen, wenn Sie mir nur erlauben, ihn zu nehmen; und darin besteht aller Mangel an Licht, den ich diesen Abend allenfalls empfinden könnte.«

Indem sie das sprach, trat sie hin, um den Krug von der Quelle zu nehmen, aber er ergriff sie beim Arm und verhinderte sie, ihr Vorhaben auszuführen. Doch Phöbe war die Tochter eines kühnen Försters, gefaßt auf Selbstvertheidigung, und obgleich sie es verfehlte den Krug zu erhaschen, so ergriff sie doch an seiner Stelle einen breiten Kieselstein, den sie in der rechten Hand verborgen hielt.

»Stehe, thörichtes Mädchen, und horch,« sagte der Independent ernst, »und wisse in einem Worte, daß die Sünde, für welche der Geist des Menschen mit der Rache des Himmels heimgesucht wird, nicht in der körperlichen Handlung, sondern in den Gedanken des Sünders liegt. Glaube nur, liebenswürdige Phöbe, daß dem Reinen alle Handlungen rein sind, und daß die Sünde in unseren Gedanken und nicht in unseren Thaten liegt – so wie selbst der Strahl des Tages dem Blinden dunkel erscheint, aber von dem gesehen und genossen wird, dessen Auge ihn auffängt. Demjenigen, der in geistigen Dingen noch ein Neuling ist, ist Vieles auferlegt und Vieles verboten; er wird, wie die Kinder, mit Milch gefüttert – für ihn sind die Verordnungen, Gebote und Verbote da. Aber der Heilige ist über Verordnung und Verbot erhaben. Ihm, als dem auserwählten Sohn des Hauses, wurde der Hauptschlüssel zu allen Schlössern gegeben, welche ihn von dem Genusse der Wünsche seines Herzens zurückhalten. Auf so lieblichen Wegen will ich dich, theure Phöbe, führen, wo in Freude und unschuldiger Freiheit sich Vergnügungen vereinigen, die für den nicht Privilegirten sündlich und verboten sind.«

»Ich wünschte gar sehr, Sie ließen mich nach Hause gehen, Mr. Tomkins,« sagte Phöbe, die zwar den Inhalt seiner Lehre nicht durchschaute, der aber seine Worte und sein Betragen gleich zuwider waren. Doch fuhr er mit seinen verfluchten, gotteslästerlichen Lehren fort, die er gemeinschaftlich mit anderen der vorgeblichen Heiligen angenommen hatte, nachdem er lange von einer Secte zur andern geschwankt, endlich in den niederträchtigen Glauben verfiel, daß, da die Sünde bloß geistiger Natur sei, sie auch nur im Gedanken bestehe, und daß die schlimmsten Handlungen denen erlaubt seien, die sich zu der Stufe erhoben hätten, sich über die Gebote wegzusetzen. »So also, meine Phöbe,« fuhr er fort, indem er es versuchte, sie an sich zu ziehen, »kann ich dir mehr anbieten, als je einem Weibe dargeboten ward, seit dem Tage, daß Adam zuerst seine Braut bei der Hand ergriff. Andere mögen mit trockenen Lippen, wie die Papisten, durch Enthaltsamkeit Buße thun, während der Kelch der Freude seine Wonne ausgießt. Liebst du das Geld? – Ich habe, und kann noch mehr verschaffen – habe die Freiheit, es auf jede Weise und durch jedes Mittel herbeizuschaffen – mein ist die Erde und ihre Fülle. Wünschest du Macht? – Zu welchem Gute dieser armen getäuschten Commissäre hast du Lust, ich will es dir verschaffen, denn ich habe es mit einem mächtigern Geiste, als einer von ihnen zu thun. Nicht ohne Auftrag habe ich dem Royalisten Rochecliffe und dem Thoren Joliffe geholfen, sie verkleidet zu erschrecken und zu verjagen. Fordere, was du willst, Phöbe, ich kann es dir geben oder verschaffen – dann tritt ein mit mir in ein wonnevolles Leben auf dieser Welt, das nur der Vorschmack der paradiesischen Freuden jenseits sein wird.«

Abermals versuchte es der schwärmerische Wollüstling, das arme Mädchen zu sich hinzuziehen, während sie, beunruhigt, aber nicht außer Fassung, es versuchte, ihn durch freundliches Bitten zu bewegen, sie loszulassen. Aber seine, sonst nicht eben sehr kräftigen Züge hatten einen furchtbaren Ausdruck erlangt und er rief aus: »Nein Phöbe – glaube nicht, daß du mir entgehen kannst – du bist meine Gefangene – du hast die Stunde der Gnade versäumt, sie ist abgelaufen – siehst du, das Wasser strömt vom Kruge über – und das war das Zeichen zwischen uns. – Darum will ich keine Worte mehr mit dir verlieren, deren du unwürdig bist, sondern dich behandeln wie eine, welche die angebotene Gnade zurückstieß.«

»Mr. Tomkins,« sagte Phöbe mit bittendem Tone, »bedenken Sie, um Gotteswillen, – ich bin eine elternlose Waise – thun Sie mir nichts zu Leide: es wäre ja eine Schande für Ihre Stärke und Männerkraft – ich kann die schönen Worte nicht verstehen – ich will bis morgen darüber überlegen.« Dann, in steigender Angst, fügte sie heftiger hinzu: »Ich lasse mich nicht so niedrig behandeln – lassen Sie ab, oder es gibt ein Unglück.« Aber als er sich heftig gegen sie drängte, so daß man sich in seiner Absicht nicht irren konnte, und es versuchte, sich ihrer rechten Hand zu bemeistern, da rief sie aus: »So nimm es denn hin, da du es willst!« – und schlug ihn mit dem Kiesel, den sie auf den Nothfall ergriffen hatte, mit aller Stärke in's Gesicht.

Der Fanatiker ließ sie los und schwankte fast betäubt zurück, aber Phöbe ergriff augenblicklich die Flucht, indem sie im Laufe um Hülfe schrie, aber immer noch den siegreichen Kiesel fest in der Hand hielt. Durch den gewaltigen Stoß, den er bekommen hatte, bis zum Wahnsinn erhitzt, verfolgte sie Tomkins, mit allen schwarzen Leidenschaften in seiner Seele und auf seinem Gesichte, vermischt mit der Furcht, seine Niederträchtigkeit möchte entdeckt werden. Laut rief er der Phöbe zu, stehen zu bleiben, und war so viehisch, ihr mit einer seiner Pistolen zu drohen, wenn sie weiter fliehen würde. Aber trotz seiner Drohungen verzögerte sie die Eile ihrer Schritte nicht, und er mußte sie entweder vollziehen oder sie entfliehen lassen, um sein Betragen im Jägerhaus zu erzählen, wäre sie nicht unglücklicherweise über einen hervorstehenden Tannenzweig gefallen. Aber als er sich eben auf seine Beute stürzen wollte, da kam Hülfe in der Person des Joceline Joliffe, mit seinem mächtigen Knotenstock auf den Schultern. »Was gibt's da, was soll das?« sagte er, als er zwischen Phöbe und ihren Verfolger trat. Tomkins, schon bis zur höchsten Wuth gereizt, antwortete nur damit, daß er auf den Joceline die Pistole losfeuerte, die er in der Hand hielt. Die Kugel streifte das Gesicht des Försters, der zur Erwiederung ausrief: »A ha! Eichen für Eisen!« und seinen colossalen Knotenstock so gewaltig auf den Kopf des Independenten fallen ließ, daß, da er die linke Schläfe traf, der Schlag fast im Augenblick das Leben raubte.

Einige wenige Zuckungen wurden von den Worten begleitet: »Joceline – ich sterbe – aber ich verzeihe dir – Doctor Rochecliffe – ich wünsche, ich hätte mehr – ach! – der Geistliche – das Todtenamt.« – Als er diese Worte ausstieß, die vielleicht seine Rückkehr zu einem Glauben anzeigen sollten, dem er doch nie so ganz entsagt hatte, als er sich selbst glauben machte, verlor sich seine Stimme in einen Seufzer, der, in der Gurgel dröhnend, seinen Weg zur Luft nicht mehr finden zu können schien. Dieses waren die letzten Lebenssymptome: dann erschlaffte die geballte Faust – die geschlossenen Augen öffneten sich und starrten den Himmel mit leblosen Höhlen an – die Glieder dehnten sich aus und wurden steif. Der Körper, kürzlich noch vom Leben beseelt, war nun ein Haufe empfindungslosen Staubs – die Seele, in einem so ungesegneten Augenblick aus ihrer irdischen Wohnung verjagt, stand jetzt vor dem Richterstuhle des Allerhöchsten.

»Ach, was hast du gethan! was hast du gethan, Joceline,« rief Phöbe aus; »du hast den Mann umgebracht!«

»Besser, als wenn er mich umgebracht hätte,« antwortete Joceline; »denn er war keiner von denen, die ihr Ziel zweimal verfehlen. – Doch thut es mir leid um ihn – manchen fröhlichen Streich trieben wir zusammen, als er noch der wilde Philipp Hazeldine war, und doch war er schon damals ein furchtbarer Mensch; aber seitdem er seine Laster mit Scheinheiligkeit bemäntelte, scheint er ein noch ärgerer Teufel geworden zu sein, als je.«

»Ach Joceline, komm' mit fort,« sagte die arme Phöbe, »steh' nicht so da und starr' ihn an;« denn der Förster, gelehnt auf seine unglückliche Waffe, stand da und blickte auf den Leichnam, wie Jemand, der den Vorfall halb zu bereuen schien.

»Das kömmt alles vom Bierkrug her,« fuhr sie im wahren Tone des weiblichen Trostes fort, »ich habe es dir ja immer gesagt – Um Gottes Willen, komm' mit in's Jägerhaus und laß uns überlegen, was nun zu thun ist.«

»Bleib' nur da, Mädchen, – erst muß ich ihn aus dem Wege ziehen; denn wir dürfen ihn nicht da vor den Augen der ganzen Welt liegen lassen, – willst du mir nicht helfen, Dirne?«

»Ich kann nicht, Joceline, ich möchte keine Locke von ihm berühren, und gälte es ganz Woodstock.«

»Dann muß ich es also allein verrichten,« sagte Joceline, der, obgleich Soldat und Waidmann, doch einen großen Widerwillen gegen das nothwendige Geschäft zeigte. Etwas in dem Gesichte und die abgebrochenen Wörter des sterbenden Mannes hatten einen tiefen, erschrecklichen Eindruck auf Nerven gemacht, die sonst nicht sehr reizbar waren. Doch kam er damit so weit zu Stande, daß er den Leichnam von dem offenen Weg wegschleppte, und ihn unter Wurzeln und Brombeersträuchen versteckte, so daß man es nur bei genauer Besichtigung bemerkte. Dann wandte er sich zu Phöben, die unterdessen sprachlos unter dem Baume saß, über dessen Wurzeln sie fiel.

»Komm' mit hinweg, Mädchen,« sagte er, »komm' mit weg in's Jägerhaus und laß uns nachdenken, wie man das verantwortet. – Das Unglück, daß er todt geschlagen wurde, wird unsere Gefahr bedeutend vergrößern. – Was wollte er denn von dir, Dirne, als du wie wahnsinnig vor ihm wegliefst? – Aber ich kann mir es denken. Er war immer wie der Teufel auf Mädchen versessen, und ich glaube, wie Doctor Rochecliffe sagt, seitdem er ein Heiliger geworden ist, sind noch zehn Teufel mehr in ihn gefahren. – Da ist eben die Stelle, wo ich ihn sein Schwert gegen den alten Ritter erheben sah, – er, ein Kind aus dem Dorfe – wenigstens war es Hochverrath, – aber, meiner Treu, er hat dafür bezahlen müssen.«

»Aber, ach Joceline,« sagte Phöbe, »wie konntet Ihr aber auch nur einen so verruchten Mann zu Rathe ziehen, und ihn an allen Complotten zum Erschrecken der Rundköpfe Theil nehmen lassen?«

»Warum? Sieh' Mädchen, mir kam es bei unserem ersten Zusammentreffen gleich vor, als kennte ich ihn, besonders als Bevis, der hier auferzogen ward, ihn nicht packen wollte. Als wir späterhin im Jägerhause unsere alte Bekanntschaft wieder anknüpften, da fand ich, daß er in enger Verbindung mit Doctor Rochecliffe stand, der überzeugt war, daß er ein guter Königlichgesinnter sei, und also auf einem guten Fuße mit ihm stand. – Der Doctor rühmt sich, Vieles durch ihn erfahren zu haben; Gott gebe, daß er nicht auch seiner Seits zutrauensvoll gegen ihn war.«

»Ach Joceline,« rief das Mädchen aus, »du hättest ihn nicht in das Thor des Jägerhauses treten lassen sollen.«

»Hätt's auch nicht gethan, wenn ich gewußt hätte, wie ich ihn draußen halten sollte; aber als er so offen in unsere Plane einging, und mir sagte, wie ich mich als Schauspieler Robinson anziehen müßte, dessen Geist den Harrison heimsuchte – Gott gebe, daß nur kein Geist mich heimsucht – als er mich lehrte, wie ich mich anstellen müsse, um seinen gesetzmäßigen Herrn in Schrecken zu setzen, was konnte ich da denken, Mädchen? Ich hoffe nur, daß der Doctor das größte Geheimniß vor ihm verborgen ließ. – Aber da sind wir am Jägerhause. Gehe in deine Stube, Mädchen, und fasse dich. Ich muß den Doctor Rochecliffe aufsuchen, er schwatzt ja immer von seiner schnellen Geistesgegenwart. Jetzt ist's Zeit, es zu beweisen.«

Phöbe ging also in ihr Zimmer, aber die Stärke, welche ihr die Größe der Gefahr lieh, verschwand mit dieser, und sie unterlag heftigen hysterischen Anfällen, welche die beständige Wartung der Dame Jellicot, und die minder lärmende, aber vernünftigere Sorgfalt der Fräulein Alexis erheischten, ehe sie sich wieder etwas legten.

Der Förster aber brachte seine Neuigkeit dem politischen Doctor, der mit dem Joceline sehr unzufrieden, ja sogar böse war, daß er eine Person erschlagen habe, auf deren Mittheilung sich zu verlassen er gewöhnt war. Doch verriethen seine Blicke Verdacht, ob er sein Vertrauen nicht zu vorschnell weggeschenkt habe – ein Verdacht, der ihn um so viel mehr drückte, da er ihn, als unpassend mit seinem eingebildeten Scharfsinn, nicht gestehen mochte.

Doch hatte Doctor Rochecliffe's Vertrauen auf die Treue des Tomkins einen anscheinend guten Grund. Vor dem Ausbruche des Bürgerkriegs, wie man es zum Theil aus der Erzählung schon bemerken kann, stand Tomkins unter seinem wahren Namen Hazeldine unter dem Schutze des Rectors von Woodstock, diente ihm zuweilen als Schreiber, war ein ausgezeichnetes Mitglied seines Chors, und da er ein gewandter, erfindungsreicher Kopf war, so wurde er dazu gebraucht, dem Doctor in seinen antiquarischen Untersuchungen im Innern von Woodstock hülfreiche Hand zu leisten. Als er im Bürgerkriege die entgegengesetzte Partei ergriff, setzte er seine Verbindung mit dem Doctor noch immer fort, und ließ ihm von Zeit zu Zeit scheinbar wichtige Nachrichten zufließen. Auch war sein Beistand erst kürzlich unendlich nützlich dazu gewesen, dem Doctor mit Hülfe des Joceline und der Phöbe die verschiedenen Pläne zu erleichtern und auszuführen, durch welche die Parlamentscommissäre von Woodstock verjagt worden waren. Wirklich glaubte man auch seine Dienste durch nichts Geringeres belohnen zu können, als durch ein Geschenk aller Silbergeräthe, welche noch übrig geblieben, und also dem Independenten versprochen waren. Während der Doctor es also zugab, daß er ein schlechter Mann gewesen sei, so bedauerte er ihn doch als einen nützlichen, dessen Tod bei anzustellenden Untersuchungen neue Gefahren auf ein Haus häufte, das schon damit umgeben war, und ein so köstliches Unterpfand beherbergte.



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