Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Fünfundzwanzigstes Kapitel.

Denn hier, so sagt man, geht er täglich um
Mit zügellosen, frechen Freunden;
Und er, ein junger, schwacher, weib'scher Knabe,
Er rechnet es sich noch zur Ehre an,
Daß er die frechen Buben füttern darf.

Richard II.

Die Unterredung, welche Albert vergeblich zu unterbrechen gesucht hatte, ging, nachdem er das Zimmer verlassen hatte, auf dieselbe Weise fort. Es unterhielt den Louis Kerneguy, denn persönliche Eitelkeit, oder ein übertriebenes Bewußtsein, Tadel zu verdienen, gehörte nicht zu den Fehlern seines Charakters, und vertrug sich auch keineswegs mit seiner Vernunft, die, wäre sie mit größerer Festigkeit in Grundsätzen, mit kräftigem Willen und mit Selbstentsagungen gepaart gewesen, dem König Carl einen hohen Platz auf der Liste der Monarchen verschafft hätte. Auf der andern Seite horchte Sir Henry mit natürlichem Entzücken auf die edlen Gesinnungen, die ein so geliebtes Wesen, wie seine Tochter, aussprach. Die Rolle, die er dabei spielte, schien dauernder, als sie glänzend war, denn er hatte jene Art der Einbildungskraft, welche ohne Beihülfe Anderer nicht leicht bewegt wird, so wie die elektrische Scheibe nur dann Funken sprüht, wenn man sie gegen eine andere reibt. Es war ihm also recht, daß Kerneguy die Unterredung durch die Bemerkung fortsetzte, daß Fräulein Alexis Lee nicht erklärt hätte, warum dieselbe gute Fee, welche so reichlich mit moralischen Eigenschaften ausstatte, nicht auch körperliche Fehler verhindern könne.

»Sie mißverstehen mich, Herr,« sagte Alexis, »ich statte mit gar nichts aus. Ich versuche es nur, unsern König zu malen, so wie ich hoffe, daß er ist, so wie ich sicher bin, daß er sein kann, wenn er es wünscht. Dieselben allgemeinen Berichte, welche seine Züge als uneinnehmend schildern, sagen, daß seine Talente vom ersten Range sind. Er besitzt also die Mittel, zur Vortrefflichkeit zu gelangen, wenn er sie eifrig ausbildet und nützlich anwendet – wenn er seine Leidenschaften beherrscht und sich von seinem Verstande leiten läßt. Ein jeder Gute kann nicht immer vernünftig sein; aber es steht in der Macht eines jeden Vernünftigen, wenn er will, eben so vorzüglich an Tugenden zu sein, wie an Talenten.«

Der junge Kerneguy stand plötzlich auf und ging in der Stube auf und ab, aber ehe noch der Ritter eine Bemerkung über die sonderbare Lebhaftigkeit machen konnte, die ihn ergriff, hatte jener sich schon wieder auf seinen Stuhl gesetzt und sprach mit etwas veränderter Stimme: »es scheint also, Fräulein Alexis, daß die guten Freunde, welche Ihnen diesen armen König beschrieben haben, ebenso ungünstig in ihrem Berichte hinsichtlich seiner Moralität, als seiner Person gewesen sind?«

»Die Wahrheit muß Ihnen wohl besser bekannt sein, Herr,« sagte Alexis, »als es bei mir der Fall sein kann. Einige Gerüchte sind im Umlauf gewesen, welche ihn einer Ausschweifung beschuldigen, die, was auch die Schmeichler sagen mögen, doch wenigstens dem Sohn des Märtyrers keineswegs ziemten – ich würde mich glücklich fühlen, wenn ich sie durch einen glaubwürdigen Zeugen widerlegt fände.«

»Ich wundere mich über deine Thorheit,« sagte Sir Henry Lee, »daß du so etwas anführst, Alexis; ein Stein des Anstoßes, erfunden von den Schurken, welche sich der Regierung bemächtigt haben – ein von den Feinden verbreitetes Gerücht.«

»Nein, Herr,« sagte Kerneguy lachend, »wir müssen in unserem Eifer unseren Feinden nicht noch mehr zur Last legen, als sie ohnehin verdienen. Fräulein Alexis hat mir die Frage vorgelegt. Ich kann darauf nur erwiedern, daß Niemand dem Könige inniger ergeben sein kann, als ich, – daß ich sehr parteiisch für seine Verdienste und blind für seine Fehler bin – daß ich endlich der Letzte sein würde, der seine Sache aufgibt, so lange sie noch zu vertheidigen ist. Dennoch muß ich gestehen, daß, wenn auch die Vorzüge seines Ahnen von Navarra sich nicht sämmtlich auf ihn vererbt haben, der arme König doch einen Theil des Fleckens besitzt, von dem man glaubt, daß er den Glanz des großen Fürsten verdunkelte – daß Carl ein wenig weichherzig scheint, wo die Schönheit im Spiele ist. – Tadlen Sie ihn deßwegen nicht allzusehr, mein schönes Fräulein Alexis; wenn der Unstern eines Mannes ihn zwischen Dornen treibt, wäre es nicht hart, wenn man ihm verbieten wollte, sich mit den wenigen Rosen zu erfreuen, die er unter ihnen findet?«

Alexis, welche wahrscheinlich glaubte, das Gespräch wäre schon weit genug gediehen, stand auf, während Mr. Kerneguy sprach, und hatte das Zimmer schon verlassen, ehe er geendigt hatte, ohne dem Anscheine nach die Frage zu hören, mit welcher er schloß. Ihr Vater billigte ihr Weggehen, denn er hielt die Wendung, welche Kerneguy dem Gespräche gegeben hatte, in ihrer Gegenwart nicht für sehr passend. Da er nun auf eine höfliche Weise die Unterredung abbrechen wollte, so sagte er: »Ich sehe, es ist jetzt die Zeit, wo die Geschäfte der Haushaltung meine Tochter abrufen; ich biete Ihnen, junger Freund, also an, einen Gang mit mir zu machen, entweder mit dem Rappiere, dem Florete oder dem Dolche, oder wenn es Ihnen lieber ist, mit Ihren Nationalwaffen; denn ich denke, wir werden Kriegswerkzeuge aller Art in der Halle finden.«

»Es würde eine zu hohe Auszeichnung sein,« sagte Mr. Kerneguy, »wenn es einem armen Pagen gestattet sein sollte, mit einem so berühmten Ritter, wie Sir Henry Lee, einen Gang mit den Waffen zu machen, und er hoffe einer so großen Ehre noch theilhaftig zu werden, ehe er Woodstock verlasse; aber für jetzt verursache ihm seine Lähmung noch so viel Schmerzen, daß er sich des Versuches schämen müßte.«

Hierauf schlug ihm Sir Henry vor, ein Trauerspiel von Shakespeare zu lesen, und öffnete König Richard II. Aber kaum hatte er mit den Worten angefangen: »Mein alter Oheim John von Gaunt, mein stets geehrter Lancaster,« als der junge Edelmann so entsetzliche Krämpfe bekam, daß ihn nur augenblickliche Bewegung davon befreien konnte. Er bat also um die Erlaubniß, einen Augenblick im Park herumstreifen zu dürfen, wenn Sir Henry Lee glaube, daß er es ohne Gefahr wagen könne.

»Ich kann für die zwei oder drei Leute stehen, welche in unserem Hause geblieben sind,« sagte Sir Henry; »und ich weiß, daß ihnen mein Sohn aufgetragen hat, beständig auf ihrer Hut zu sein. Wenn Sie die Glocke des Jägerhauses läuten hören, so rathe ich Ihnen, bei der Königseiche vorbei, die Sie dort hervorragen sehen, sogleich nach Hause zu gehen, dort wird Sie Jemand erwarten, um Sie heimlich in das Haus zu führen.«

Der Page horchte auf diese Vorsichtsmaßregeln mit der Ungeduld eines Schulknaben, der, wünschend seinen Feiertag zu genießen, dem Rathe seines Lehrers oder seiner Eltern, sich nicht zu erkälten, ohne Aufmerksamkeit zuhört.

Die Abwesenheit der Alexis Lee hatte alles Angenehme aus dem Jägerhause entfernt, und der lebenslustige, junge Page entzog sich mit Eile den Uebungen und Vergnügungen, welche Sir Henry vorgeschlagen hatte. Er gürtete sein Schwert um, warf seinen Mantel, oder vielmehr den, welcher zu seiner erborgten Garderobe gehörte, über, so daß der untere Theil des Gesichtes dadurch verhüllt war, und nur die Augen frei blieben, was zu dieser Zeit eine sehr gebräuchliche Art war, ihn sowohl auf der Straße, als auf der Heerstraße und auf öffentlichen Plätzen zu tragen, wenn man allein bleiben wollte, oder den Begrüßungen auf dem Marktplatze zu entgehen suchte. Er durcheilte den offenen Raum, welcher das Jägerhaus von dem Parke trennte, mit der Eile eines Vogels, der seinem Käfig entflogen ist, und der, obgleich er sich seiner Freiheit freut, doch fühlt, daß er des Schutzes und des Obdaches bedarf. Der Park schien diese dem menschlichen Flüchtling, wie dem gefiederten zu gewähren.

Hier unter dem Schatten der Zweige im Bezirke des Forstes, geschützt vor Bemerkungen, wo er die Fronte des Jägerhauses und den freien Platz davor übersehen konnte, hier dachte der vermeintliche Louis Kerneguy an seine Flucht.

»Welch' eine Aufgabe – mit einem alten Podagristen zu fechten, der gewiß keinen Stoß kennt, der nicht schon zu den Zeiten des alten Vinzent Saviolo bekannt gewesen wäre, oder, in der Wahl des Erbärmlichen, ihn eine von diesen tollen Scenen lesen zu hören, welche die Engländer ein Trauerspiel nennen, von Prolog zu Epilog – vom »Hereintritt der Ersten« bis zum schließlichen exeunt omnes, – ein unvergleichliches Entsetzen – eine Pein, die einen jeden Kerker verdunkeln, und selbst Woodstock noch verschlimmern könnte.«

Hier hielt er ein und sah um sich, dann fuhr er in seinen Betrachtungen fort – »So – also hier war es, wo der fröhliche alte Normann seine schöne Geliebte verbarg – ohne sie gesehen zu haben, will ich darauf wetten, daß Rosamunde Clifford nie halb so schön war als diese Alexis Lee. Welch eine Seele spricht aus dem Auge des Mädchens! Mit welcher Hintansetzung alles Uebrigen außer dem Ausdrucke des augenblicklichen Reizes ergoß sich die Fluth ihres Feuereifers; wäre ich lange hier, so würde ich trotz aller Vernunft und eines halben Dutzend sehr ehrwürdiger Hindernisse es versuchen, sie mit dem gleichgültigen Gesichte desselben übel begabten Fürsten zu versöhnen. – Uebel begabt!

»Es ist eine Art von Hochverrath, für Jemanden, der ein so eifriger Royalist sein will, sich so von den Zügen des Königs auszudrücken, und meiner Meinung nach verdient es Strafe. Ach schönes Fräulein Alexis! gar manches Fräulein vor Ihnen hat schon entsetzlich über die Unbeständigkeit der Männer und über die Verderbtheit des Zeitalters geschimpft, und war doch zuletzt froh, für sich selbst eine Entschuldigung zu finden. Aber ihr Vater – der kräftige alte Ritter – meines Vaters alter Freund – würde es ihm nicht das Herz brechen? Ach was, wenn ich seinem Enkel das Recht gebe, das Wappen von England zu tragen, was schadet es denn auch, wenn ein schwarzer Querbalken es durchzieht? Bst! weit entfernt, zu erniedrigen, ist es ja noch etwas mehr – bei ihrer nächsten Untersuchung werden ihm die Heraldiker deßwegen noch eine höhere Stelle auf ihrer Rolle anzeigen. Und wenn er auch zuerst ein wenig jammert, verdient es denn der alte Verräther nicht? Erstlich wegen seiner unroyalistischen Absicht, meinen gesalbten Körper mit seinen verzweifelten Rappieren braun und blau zu schlagen – zweitens sein abscheuliches Complot mit Will Shakespeare, ein Bursche, der eben so sehr außer der Mode ist, wie er selbst, um mich mit fünf Akten eines historischen Trauerspiels oder einer Chronik todt zu lesen, »als welche darstellt das jammervolle Leben und den Tod Richard des andern.« Alle Welt, mein eigenes Leben ist jammervoll genug, glaube ich; und mein Tod kann ihm, wie es scheint, wohl ähnlich werden. Ach, aber! der Bruder mein Freund – mein Führer – mein Wächter – so weit ihn diese Intrigue betrifft, dürfte es nicht sehr edel gegen ihn gehandelt sein. Aber Eure rasenden, tobenden, racheschnaubenden Brüder stehen nur noch auf der Schaubühne. Die Rache, mit der ein Bruder einen armen Burschen verfolgt, welcher seine Schwester verführte, oder wie es wohl auch möglich ist, von ihr verführt wurde, diese nachsichtslose Rache ist außer Mode, seitdem vor langen Jahren Dorset den Lord Bruce erschlug. Ach was! wenn ein König der Beleidiger ist, so opfert auch der Tapferste nichts auf, wenn er stillschweigend ein kleines Unrecht einsteckt, wofür er sich nicht persönlich rächen kann. In Frankreich gibt es keine hochadelige Familie, wovon nicht ein jedes Mitglied die Nase um einen Zoll höher tragen würde, wenn sie sich mit einer linkhändigen Verbindung mit dem großen Monarchen brüsten könnten.«

Dieß waren die Gedanken, welche die Seele Carls ergriffen, als er zuerst das Jägerhaus von Woodstock verließ und sich in dem Park vertiefte, der es umgab. Seine schändliche Logik war aber keineswegs der Erfolg seiner natürlichen Anlagen, und ward auch von seinem gesunden Verstande durchaus nicht ohne Gewissenszweifel angenommen. Es war eine Art zu urtheilen, die er durch seine allzugroße Vertraulichkeit mit den witzigen und ausschweifenden jungen Adeligen angenommen hatte, die ihn umgaben. Es kam von seinem Umgange mit Villiers, Willmot, Sedley und Anderen her, deren Geist bestimmt war, das Zeitalter und den Monarchen zu verderben, von dessen Charakter späterhin so viel abhing. Solche Männer, erzogen unter den Ausschweifungen eines Bürgerkrieges, Männer, welche nie das Joch getragen hatten, welches in gewöhnlichen Zeiten die Gewalt der Eltern und der Verwandten den stürmischen Leidenschaften der Jugend auflegen, Männer, die, mit jeglichem Laster bekannt, es durch Rath und That empfehlen konnten, und alle edleren Gefühle, welche den Menschen davon abhalten, seinen ungesetzlichen Leidenschaften zu fröhnen, lächerlich machten. Auch die Schicksale des Königs hatten dazu beigetragen, daß er sich zu jener epicuräischen Lehre neigte. Er sah sich mit den höchsten Ansprüchen auf Mitgefühl und Beistand von den Höfen, die er besuchte, kalt behandelt, mehr wie ein begünstigter Bittsteller, als wie ein verbannter Monarch. Er sah seine Rechte und Ansprüche mit Verachtung und Gleichgültigkeit behandelt, und in demselben Verhältniß söhnte er sich dann auch wieder mit der hartherzigen egoistischen Ausschweifung aus, welche ihm eine augenblickliche Erholung versprach. Wenn man das nur auf Kosten des Glückes der Anderen erlangen könnte, sollte grade er darüber so zartfühlend sein, da er Andere behandelte, wie die Welt ihn?

Aber obgleich der Grund zu diesem unglückseligen Systeme schon gelegt war, so ergab sich ihm doch der Prinz in seiner früheren Jugendzeit nicht so ganz, wie später, als sich zu seiner Wiedereinsetzung unerwartet eine Thüre öffnete. Im Gegentheil, obgleich die rücksichtslosen Betrachtungen, welche wir oben angeführt haben, als wären sie mit deutlichen Worten ausgesprochen worden, gewiß in seinem Geiste aufstiegen, so erinnerte er sich doch, daß, wenn er auch in Frankreich, in den Niederlanden oder von den Witzlingen seines eigenen wandernden Hofes verlacht würde, die Sache doch dem englischen Adel als eine furchtbare Undankbarkeit und als ein schändlicher Verrath erscheinen, und seinem Interesse bei dem älteren, ehrwürdigeren Theil seiner Anhänger eine tiefe, vielleicht gar unheilbare Wunde beibringen würde. Ferner fiel ihm ein (denn selbst dabei vergaß er sein eigenes Interesse nicht), daß er sich in der Macht der Lee's, Vater und Sohn, befinde, die, was Ehrenpunkte betraf, immer sehr strenge waren, und bei dem Verdacht einer Beleidigung, wie die, welche er sich vorgenommen hatte, um Mittel zur Rache nicht verlegen zu sein brauchten, es sei durch ihre eigenen Hände, oder durch die der herrschenden Partei.

»Die Gefahr, das unglückselige Fenster zu Whitehall wieder zu eröffnen, und das Trauerspiel mit dem Manne in der Maske zu erneuen, wäre eine schlimmere Strafe als der alte schottische Bußestuhl, und wie schön auch Alexis Lee sei, so kann ich doch auf diese Gefahr hin keinen Liebeshandel anspinnen,« war seine Schlußbetrachtung. »Also fahre hin, schönes Mädchen! Wenn du nicht, wie es zuweilen geschehen kann, eine Laune bekömmst, dich zu den Füßen deines Königs zu werfen, und ich dann zu großmüthig bin, dir meinen Schutz zu verweigern. Aber wenn ich wieder an die bleiche, todeskalte Gestalt des alten Mannes denke, wie er in der vergangenen Nacht vor mir lag, und mir die Wuth des Albert Lee vorstelle, wie er, zitternd vor Wuth, die Hand an sein Schwert legt, und nur seine Treue ihn verhindert, es seinem Könige in's Herz zu stoßen – nein das Gemälde ist zu furchtbar! Carl muß für immer seinen Namen in den des Joseph verwandeln, selbst wenn er in große Versuchung geführt würde, was das Schicksal in Gnaden verhindern möge.«

Man muß im Allgemeinen bemerken, daß für den Prinzen ein Liebeshandel mehr eine Sache des Zeitvertreibs als eine ernste Neigung war. Mit den Verführungskünsten war er nicht sehr vertraut, weil er selten Gelegenheit gefunden hatte, Gebrauch davon zu machen. Sein hoher Rang und die Ausschweifungen einiger Frauen, mit denen er Umgang hatte, machte sie unnöthig; so daß er strenge Tugend bei jedem Geschlechte bezweifelte, und sie für einen Schleier hielt für das spröde Wesen der Frauen und für Scheinheiligkeit der Männer, um für ihre Nachgiebigkeit einen höheren Lohn zu erringen.

Während wir die Art und Weise seiner Neigung zur Galanterie besprechen, wurde der Wanderer auf dem Wege, den er gewählt hatte, zu verschiedenen sonderbar verschlungenen Gängen geführt, bis er sich zuletzt unter dem Fenster des Zimmers des Victor Lee befand, wo er Alexis bemerkte, welche einige Blumen begoß und ordnete, die vor dem Gitterfenster standen, welches zwar bei Tag leicht zugänglich war, obgleich es gefährlich schien, es bei Nacht zu ersteigen. Aber nicht allein Alexis, sondern auch ihr Vater zeigte sich am Fenster und winkte ihm heraufzukommen. Nun schien die Gesellschaft anziehender als vorher, und der flüchtige Fürst, überdrüssig, mit seinem Gewissen zu kämpfen, war entschlossen, die Sache gehen zu lassen, wie der Zufall es fügen würde.

Er kletterte also hinauf und ward von dem alten Ritter, welcher Gewandtheit in hohen Ehren hielt, herzlich bewillkommt. Auch Alexis schien froh den munteren anziehenden Mann zu sehen; und ihre Gegenwart und die ungeheuchelte Freude, mit welcher sie auf seine Unterredung horchte, feuerte ihn an, seinen Witz und seinen Humor zu zeigen, den Niemand in einem höheren Grade besaß.

Seine Satyre entzückte den alten Edelmann, welcher lachte bis ihm die Augen überliefen, als er den Jüngling hörte, von dessen Ansprüchen auf seine Hochachtung ihm wenig träumte, wie er ihn damit unterhielt, daß er bald den schottischen presbyterianischen Geistlichen, bald den stolzen armen Hidalgo des Nordens, und dann wieder den feurigen Hochmuth und den celtischen Dialect der hochländischen Häuptlinge nachahmte, mit denen er während seines Aufenthaltes in Schottland vertraut geworden war. Auch Alexis lächelte, zollte ihm ihren Beifall, und war vergnügt, weil sie mit Entzücken sah, daß ihr Vater es war. So war die ganze Gesellschaft in der fröhlichsten Stimmung, als Albert Lee eintrat, der eifrig den Louis Kerneguy suchte, um ihn zu einer Privatunterredung mit Dr. Rochecliffe zu führen, dessen Eifer, Emsigkeit und wunderbare Quellen ihn zu ihrem Hauptsteuermann in diesen schwierigen Zeiten gemacht hatte.

Es ist unnöthig, den Lesern genauere Nachrichten von ihrer Unterredung mitzutheilen. Die erhaltenen Berichte waren insofern günstig, daß der Feind keine Spur davon zu haben schien, daß der König seinen Weg dem Süden zu genommen habe, und daß er sich noch immer überzeugt hielte, daß er, wie schon gesagt, von Bristol aus entflohen sei. Das war auch anfänglich vorgeschlagen worden; aber der Kapitän des Schiffes, welches für die Ueberfahrt des Königs bereit lag, war ängstlich geworden und, ohne seine königliche Fracht zu erwarten, davon gesegelt. Doch diente seine Abfahrt und die Vermuthung des Dienstes, der ihm oblag, wenigstens dazu, daß man allgemein glaubte, der König wäre mit ihm entflohen.

Aber obgleich dieses erfreulich war, so hatte doch der Doctor zu gleicher Zeit unangenehmere Nachrichten von der Seeküste erhalten, welche berichteten, daß große Schwierigkeiten im Wege stünden, ein Schiff zu erhalten, dem man sicher eine so kostbare Last anvertrauen dürfte, und die Se. Majestät bei Allem beschworen, es ja nicht zu wagen, sich der Küste zu nahen, bis er Nachricht erhielte, daß alle nöthigen Vorkehrungen getroffen seien.

Jetzt konnte Niemand einen sicherern Aufenthaltsort als den gegenwärtigen angeben. Oberst Everard schien gewiß dem König persönlich nicht abgeneigt zu sein, und wie man vermuthete, hatte Cromwell ein unbegränztes Vertrauen zu Everard. Das Innere des Gebäudes bot unzählige Stellen zum Verbergen und geheime Ausgänge dar, die Niemanden außer den alten Bewohnern des Jägerhauses bekannt waren; und dem Rochecliffe noch besser als allen Uebrigen, da er zur Zeit seiner Pfarre in der benachbarten Stadt seinem Hange zum Alterthümlichen gefolgt war, und unter den alten Ruinen mancherlei Untersuchungen anstellte, deren Resultat er aber zum Theil für sich behielt.

Um diese Bequemlichkeiten aufzuwiegen, war es nicht minder wahr, daß die Commissäre des Parlaments immer noch nicht sehr entfernt und bereit waren, bei der ersten Gelegenheit ihren Auftrag zu erfüllen. Aber Niemand glaubte, daß solch eine Gelegenheit sich darbieten würde, und man vertraute darauf, daß, da der Einfluß Cromwells und der Armee immer vorherrschender ward, die getäuschten Commissäre nichts gegen seinen Willen unternehmen, sondern mit Geduld eine Entschädigung für ihren unerledigten Auftrag erwarten würden. Durch Mr. Joseph Tomkins hatte man erfahren, daß sie sich entschlossen hätten, sich vorerst nach Oxford zurückzuziehen, und daß sie die gehörigen Anstalten dazu träfen. Das versprach die Sicherheit von Woodstock noch zu vergrößern. Man kam also überein, daß der König unter der Rolle des Louis Kerneguy so lange im Jägerhause verweilen solle, bis daß für ein Schiff gesorgt sei, und zwar in einem Hafen, den man für den sichersten und passendsten halten würde.



 << zurück weiter >>