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Siebenundzwanzigstes Kapitel.

Halt – der König warf seinen Mantel ab.

Richard II.

Die Kämpfer, welche wir im vorigen Kapitel verließen, fochten mit anscheinend gleicher Gewandtheit und gleichem Muthe. Carl hatte schon zu vielen Schlachten beigewohnt, und war zu lange selbst sowohl Partei als Schlachtopfer des Bürgerkrieges gewesen, als daß es ihm neu oder überraschend gewesen sein sollte, sich mit eigenen Händen vertheidigen zu müssen, und Everard hatte sich durch seine persönliche Tapferkeit und durch alle übrigen Eigenschaften, welche einem Feldherrn ziemen, ausgezeichnet. Aber, wie gesagt, die Ankunft eines Dritten verhinderte den tragischen Schluß eines Gefechtes, in welchem der Erfolg eines Jeden ihm seinen Sieg hätte bedauern lassen müssen.

Es war der alte Ritter selbst, der auf einem unansehnlichen Pferdchen einherritt; denn der Krieg und die Beschlagnahme hatten ihm kein besseres gelassen. Er warf sich zwischen die Kämpfer, und befahl ihnen bei ihrem Leben einzuhalten. Kaum hatte er Beiden einen Blick zugeworfen, um zu sehen, mit wem er zu thun habe, als er frug: »ob die Teufel von Woodstock, von denen die Leute sprächen, in sie gefahren wären, daß sie im Bezirke des königlichen Parks kämpften? – Laßt euch Beiden sagen,« fuhr er fort, »daß, während der alte Henry Lee zu Woodstock ist, die Privilegien der Domäne aufrecht erhalten werden sollen, als säße der König noch auf seinem Throne. Niemand soll hier einen Zweikampf wagen, außer die Hirsche in ihrer Jahreszeit. Haltet also ein, ihr Beiden, oder ich werde der Dritte sein und zeigen, daß ich der ärgste bin! Wie Will sagt:

Ich schlage euch und euer klirrend Eisen,
Als wäre ich der Teufel aus der Hölle.«

Die Kämpfer hielten ein, standen sich aber gegenüber und warfen sich Blicke zu, daß man deutlich sehen konnte, daß keiner von Beiden den Frieden wünschte und zuerst das Schwert einstecken wollte.

»Steckt eure Schwerter ein, Gentlemen, auf der Stelle,« sagte der Ritter noch gebietender, »gehorcht, oder ihr werdet es mit mir zu thun haben. Ihr könnt Gott danken, daß die Zeiten sich geändert haben. Früher würde euch eure Unverschämtheit Einem Jeden die Hand gekostet haben, wenn ihr sie nicht mit einer runden Summe Geldes ausgelöst hättet. – Neffe, wenn du mich nicht auf ewig erzürnen willst, so stecke dein Schwert ein. Mr. Kerneguy, Sie sind mein Gast, ich bitte Sie, mir nicht den Schimpf anzuthun, mit gezogenem Schwerte auf einer Stelle zu stehen, wo es meine Pflicht erheischt, den Frieden aufrecht zu erhalten.«

»Ich gehorche Ihnen, Sir Henry,« sagte der König, indem er sein Schwert einsteckte. »Ich weiß wahrlich kaum den Grund, warum mich dieser Edelmann angriff. Ich gebe Ihnen mein Wort darauf, daß Niemand die Person oder die Privilegien des Königs mehr ehrt, als ich – obgleich diese Verehrung etwas aus der Mode ist.«

»Wir werden einen Ort zum Zweikampf finden, Herr,« erwiederte Everard, »wo weder die Person, noch die Privilegien des Königs beleidigt werden.«

»Wahrhaftig, das wird schwer halten, Sir,« sagte Carl, der unfähig war, den aufsteigenden Witz zu unterdrücken. – »Ich will damit sagen, daß der König so wenig Anhänger hat, daß selbst der Verlust des Geringsten seiner Sache Schaden zufügen wird. Aber trotz Allem werde ich überall mit Ihnen zusammentreffen, wo sich für einen armen Royalisten Gelegenheit darbietet zu entfliehen, wenn er in dem Gefechte siegen sollte.«

Sir Henry Lee's erster Gedanke hatte sich auf die Beleidigung gerichtet, welche der königl. Domäne zugefügt worden war, nun fing er an, sie der Sicherheit seines Verwandten und des anscheinenden jungen Royalisten zuzuwenden. »Gentlemen,« sagte er, »ich muß darauf bestehen, daß diese Sache zu einem schließlichen Ende komme. Neffe Markham, ist das dein Dank für meine Einwilligung auf dein Wort nach Woodstock zurückzukehren, daß du die Gelegenheit ergreifst, meinen Gästen den Hals abzuschneiden?«

»Wenn Sie seine Anschläge so gut, wie ich, kennten,« – sagte Markham, und schwieg, wohlwissend, daß er damit seinen Oheim nur aufbringen und nicht überzeugen würde, und daß er ferner Alles, was Everard von Kerneguy's Absichten auf Alexis sprach, nur in der Eifersucht des Ersteren begründet fände. Er sah also zur Erde, und schwieg.

»Und Sie, Mr. Kerneguy,« sagte Sir Henry, »können Sie mir einen Grund angeben, warum Sie diesem jungen Manne nach dem Leben trachten, an dem, obgleich er unglücklicherweise seine Treue und seinen Royalismus außer Augen gesetzt hat, ich doch immer einen Antheil nehmen muß, da er durch Verwandtschaft mein Neffe ist.«

»Ich wußte nicht, daß der Gentleman diese Ehre genieße, die ihn gewiß vor meinem Schwerte geschützt hätte,« antwortete Kerneguy, »aber er begann den Streit, auch kann ich keinen Grund sagen, warum er gerade mich betraf, es sei denn, daß er in der Verschiedenheit unserer politischen Meinungen läge.«

»Sie wissen das Gegentheil,« sagte Everard, »Sie wissen, daß Sie, als ein flüchtiger Royalist, sicher vor mir sind – und Ihre letzten Worte zeigten, daß Ihnen meine Verwandtschaft mit Sir Henry keineswegs unbekannt sei. Freilich ist das ohne alle Bedeutung. Ich würde mich selbst erniedrigen, wenn ich meine Verwandtschaft als ein Mittel gebrauchte, mich vor Ihnen oder vor einem Andern zu beschützen.«

Als sie sich so stritten und keiner die wahre Ursache des Zankes erwähnen wollte, da blickte Sir Henry mit friedensstiftender Miene bald auf den einen, bald auf den andern, und rief aus:

»Wie, welch' ein Zauber brachte das hervor,
Ich glaube, Beide tranken aus der Circe Becher.

Kommt, ihr jungen Herren, gestattet es einem alten Mann, den Vermittler zwischen euch zu machen. In solchen Dingen bin ich nicht kurzsichtig – die Mutter aller Mißverständnisse ist nicht größer, als ein Fliegenfüßlein; ich habe fünfzig Beispiele erlebt, wo, wie Will sagt:

Die Ritter sich zum Zweikampf stellten,
Mann gegen Mann, und Schwert an Schwert,

und doch zuletzt, als das Gefecht vorbei war, sich der Ursache des Streites nicht mehr erinnern konnten. Ach, eine Kleinigkeit kann dazu führen – das Wegnehmen des Stuhls – oder ein sanfter Stoß der Schultern im Vorbeigehen, oder ein vorschnelles Wort, oder eine mißverstandene Miene. – Kommt, vergeßt die Ursache eures Streites, welche sie auch sei. – Ihr habt Genugthuung – obgleich ihr eure Schwerter einsteckt, ohne daß Blut sie färbt, so liegt doch der Fehler nicht an euch; denn es geschah auf Befehl eines Aelteren und eines Mannes, der ein Recht dazu hat. In Malta, wo man es doch mit dem Zweikampf sehr genau nimmt, müssen die Kämpfenden auf den Befehl eines Ritters, eines Priesters, oder einer Dame einhalten und der so unterbrochene Kampf wird für ehrenvoll geendigt gehalten, und darf nicht wieder erneuert werden. Neffe, ich halte es für unmöglich, daß du diesem jungen Edelmann einen Haß nachträgst, weil er für seinen König kämpfte. Höre meinen ehrlichen Vorschlag, Markham – du weißt, daß ich dir im Herzen nicht böse bin, wenn ich schon Ursache habe, beleidigt zu sein. – Gib diesem Jünglinge freundschaftlich die Hand, wir wollen dann alle drei in's Jägerhaus zurückgehen und zum Zeichen der Versöhnung ein Glas Sect zusammen trinken.«

Markham Everard war unfähig, der freundschaftlichen Güte seines Oheims zu widerstehen. Er vermuthete freilich, wie es auch wirklich der Fall war, daß die Einladung ihren Grund nicht allein in der wiederauflebenden Freundschaft seines Oheims habe, sondern daß derselbe durch diese Aufmerksamkeit sich seiner Neutralität, wo nicht gar seines Beistandes zur Verbergung des flüchtigen Royalisten versichern wollte. Er wußte wohl, daß er dadurch in eine schwierige Stellung gerathen, und sich dem Verdachte seiner eigenen Partei aussetzen würde, wenn er, selbst mit einem nahen Verwandten Umgang pflegte, der solche Gäste beherbergte. Aber auf der andern Seite hielt er die Dienste, welche er der Republik geleistet hatte, für wichtig genug, Alles verachten zu können, was in dieser Hinsicht der Neid gegen ihn anführen konnte. Denn obgleich der Bürgerkrieg in vielen Familien und auf die verschiedenste Weise Spaltungen erregt hatte, so ließ doch, als der Triumph der Republikaner entschieden war, die Wuth des politischen Hasses nach, und der alte Knoten der Freund- und Verwandtschaften errang, wenigstens einen Theil, seines früheren Einflusses wieder. Mancherlei Verbindungen kamen zu Stande, und die, welche, wie Everard, der siegreichen Partei anhingen, benutzten es oft zum Schutze ihrer unglücklicheren Verwandten.

Dieses, verbunden mit der Aussicht, einen neuen Umgang mit Alexis Lee anknüpfen zu können, durch welchen er im Stande sein würde, sie gegen Schimpf und Beleidigung zu beschützen, bewog ihn dazu, dem vermeintlichen schottischen Pagen die Hand zu reichen, und zu sagen: »daß er seiner Seits bereit dazu wäre, die Ursache seines Streits zu vergessen, oder vielmehr es als ein Mißverständniß zu betrachten, und dem Mr. Kerneguy eine Freundschaft anzubieten, wie sie zwischen rechtschaffenen Männern, die verschiedene politische Parteien ergriffen hätten, bestehen könne.«

Unfähig den Gefühlen seiner persönlichen Würde zu widerstehen, welche die Klugheit zu vergessen befahl, verbeugte sich Louis Kerneguy, ohne jedoch Everard's ausgestreckte Hand anzunehmen.

»Er habe keine Gelegenheit,« sagte er, »die Ursache des Streites zu vergessen, da er sie nie gekannt habe; aber so wie er die Rache des Edelmanns nicht gefürchtet, so wäre er auch nun bereit, jedes Freundschafts-Zeichen, mit welchem man ihn beehren würde, anzunehmen und zu erwiedern.«

Everard zog seine Hand lächelnd zurück, und beantwortete den Gruß des Pagen, dessen steifen Empfang seiner Freundschafts-Zeichen er dem stolzen, hochmüthigen Eigendünkel des schottischen Jünglings zuschrieb, der bei den Ideen von Familien- und persönlicher Wichtigkeit auferzogen, durch Bekanntschaft mit der Welt die ersten Eindrücke seiner Erziehung noch nicht hatte vergessen können.

Sir Henry Lee war hoch erfreut darüber, daß der Streit geendigt war, was er der tiefen Ehrfurcht vor seiner Autorität zuschrieb; auch war es ihm nicht unangenehm, eine Gelegenheit zu finden, wieder einigen Umgang mit seinem Neffen anknüpfen zu können, dem er, trotz seiner politischen Meinungen, doch geneigter war, als er selbst es vermuthete. Tröstend sagte er daher: »Laßt es euch nicht verdrießen, ihr jungen Herren. Ich geb' euch mein Wort darauf, daß es mir an's Herz ging, euch trennen zu müssen, als ich euch so schön im Kampfe sah, aus bloßer Liebe zur Ehre, und ohne einen boshaften und blutdürstigen Gedanken. Hätte es meine Pflicht als geschworener Wildmeister dahier nicht erheischt, so wäre ich wahrlich lieber euer Sekundant gewesen, als daß ich euch am Zweikampf gehindert hätte. Aber ein geendigter Kampf soll auch vergessen sein, und eure Schwerthiebe sollen keine andere Folgen haben, außer den Appetit, den ihr dadurch vielleicht bekommen habt.«

Indem er das sprach, bestieg er sein Pferdlein, und schlug triumphirend die nächste Allee zum Jägerhaus ein. Seine Füße berührten fast den Boden, der Absatz seiner Stiefel blieb gerade im Steigbügel – die Fersen auswärts gebogen – der Körper gerade aufrecht – die Zügel schulgerecht in der linken Hand getheilt – und in der rechten eine Reitgerte, die sich diagonal gegen das linke Ohr des Pferdes hinneigte – so schien er ein Kunstreiter zu sein, im Stande den Bucephalus selbst zu regieren. Seine jungen Gefährten, die ihn zu beiden Seiten begleiteten, konnten bei der vollkommen regelrechten und systematischen Haltung des Reiters, welche mit der unansehnlichen Gestalt des Pferdleins mit seiner gescheckten Farbe, seinen langen Füßen und Mähnen und seinen glühenden Augen, die unter der Haarmasse hervorfunkelten, im grellsten Widerspruch stand, sich kaum eines Lächelns enthalten.

Vielleicht bemerkte der Ritter ihr spöttisches Lächeln; denn die ersten Worte, die er aussprach, als sie die Stelle verließen, waren: »Obgleich Pixie klein ist, so ist er doch eigensinnig (hier spornte er ihn an, damit er durch einen Sprung es bestätige) – er ist klein, aber voller Feuer; wahrlich, nur daß ich etwas zu lang für ihn bin (der Ritter war fast sechs Fuß hoch), sonst würde ich mich, wenn ich ihn besteige, an den Feenkönig erinnern, wie ihn Mike Drapton beschreibt:

Auf einen Ohrwurm setzt er sich,
Der bäumt und wehrt sich fürchterlich,
Er duldet' ihn nicht gern auf sich,
– Doch half kein Widerstreben;

Er mußt' nach seinem Willen stehen,
Bald Trab, bald wieder Schritt ihm gehen,
Noch nie war so ein Thier zu sehen;
– Es war so voller Leben.«

»Mein alter Freund Pixie,« sagte Everard, indem er auf den Nacken des Pferdes klopfte, »ich freue mich, daß er diese unruhige Zeit überlebt hat – Pixie muß schon über zwanzig Jahre alt sein, Sir Henry.«

»Ueber zwanzig Jahre, gewiß. Ja, Neffe Markham, der Krieg ist ein Wirbelwind in einer Pflanzung, der nur das Unwertheste verschont; der alte Pixie und sein alter Herr haben manchen Burschen und manches größere Pferd überlebt, und sind jetzt selbst nicht viel mehr werth. Doch, wie Will sagt, kann auch das Alter noch etwas leisten. So leben auch Pixie und ich immer noch.« Indem er das sagte, spornte er den Pixie wieder an, damit dieser die Ueberreste seiner Lebenskraft zeigen solle.

»Leben immer noch,« sagte der junge Schottländer, indem er den Satz ergänzte, welchen der gute Ritter unvollendet gelassen hatte – »ja sie leben immer noch:

Mit edler Reiterkunst die Welten zu entzücken.«

Everard erröthete, denn er fühlte die Ironie; aber nicht so sein Oheim, dessen gutmüthige Eitelkeit ihm nie erlaubte, die Aufrichtigkeit eines Compliments zu bezweifeln.

»Meinen Sie,« sagte er, »ja zu König Jacobs Zeiten, da erschien ich wohl auch auf der Reitbahn, und da hätten Sie sagen können:

Auch ich – ich sah den jungen Harry mit dem spanischen Hute.

Aber den alten Harry zu sehen, ach« (der Ritter schwieg und sah aus wie ein schüchterner Mann, der ein Wortspiel machen will), »was den alten Harry betrifft – da könnten Sie ebensowohl den Teufel sehen. Sie verstehen mich, Mr. Kerneguy – Sie wissen, der Teufel ist mein Namens-Vetter – ha, ha, ha – Cousin Everard, ich hoffe, deine Pünktlichkeit wird durch den unschuldigen Scherz nicht beleidigt worden seyn?«

Der Beifall seiner beiden Gefährten entzückte ihn so sehr, daß er die ganze berühmte Stelle, auf die er anspielte, hersagte, und damit schloß, daß er das gegenwärtige Zeitalter herausfordere, seinen ganzen Witz, Donne, Cowley, Waller und alle übrigen, zusammenzunehmen, um einen Dichter hervorzubringen, der nur den zehnten Theil vom Genius des alten Shakespeare habe.

»Man sagt, wir hätten einen seiner Abkömmlinge unter uns,« sagte Louis Kerneguy. »Sir William d'Avenant – und manche halten ihn für einen eben so geistreichen Mann.«

»Was!« rief Sir Henry aus, »Will d'Avenant, den ich im Norden als Offizier unter Newcastle kennen lernte, als der Marquis vor Hull lag? Er war ein ehrlicher Royalist und schrieb recht artige Verse; aber wie sollte der mit Will Shakespeare verwandt sein?«

»Wie?« erwiederte der junge Schotte, »auf die sicherste Weise und nach der alten Mode, wenn d'Avenant die Wahrheit spricht. Es scheint, daß seine Mutter eine schöne lustige Gastwirthin zwischen Stratford und London war, bei welcher Will Shakespeare seine Wohnung oft aufschlug, wenn er in seine Geburtsstadt reiste. So stand Will Shakespeare aus lauter Freundschaft und Bekanntschaft, wie wir in Schottland sagen, Gevatter bei Will d'Avenant; und nicht zufrieden mit dieser geistlichen Verwandtschaft, will der jüngere Will noch ein natürliches Recht geltend machen, indem er behauptet, daß seine Mutter eine große Verehrerin des Witzes gewesen, und ihre Gefälligkeit gegen Männer von Genie keine Gränzen gehabt habe.«

»O pfui über den Hund!« sagte Oberst Everard; »der den Ruhm, von einem Dichter oder einem Fürsten herzustammen, auf Kosten des guten Rufes seiner Mutter erkaufen will, – man sollte ihm die Nase aufschlitzen.«

»Das dürfte schwer fallen,« antwortete der verkleidete Fürst, da er an die Eigenheit der Gesichtszüge des Barden dachte.

»Will d'Avenant, der Sohn des Will Shakespeare!« sagte der Ritter, der sich von seinem Erstaunen über den ungeheuren Anspruch noch nicht erholt hatte; »das erinnert mich an den Vers im Marionettenspiel von Phaeton, wo der Held sich bei seiner Mutter beklagt –

Es lachen ja die Bauernkinder
Du wärst der Sonne Sohn,
Du dummer armer Sünder?!

In meinem Leben hörte ich keine solche Unverschämtheit! – Will d'Avenant, der Sohn des glänzendsten, vortrefflichsten Dichters, der je war, ist, oder sein wird! – Aber ich bitte dich um Verzeihung, Neffe, ich glaube, du bist kein Freund von Theaterstücken.«

»Nicht doch, ich bin nicht ganz so streng, wie Sie mich machen wollten, Oheim. Zu seiner Zeit habe ich sie wohl auch gerne gehabt, und nun verdamme ich sie nicht ganz oder allzumal, obgleich ich ihre Uebertriebenheiten und Ausschweifungen nicht billige. Ich sehe selbst bei Shakespeare viele dem Wohlanstande und den guten Sitten anstößige Stellen – vieles, was die Tugend lächerlich macht, das Laster empfiehlt, oder wenigstens die Abscheulichkeit seines Anblickes mildert. Ich kann nicht glauben, daß diese schönen Gedichte besonders für junge Leute beider Geschlechter ein nützliches Studium sind, da das Blutvergießen darin als die Hauptbeschäftigung der Männer und die Intrigue als das einzige Geschäft der Frauen bezeichnet wird.«

Indem er diese Bemerkungen machte, glaubte Everard nur seinem Oheim eine Gelegenheit zu geben, eine Lieblingsmeinung zu vertheidigen, ohne ihn durch einen so mäßigen und beschränkten Widerspruch zu beleidigen. Aber wie bei anderen Gelegenheiten, so vergaß er auch hier, wie eigensinnig sein Oheim in seinen Ansichten über Religion, Politik und Geschmack war, und daß man ihn eben so leicht zur presbyterianischen Religion hätte bekehren oder zum Abschwörungseid vermögen können, als seinen Glauben an Shakespeare zu erschüttern. Es war noch eine Eigenheit in der Art, mit welcher der gute Ritter stritt, welche Everard nie recht begreifen konnte, da sie seinem eigenen graden und offenen Character entgegen war, und selbst sein religiöser Glaube die in der Gesellschaft gebräuchliche, geheuchelte Ruhe und Freundschaft nicht gut hieß. Sir Henry nämlich, welcher seine natürliche Heftigkeit kannte, pflegte sorgsam auf seiner Hut dagegen zu sein, und konnte eine Zeitlang, selbst wenn er sich sehr beleidigt fühlte, einen Streit mit allem Anschein äußerer Ruhe führen, bis die Heftigkeit seiner Gefühle die künstlichen Schranken, die er ihnen gesetzt hatte, niederriß und sich mit aufgehäuftem Zorn auf seinen Gegner stürzte. So geschah es oft, daß er, wie ein vorsichtiger alter General sich im Angesichte des Feindes nach und nach in guter Ordnung und mit geringem Widerstande zurückzog, bis er seinen Gegner auf dem Flecke hatte, wo er mit Cavallerie, Infanterie und Artillerie zugleich angriff, und damit den Feind gewöhnlich in Verwirrung brachte, wenn er ihn auch nicht ganz über den Haufen warf.

Diesem Grundsatze gemäß verbarg er also bei der letzten Bemerkung des Everard seine aufgeregten Gefühle und antwortete in einem Tone, in welchem die Höflichkeit strenge Wache über die Leidenschaft hielt. »Ohne Zweifel habe der presbyterianische Adel in diesen unglücklichen Zeiten solche Beweise eines demüthigen, von Ehrgeiz und Hochmuth freien Strebens für das öffentliche Wohl gegeben, daß er sich dadurch ein Recht erworben habe, daß man allgemein an die Aufrichtigkeit seiner Gewissenszweifel glauben müsse, die er gegen Werke hegte, in welchen die edelsten Gefühle der Religion und der Tugend – Gefühle, welche verhärtete Sünder bekehren, und die man sterbenden Heiligen und Märtyrern in den Mund legen dürfe – zufällig durch den rauhen und harten Geschmack der damaligen Zeit mit derben Witzen und dergleichen vermischt wären, die nur denen sehr anstößig seien, die sie sorgfältig heraussuchten, um das zu erniedrigen, was an und für sich den höchsten Beifall verdiente. Aber was er besonders von dem Obristen zu erfahren wünschte, war, ob einer dieser so reich begabten Männer, welche die gelehrten Professoren, und die gottesfürchtigen Geistlichen von England von ihren Kanzeln und Kathedern stießen, und nun an ihrer Stelle blühten; ob einer von ihnen sich der Gaben der Musen erfreute, oder ob sie nicht den schönen Wissenschaften so thöricht und barbarisch entgegen seien, wie der Menschlichkeit und der gesunden Vernunft?«

Oberst Everard hätte aus dem ironischen Ton der Rede den Sturm bemerken können, welcher in dem Busen seines Oheims aufstieg, ja er hätte sogar den Zustand der Gefühle des alten Ritters aus dem Ausdruck kennen lernen müssen, welchen dieser auf das Wort Obrist legte, da dieser Beiname die gehaßte Partei bezeichnete, welche sein Neffe ergriffen hatte, und er ihn nur dann so nannte, wenn sein Zorn rege ward; stand er aber gut mit ihm, so pflegte er ihn Verwandter oder Neffe Markham zu nennen. Wirklich bewog zum Theil das und die Hoffnung, seine Alexis zu sehen, den Obersten, auf die lange Rede seines Oheims kein Wort zu antworten.

Dieser hatte gerade seine Rede geschlossen, als er und seine zwei Gefährten durch das Thor schritten und in die Halle traten.

Zugleich erschien Phöbe und erhielt Befehl, einige Getränke für die Edelleute zu bringen. Die Hebe von Woodstock erkannte und bewillkommte Everard durch einen fast unmerklichen Knicks; aber sie diente seinem Interesse keineswegs, so wie sie es im Sinne hatte, als sie den Ritter im Laufe des Gespräches frug, ob er die Gegenwart des Fräuleins Alexis wünsche. Ein ernstes Nein war die entscheidende Antwort; und diese unzeitige Vermittlung schien seinen Zorn gegen Everard wegen dessen Herabsetzung des Shakespeare noch zu vergrößern.

»Ich würde darauf bestehen,« – sagte Sir Henry, indem er den Faden des schwierigen Gegenstandes wieder anknüpfte, »wenn es sich für einen armen geschlagenen Royalisten ziemte, solch einen Ausdruck gegen einen Befehlshaber der siegreichen Armee zu gebrauchen – zu erfahren, ob die krampfhaften Staatsbewegungen, die uns Heilige und Propheten ohne Zahl herabgeschickt haben, nicht auch einen Dichter hervorbrachten, der Geist und Genialität genug besitzt, den armen alten Will zu verdunkeln, der das Orakel und der Götze der verblendeten, fleischlichen Royalisten ist?«

»Gewiß Sir,« erwiederte Oberst Everard, »ich kenne Verse, und zwar dramatischer Art, welche von einem Freunde der Republik geschrieben wurden, und die, wenn man sie in unparteiischer Wage wägt, den Poesien Shakespeare's gleich kommen, und frei von den rohen Unziemlichkeiten sind, mit welchen jener große Barde zuweilen dem rauhen Geschmack seiner barbarischen Zuhörer huldigte.«

»Wirklich,« sagte der Ritter, der nur mit Mühe seinen Zorn unterdrückte. »Ich möchte doch gerne mit diesem Meisterstück der Poesie bekannt werden! Darf ich um den Namen des erlauchten Dichters bitten?«

»Wenigstens muß es Vicars oder Withers sein,« sagte der Page.

»Nein Herr,« erwiederte Everard, »weder diese noch Drummond von Hawthornden, noch Lord Stirling. Und doch werden die Verse meine Rede rechtfertigen, wenn Sie meinen schlechten Vortrag entschuldigen wollen; denn ich bin mehr daran gewöhnt, vor dem Bataillon als mit denen zu sprechen, welche die Musen lieben. Die Redende ist eine Dame, welche von der Nacht überrascht, in einem pfadlosen Walde den Weg verloren hat, und nun die Furcht vor übernatürlichen Wesen ausdrückt, die in ihrer Lage natürlich ist.«

»Ein Schauspiel noch dazu, und von einem rundköpfigen Dichter geschrieben!« sagte Sir Henry erstaunt.

»Wenigstens ein dramatisches Gedicht,« erwiederte sein Neffe; worauf er einfach aber mit Gefühl die nun so wohlbekannten Zeilen hersagte, welche aber damals diesen Ruhm noch nicht erlangt hatten, da zu dieser Zeit der Ruf eines Schriftstellers mehr auf polemischen und politischen Schriften beruhte, als daß man in seinen Dichtungen einen Weg zur Unsterblichkeit gesehen hätte.

»Erschrecken können sie es wohl, doch ihm den Muth nicht rauben,
Es bricht die Angst sich uns'rer Seele, stets an dem Führer uns'res Herzens,
Der stets ihm nahe ist – an dem Gewissen!«

»Meine eigene Ansicht, Neffe Markham, ganz meine eigene Ansicht; nur etwas besser ausgedrückt, das war es gerade, was ich sagte, als die schurkischen Rundköpfe Geister zu Woodstock gesehen haben wollten. – Fahre fort, ich bitte Dich.«

Everard fuhr fort: –

»Sei hoch willkommen mir, klaräug'ter Glaube,
Du Hoffnung mit der reinen, weißen Hand,
Du güt'ger Engel mit den goldnen Flügeln,
Der reinen Keuschheit tadellose Form!
Ich seh' Euch sichtbar, und nun glaube ich,
Daß Er, das höchste Gute, dem der Wesen Menge
Nur sclav'sche Diener seines Willens sind,
Mir, in der Noth, von seinen heil'gen Engeln einen
Zum Schutz des Lebens und der Ehre senden wird. –
Ward ich getäuscht? Trügt' mich die finstre Wolke,
Die dich verhüllt, o Silberschein der Nacht?

Das Uebrige ist mir entfallen,« sagte der Declamator, »und ich wundere mich, wie ich nur das habe behalten können.«

Sir Henry Lee, der etwas ganz anderes, als diese classischen, schönen Zeilen erwartete, veränderte bald den zornigen Ausdruck seiner Züge, entfaltete seine zusammengezogene Unterlippe, streichelte sich den Bart mit der Linken, und ließ den Daumen mit der rechten Hand auf den Augenbraunen ruhen, als ein Zeichen tiefer Aufmerksamkeit. Nachdem Everard zu sprechen aufgehört hatte, seufzte der Greis wie bei dem Verklingen einer harmonischen, süßen Musik. Dann sprach er freundlicher als zuvor: »Neffe Markham, diese Verse fließen süße einher, und klingen in meinem Ohre wie der Ton einer wohlgestimmten Leier. Aber du weißt, daß ich nicht schnell den ganzen Sinn dessen fasse, was ich zum erstenmal höre. Wiederhole mir diese Verse langsam und bedächtig; denn ich höre Poesie gerne zweimal, und zwar zuerst des Wohllauts und dann des Sinnes wegen.«

So aufgemuntert wiederholte Everard die Verse mit größerer Kühnheit und besserem Erfolg; der Ritter begriff sie jetzt vollkommen, und zollte ihnen mit Blick und Bewegung seinen vollkommensten Beifall.

»Ja!« brach er aus, als Everard zum zweitenmal schwieg – »ja – das nenne ich Poesie – wäre es selbst von einem Presbyterianer oder einem Anabaptisten geschrieben. Waren doch sogar Gute und Gerechte unter den sündigen Städten, welche durch das Feuer zerstört wurden. Auch habe ich gehört, obgleich ich es nicht glauben wollte (ich bitte um Verzeihung, Neffe Everard), daß Männer unter Euch sind, die den Irrthum ihrer Wege, sich gegen den besten und gütigsten Herrn empört zu haben, einsehen, und es bedauern, daß er von noch größeren Sündern als sie sind, ermordet wurde. Ohne Zweifel hat der liebliche Geist und das reine Gemüth, welches diese schönen Verse einflößte, den liebenswürdigen Mann schon lange zu sagen gelehrt: ich habe gesündigt, ich habe schwer gesündigt. Ja ich zweifle nicht daran, daß eine so süße Harfe in Gewissensbisse wegen der Verbrechen, welche sie sah, brach; und nun sitzt der Dichter jammernd über die Schande und den Kummer Englands – und alle seine edlen Gedichte – wie Will sagt:

Gleich süßem Laut verjagt von rauhen Tönen.

Meinen Sie es nicht auch, Mr. Kerneguy?«

»Nein Sir Henry,« antwortete der Page.

»Wie, Sie glauben nicht, daß der Verfasser dieser Verse zu den Besseren gehört, und sich unserer Ueberzeugung nähert?«

»Ich glaube, Sir Henry, daß die Poesie diesem Dichter gestattet, ein Schauspiel zu schreiben, dessen Held die Dame Potiphar und ihr widerspenstiger Liebhaber ist. Was aber seinen Beruf betrifft, so würde mich die letzte Metapher von der Wolke im schwarzen Rock oder Mantel mit silbernen Tressen verleitet haben, ihn für einen Schneider zu halten, wenn ich nicht wüßte, daß er ein Schulmeister von Profession ist, und daß seine politischen Meinungen ihn dazu eignen, der gekrönte Dichter des Cromwell zu sein. Denn was Oberst Everard mit so großer Salbung hersagte, ist das Werk keiner minder berühmten Person, als des John Milton.«

»John Milton!« rief Sir Henry Lee erstaunt aus. »Was! John Milton, der gotteslästerliche, blutdürstige Verfasser der Defensio populi anglicani! – Der Vertheidiger des höllischen Obergerichtshofs der Feinde! Die Kreatur und der Schmeichler des großen Betrügers, des fluchwürdigen Heuchlers, des abscheulichen Ungeheuers, des Abschaums der Menschheit, des Sammelplatzes aller Sünden, des Compendiums aller Niederträchtigkeit, des Oliver Cromwell!«

»Derselbe John Milton,« antwortete Carl; »der Schulmeister der kleinen Buben, der Schneider der Wolken, die er mit schwarzen, silberbortigen Kleidern auf Unkosten des gesunden Menschenverstandes versieht.«

»Markham Everard,« sagte der alte Ritter, »ich werde dir das nie vergeben – nie – nie! Du hast mich lobend von einem Mann sprechen lassen, dessen Fleisch die Raben füttern sollte. Sprechen Sie nicht, Sir, sondern gehen Sie! Habe ich, Ihr Verwandter und Wohlthäter es verdient, daß Sie mir hinterlistiger Weise Lobsprüche entreißen, und mich dazu bewegen, dem Sophisten Milton Weihrauch zu streuen?«

»Wahrlich,« sagte Everard, »das heißt streng gemessen, Sir Henry. Sie drängten in mich – Sie forderten mich auf, so gute Verse wie die des Shakespeare zu finden. Ich dachte nur an das Gedicht, und nicht an die politischen Ansichten Miltons.«

»Ach ja doch, Herr,« erwiederte Sir Henry, »wir kennen Ihren Scharfsinn wohl, und wissen wie genau Sie unterscheiden; so konnten Sie den Rechten des Königs den Krieg erklären, ohne die geringste Absicht gegen seine Person zu haben. Ach Gott behüte dafür! Aber Gott wird Sie hören und richten. – Stelle nur den Trank hin, Phöbe – Oberst Everard ist nicht durstig. – Ihr habt Eure Mäuler abgewischt und gesagt, Ihr hättet nichts Schlimmes gethan. Aber obgleich Ihr die Menschen täuschen könnt, so werdet Ihr doch Gott nicht hintergehen.«

So plötzlich mit allen Fehlern belastet, welche man seiner ganzen religiösen Secte und politischen Partei vorwarf, fühlte Everard zu spät, welcher Unvorsichtigkeit er sich schuldig gemacht hatte, daß er den Geschmack seines Oheims an dramatischer Poesie angegriffen hatte. Er versuchte es sich zu erklären – Abbitte zu thun.

»Ich habe Ihre Absicht mißverstanden, geehrter Herr, und glaubte, Sie wünschten wirklich etwas von unserer Literatur zu hören, und indem ich Ihnen das wiederholte, was Sie nicht für unwürdig hielten angehört zu werden, gestehe ich ein, daß ich glaubte, Ihnen eine Gefälligkeit zu erzeigen, und nicht Ihren Unwillen zu erregen.«

»Ach ja,« versetzte der Ritter mit ungemildertem Rachegefühl, – »eingestehen – eingestehen, ja das ist der neue Versicherungsausdruck statt der profanen Schwüre der Höflinge und Royalisten. – Ach Herr, gestehen Sie weniger ein und üben Sie mehr aus – und hiermit – guten Tag. Mr. Kerneguy, Sie werden das Getränke in meinem Zimmer finden.«

Während Phöbe vor Verwunderung über den plötzlichen Streit die Augen aufriß, ward die Heftigkeit und das Rachegefühl des Obersten Everard durch die Gleichgiltigkeit des jungen Schotten nicht wenig vergrößert. Dieser hatte sich mit seinen Händen in den Seitentaschen (eine höfische Ziererei seiner Zeit) in einen der alterthümlichen Stühle geworfen, und obgleich er zu höflich war, laut auf zu lachen, und die Kunst jenes innern Gelächters besaß, wodurch die Weltleute ihrem Spotte freien Lauf lassen, ohne Händel anzuregen, oder geradezu zu beleidigen, so bemühte er sich doch nicht eben sehr es zu verbergen, daß ihn der Erfolg des Besuchs, welchen der Oberst zu Woodstock abgestattet hatte, außerordentlich erfreue und unterhalte. Doch hatte die Geduld des Obersten Everard nun ihr Ziel erreicht; denn wenn er schon in politischen Ansichten himmelweit von ihm verschieden war, so bestand doch in der Gemüthsart des Oheims und des Neffen eine ausgezeichnete Ähnlichkeit.

»Hölle und Welt!« rief der Oberst mit einem Tone aus, der einem Puritaner eben so wenig wie der Fluch selbst ziemte.

»Amen!« sagte Louis Kerneguy, aber mit einem so sanften und leisen Tone, daß der Ausruf ihm eher zu entschlüpfen, als mit Absicht gesagt zu sein schien.

»Sir!« sagte Everard, indem er sich ihm auf eine Weise näherte, wie ein Mann, der in seiner Wuth nicht ungern einen Gegenstand findet, an dem er sie auslassen kann.

» Plaît-il?« sagte der Page sehr gleichgiltig, indem er ihm mit der größten Unschuld in's Gesicht sah.

»Herr, ich wünschte die Meinung dessen zu erfahren, was Sie so eben sagten?«

»Es war nur eine Ergießung des Geistes, würdiger Herr,« erwiederte Kerneguy, »ein kleines Stoßgebetlein, um die heilige Bitte zu begleiten, die Sie eben aussprachen.«

»Sir, ich weiß, daß ein Lächeln wie das Ihrige schon manchem Manne das Leben gekostet hat,« erwiederte Everard.

»So sehen Sie nun!« antwortete der boshafte Page, den der Gedanke an seine Sicherheit selbst nicht verhindern konnte, seinen Scherz zu genießen. »Wenn Sie bei Ihrem Geständniß geblieben wären, so würden Sie sich jetzt nicht so vergessen haben; aber Ihr kräftiger Fluch sprang wie ein Korkstopfen von einer Flasche Champagner und erlaubt nun Ihrem Zorne in der ehrlichen ungetauften Sprache eines gemeinen Buben schäumend nachzusprudeln.«

»Um's Himmelswillen Mr. Girnegy,« sagte Phöbe, »sprechen Sie doch nicht so bitter mit dem Obersten! Und Sie, mein guter Oberst Markham, lassen Sie sich nicht dadurch beleidigen – er ist nur ein Bube.«

»Wenn der Oberst oder Sie Fräulein Phöbe es erproben wollen, so werden Sie finden, daß ich ein Mann bin. Ich glaube der Edelmann kann schon etwas davon sagen. – Vielleicht empfiehlt er Ihnen die Rolle der Lady Comus; und ich hoffe nur, daß seine Bewunderung des John Milton ihn nicht dazu verleiten wird, die Rolle des Samson Agonistes zu übernehmen, um dieses alte Haus mit seinen Flüchen zu beladen, oder es im Zorn niederzureißen.«

»Junger Mann,« sagte der Oberst in stets bewegter Leidenschaft, »wenn Sie auch meine Grundsätze sonst nicht ehren, so dürfen Sie sich bei ihnen doch für den Schutz bedanken, den Sie sonst nicht leicht finden würden.«

»Nun,« sagte das Mädchen, »muß ich Diejenigen holen, welche größeren Einfluß haben als ich.« Mit diesen Worten flog Phöbe davon, während Kerneguy dem Everard in demselben beleidigenden Tone kalter Gleichgiltigkeit antwortete:

»Ehe Sie mir mit einer so furchtbaren Sache, wie Ihre Rache ist, drohen, sollten Sie auch gewiß sein, ob ich nicht durch Umstände gezwungen werden kann, Ihnen die Gelegenheit zu entreißen, auf welche Sie anzuspielen scheinen.«

In diesem Augenblick trat Alexis, ohne Zweifel von ihrer Dienerin aufgefordert, eilig in die Halle.

»Mr. Kerneguy,« sagte sie, »mein Vater wünscht Sie in Victor Lee's Zimmer zu sprechen.«

Kerneguy stand auf und verbeugte sich, schien aber entschlossen da zu bleiben, bis Everard wegginge, um alle Erklärung zwischen den Verwandten zu hindern.

»Markham,« sagte Alexis eilig – »Vetter Everard – ich kann nur einen Augenblick hier verweilen – um Gotteswillen geh' – augenblicklich! – Sei vorsichtig und geduldig – aber verweile nicht hier – mein Vater ist furchtbar aufgebracht.«

»Ich weiß das schon durch meinen Oheim, Madame,« erwiederte Everard, »und kenne seinen Befehl, mich zu entfernen, dem ich auch unverzüglich Gehorsam leisten will. Ich war nicht darauf vorbereitet, daß Sie einen so harten Befehl gerne unterstützen würden; aber ich gehe, Madame, wohl wissend, daß ich Diejenigen zurücklasse, deren Gesellschaft Ihnen angenehmer ist.«

»Ungerecht – unedel – undankbar!« sagte Alexis; aber fürchtend, ihre Worte möchten Ohren erreichen, für welche sie nicht bestimmt waren, sprach sie mit einer so schwachen Stimme, daß ihr Vetter, an den sie gerichtet waren, den Trost verlor, den sie ihm bringen sollten.

Er verbeugte sich kalt gegen Alexis und sagte mit jener erzwungenen Höflichkeit, die unter Leuten von Stande sehr oft den tödtlichsten Haß verbirgt: »Mr. Kerneguy, ich muß wohl für jetzt meine Ansichten über die Dinge, deren wir in unserem Gespräch erwähnten, unterdrücken, doch werde ich einen Edelmann zu Ihnen schicken, welcher die Ihrige erfragen soll.«

Der vermeintliche Schottländer machte ihm eine tiefe und zu gleicher Zeit herablassende Verbeugung, sagte, er würde seine Befehle erwarten, und indem er der Alexis seinen Arm anbot, um sie in das Zimmer ihres Vaters zurückzuführen, nahm er von seinem Nebenbuhler triumphirend Abschied.

Everard dagegen, welcher über seine Geduld gereizt war, und aus dem Wesen des Jünglings noch immer schloß, daß es entweder Wilmot oder einer seiner Gefährten im Rang und in der Ausschweifung sei, kehrte nach der Stadt Woodstock zurück, entschlossen, sich nicht ungestraft verdrängen zu lassen, selbst wenn er Mittel anwenden müßte, welche seine Grundsätze nicht rechtfertigen konnten.



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