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Einundzwanzigstes Kapitel.

Der Bursche ist – wie heißt er doch?
Ach Jacob – ja, ich weiß es noch.

Crabbe.

Die vereinigten zärtlichen Verwandten fühlten sich glücklich, ihr Unglück in Gemeinschaft tragen zu können. Sie umarmten sich immer von Neuem, und ließen den Ergießungen ihres Herzens freien Lauf, welche den Druck der geistigen Leiden ausdrücken und erleichtern. Endlich ließ die Fluth ihrer Gefühle nach; und Sir Henry, der immer noch seinen wiedergefundenen Sohn an der Hand hielt, ward endlich seiner Gefühle Meister.

»Also hast du der letzten unserer Schlachten beigewohnt, Albert,« sagte er, »wo die Fahnen des Königs vor denen der Rebellen sanken.«

»So ist's,« erwiederte der junge Mann – »der letzte Wurf des Würfels ward bei Worcester geworfen, und leider verloren; Cromwell's Glück herrschte vor, wie überall, wo er sich zeigt.«

»Gut – es wird nur eine Zeit lang dauern – es kann nur eine Zeit lang dauern,« antwortete sein Vater; »der Teufel ist, wie man sagt, mächtig, seine Günstlinge zu erheben und zu belohnen, aber er kann ihnen nur kurze Frist gewähren. – Aber der König – der König, Albert – der König – in's Ohr – leise, leise!«

»Unsere letzten Nachrichten setzten uns in Kenntniß, er wäre von Bristol entflohen.«

»Nun, Gott sei dafür gedankt – Gott sei gedankt;« sagte der Ritter, »wo verließest du ihn?«

»Bei der Brücke wurde fast das ganze Regiment in Stücke gehauen,« war Alberts Antwort; »aber ich folgte Sr. Majestät mit ungefähr 500 Officieren und Edelleuten, die entschlossen waren, in seiner Nähe zu sterben. Da aber unsere Anzahl und unser Stand die ganze feindliche Armee uns zu verfolgen bewog, so gefiel es Sr. Majestät, uns mit vielen und dankenden Worten im Allgemeinen zu entlassen, und würdigte noch die Meisten von uns insbesondere einiger freundlichen Worte. Vor Allen läßt er Ihnen seinen königlichen Gruß entbieten, wobei er noch Vieles hinzufügte, das mir zu wiederholen nicht ziemt.«

»Nein, ich will jedes Wort hören, Knabe,« sagte Sir Henry; »ist nicht die Gewißheit, daß du deine Pflicht erfülltest, und daß König Carl es eingesteht, hinreichend, um mich über allen meinen Verlust und alle meine Leiden zu trösten, und willst du mich dessen durch eine falsche Scham berauben? – du mußt es mir sagen, und sollt ich es mit Stricken von dir reißen.«

»Dieser Zwang wird nicht nöthig sein,« sagte der Jüngling. »Se. Majestät geruhte mir zu befehlen, dem Sir Henry Lee in seinem Namen zu sagen, daß wenn auch sein Sohn seinem Vater in seiner Anhänglichkeit an die königliche Sache nicht zuvorkommen könne, er ihm doch auf dem Fuße folge, und bald zu seiner Seite gehen würde.«

»Sagte er das?« antwortete der Ritter, »der alte Victor Lee wird mit Stolz auf dich herabsehen, Albert! – Aber ich vergesse, du mußt müd' und hungrig sein.«

»Freilich, Herr,« sagte Albert, »aber das zu ertragen, habe ich mich, meiner Sicherheit wegen, in der letzten Zeit gewöhnen müssen.«

»Joceline! – He da, Joceline!«

Der Förster trat herein, und empfing den Befehl, sogleich das Abendessen zu bereiten.

»Mein Sohn und Doctor Rochecliffe sterben fast vor Hunger.«

»Auch ist da drunten ein Bursche,« sagte Joceline, »wie er sagt, ein Page vom Oberst Albert, dessen Glocke ebenfalls stürmisch zum Mittagessen läutet; denn ich glaube, er könnte ein Pferd auf einmal aufessen; er hat schon ein ganzes Laib Butterbrod gegessen, so dick wie nur Phöbe es schneiden konnte, und es hat doch seinen Magen noch keinen Augenblick beruhigt. – Ich meine, Sie hielten ihn besser unter ihrer Aufsicht; denn der Beamte möchte ihm einige Fragen vorlegen, wenn er hinunter kömmt. Dann ist er auch so ungeduldig, wie alle Pagen der Edelleute, und thut sehr vertraulich mit den Frauenzimmern.«

»Von wem spricht er? Was hast du dir denn da für einen Pagen genommen, Albert, der sich so schlecht beträgt?« sagte Sir Henry.

»Der Sohn eines theuren Freundes, eines edlen schottischen Lords, welcher dem Paniere des großen Montrose folgte, dann sich der Fahne des Königs in Schottland anreihte, und mit ihm nach Worcester kam. Er ward den Tag vor der Schlacht verwundet und beschwor mich, diesen Jüngling unter meine Aufsicht zu nehmen, was ich, obgleich ungerne, that; denn ich konnte einem Vater auf seinem Todtenbette eine Bitte für seinen einzigen Sohn nicht abschlagen.«

»Du hättest auch den Galgen verdient, wenn du geschwankt hättest,« sagte Sir Henry, »das kleinste Bäumchen kann noch Obdach gewähren, – und es freut mich, daß der alte Stamm der Lee's nicht so ganz gehöhlt ist, daß er nicht noch den Unglücklichen einen Zufluchtsort gewähren könne. Führe den Jüngling herein; – er ist von adelichem Geschlecht, und es ist jetzt keine Zeit zur Ceremonie. – Er soll bei uns an derselben Tafel sitzen, wenn er schon nur ein Page ist. Und wenn du ihn in seinen Manieren nicht gehörig geschulmeistert hast, so werden ihm einige Lectionen von mir nicht schaden.«

»Sie werden seine nationale Aussprache entschuldigen, Herr,« sagte Albert, »obgleich ich weiß, daß Sie dieselbe nicht gerne hören.«

»Ich habe auch wenig Ursache dazu, Albert,« antwortete der Ritter. »Wenig Ursache. Wer erregte diese Zwistigkeiten? – Die Schottländer! Und wer unterstützte das Parlament, als seine Sache am Verfall war? – Wieder die Schottländer. Wer überlieferte den König, ihren Landsmann, der ihren Schutz ansprach? – Abermals die Schottländer. – Aber wie du sagst, hat der Vater dieses Burschen unter dem edlen Montrose gekämpft, und ein Mann, wie der große Marquis, kann uns mit der Entartung einer ganzen Nation aussöhnen.«

»Nein, Vater,« sagte Albert, »und ich muß hinzufügen, daß, obgleich dieser Bursche roh und ungeschliffen ist, und wie Sie sehen werden, auch ein wenig eigensinnig, so hat doch der König keinen eifrigeren Freund in England, und wenn die Gelegenheit sich darbot, focht er auch männlich zu seiner Vertheidigung – ich wundere mich, daß er noch nicht kömmt.«

»Er hat ein Bad genommen,« sagte Joceline, »und Alles mußte gleich im Augenblick geschehen. Er sagte, man könne unterdessen das Abendessen bereiten, und er commandirt, als wäre er in dem alten Schlosse seines Vaters, wo er wahrscheinlich laut genug rufen konnte, ehe ihn Jemand hörte.«

»Wahrhaftig,« sagte Sir Henry, »das muß ein sonderbares Stück Wildpret sein, das so schnell aufgeschossen ist. – Wie ist sein Name?«

»Sein Name! – er entfällt mir doch jeden Augenblick, er ist so hart;« sagte Albert, – »Kerneguy ist sein Name – Louis Kerneguy; sein Vater war Lord Killstewers von Kincardineshire.«

»Kerneguy und Killstewers und Kin – wie nanntest du ihn? Wahrhaftig,« sagte der Ritter, »diese nordischen Namen und Titel klingen sehr nach ihrem Ursprunge – sie klingen wie ein Nordwestwind, der zwischen Klippen und Felsen heult und stürmt.«

»Es ist bloß eine Abart des celtischen und sächsischen Dialektes,« sagte Doctor Rochecliffe, »welcher, nach Verstegan, sich noch immer in diesem nördlichen Theil der Insel erhält; aber still, hier kommt das Abendessen und Mr. Louis Kerneguy.«

Wirklich trugen Joceline und Phöbe das Abendessen herein, und hinter ihnen kam, auf einen mächtigen Knotenstock gestützt, und die Nase in der Luft wie ein Spürhund (denn augenscheinlich richtete sich seine Aufmerksamkeit mehr auf die guten Speisen, welche vor ihm hergetragen wurden, als auf irgend eine andere Sache), Herr Kerneguy herein, und setzte sich ohne viele Ceremonie am unteren Ende des Tisches.

Er war ein schmaler, hartgliederiger Bursche, mit feuerrothen Haaren, wie viele von seinen Landsleuten, während die Härte seiner Nationalzüge durch seine Farbe noch vergrößert ward; denn diese war dadurch, daß er stets dem Wetter ausgesetzt war, und durch die herumschweifende unstete Lebensart, welcher sich die flüchtigen Royalisten unterwerfen mußten, fast ganz schwarz geworden. Seine Rede war keineswegs einnehmend, da er theils schüchtern, theils aufdringlich war, und auf eine merkwürdige Weise zeigte, wie der Mangel an einem anständigen Betragen mit einer wunderbaren Selbstzufriedenheit bestehen könne. Sein Gesicht zeigte, daß es vor Kurzem einige Risse erhalten hatte, und die Sorgfalt des Doctor Rochecliffe hatte es mit einer Anzahl von Pflastern geziert, welche die natürliche Fülle seines Antlitzes noch erhoben. Doch waren die Augen glänzend und ausdrucksvoll, und bei seiner Häßlichkeit (denn so konnte man wohl die Unregelmäßigkeit seines Gesichtes nennen) fehlten ihm doch gewisse Züge nicht, welche Scharfsinn und Entschlossenheit verriethen.

War schon die Kleidung des Albert selbst weit unter seinem Stande, als der Sohn des Sir Henry Lee und Befehlshaber eines Regimentes in königlichen Diensten, so befand sich doch die seines Pagen in einem noch weit schlimmeren Zustand. Eine geflickte grüne Jacke, welche durch Sonnenschein und Regen schon hundertmal die Farbe gewechselt hatte, so daß man die ursprüngliche Grundfarbe kaum mehr entdecken konnte, ungeheure weite Schuhe, lederne Hosen, so wie sie die Bauern tragen, und ordinäre graue gestrickte Strümpfe bildeten den Anzug des ehrenwerthen Jünglings, dessen armseliger Gang, verbunden mit der Unlieblichkeit seiner Manieren, die Größe seiner Leiden zeigte.

Das Gebet war gesprochen, und der Junker von Ditchley sowohl als Doctor Rochecliffe thaten das Ihrige bei einem Mahle, deßgleichen in Menge und Ueberfluß ihnen in der letzten Zeit nicht oft zu Theil geworden zu schein schien. Aber ihre Thaten waren Kinderspiele im Vergleich mit denen des schottischen Jünglings. Weit entfernt, durch irgend ein Symptom das Brod und die Butter zu verrathen, mit welchen er die Leere seines Magens auszufüllen glaubte, schien sein Appetit durch ein neuntägiges Fasten erhöht zu sein; und der Ritter war geneigt zu glauben, daß ihn der Geist der Hungersnoth selbst aus seinem Geburtslande, dem Norden, mit einem Besuche beehren wollte, während – als fürchte er sich, einen Augenblick von seiner Beschäftigung aufhören zu müssen, – sich Kerneguy weder rechts noch links umsah, und bei Tische nicht ein einziges Wort sprach.

»Ich freue mich, zu sehen, daß Sie einen guten Appetit aus Ihrer fernen Gegend mitgebracht haben, junger Edelmann,« sagte Sir Henry.

»Gute Zucht, Herr,« sagte der Page im schottischen Bauerndialect; »finde ich Fleisch, so finde ich auch meinen Appetit, und so in jedem Tag im Jahr. Aber die Wahrheit ist, Sir, daß die Appetite schon seit drei bis vier Tagen kamen, aber das Essen in eurem Südland knapp ist und schwer zu haben. Also, Sir, suche ich die Zeit wieder einzubringen, wie der Pfeifer von Sligo sagt, wenn er eine Hammelskeule ißt.«

»Ihr seid auf dem Lande erzogen, wie es scheint, junger Mann,« sagte der Ritter, welcher gleich Anderen seiner Zeit, die Zuchtruthe über die kommende Generation etwas streng erhob; »wenigstens nach den schottischen Jünglingen zu schließen, welche ich in früheren Zeiten an dem Hofe Sr. verstorbenen Majestät sah; die hatten weniger Hunger und mehr – mehr« – als er den passenden Ausdruck suchte, um das Wort Anstand zu ersetzen, schloß sein Gast den Satz auf seine eigene Weise – »und mehr zu essen, das kann wohl sein, – um so viel besser für sie.«

Sir Henry erröthete und schwieg. Sein Sohn hielt es für Zeit, sich in's Mittel zu legen. »Mein theurer Vater,« sagte er, »bedenken Sie, wie viele Jahre seit 1638, wo die schottischen Unruhen zuerst anfingen, verflossen sind, und ich bin überzeugt, daß Sie sich nicht mehr darüber wundern werden, daß, während die schottischen Barone für eine oder für die andere Sache beständig im Felde waren, die Erziehung ihrer Kinder zu Hause sehr vernachlässigt werden mußte, und daß junge Leute von dem Alter meines Freundes besser das Schwert zu handhaben und die Lanze zu führen verstehen, als sie von den Gebräuchen einer Gesellschaft wissen.«

»Dein Grund ist treffend,« sagte der Ritter; »und da du sagst, daß dein Page, Kernigo, zu fechten versteht, so wollen wir es ihm in Gottes Namen nicht an Speise fehlen lassen. – Sieh, wie eifrig er nach jener kalten Hammelskeule hinschielt – um Gotteswillen, lege sie ihm nur ganz auf seinen Teller!«

»Ich kann Dickes und Dünnes beißen,« sagte der ehrenwerthe Mr. Kernigo, »ein hungriger Hund läßt sich hartes Fleisch an einem tüchtigen Knochen wohl schmecken.«

»Nun, Gott sei uns gnädig, Albert,« sagte Sir Henry leise zu seinem Sohne, »aber wenn das der Sohn eines schottischen Pairs ist, so möchte ich der englische Bauer nicht sein, der für sein altes Blut, für seinen Adel und für seine Güter, wenn er welche besitzt, mein Betragen mit ihm tauschen wollte. Er hat, so wahr ich ein Christ bin, beinahe vier Pfund solide Metzgerwaare gegessen mit der Grazie eines Wolfes, welcher den Leichnam eines todten Pferdes auffrißt. – Nun endlich trinkt er doch einmal – so – er wischt sich doch den Mund ab – er taucht seine Finger in den Krug und trocknet sich mit dem Tischtuch ab! Nun, lieblich ist er einmal, das muß wahr sein!«

»Da wünsche ich Ihnen allen eine recht gute Gesundheit!« sagte der adeliche Jüngling und that dann im Verhältniß zu den Speisen, welche er verschlungen hatte, einen gehörigen Schluck; dann warf er Messer und Gabel auf den Teller, stieß diesen bis in die Mitte des Tisches, streckte seine Füße aus, kreuzte seine Arme auf seinem wohlgefüllten Magen, lehnte sich in seinen Stuhl zurück und sah aus, als wolle er sich in Schlaf lullen.

»So,« sagte der Ritter, »der ehrenwerthe Mr. Kernigo hat die Waffen niedergelegt. Nimm diese Sachen weg und gib uns unsere Gläser – fülle sie in der Runde, Joceline; und wenn auch der Teufel und das ganze Parlament uns belauschten, so mögen sie es hören, daß Henry Lee von Ditchley auf das Wohl des Königs Carl und auf den Untergang aller seiner Feinde trinkt!«

»Amen!« rief eine Stimme vor der Thüre. Die ganze Gesellschaft sah sich bei einer so unerwarteten Antwort erstaunt an. Hierauf folgte ein feierliches eigenes Klopfen, das eine Art von Freimaurerei unter den Royalisten eingeführt hatte, durch welches sie sich und ihre Grundsätze kennen lernten, wenn sie sich zufällig trafen.

»Es hat keine Gefahr,« sagte Albert, welcher das Zeichen kannte – »es ist ein Freund; doch wünschte ich ihn jetzt auf weitere Entfernung.«

»Und warum, mein Sohn, wünschst du die Abwesenheit eines treuen Mannes, der vielleicht bei einer jener seltenen Gelegenheiten unsern Ueberfluß zu theilen wünscht, wenn er uns zufällig einmal zu Gebote steht? Geh, Joceline, sieh wer da klopft, und wenn es ein sicherer Mann ist, so laß ihn ein.«

»Und wo nicht,« sagte Joceline, »so glaube ich im Stande zu sein, ihn zu verhindern, diese gute Gesellschaft zu stören.«

»Keine Gewaltthätigkeit, bei deinem Leben,« sagte Albert Lee, und Alexis wiederholte: »um Gottes willen, keine Gewaltthätigkeit.«

»Wenigstens keine unnöthige Gewaltthätigkeit,« sagte der gute Ritter; »denn wenn es die Noth erfordert, so will ich zeigen, daß ich Herr in meinem Hause bin.« Joceline Joliffe winkte allen zu, und ging auf den Zehen, um einige andere geheimnißvolle Kennzeichen zu wechseln, ehe er die Thür öffnete.

Es ist wohl der Ort zu bemerken, daß diese Art von geheimer Verbindung mit ihren Kennzeichen nur unter der ausschweifenden, verzweifelnden Klasse der Royalisten bestand, die an das lüderliche Leben einer undisciplinirten Armee gewöhnt, Ordnung und Regelmäßigkeit als ein Zeichen von Puritanismus betrachteten. Das waren die brüllenden Bursche, welche man in den Winkelkneipen traf, und die, wenn sie zufällig etwas Geld und Credit erhalten hatten, entschlossen waren, eine Gegenrevolution zu bilden, indem sie ihre Sitzungen für permanent erklärten, und es mit den Worten eines ihrer besten Trinklieder verkündeten.

»Wir wollen trinken auf gutes Glück,
Bis wir bringen den König zurück.«

Die Führer und der Adel der höheren Stände von besseren Grundsätzen theilten freilich diese Ausschweifungen nicht; aber sie hatten immer ihre Augen auf eine Klasse gerichtet, welche mit ihrem Muth und ihrer Verzweiflung im Stande war, bei einer günstigen Gelegenheit der verfallenen königlichen Sache gute Dienste zu leisten. Es ist wohl kaum nöthig, hinzuzufügen, daß sich unter der niedern Klasse und zuweilen selbst unter der höheren, Männer fanden, welche die Pläne und Verschwörungen ihrer Gefährten, sie mochten nun gut oder schlecht angelegt sein, den Führern des Staates mittheilten. Besonders führte Cromwell einen Briefwechsel dieser Art mit Royalisten vom höchsten Rang und vom unbezweifeltsten Charakter, die, wenn sie auch Personen, die sich ihnen anvertraut hatten, nicht verrathen wollten, doch keinen Augenblick schwankten, der Regierung allgemeine Nachrichten mitzutheilen, welche diese in den Stand setzten, eine jede Verschwörung zu vereiteln.

Wir kehren zu unserer Geschichte zurück. In kürzerer Zeit, als wir dazu gebraucht haben, dem Leser diese historischen Facta ins Gedächtniß zurückzurufen, hatte Joliffe seine geheimnißvolle Mittheilung beendigt, und da er gehörige Antwort erhielt, so öffnete er das Thor, und herein trat unser alter Freund Roger Wildrake, Rundkopf der Kleidung nach, wozu ihn seine Sicherheit und seine Abhängigkeit von Oberst Everard zwang, aber diese Kleidung auf eine sehr cavaliermäßige Weise angezogen, die den stärksten Widerspruch mit den gewöhnlichen Manieren und der Sprache des Wildrake bildeten, dem diese Kleidung nie recht stehen wollte.

So lächerlich aber auch der Widerspruch zwischen der Kleidung und dem Betragen des Cavaliers war, so konnte man doch, trotz des Eigendünkels in seinem Auge und einer unnachahmlichen Leichtfertigkeit und Gedankenlosigkeit in seinem Wesen, auf der anderen Seite nicht läugnen, daß Wildrake etwas an sich hatte, das ihm Furcht und Achtung verschaffte. Er war schön, trotz des frechen, lüderlichen Zuges; ein Mann vom entschiedensten Muthe, obgleich seine Prahlerei ihn manchmal zweifelhaft machte, und seinen politischen Grundsätzen aufrichtig ergeben, obgleich er so unklug war, sich oft damit zu brüsten, was vereint mit seiner Abhängigkeit vom Obersten Everard vernünftige Leute dazu verleitete, seine Aufrichtigkeit zu bezweifeln.

So wie er nun einmal war, trat er in das Zimmer des Victor Lee, wo seine Gegenwart den Anwesenden nichts weniger als angenehm war, mit keckem Schritte und mit dem Bewußtsein, die bestmöglichste Aufnahme zu verdienen. Wenn übrigens der Cavalier seinem Gelübde nachgekommen war, und heute Abend nur einen Schluck getrunken hatte, so mußte es ein gewaltiger und lang anhaltender gewesen sein.

»Gott zum Gruß, – Gentlemen! Gott zum Gruß, mein werthester Sir Henry Lee, obgleich ich kaum die Ehre habe, Ihnen bekannt zu sein. Gott zum Gruß, mein würdiger Doctor, wir wollen auf die baldige Herstellung der gefallenen Kirche von England beten.«

»Sie sind willkommen, Sir,« sagte Sir Henry Lee, dessen Gastfreundschaft und der einem Royalisten gebührende brüderliche Empfang ihn bewog, diese aufdringliche Weise zu dulden, was er sonst wohl nicht gethan hätte. »Wenn Sie für den König fochten oder litten, Herr, so ist das ein hinreichender Grund, in unser Haus zu kommen, und über alle Dienste zu befehlen, die nur in unserer Macht stehen, obgleich wir gegenwärtig im Familien-Cirkel versammelt sind. Aber mir kömmt es vor, als hätte ich Sie bei Mr. Markham Everard, der sich Oberst Everard nennt, gesehen – wenn Ihre Botschaft von ihm kömmt, so werden Sie mich vielleicht gerne allein sprechen wollen?«

»Keineswegs, Sir Henry, keineswegs. Es ist wahr, da mein Unstern es haben will, daß ich mich auf der stürmischen Seite der Hecke befinde, wie alle ehrliche Leute – Sie verstehen mich, Sir Henry – so bin ich froh, etwas von den Manieren meines alten Freundes und Kameraden annehmen zu können – nicht etwa, indem ich meine Grundsätze verberge oder verläugne – ich verachte das; – aber indem ich ihm so viele Gefälligkeiten thue, als er von mir zu wünschen beliebt. So kam ich hieher mit einer Botschaft von ihm, an den alten rundköpfigen Sohn einer – (ich bitte die junge Dame um Verzeihung von der Spitze ihres Hauptes bis auf den Absatz ihrer Schuhe). Und wie ich nun so im Dunkeln meines Weges daher schleiche, da hörte ich Sie einen Toast ausbringen, der mir das Herz erwärmte, und es erwärmen wird, bis es der Tod erkaltet; – das gab mir die Kühnheit, Sie wissen zu lassen, daß ein ehrlicher Mann es höre.«

Dieses war die Selbsteinführung des Herrn Wildrake; der Ritter bot ihm dagegen einen Stuhl und ein Glas Sect auf Sr. Majestät glorreiche Wiedereinsetzung an. Auf diesen Wink drängte sich Wildrake ohne weitere Ceremonie neben den jungen Schottländer, und that seinem Wirthe nicht allein auf den Toast Bescheid, sondern unterstützte ihn noch, indem er freiwillig einige Verse seines Lieblingsliedes: »der König kömmt wieder in sein Reich etc.« hinzufügte. Die Herzlichkeit, mit welcher er den Gesang anstimmte, erweiterte dem alten Ritter das Herz, obgleich Albert und Alexis sich mit Blicken ansahen, welche bezeugten, wie lästig ihnen der Aufdringliche sei. Der ehrenwerthe Mr. Kerneguy besaß entweder jene glückliche Gleichgültigkeit des Gemüthes, welche einen solchen Gegenstand der Beachtung nicht würdig hält, oder er war im Stande, sie vollkommen nachzuahmen; denn er saß ganz kalt da, schlürfte seinen Sect oder krachte Wallnüsse auf, ohne daß man es ihm äußerlich anmerkte, daß er die Vergrößerung der Gesellschaft gewahre. Wildrake, welcher Wein und gute Gesellschaft liebte, schien nicht abgeneigt, seinem Wirthe zu willfahren, indem er die Kosten der Unterredung ( les frais de la conversation) trug.

»Sie sprechen vom Fechten und Leiden, Sir Henry Lee – Gott steh' uns bei, wir haben alle unsern Antheil. Alle Welt weiß, was Sir Henry Lee auf dem Schlachtfelde zu Edgefield bis jetzt für Thaten verrichtete, wo nur ein royalistisches Schwert gezogen ward, oder ein königliches Panier flatterte. – Ach Gott, helfe uns; auch ich habe etwas geleistet. Mein Name ist Roger Wildrake von Squattlesea-mere, – Lincoln – nicht als hätten Sie früher etwas davon gehört; aber ich war Rittmeister bei Lunsford's leichter Cavallerie und späterhin bei Goring. Ich war ein Kinderfresser, Herr.«

»Ich habe von den Thaten Ihres Regiments gehört, und vielleicht werden Sie auch finden, daß ich einige davon angesehen habe, wenn wir zehn Minuten zusammen zubringen. Auch ich hörte Ihren Namen nennen. Ich erlaube mir auf Ihre Gesundheit zu trinken, Rittmeister Wildrake von Squattlesea-mere – Lincolnshire.«

»Sir Henry, ich trinke die Ihrige in diesem vollen Humpen und auf meinen Knieen, und möchte es ebenfalls dem jungen Edelmann (er sah auf Albert) anbieten und dem Herrn vom grünen Rocke; denn ich halte ihn für grün, obgleich die Farben für mein Auge nicht ganz deutlich sind.«

Albert, welcher unterdessen bei Seite mit Doctor Rochecliffe flüsterte, mehr noch als der Geistliche zu wünschen schien, horchte, – was auch der Gegenstand ihrer Privatunterhaltung gewesen sein mochte, – doch aufmerksam auf das allgemeine Gespräch, und mischte sich zuweilen darein, so wie ein Kettenhund den geringsten Lärmen selbst während seines Fressens bemerkt.

»Rittmeister Wildrake,« sagte Albert, »wir (nämlich mein Freund und ich) haben gar nichts dagegen, bei einer passenden Gelegenheit das Unsrige zu schwatzen. Aber Sie, Herr, der Sie sich schon so lange herumtreiben, müssen nothwendigerweise wissen, daß bei einem so zufälligen Zusammentreffen, wie das unsrige, man seinen Namen nicht nennt, wenn es nicht besonders nöthig ist. Ich gestehe, daß ich, wenn Sie Ihr Herr Capitän Everard oder Oberst Everard, wenn er ein Oberst ist, auf Gewissen früge, wer die Personen waren, welche diesen oder jenen Toast ausbrachten, ich Ihnen gerne die Mühe ersparen wollte.«

»Wahrhaftig, da schlag ich einen viel kürzeren Weg ein,« antwortete Wildrake; – »ich kann mich um's Leben keines Toastes mehr erinnern – ich bin darin ganz sonderbar vergeßlich.«

»Gut, Herr,« erwiederte der junge Lee, »aber wir, die wir unglücklicher Weise ein besseres Gedächtniß haben, wir wollen uns der allgemeinen Regel unterwerfen.«

»Ach, Herr,« antwortete Wildrake, »von ganzem Herzen. Ich dringe mich Niemanden zum Vertrauten auf, hol' mich der Teufel – und ich sprach nur der Höflichkeit willen.« Dann stimmte er die Melodie an:

Der Becher gehe in der Rund,
Wir trinken auf sein Wohl;
Und wär' von Seid' das Strümpflein auch,
Das Knie muß nieder auf den Grund,
Muß nieder auf den Grund.

»Dränge nicht weiter in ihn,« sagte der alte Ritter, indem er sich zu seinem Sohn wandte, »Mr. Wildrake ist einer aus der alten Schule, einer von den lustigen Brüdern; wir müssen ein wenig Geduld mit ihnen haben, denn wenn sie tüchtig trinken, so fechten sie doch auch tapfer. Ich werde nie vergessen, wie ein Trupp von ihnen kam, und uns Schreiber von Oxford, wie sie das Regiment nannten, zu dem ich gehörte, während des Sturmes von Brentford aus einer verzweifelten Lage riß. Ich sage dir, wir lagen sowohl in der Fronte, als im Rückhalt zwischen Lanzen, und wären schlimm davon gekommen, wenn nicht Lunsfords leichte Reiter, die Kinderfresser, wie man sie nannte, den Feind mit aller Macht angegriffen und uns befreit hätten.«

»Ich freue mich, daß Sie daran denken, Sir Henry,« sagte Wildrake, »erinnern Sie sich auch noch, was der Lunsforder Offizier sagte?«

»Ich meine doch,« sagte Sir Henry lächelnd.

»Nun gut! rief er nicht aus, als die Weiber herabkamen und wie Syrenen heulten: hat keine von euch ein fettes Kind, das sie uns geben kann, um es zum Frühstück aufzuspeisen?«

»Ja, es ist wahr,« sagte der Ritter, »und ein großes, dickes Weib trat mit einem Kinde hervor, und bot es dem anscheinenden Canibalen dar.«

Alle Anwesenden, Mr. Kerneguy ausgenommen, erhoben die Hände vor Erstaunen.

»Ja,« sagte Wildrake, »die – Hm (ich bitte die Dame abermals um Verzeihung) das verfluchte Geschöpf war, wie es sich zeigte, eine Amme im Dorfe, die das Kostgeld für das Kind auf ein halbes Jahr voraus bezahlt erhalten hatte. Gut, ich nahm das Kind aus des Wehrwolfs Händen, und ich habe es dahin gebracht, obgleich Gott weiß wie mühsam ich mich selbst ernähren mußte, den kleinen Frühstück, wie ich ihn nannte, bisher aufzuerziehen. – Das heißt doch einen Scherz theuer zahlen.«

»Herr, ich achte Ihre Menschlichkeit – Herr, ich danke Ihnen für Ihren Muth – Herr, es freut mich herzlich, Sie hier zu sehen,« – sagte der gute Ritter, dessen Augen feucht von Thränen waren. »Also waren Sie der wilde Offizier, der uns rettete! Ach Herr, hättet Ihr nur eingehalten, als ich Euch zurief, und uns erlaubt, die Straßen von Brentford mit unseren Musketieren zu reinigen, so würden wir heutigen Tages zu London sein. Aber Ihr guter Wille war ja derselbe.«

»Ja freilich ist es so,« sagte Wildrake, der nun triumphirend und strahlend von Ruhm in seinem Armstuhl saß; »und hier ist ein Toast für alle tapfere Herzen, welche in jenem Sturme von Brentford fochten und fielen.«

So fuhren die Beiden fort, sich ihre Thaten gegenseitig zu erzählen, und sich in der Erinnerung der alten Zeit zu erfreuen. Aber in der Heftigkeit ihres Gesprächs schaukelte sich Wildrake auf seinem Stuhle und stieß den jungen Schottländer um, welcher Alexis gegenüber saß, und dadurch das Fräulein störte, die ein wenig beleidigt oder doch verlegen ihren Stuhl vom Tische zurückzog.

»Ich bitte um Verzeihung,« sagte der ehrenwerthe Mr. Kerneguy, »aber Herr,« indem er sich zu Wildrake wandte, »Sie haben mich gestoßen, so, daß ich den Strumpf der jungen Dame beschmutzt habe.«

»Ich bitte Sie um Verzeihung, Herr, und die junge Dame noch um so viel mehr, wie sich's von selbst versteht, obgleich ich wahrhaftig Ihren Stuhl nicht berührte. Alle Welt, Sir, ich habe keine ansteckende Seuche und keine Krankheit an mir, daß Ihr wie ein Hase davon springt, und das Fräulein stört, was ich mit meinem Leben verhindert haben würde. Herr, wenn Sie ein Nordländer sind, wie Ihre Sprache zeigt, so war wahrhaftig die Gefahr auf meiner Seite, und sie brauchen sich nicht darüber zu beschweren.«

»Herr Wildrake,« sagte Albert, »dieser junge Edelmann ist eben so gut, wie Sie, ein Fremder unter dem Schutze der Gastfreundschaft des Sir Henry, und es kann demselben nicht angenehm sein, Streit unter seinen Gästen entstehen zu sehen. Sie verkennen vielleicht wegen seiner jetzigen Tracht den Stand des jungen Edelmanns. – Es ist der ehrenwerthe Mr. Louis Kerneguy, mein Herr, der Sohn des Lord Kilstewers von Kincardineshire, einer der für den König gefochten hat, so jung er ist.«

»Durch mich soll kein Streit entstehen, Herr – durch mich nicht,« sagte Wildrake. »Ihre Erklärung genügt mir. Herr Louis Girnigo, Sohn des Mylord Gilts dir in Grüngartenschier, ich bin Ihr unterthänigster Sclave, Herr, und trinke Ihre Gesundheit zum Zeichen, daß ich Sie verehre und alle getreue Schotten, welche ihr Schwert für die gute Sache zogen.«

»Ich danke Ihnen und bin Ihnen verbunden, Herr,« sagte der junge Mann mit einem Stolze, der kaum mit seiner Ungeschliffenheit übereinstimmte, »und ich wünsche Ihnen auch höflichst eine gute Gesundheit.«

Ein vernünftiger Mann würde hier mit der Unterredung eingehalten haben, aber es war eine besondere Eigenheit Wildrake's, daß er nie eine Sache gehen lassen konnte, die gut stand. Er fuhr fort, den schüchternen, stolzen und unbeholfenen Jüngling mit seinen Bemerkungen zu necken.

»Sie sprechen Ihren Nationaldialect etwas stark, Mr. Girnigo,« sagte er, »aber doch nicht ganz vollkommen die Sprache der zierlichen Edelleute, die ich unter den schottischen Royalisten gekannt habe. – Ich kannte zum Beispiel einige von den Gordons und andere von gutem Ruf, die immer ein F für ein W setzten, und die Faß für was und fein für Wein sagten.«

Hier legte sich Albert Lee schon wieder in's Mittel, und sagte, daß alle Provinzen von Schottland, so wie die englischen, ihre eigene Aussprache hätten.

»Sie haben ganz recht, Herr,« sagte Wildrake. »Ich glaube nun, Ihr verfluchtes Kauderwelsch – ohne Beleidigung, junger Herr, – ziemlich gut zu sprechen; und doch, als ich mit einigen von den Leuten des Montrose einen Streifzug in das südliche Hochland, wie sie ihre bestialische Einöde nennen (wieder ohne Beleidigung), machte, und den Weg verlor, traf ich einen Schäferburschen, den ich frug, wohin der Weg gehe, und dabei sperrte ich meinen Mund so weit auf, und dehnte meine Stimme, so viel es mir nur möglich war; aber hol' mich der Teufel, wenn mich der Kerl verstand.«

Der junge Schotte blieb bei allen diesen Neckereien sehr kalt; Doctor Rochecliffe aber wandte sich zu Sir Henry und sprach: »erlauben Sie mir, mein werthester Sir, Sie an Ihr Podagra und an unsere lange Reise zu erinnern. Ich thue es um so viel mehr, da mein guter Freund, Ihr Sohn, mich während des ganzen Abendessens mit Fragen plagt, die er viel besser auf morgen früh verschieben würde. Darf ich also um Erlaubniß bitten, uns zur Ruhe begeben zu dürfen.«

»Diese Privatunterhaltungen in einer lustigen Versammlung,« sagte Wildrake, »sind ohnehin Fehler gegen das gute Betragen. Sie erinnern mich an die verfluchten Comiteen zu Westmünster. Aber sollen wir, ehe wir uns trennen, nicht noch die Nachteule ein wenig aufschrecken?«

»Aha, kannst du Shakespeare citiren,« sagte Sir Henry, den es freute, eine neue gute Eigenschaft an seinem Bekannten zu entdecken, dessen militärische Dienste in seinen Augen nur gerade seine Freiheit in seinem Benehmen entschuldigten. »Im Namen des fröhlichen Will,« fuhr er fort, »den ich zwar nie sah, obgleich ich mehrere seiner Gefährten, wie Alleyn, Hemmings u. s. w. kannte – wir wollen einen Gesang und dann ein Rondo anstimmen, ehe wir zu Bette gehen«.

Nach der gewöhnlichen Discussion wegen der Wahl des Liedes und der Stimme, welche ein jeder dabei übernehmen sollte, vereinigten sie sich zu einem royalistischen Trinkliede, welches damals unter dieser Partei herumging, und für dessen Verfasser man keine geringere Person, als den Doctor Rochecliffe selbst hielt.

Trinklied für König Carl

Bringt den Becher, bringt ihn her,
Füllt ihn bis zum Rand,
Füllt ihn, denn wir lieben sehr,
Fürst und Vaterland.
Tapfere Ritter stehet auf,
Stände auch der Tod darauf,
»Hoch lebe König Carl!«

Wandelt er auch durch Gefahr,
Unbekannt, allein –
Muß er trau'n den Fremden gar,
Fremd den Seinen sein;
Scheut Gefahr und Kummer nicht,
Bleiben wir doch treu der Pflicht,
»Hoch lebe König Carl!«

Weigert ihm die Huld'gung nie,
Deren er entbehrt;
Fallet nieder auf das Knie,
Legt die Hand an's Schwert.
Einst tönt der Posaunen Schall,
Treuer Herzen Wiederhall:
»Hoch lebe König Carl!«

Nach diesem Erguß ihres Royalismus und einem Abschiedstrunke trennte sich die Gesellschaft für diese Nacht. Sir Henry bot seinem Bekannten Wildrake ein Bett an, und dieser überlegte die Sache auf seine eigene Weise, folgendermaßen. »Freilich wird mich mein Herr im Flecken erwarten – aber wiederum ist er es auch gewöhnt, daß ich des Nachts manchmal ausbleibe. Dann sagt man auch, daß der Teufel sein Wesen in Woodstock treibt; aber mit dem Segen dieses verehrten Doctors, trotz' ich ihm und allen seinen Werken – zweimal schlief ich hier und ich sah ihn nicht, war er also damals abwesend, so ist er gewiß mit dem Sir Henry Lee und seiner Familie nicht wieder zurückgekommen. Also nehm' ich Ihre Höflichkeit an, Sir Henry, und danke Ihnen wie ein Lunsforder Reiter einem der fechtenden Schreiber von Oxford. Gott segne den König! Ich kümm're mich nichts drum, wer es hört; und Verwirrung auf Noll und seine rothe Nase.« Er ging also fort, von Joceline begleitet, welchem Albert unterdessen zugeflüstert hatte, ihm ja recht weit von der übrigen Familie ein Zimmer einzuräumen. Hierauf grüßte der junge Lee seine Schwester, und mit der Förmlichkeit der damaligen Zeit verlangte und erhielt er den Segen seines Vaters nebst einer zärtlichen Umarmung. Der Page schien einen Theil seines Beispiels nachahmen zu wollen, ward aber von Alexis zurückgewiesen, die seine angebotene Umarmung nur mit einer Verbeugung erwiederte. Dann grüßte er ihren Vater, und wünschte ihm gute Nacht. »Ich freue mich, zu sehen, junger Mann,« sagte dieser, »daß Ihr wenigstens die Achtung kennt, welche man dem Alter schuldig ist. Man sollte sie jederzeit erweisen, Herr. Denn wenn Sie das Alter ehren, so können Sie dieselbe Hochachtung verlangen, wenn Sie dem Schlusse Ihres Lebens nahe kommen. Ich werde, wenn ich Musse habe, noch ein Weiteres mit Ihnen über Ihre Pflichten als Page sprechen, denn dieser Dienst war in früheren Zeiten die wahre Schule des Ritterthums, obgleich sie seit kurzem durch die unordentlichen Zeiten nicht viel besser ist, als eine Schule toller und ausschweifender Frechheit, weßhalb auch Ben Jonson ausrief –«

»Nicht doch, Vater,« sagte Albert, »Sie müssen die Mühseligkeiten dieses Tages bedenken; der arme Bursche schläft fast stehend ein – Morgen wird er mit größerem Nutzen auf Ihre gütigen Ermahnungen hören – und Sie Louis, erinnern Sie sich wenigstens eines Theils Ihrer Pflichten – nehmen Sie den Leuchter und leuchten Sie uns; da kömmt Joceline, um uns den Weg zu zeigen; – also nochmals gute Nacht, mein guter Doctor Rochecliffe – gute Nacht, meine Lieben!«



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