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Neunundzwanzigstes Kapitel.

Benedict: Darf ich ein Wort in Eure Ohren sprechen?
Claudio: Bewahre mich nur Gott vor einem Zweikampf.

Viel Lärm um nichts.

Als Carl eben das Zimmer verlassen wollte, wurde er durch Wildraken verhindert, der mit ungewöhnlichem Ernste und mit phantastischer Wichtigkeit eintrat. »Ich bitte Sie um Verzeihung, mein schöner Herr,« sagte er; »aber wie man in meinem Lande sagt, wenn die Thüre offen steht, so gehen die Hunde hinein. Umsonst klopfte und rief ich in der Halle; und da ich den Weg zu diesem Zimmer kannte, Sir – denn ich bin ein leichter Geselle, und vergesse den Weg nie, den ich einmal ging – so wagte ich es, unangemeldet einzutreten.«

»Sir Henry Lee ist ausgegangen, Sir, wie ich glaube in den Forst,« sagte Carl kalt; denn der Anblick des etwas gemeinen Wüstlings war ihm im Augenblick nicht sehr angenehm, »und Mr. Albert Lee hat das Jägerhaus auf zwei oder drei Tage verlassen.«

»Ich weiß es wohl, Sir,« sagte Wildrake; »aber für jetzt habe ich mit keinem von Beiden Geschäfte.«

»Und mit wem haben Sie denn Geschäfte?« sagte Carl; »das heißt, wenn es erlaubt ist, zu fragen, – da es wahrscheinlich nicht mit mir ist.«

»Ich bitte ebenfalls um Verzeihung,« antwortete Jener; »wahrscheinlich kann es sich auf keinen Anderen beziehen, wenn Sie, wie ich glaube – obgleich Sie jetzt bessere Kleider haben – Mr. Louis Girnigo, der schottische Edelmann im Dienste des Herrn Albert Lee sind.«

»Ich bin Alles, was Sie von ihm finden können,« antwortete Carl.

»Freilich,« sagte der Cavalier, »bemerke ich einen Unterschied, aber Ruhe und bessere Kleider können gar viel bewirken. Auch freut es mich, denn ich hätte einem zerrissenen Bettlersbuben nicht gern eine Botschaft wie die meinige überbracht.«

»Lassen Sie uns an's Geschäft gehen, Sir, wenn es Ihnen beliebt,« sagte der König. – »Sie haben also eine Botschaft an mich, wie Sie sagen.«

»So ist es, Herr,« erwiederte Wildrake. »Sir, ich bin der Freund des Obersten Markham Everard, ein tüchtiger Mann und ein wackerer Haudegen, wenn ich ihm gleich eine bessere Sache wünsche. – Eine Botschaft habe ich für Sie, das ist wahr, und das Brieflein, welches ich Ihnen hier mit der üblichen Form überreiche, setzt Sie von deren Inhalt in Kenntniß.« Indem er das sagte, zog er sein Schwert, legte das erwähnte Billet auf die Spitze desselben, verbeugte sich tief und überreichte es dem Könige.

Der verkleidete Monarch nahm es mit einer ernsten Gegenverbeugung an, und sprach, indem er den Brief öffnete: »Ich darf wohl keinen freundschaftlichen Inhalt in einer Epistel erwarten, die auf eine so feindselige Weise überreicht wird.«

»Ah! – hm – Sir,« erwiederte der Gesandte, sich räuspernd, damit er um so bequemer die diplomatische Sprache annehmen könne; »die Einladung ist nicht eben geradezu feindlich, obgleich sie etwas kriegerisch lautet. Ich hoffe, Sir, daß ein paar Gänge die Sache zu einem erfreulichen Ende führen werden; und dann, wie mein alter Lehrer zu sagen pflegte: Pax nascitur ex bello Der Frieden entsteht durch den Krieg. So rief Napoleon dem Volke zu, das ihn laut um Frieden bat: Oui, mes amis, mais il faut la conquérir. Anm. d. Uebers.. Ich, meines Theils, freue mich gar sehr, von meinem Freunde Markham Everard mit diesem Auftrag beehrt worden zu sein – um so viel mehr, da ich (ich will Ihnen die Wahrheit gestehen, würdiger Sir) fürchtete, die puritanischen Grundsätze, mit denen er verblendet ist, möchten ihn verhindern, der adeligen Weise zu folgen, sich in einer Sache, wie die vorliegende, selbst Recht zu schaffen. Da ich nur dem Freunde einen Freundschaftsdienst erweise, so hoffe ich auch demüthiglichst, daß ich Sir Louis Girnigo nicht dadurch beleidige, daß ich den Weg zu der vorgeschlagenen Sache bahne, und Sie werden mir erlauben, Ihnen zu sagen, daß ich glaube, daß wir, wenn kein Unglück sich dabei ereignet, sämmtlich viel bessere Freunde sein werden, wenn der Sturm vorüber ist, als jetzt.«

»Auf jeden Fall, Sir,« sagte Carl, indem er auf den Brief sah, »mehr als Todfeinde können wir wohl nicht werden, und auf diesen Fuß stellt uns das Billet.«

»Sie sprechen die Wahrheit, Sir,« sagte Wildrake, »es ist eine Herausforderung zu einem Zweikampf, in dem friedlichen Endzweck ein vollkommen gutes Einverständniß zwischen den Ueberlebenden herzustellen – im Fall nämlich dieses Wort alsdann im Pluralis gebraucht werden kann.«

»Also, wie ich merke, fechten wir bloß, um zu einem freundschaftlichen guten Einverständniß zu kommen,« sagte der König.

»Da haben Sie wieder Recht, Herr, und ich danke Ihnen für die Klarheit Ihrer Einsichten,« sagte Wildrake. »Ja, Herr, in einem solchen Falle ist es angenehm, mit einem Manne von Ehre und Verstand zu thun zu haben. Ferner bitte ich Sie, Sir, als eine persönliche Freundschaft gegen mich, daß Sie, da der Morgen wohl kühl werden wird, einen ehrenwerthen Edelmann mitbringen, der es nicht verachtet, sich mit einem armen alten Soldaten wie ich, ein wenig zu beschäftigen, um doch nicht ganz müssig zuzusehen.«

»Ich verstehe Sie, Sir,« erwiederte Carl, »und wenn die Sache zu Stande kömmt, so können Sie darauf rechnen, daß ich für einen passenden Gegner für Sie sorgen werde.«

»Ich werde Ihnen sehr dankbar dafür sein, Sir,« sagte Wildrake; »auch bin ich hinsichtlich des Standes meines Gegners durchaus nicht kitzlich. Es ist wahr, daß ich mich Esquire und Edelmann schreibe, und mich besonders dadurch geehrt fühlen würde, mein Schwert mit dem des Sir Henry oder des Mr. Albert Lee zu kreuzen. Sollte aber das sich nicht machen können, so werde ich es auch nicht verweigern, meine Person einem Jeden entgegenzustellen, der dem Könige diente; denn ich halte das schon an und für sich für eine Art Adelsbrief, und würde daher mit einer solchen Person einen Zweikampf nicht ausschlagen.«

»Der König ist Ihnen für die Ehre sehr verbunden, welche Sie seinen treuen Unterthanen beweisen,« sagte Carl.

»O Herr, ich bin sehr wunderlich in diesem Punkt – sehr wunderlich. – Wenn es sich von einem Rundkopf handelt, dann schlag ich gleich den Adelskalender auf, um zu sehen, ob er das Recht hat, ein Wappen zu führen, wie z. B. Mr. Markham Everard; denn sonst würde ich wahrlich seine Herausforderung nicht überbracht haben. Aber ein Royalist ist bei mir an und für sich schon ein Edelmann. Sei seine Geburt auch noch so niedrig, sein Royalismus hat ihn geadelt.«

»Das ist ganz recht, Sir,« sagte der König. »In diesem Briefe werde ich ersucht, den Mr. Everard morgen früh um 6 Uhr bei dem Baume zu treffen, welchen man die Königs-Eiche nennt. – Ich habe weder gegen den Ort noch gegen die Zeit eine Einwendung zu machen. Als Waffe bietet er das Schwert an, in dessen Führung, wie er sagt, wir uns ziemlich gleich kommen. Zur Gesellschaft zwei Edelleute – ich werde mir einen Secundanten zu verschaffen suchen, und einen passenden Gegner für Sie, wenn Sie Lust haben sollten, an dem Tanz Theil zu nehmen.«

»Ich küsse Ihre Hand, Sir, und verbleibe Ihr ergebenster Diener,« antwortete der Gesandte.

»Ich danke Ihnen, Sir,« fuhr der König fort, »ich werde mich also zur bestimmten Zeit, gehörig versehen, an Ort und Stelle einfinden, wo ich entweder Ihrem Freunde die verlangte Genugthuung mit dem Schwerte leisten, oder ihm eine Ursache angeben werde, warum ich es nicht thue, die ihn zufrieden stellen wird.«

»Um Verzeihung, mein Herr,« sagte Wildrake, »ich kann bei diesen Umständen nicht wohl begreifen, welche Wahl bei einem solchen Falle zwischen zwei Männern von Ehre übrig bleibt, außer« –. Er nahm die Fechterstellung an, und machte mit seinem gezogenen Degen einige Hiebe, aber nicht gegen die Person des Königs, den er anredete.

»Erlauben Sie mir, Sir,« sagte Carl, »wenn ich Sie nicht mit einem Falle belästige, der wahrscheinlich nicht eintreten wird. – Aber ich könnte z. B. einen wichtigen Dienst für die öffentliche Sache anführen.« – Das letztere sprach er mit leiser, geheimnißvoller Stimme, und Wildrake schien ihn vollkommen zu verstehen; denn er legte seinen Zeigefinger an die Nase, und schüttelte mit dem Kopfe.

»Sir,« sagte er, »wenn Sie Geschäfte für den König haben, so muß sich mein Freund vernünftiger Weise gedulden. – Ja ich will sagen, sogar selbst für Sie fechten, wenn es ihm bloß um die Lust zu thun ist, damit Sie nur nicht abgehalten werden. – Und, Herr, können Sie bei Ihrem Unternehmen einen alten Edelmann gebrauchen, der unter Lunsford und Goring diente, so brauchen Sie nur den Tag, die Stunde und den Ort zu bezeichnen, wo ich Sie treffen soll; denn wahrlich, Sir, ich bin des Schlapphutes, der herunterhängenden Haare und des puritanischen Mantels, mit dem mich mein Freund beschenkte, überdrüssig, und möchte mich gern noch einmal für die Sache des Königs raufen; kümmre mich auch nicht darum, ob ich gespießt oder gehängt werde.«

»Ich werde mich dessen erinnern, was Sie da sagen, Sir, wenn sich nämlich eine Gelegenheit darbietet,« sagte der König; »und ich wünschte, Se. Majestät hätte viele solcher Unterthanen. – Nun wird wohl Ihr Geschäft in Ordnung sein?«

»Wenn es Ihnen gefällt, Sir, mir zur Beglaubigung nur einige Zeilen mitzugeben – Sie wissen, es ist Gebrauch, – und eine schriftliche Herausforderung verdient eine schriftliche Antwort.«

»Das will ich sogleich thun,« sagte Carl, »da stehen schon die Schreibmaterialien.«

»Ferner Sir,« fuhr der Abgeordnete fort – »hm – hm – wenn Sie so viel Einfluß im Hause hätten, mir ein Glas Sect zu verschaffen. – Ich bin ein Mann von wenig Worten, und das viele Sprechen kommt mir schwer an – übrigens macht ein solch Geschäft immer durstig, und mit trockenen Lippen zu scheiden bringt Feindschaft hervor, was Gott bei einer so ehrenvollen Gelegenheit verhindern wolle.«

»Ich kann mich keines sehr großen Einflusses im Hause rühmen,« sagte der König; »aber wenn Sie so herablassend sein wollen, dieses Silberstück anzunehmen, so können Sie Ihren Durst im Gasthause zu St. Georg stillen.«

»Sir,« sagte der Royalist (denn zu dieser Zeit waren so sonderbare Höflichkeitsbezeugungen im Gebrauch, auch war Wildrake nicht so delikat, viel darüber zu streiten), »ich muß Ihnen schon wieder danken. Aber ich sehe nicht wohl ein, wie es sich mit meiner Ehre verträgt, es anzunehmen, wenn Sie mich nicht begleiten und mittrinken.«

»Ich muß mich entschuldigen, Sir,« erwiederte Carl, »meine Sicherheit befiehlt mir, für jetzt allein zu bleiben.«

»Genug gesagt,« bemerkte Wildrake, »aber wir Royalisten dürfen nicht viel Umstände machen. Ich sehe, Sir, Sie verstehen das Soldatenrecht – wenn ein schlanker Bursche Geld im Beutel hat, so darf der andere nicht durstig sein. Ich wünsche Ihnen, Sir, ferner Gesundheit und Glück bis morgen um 6 Uhr bei der Königs-Eiche.«

»Leben Sie wohl, Sir,« sagte der König, als Wildrake hinabging und das Lied pfiff: ›He da, Cavaliere,‹ zu welcher Arie sein langes, gegen Treppe und Geländer klapperndes Schwert kein unpassendes Accompagnement war. »Lebe wohl, du nur zu wahres Muster des Zustandes – wohin Krieg, Niederlage und Verzweiflung so manchen wackeren Mann gebracht hat.«

Im Verlauf des Tages begab sich nichts Bemerkenswerthes; Alexis vermied sorgfältig, sich gegen den verkleideten Fürsten fremd oder zurückgezogen zu stellen, damit ihr Vater oder sonst Jemand es nicht bemerke. Dem äußern Anschein nach schienen die beiden jungen Leute immer noch in jeder Hinsicht auf demselben Fuß zu stehen. Doch machte sie es ihm bemerklich, daß diese anscheinende Vertraulichkeit nur angenommen sei, um den Anstand zu retten, aber keineswegs die Strenge zurücknehmen sollte, mit welcher sie seinen Antrag verworfen hatte. Dieses Gefühl, verbunden mit seiner beleidigten Selbstliebe und seiner Feindschaft gegen einen glücklichen Nebenbuhler, bewog Carl, die Familie früh zu verlassen, und eine einsame Allee aufzusuchen, wo er – wie Herkules an den Scheidewegen zur Tugend und zum Vergnügen – bald auf die Stimme der Vernunft und bald auf die einer leidenschaftlichen Thorheit hörte.

Die Vernunft stellte ihm die Wichtigkeit seines eigenen Lebens zur weiteren Fortsetzung des großen Unternehmens vor, das ihm für jetzt mißglückte – nämlich die Wiederherstellung der Monarchie in England, die Wiedererbauung des Thrones, das Erlangen der Krone seines Vaters, die Rache für seinen Tod, und die Zurückführung der zahlreichen Verbannten, die wegen ihrer Anhänglichkeit an seine Sache in Armuth und Verbannung schmachteten, zu ihren vorigen Gütern und in ihr Vaterland.

Auch der Stolz, oder vielmehr ein gerechtes und natürliches Gefühl von Würde, zeigte ihm, wie unwürdig es von einem Fürsten sei, sich mit einem Unterthan in persönlichen Zweikampf einzulassen, und wie lächerlich es sein Andenken machen würde, wenn er sein Leben in einem Liebeshandel durch die Hand eines Privatmanns verlieren würde. Was würden seine weisen Rathgeber, Nicolas und Hyde – was würde sein gütiger, weiser Erzieher, der Marquis von Hertford, zu so einer voreiligen und thörichten Handlung sagen? Würde es nicht die vernünftigsten und einsichtsvollsten Personen der königlichen Sache abwendig machen; denn wofür sollten sie ihr Leben und ihre Güter wagen, um einen jungen Mann, der seine eigene Leidenschaft nicht beherrschen konnte, zur Herrschaft des Königreichs zu erheben? Dazu kam noch die Betrachtung, daß selbst ein glücklicher Erfolg seiner Flucht, die schon ohnedieß so schwierig war, neue Hindernisse in den Weg werfen würden. Und wenn er seinen Gegner auch nicht umbrächte, sondern nur besiegte, wie konnte er wissen, ob Jener sich nicht dadurch rächen würde, daß er der Regierung, der übelgesinnten, Louis Kerneguy überlieferte, dessen wahrer Stand alsdann unfehlbar an den Tag käme?

Diese Betrachtungen empfahlen dem König, die Herausforderung abzuweisen, und der Vorbehalt, unter dem er sie angenommen hatte, bot ihm eine Gelegenheit dazu dar. Aber auch die Leidenschaft hatte ihre Gründe, die bei einem Gemüthe Eingang finden mußten, das durch Unglück und Demüthigung reizbar geworden war. Zuerst war er Fürst, also gewiß auch ein Edelmann, und mußte als solcher, wie es unter dem Adel Gebrauch ist, Genugthuung geben oder fordern können. Ferner glaubte er, bei den Engländern würde es seinem Interesse nicht schaden, wenn er, statt sich mit seiner königlichen Geburt und Würde zu schützen, frei herausträte und Alles, was er gesagt oder gethan habe, auf seine eigene Verantwortlichkeit nähme. Es schien ihm, daß er bei einem freien Volke in der öffentlichen Achtung durch ein ritterliches und großmüthiges Betragen eher gewinnen, als verlieren müsse. Ferner war Muth nothwendiger, um seine Ansprüche aufrecht zu erhalten, als der Ruf der höchsten Tugend; und eine Herausforderung nicht anzunehmen, hätte diesen bezweifeln lassen können. Was würden Villiers und Wilmot von einem Liebeshandel sagen, wo er's geduldet hatte, sich von einem Landmädchen beschämen zu lassen, ohne sich an dem Nebenbuhler zu rächen. Die Pasquille, die sie aufgesetzt, die spöttischen Witzworte, die bei dieser Gelegenheit die Ohren des Publikums erreicht hätten, würden härter zu ertragen sein, als die ernsten Verweise seiner weisen Rathgeber Hertford, Hyde und Nicolas. Diese Betrachtung nebst dem Stachel des jugendlichen Muthes bestimmte endlich seinen Entschluß, und er kehrte nach Woodstock zurück, entschlossen der Herausforderung Folge zu leisten, es möchte davon kommen, was da wolle.

Vielleicht trug auch ein geheimer Glaube, daß das Gefecht nicht unglücklich ausfallen würde, zu diesem Entschlusse bei. Er war in der Blüthe seiner Jugend, im Kampfe geübt, und wie die Probe des Morgens gelehrt hatte, war ihm auch Oberst Everard keineswegs überlegen. Wenigstens mochte so etwas seinen königlichen Geist beschäftigen, als er ein wohlbekanntes Liedchen, das er bei seinem Aufenthalte in Schottland gelernt hatte, vor sich sang:

»Ein Mann kann wohl trinken, und sich nicht berauschen,
Ein Mann kann wohl fechten und fällt doch nicht gleich,
Ein Mann kann wohl küssen ein liebliches Mädchen
Und ist doch zum zweitenmal gerne gesehen.«

Unterdessen hatte der geschäftige und alles leitende Dr. Rochecliffe der Alexis einen Wink gegeben, daß sie ihm eine Privataudienz gestatten müsse, und sie fand ihn in der sogenannten Bibliothek, die einst mit alten Büchern angefüllt war, die aber schon vor langer Zeit zu Patronen gebraucht worden waren, und bei ihrem Untergang mehr Geräusch in der Welt verursachten, als bei ihrem Erscheinen und bei ihrem Dasein. Der Doctor setzte sich in einen großen, ledernen Armstuhl und bat Alexis, sich einen Stuhl zu nehmen und an seiner Seite niederzulassen. »Alexis,« sagte der alte Mann, indem er zärtlich ihre Hand ergriff, »du bist ein gutes Mädchen, ein weises, tugendhaftes Mädchen, eine von denen, die größeren Werth haben, als Rubinen – Rubin ist zwar nicht die rechte Uebersetzung, aber erinnere mich daran, daß ich dir dieß ein andermal erkläre – Alexis, du weißt, wer dieser Louis Kerneguy ist – läugne es nur nicht – ich weiß Alles – ich bin schon von Allem in Kenntniß gesetzt worden – du weißt, daß dieses geehrte Haus das Schicksal von England beherbergt.« – Alexis wollte antworten. – »Nein, sprich nicht, sondern höre mir zu, Alexis. – Wie beträgt er sich gegen dich?«

Alexis wurde roth, wie das dunkelste Scharlach. »Ich bin ein Mädchen, das auf dem Lande erzogen ist,« sagte sie, »und seine Manieren sind zu hofartig für mich.«

»Genug gesagt – ich weiß Alles – Alexis, er schwebt morgen in einer großen Gefahr, und du mußt das glückliche Mittel sein, ihn daran zu verhindern.«

»Ich – ihn verhindern! wie und auf welche Weise?« sagte Alexis erstaunt. »Es ist meine Pflicht, als Unterthan Alles aufzubieten – Alles, was der Tochter des Sir Henry Lee ziemt.« – Sie hielt sehr verlegen ein.

»Ja,« fuhr der Doctor fort, »auf morgen hat er sich zu einem Zweikampf verbindlich gemacht, ein Zweikampf mit Markham Everard; – Stunde und Ort sind bestimmt – um sechs Uhr des Morgens bei der Königseiche. – Wenn sie sich treffen, so wird wahrscheinlich einer von ihnen fallen.«

»O, Gott möge es verhüten, daß sie sich treffen,« sagte Alexis, die plötzlich ebenso erbleichte, als sie früher erröthete. »Aber es kann kein Unglück daraus entstehen – Everard wird nie sein Schwert gegen den König erheben.«

»Dafür,« sagte Dr. Rochecliffe, »möchte ich doch nicht stehen. Aber wenn auch der junge, unglückliche Edelmann noch einen Ueberrest der Treue hat, die sein Betragen übrigens völlig verleugnet, so kann es uns hier nichts dienen. Er kennt den König nicht, sondern betrachtet ihn nur als einen Royalisten, der ihn beleidigt hat.«

»Lassen Sie ihm die Wahrheit sagen, Dr. Rochecliffe, lassen Sie sie ihm den Augenblick sagen,« sagte Alexis; » Er sollte seine Hand erheben gegen den flüchtigen, vertheidigungslosen König! Er ist dessen unfähig. Ich setze mein Leben zum Preis, wenn er nicht am thätigsten bei seiner Erhaltung ist.«

»Das ist ein Mädchengedanke, Alexis,« antwortete der Doctor: »und, wie ich fürchte, eines Mädchens, deren Vernunft von ihrer Neigung irre geführt wird. Es wäre ärger als Hochverrath, einen rebellischen Offizier, den Freund des Erzverräthers Cromwell, in ein so großes Geheimniß einzuweihen. Ich wüßte eine solche Voreiligkeit nicht zu verantworten. Hammond genoß das Vertrauen seines Vaters, und Sie wissen, was daraus entstand.«

»So lassen Sie es meinen Vater wissen. Er wird zu Markham gehen oder ihn rufen lassen, und ihm vorstellen, wie unwürdig es gehandelt sei, seine Gäste anzugreifen.«

»Wir dürfen auch Ihrem Vater das Geheimniß nicht verrathen, wer Louis Kerneguy wirklich ist. Ich gab ihm nur einen Wink von der Möglichkeit, daß Carl nach Woodstock flüchten könne, und das Entzücken, in welches Sir Henry ausbrach, die Vorbereitungen zu seiner Bequemlichkeit und seiner Vertheidigung, wovon er zu sprechen anfing, zeigten deutlich, daß eben sein Schwärmereifer die Gefahr der Entdeckung vergrößern würde. Du bist es, Alexis, welche die Hoffnungen jedes treuen Royalisten retten muß.«

»Ich!« antwortete Alexis, »es ist unmöglich. – Kann man meinen Vater nicht bewegen, zu Gunsten seines Freundes und seines Gastes in's Mittel zu treten, wenn er ihn schon nur als Louis Kerneguy kennt?«

»Du vergissest den Charakter deines Vaters, meine junge Freundin,« sagte der Doctor. »Er ist ein vortrefflicher Mann und der beste Christ, bis er Schwerter klirren hört; dann aber tritt der vollkommene Soldat hervor, und er ist so taub für jedes friedliche Wort, als wäre er ein Streithahn.«

»Sie vergessen, Doctor Rochecliffe,« sagte Alexis, »daß, wenn ich es recht verstanden habe, mein Vater sie heute morgen am Kämpfen verhinderte.«

»Ja,« antwortete der Doctor, »weil er es für Pflicht hielt, im königlichen Park den Frieden aufrecht zu erhalten; aber es geschah so ungern, daß ich dir, Alexis, voraussagen kann, daß, wenn er sie wieder trifft, er weit entfernt, das Gefecht zu verhindern, sie auf einen nicht privilegirten Boden führen, und sie dort herzlich willkommen heißen wird, um seine Augen an einem so angenehmen Anblick zu weiden. – Nein, Alexis, du – nur du kannst uns in dieser Noth helfen.«

»Ich sehe keine Möglichkeit,« sagte sie, indem sie abermals erröthete, »wie kann ich dabei nur im Geringsten nützlich sein?«

»Du mußt dem Könige ein Briefchen schreiben,« antwortete Doctor Rochecliffe – »ein Briefchen, wie alle Frauen es weit besser schreiben, als Männer es lehren können. – Du bittest ihn darin, sich zu der Stunde bei dir einzufinden, die zum Zweikampf bestimmt. Er wird es nicht verfehlen; denn ich kenne seine unglückliche schwache Seite.«

»Doctor Rochecliffe,« sagte Alexis ernst, »Sie haben mich von Jugend auf gekannt. – Was verleitet Sie zu dem Glauben, daß ich einem so unziemenden Rathe folgen werde?«

»Und wenn du mich von deiner Kindheit an gekannt hast, was verleitet dich denn, gegen mich den Verdacht zu hegen, daß ich der Tochter meines Freundes einen Rath geben würde, den zu befolgen ihr nicht ziemt? Du kannst doch, glaube ich, nicht so thöricht sein, mir die Meinung unterzuschieben, daß du deine Gefälligkeit weiter treiben sollst, als ihn eine oder zwei Stunden im Gespräch aufzuhalten, bis ich alles vorbereitet habe, daß er diesen Platz verlassen kann, von dem ich ihn durch eine vorgebliche Nachsuchung entfernen werde? Dann besteigt C. S. sein Pferd, reitet davon, und Fräulein Alexis Lee hat die Ehre, ihn gerettet zu haben.«

»Ja, auf Kosten ihres eigenen Rufs,« sagte Alexis, »und der Gefahr einer ewigen Beschimpfung ihrer Familie. Sie sagen, Sie wüßten Alles; was kann der König davon denken, wenn ich ihm nach dem, was vorgefallen ist, noch ein freiwilliges Rendezvous gebe, und wie ist es möglich, ihn wegen des Beweggrundes zu enttäuschen?«

»Ich will ihn enttäuschen, Alexis; ich will das Ganze erklären.«

»Doctor Rochecliffe,« sagte Alexis, »Sie schlagen das Unmögliche vor. Sie können mit Ihrem Scharfsinn und mit Ihrem Verstand gar Vieles bewirken, aber wenn der neugefallene Schnee einmal beschmutzt ist, so sind alle Ihre Künste nicht im Stande, ihn wieder weiß zu waschen; es ist ganz so mit dem guten Rufe eines Mädchens.«

»Alexis, mein theuerstes Kind,« sagte der Doctor, »bedenke doch, daß wenn ich dieses Mittel empfehle, um das Leben des Königs zu retten, oder ihn wenigstens von einer großen Gefahr loszureißen, so geschieht es, weil ich kein anderes kenne, das ich in Bewegung setzen könnte. Wenn ich dich bitte, auch nur einen Augenblick das anscheinend Unrechte zu thun, so ist es nur die höchste Noth, und Umstände, die nicht wieder eintreffen können, die mich dazu bewegen. – Ich werde die sichersten Mittel ergreifen, allen übeln Gerüchten zuvorzukommen, die von dem entstehen können, was ich dir anempfohlen habe.«

»Sagen Sie das nicht, Doctor,« sagte Alexis, »es ist ein leichteres Unternehmen, das Weltmeer abzudämmen, als dem Laufe der Verleumdung Einhalt zu thun. Der König wird selbst gegen seinen ganzen ausschweifenden Hof mit der Leichtigkeit prahlen, mit welcher, einer plötzlichen Unruhe wegen, Alexis Lee ihn zum Geliebten annahm – der Mund, der Anderen Ehren ertheilt, wird mich der meinigen berauben. Nehmen Sie passendere Maßregeln, die Ihrem Stand und Ihrem Charakter besser ziemen. Verleiten Sie ihn nicht dazu, eine Verbindlichkeit der Ehre zu brechen, indem Sie ihm eine andere, ebenso unehrenvolle Verbindlichkeit vorspiegeln, sie sei nun falsch oder wahr. Gehen Sie selbst zu dem Könige, sprechen Sie mit ihm, wie die Diener Gottes selbst mit dem Herrscher der Erde ein Recht zu sprechen haben. Zeigen Sie ihm, wie thöricht und unrecht der Weg ist, den er einschlägt. Sagen Sie ihm, daß die Freunde, die für seine Sache auf dem Schlachtfelde zu Worcester, auf dem Schaffote und am Galgen starben, – daß die Uebrigen, die seinetwegen gefangen, zerstreut, flüchtig und zu Grunde gerichtet sind, es nicht um ihn und seines Vaters Geschlecht verdienen, daß er sein Leben in einem thörichten Streit wegwerfe. – Sagen Sie ihm, daß es unehrenvoll ist, das zu wagen, was nicht ihm gehört, unehrenvoll das Vertrauen der wackern Männer zu täuschen, die sich auf seine Tugend und auf seinen Muth verließen.«

Doctor Rochecliffe blickte sie mit einem melancholischen Lächeln an, und seine Augen funkelten, als er sagte: »Ach Alexis, selbst ich könnte diese gerechte Sache nicht so beredt und eindrucksvoll vorstellen, wie du. Aber leider wird Carl auf keinen von uns Beiden hören. Er wird sagen, daß Männer, wenn es sich von Ehrensachen handelt, weder von Priestern, noch von Frauen Rath annehmen können.«

»So hören Sie mich an, Doctor Rochecliffe, ich will auf dem bestimmten Platz erscheinen, und das Gefecht verhindern – fürchten Sie nicht, daß ich das, was ich sage, nicht ausführen kann. – Ich bringe freilich ein Opfer, aber doch nicht das meines Rufes. Die Folgen werden mir das Herz brechen.« – Sie versuchte es, mit Mühe ihr Schluchzen zu unterdrücken. – »Aber in den Gedanken eines Mannes und noch viel weniger in denen ihres Königes soll die Erinnerung an Alexis Lee nie mit Unehre gepaart werden.« – Sie verbarg ihr Gesicht in ihrem Taschentuche und brach in unaufhaltsame Thränen aus.

»Was will diese hysterische Leidenschaft?« sagte Doctor Rochecliffe, der von der Heftigkeit ihres Kummers überrascht und etwas beunruhigt ward. »Mädchen, es darf mir nichts verborgen bleiben.«

»Nun so setzen Sie Ihren Scharfsinn in Bewegung und entdecken Sie es,« sagte Alexis, der für einen Augenblick die Wichtigkeit, welche sich der Doctor gab, mißfiel, – »errathen Sie meine Absicht, so wie Sie ja so viele andere Dinge errathen können. Es ist genug, daß ich mein Schicksal ertragen muß; ich will nicht auch noch den Kummer leiden, es wieder zu erzählen, und zwar Jemanden – Verzeihen Sie mir es, mein theurer Doctor, der meine Bewegung bei dieser Gelegenheit damit nicht gehörig gerechtfertigt glauben wird.«

»Nun denn, mein junges Fräulein, beherrscht mußt du werden,« sagte Doctor Rochecliffe, »und gelingt es mir nicht, dich zu der Erklärung zu bewegen, so muß ich sehen, ob auch dein Vater nicht so viel über dich vermag.« Indem er das sagte, stand er etwas mißvergnügt auf, und ging der Thüre zu.

»Sie vergessen, was Sie mir selbst sagten, Doctor Rochecliffe,« sagte Alexis, »von der Gefahr, dieses große Geheimniß meinem Vater mitzutheilen.«

»Es ist nur zu wahr,« sagte er, indem er sich umwandte und zurückkehrte. »Aber du, Mädchen, bist mir zu fein, und es sind mir noch nicht viele dieser Art vorgekommen. Aber du bist auch ein gutes Mädchen, und wirst es mir von freien Stücken sagen – mein Ruf und mein Einfluß bei dem König hängt davon ab, daß ich mit allem, was actum atque tractatum in dieser Sache geschieht und verhandelt wird, vollkommen bekannt sei.«

»Vertrauen Sie mir Ihren Ruf an, mein guter Doctor,« sagte Alexis, die zu lächeln versuchte; »er ist von festerem Stoff, als der der Frauen, und wird in meiner Verwahrung sicherer sein, als der meinige bei Ihnen. Doch das will ich zugeben – Sie sollen alles mit ansehen – Sie sollen mit mir gehen und Ihre Gesellschaft wird mir Muth und Kraft einflößen.«

»Das ist etwas,« sagte der Doctor, obgleich er mit dem beschränkten Vertrauen noch nicht ganz zufrieden gestellt war. – »Du warst immer ein geistreiches Mädchen, und ich will dir vertrauen – wahrhaftig, ich muß es wohl, gern oder ungern.«

»Treffen Sie mich also morgen am Sonnenzeiger in der Einöde,« sagte Alexis. »Aber sagen Sie mir erst, sind Sie auch der Zeit und des Ortes ganz gewiß? Ein Mißverständniß könnte sehr unglückliche Folgen haben.«

»Verlassen Sie sich darauf, daß meine Nachrichten ganz sicher und genau sind,« sagte der Doctor, der seine Wichtigkeitsmiene wieder annahm, die sich bei dem letztern Theil ihrer Unterredung ein wenig vermindert hatte.

»Darf ich fragen,« sagte Alexis, »auf welchem Weg Sie zu dieser wichtigen Nachricht gelangten?«

»Du darfst unzeitig fragen,« sagte er, nun wieder vollkommen seine Oberherrschaft fühlend: »aber ob ich antworten will oder nicht, das ist wieder eine ganz andere Sache. Ich glaube, weder dein noch mein Ruf können dadurch gefährdet werden, wenn du das auch nicht erfährst. Ich habe meine Geheimnisse so gut wie du, Fräulein, und einige von ihnen sind, glaube ich, noch etwas wichtiger.«

»Es sei so,« sagte Alexis ruhig, »wenn Sie morgen in der Einöde bei dem zerbrochenen Sonnenzeiger pünktlich um halb 6 Uhr mit mir zusammentreffen wollen, so wollen wir hingehen, und es abwarten, bis sie sich einstellen. Unterwegs werde ich meine jetzige Schüchternheit überwinden, und Ihnen die Mittel sagen, die ich anzuwenden gedenke, um Unglück zu verhindern. Doch können Sie vielleicht früher etwas bewirken, das meine unziemende und peinliche Dazwischenkunft ganz unnöthig macht.«

»So, mein Kind,« sagte der Doctor, »wenn du dich mir in die Hände gibst, so wärest du die Erste, die sich wegen meines Betragens zu beklagen hätte, und du weißt wohl, daß du (Einen ausgenommen) die letzte sein würdest, der ich meinen Rath entzöge. – Also um halb 6 Uhr beim Sonnenzeiger in der Einöde – und Gott segne unser Unternehmen.«

Hier ward ihre Unterredung von der tönenden Stimme des Sir Henry Lee unterbrochen, der ihre Namen, »Tochter Alexis – Doctor Rochecliffe!« durch Gänge und Gallerien erschallen ließ.

»Was thut ihr denn da?« sagte er, als er eintrat, »was sitzt ihr denn da wie zwei Krähen, wenn es drunten so eine köstliche Unterhaltung gibt? Da ist der wilde ausgelassene Bube Louis Kerneguy, der mich bald lachen macht, daß ich mir die Seiten halten muß, und bald so süß auf der Guitarre spielt, daß er fast die Vögel vom Himmel herunterlockt – kommt mit, kommt mit. Es ist arg, allein zu lachen.«



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