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Achtzehntes Kapitel.

Wir thun im Eifer gar oft Thaten
Die wir in Ruhe nicht vertheid'gen können.

Während die Commissäre mit allem dem Geräusch und der Geschäftigkeit, welche bei den Reisen der großen Personen und besonders bei denen, welche mit der Größe nicht ganz vertraut sind, gewöhnlich ist, sich vorbereiteten, das Jägerhaus zu verlassen, um den Gasthof im Flecken Woodstock zu beziehen, hielt Everard mit dem presbyterianischen Geistlichen, Herrn Holdenough, eine weitläufige Zwiesprache. Dieser hatte gerade das Zimmer, das er den Geistern zum Trotz bewohnt hatte, verlassen, und seine bleichen Wangen und seine gedankenvolle Stirne bezeugten, daß er die Nacht nicht ruhiger zugebracht habe, als die andern Gäste des Jägerhauses zu Woodstock. Oberst Everard bot dem ehrenwerthen Gentleman einige Erfrischungen an, erhielt aber folgende Antwort: »Am heutigen Tage will ich keine Speise berühren, die ausgenommen, die zum Lebensunterhalt unumgänglich nöthig ist. Nicht als fastete ich in der papistischen Meinung, daß es ein Verdienst wäre, sondern weil ich es für nöthig halte, daß keine größere Menge von Lebensmitteln an dem heutigen Tage meinen Verstand umnebele, oder den Dank, den ich dem Himmel für eine höchst wunderbare Erhaltung schuldig bin, minder rein und lebhaft mache.«

»Herr Holdenough,« sagte Everard, »Sie sind, so viel ich weiß, ein wackerer und ein kühner Mann, und ich sah Sie in der vergangenen Nacht ihrer Pflicht muthig entgegen gehen, wo erprobte Soldaten in Furcht und Angst schwebten.«

»Zu muthig, zu kühn!« war Mr. Holdenoughs Antwort, dessen muthiger Blick ganz erstorben zu sein schien. »Wir sind gebrechliche Geschöpfe, Mr. Everard, und am gebrechlichsten, wenn wir uns am stärksten halten. Ach Oberst Everard,« fügte er nach einer Pause hinzu, als theile er sein Vertrauen unwillkürlich mit, »ich habe Etwas gesehen, was ich nie überleben werde!«

»Sie überraschen mich, verehrter Herr,« sagte Everard, »darf ich Sie bitten, deutlicher zu sprechen? Ich habe einige Geschichten von dieser unruhigen Nacht gehört, ja habe sogar selbst sonderbare Dinge gesehen, aber ich würde am meisten Antheil daran nehmen, wenn ich die Art und Weise Ihrer Beunruhigung erführe.«

»Sir,« sagte der Geistliche, »ich kenne Sie für einen verschwiegenen Mann, und obgleich ich nicht wünsche, diesen Ketzern, Schismatikern, Brownisten, Muggletonianern, Anabaptisten u. s. w. eine solche Gelegenheit zum Triumph zu geben, wie meine Niederlage in dieser Sache ihnen gewähren würde, so werde ich doch gewiß mit Ihnen, der Sie immer ein getreuer Diener unserer Kirche waren, und dem Nationalbedürfniß und dem Covenant anhängen, offener sprechen. Wir wollen uns also setzen und ich will mir ein Glas klares Wasser bestellen; denn schon fühle ich ein körperliches Zittern, obgleich ich, Gott sei Dank, in meinem Gemüthe entschlossen bin und beruhigt, wie es ein bloß sterblicher Mensch nach solch einem Anblick sein kann. Man sagt, der Anblick solcher Dinge prophezeie oder bewirke schleunigen Tod, – ich weiß nicht, ob es wahr ist; aber wenn dem so ist, so verlasse ich die Welt, wie eine ermüdete Schildwache, welche der Offizier vom Posten ablöst, und gerne werde ich diese ermüdeten Augen vor dem Anblicke, diese ermüdeten Ohren vor dem Froschquäken der Antinomier, der Pelagier, der Socinianer, der Arminianer und Arianer und Ungläubigen schließen, die England überströmen, wie jene Amphibien das Haus des Pharao.« Ein Bedienter brachte ein Glas Wasser, und Oberst Everard bat den wackern Mann, eine geistigere Erfrischung zu sich zu nehmen, aber er schlug es ab. »Ich bin gewissermaßen ein Kämpfer,« sagte er, »und bin ich schon im letzten Streite von meinem Feinde geschlagen worden, so bleibt mir doch immer noch meine Trompete, um Lärm zu blasen, und mein scharfes Schwert, um drein zu schlagen; und darum will ich auch, wie die Nazarener der alten Zeit, nichts essen, was vom Weinstock kommt, und weder Wein noch hitzige Getränke trinken, bis die Tage dieses Kampfes vorüber sind.«

Der Oberst Everard bat den Mr. Holdenough von Neuem, ehrfurchtsvoll und freundschaftlich ihm das, was ihm in der vergangenen Nacht zugestoßen sei, mitzutheilen, und der Geistliche begann also seine Erzählung mit dem ihn charakterisirenden Anstrich von Eitelkeit, welcher natürlicher Weise aus der Rolle entstand, die er in der Welt gespielt und dem Einfluß, den er über die Gemüther der Andern ausgeübt hatte.

»Ich war,« sagte er, »als ich die Universität Cambridge besuchte, noch ein sehr junger Mensch, und ein inniges Freundschaftsbündniß knüpfte mich an einen meiner Mitstudenten, vielleicht weil wir (es ist zwar eitel, es zu erwähnen) für die hoffnungsvollsten Zöglinge der hohen Schule gehalten wurden, und wir rückten in so gleichem Grade vor, daß es schwer war, zu bestimmen, wer von uns beiden am meisten Fortschritte in seinen Studien gemacht hatte. Nur pflegte unser Professor Mr. Purefoy zu sagen, daß wenn mein Gefährte auch mehr Anlagen habe, so hätte ich doch eine größere Erkenntniß; denn er hing an dem Studium der Classiker, das immer nutzlos und oft unlauter und unreligiös ist; ich aber hatte Einsicht genug, meine Studien den heiligen Sprachen zu widmen. So waren wir auch hinsichtlich der englischen Kirche verschiedener Meinung; denn er war arminianischer Gesinnung, mit Laud und den Anderen, welche das Geistliche mit dem Bürgerlichen verbinden, und die Kirche dem Athem der irdischen Menschen unterwürfig machen wollen. Kurz, er begünstigte das Prälatenwesen sowohl im Wesen als in der Form, und obschon wir unter Thränen und Umarmungen schieden, so schlugen wir doch sehr verschiedene Laufbahnen ein. Er erhielt eine Pension, und ward ein großer polemischer Schriftsteller für den Bischof und den Hof. Auch ich schärfte, wie es Ihnen wohl bekannt ist, so gut wie es meine schwachen Geisteskräfte erlaubten, meine Feder für die Sache des armen, unterdrückten Volkes, dessen zartes Gewissen die Liturgien und die Ceremonien verwarf, die einer päpstlichen Kirche besser ziemten, als einer reformirten, und die, der verblendeten Politik des Hofes gemäß, bei Geldbuße und persönlicher Strafe geboten waren. Hierauf entstand der Bürgerkrieg, und ich, den mein Gewissen dazu berief, und der ich die bedauernswürdigen Dinge, welche durch das Entstehen dieser Independenten erfolgten, weder fürchtete noch erwartete, – ich war bereit dazu, an dem großen Werke mitzuarbeiten, und Feldprediger im Regimente des Obersten Harrison zu werden. Nicht als hätte ich allenfalls fleischliche Waffen ergriffen, was der Himmel den Priestern seines Altars verbietet, sondern ich predigte und ermahnte, und war zur Zeit der Noth ein Arzt, sowohl für die Wunden des Körpers als der Seele.

Nun begab es sich gegen das Ende des Krieges, daß ein Haufen Uebelgesinnter sich eines befestigten Hauses in der Grafschaft Shrewsbury bemächtigt hatte, das auf einer kleinen Halbinsel eines Landsees lag, und das nur durch einen schmalen und engen Fußpfad zugänglich war. Von dort aus machten sie Streifzüge und bedrückten das Land so, daß es hohe Zeit war, dem Unwesen zu steuern, und ein Theil unseres Regiments aufbrach, um das Gebäude zu stürmen; man bat mich, mitzugehen, denn die Anzahl war gering für einen so sehr befestigten Platz, und der Oberst glaubte, meine Ermahnungen würden sie zur Tapferkeit ermuntern. Also begleitete ich sie auch, meiner Gewohnheit entgegen, bis auf das Schlachtfeld, wo man von beiden Seiten tapfer stritt. Doch hatten die Uebelgesinnten dadurch, daß sie mit ihren Feldstücken auf uns schossen, einen so großen Vortheil, daß, nachdem wir das Thor mit einer Artilleriesalve gesprengt hatten, der Oberst Harrison seinen Leuten befahl, in den Hohlweg einzudringen und wo möglich den Platz durch Sturm zu nehmen. Doch obgleich unsere Leute sich tapfer betrugen, und in guter Ordnung vorrückten, so wurden sie doch von allen Seiten so sehr von dem Feuer beunruhigt, daß sie zuletzt in Unordnung geriethen und sich mit großem Verlust zurückzogen. Harrison setzte sich tapfer an die Spitze des Nachtrabs und vertheidigte sie, so gut er konnte, gegen die Feinde, die ihnen nachsetzten, um sie zu vernichten. Ich aber, Oberst Everard, habe von Natur ein unruhiges, heftiges Gemüth, obgleich bessere Einsicht mich jetzt milde und ruhig gemacht hat. Ich konnte nicht zusehen, wie unsere Israeliten vor den Philistern flohen; ich drängte mich also in den Hohlweg, die Bibel in der einen Hand, und eine Hellebarde, die ich vom Boden aufhob, in der anderen, stieß die vorderen Flüchtlinge zurück und drohete, sie niederzustoßen, wobei ich ihnen zu gleicher Zeit unter den Royalisten einen Priester im Chorrock, wie sie es nennen, zeigte und sie frug, ob sie für einen wahren Diener Gottes nicht so viel thun wollten, als die Unbeschnittenen für einen Priester des Baal. Meine Worte und meine Stöße machten Eindruck; sie wandten sich mit einemmale um, riefen laut aus: »nieder mit dem Baal und seinen Verehrern!« und griffen die Royalisten so unerwartet von neuem an, daß sie sie nicht allein in das Haus zurückdrängten, sondern auch, wie man sich ausdrückt, pell-mell mit ihnen in dasselbe eindrangen. Auch ich ward zum Theil mit fortgerissen, und anderen Theils folgte ich auch willig, um die wüthenden Soldaten zu bewegen, Pardon zu geben; denn es that mir wehe, zu sehen, wie man Christen und Engländer mit Schwert und Flintenkolben todtschlug, wie die Hunde in den Straßen, wenn man sich vor der Hundswuth fürchtet. Auf diese Weise erreichten wir, nämlich die Soldaten fechtend und mordend, und ich, indem ich ihnen Einhalt thun wollte, die höchsten Zinnen des Hauses, wohin sich die geflüchteten Royalisten zurückgezogen hatten. Auch ich ward so zu sagen gezwungen, die schmale Wendeltreppe hinaufzugehen, fortgerissen von unseren Soldaten, die sich wie Jagdhunde auf ihre Beute stürzten; – als ich mich endlich aus dem Gewühle losgerissen, befand ich mich in der Mitte einer entsetzlichen Scene.

Von den zerstreuten Vertheidigern widerstanden einige mit der Wuth der Verzweiflung, andere auf ihren Knien baten um Mitleid in herzzerreißenden Worten und mit jammervoller Stimme, wieder andere riefen Gottes Barmherzigkeit an, – es war hohe Zeit, denn die Menschen fühlten keine. Sie wurden niedergeschlagen und gestoßen, von den Zinnen in den See geworfen, und das wilde Geschrei der Sieger, vermischt mit dem Stöhnen, Aechzen und Jammern der Besiegten erschallete so entsetzlich, daß nur der Tod es aus meinem Gedächtnisse verlöschen kann. Und die Menschen, die ihre Mitgeschöpfe so unbarmherzig schlachteten, waren weder Heiden aus fernen wilden Ländern, noch Mörder, der Auswurf unseres eigenen Volkes. Bei ruhigem Blute waren es vernünftige, ja sogar religiöse Menschen, die bei ihrem irdischen Wandel ihre einstige überirdische Bestimmung nicht vergaßen. Ach Mr. Everard, man sollte das Kriegshandwerk fürchten und vermeiden, da es Menschen in Wölfe verwandelt.«

»Es ist eine harte Nothwendigkeit,« sagte Everard, indem er zu Boden schaute, »und die allein kann es rechtfertigen. Aber fahren Sie fort, Ihro Hochwürden; denn ich sehe noch nicht ein, wie dieser Sturm, eine Begebenheit, die bei Bürgerkriegen nur zu häufig vorfällt, mit den Erscheinungen in der verflossenen Nacht zusammenhängt.«

»Sie sollen es sogleich hören,« sagte Mr. Holdenough, der inne hielt, wie Jemand, der alle seine Kräfte zusammennimmt, um eine Erzählung fortsetzen zu können, deren Inhalt ihn heftig bewegt. »In diesem höllischen Tumulte – denn nichts kann auf Erden der Hölle so sehr gleichen, als wenn Menschen das Leben ihrer Mitmenschen so wenig achten – in diesem höllischen Tumult sah ich denselben Priester, den ich vom Hohlweg aus bemerkte, wie er, von den Unsrigen angegriffen, sich nebst einigen Royalisten auf das Aeußerste vertheidigte, wie Jemand, dem keine Hoffnung mehr blüht. – Ich sah ihn, – ich erkannte ihn – ach Oberst Everard!«

Er ergriff Everards Hand krampfhaft mit seiner Linken, drückte den Ballen seiner Rechten gegen sein Gesicht und seine Stirne und schluchzte laut.

»Es war Ihr Universitäts-Freund?« sagte Everard, ihm zuvorkommend.

»Mein alter – mein einziger Freund – mit dem ich die glücklichsten Tage meiner Jugend verlebt hatte! Ich drängte mich vor, ich rang, ich suchte ihn zu erreichen. Aber meine Heftigkeit ließ mir weder den Gebrauch meiner Stimme noch meiner Sprache – sie verlor sich in dem gotteslästerlichen Geschrei, das ich selbst hervorgerufen hatte, – »nieder mit dem Baalspriester – erschlagt den Mattan – erschlagt ihn, und ergriff er die Hörner des Altars!« – Ueber die Zinnen geworfen, ringend um sein Leben konnte ich sehen, wie er den Vorsprung erklimmte, der zur Regentraufe diente – sie aber zerhackten ihm Arm und Hände – ich hörte den schweren Fall in den bodenlosen Abgrund. – Verzeiht – ich kann nicht weiter.«

»Er könnte doch entronnen sein.«

»Ach nein, nein, – der Thurm war vier Stockwerk hoch. Und selbst die, die sich von den niederern Fenstern herab in den See warfen, um schwimmend zu entgehen, waren nicht sicher; denn die Cavallerie am Ufer war von demselben blutdürstigen Geiste beseelt, welcher die Stürmenden ergriffen hatte – sie ritten um das Gestade, erschossen diejenigen, die im Wasser für ihr Leben kämpften, und stießen die nieder, welche das Land erreichten. Sie wurden Alle niedergestoßen und zerstört. – O möchte das Blut, das an jenem Tage vergossen wurde, nie seine Stimme erheben! – Ach möchte die Erde es in ihrem Schoos verbergen! – Ach möchte es sich für ewig mit den dunkeln Gewässern des Sees vermischen, damit es nie Rache schreie gegen die, die im leidenschaftlichen Zorne waren und in der Wuth ermordeten! – Und ach, möchte dem Irrenden vergeben werden, der unter ihnen war, und seine Stimme zur Ermunterung ihrer Grausamkeit lieh. – O Albany, mein Bruder, mein Bruder – ich habe um dich gejammert, wie David um Jonathan.«

Der gute Mann schluchzte laut, und auch Oberst Everard fühlte sich so gerührt, daß er sich enthielt, wegen des Gegenstandes seiner Neugierde weiter in ihn zu dringen, bis die Fluth seiner leidenschaftlichen Reue sich legte. Die Gefühle des streng-moralischen Geistlichen waren um so heftiger und leidenschaftlicher, da ihn im Allgemeinen nicht leicht etwas geistig ergreifen konnte, und er also gewaltiger übermannt ward, wenn sie einmal die Schranken gebrochen hatten. Große Thränen rollten über die zitternden Züge seines eingefallenen und ungewöhnlich ernsten und strengen Antlitzes; und heftig erwiederte er Everards Handdruck, als danke er ihm für das Mitgefühl, das er seinem Kummer weihe.

Gleich darauf trocknete Mr. Holdenough seine Augen, zog seine Hand liebreich aus der Everards zurück, schüttelte sie ihm freundschaftlich und fuhr mit Ruhe fort: »Vergeben Sie mir diesen Ausbruch leidenschaftlicher Gefühle, mein würdiger Oberst. Ich fühle wohl, daß es einem Geistlichen, der Andere trösten sollte, nicht ziemt, sich dem Uebermaaß des Kummers zu überlassen, sich schwach, wenn nicht gar sündig zu zeigen. Denn was sind wir, daß wir weinen und murren über das, was Er zugelassen hat? Aber Albany war mir wie ein Bruder. Die glücklichsten Tage meines Lebens verbrachte ich in seiner Gesellschaft, ehe der Bürgerkrieg mich an meine Pflichten erinnerte. Ich – aber ich will den Rest meiner Geschichte kurz machen – hier rückte er seinen Stuhl näher an Everard, und sprach in feierlich-mystischem Tone, der sich fast in ein Lispeln verlor – »ich sah ihn in der vergangenen Nacht.«

»Sahen ihn – wen sahen Sie?« sagte Everard. »Können Sie die Person meinen, welche –«

»Welche ich so barbarisch morden sah,« sagte der Geistliche. »Meinen alten Universitätsfreund Albany.«

»Mr. Holdenough, Ihr Gewand und Ihr Charakter sollten Sie wohl abhalten, über einen solchen Gegenstand zu scherzen.«

»Scherzen!« antwortete Holdenough, »eben so leicht würde ich auf meinem Todtenbette oder über die Bibel scherzen.«

»Sie müssen getäuscht worden sein,« antwortete Everard schnell; »diese tragische Geschichte muß nothwendigerweise oft in Ihr Gemüth zurückkehren, und in Augenblicken, wo die Einbildungskraft das Zeugniß der äußeren Sinne überwiegt, muß Ihnen Ihre Phantasie eine täuschende Erscheinung vorgespiegelt haben. Nichts ist wahrscheinlicher, als daß, wenn das Gemüth das Uebernatürliche sucht, die Einbildungskraft es mit einem Hirngespenst ausfüllt, während die übermäßig gereizten Gefühle es schwer machen, die Täuschung zu zerstören.«

»Oberst Everard,« erwiederte Holdenough ernst, »in der Erfüllung meiner Pflichten darf ich das menschliche Antlitz nicht fürchten; ich sage Ihnen daher offen, so wie ich es vorher schonender that, daß wenn Sie Ihr fleischliches Wissen und Ihre Urtheilskraft anwenden wollen, um wie gewöhnlich, damit die verborgenen Dinge der anderen Welt zu prüfen, so könnten Sie ebenso gut die Ströme des Oceans mit dem Ballen Ihrer Hand ausmessen. Wahrlich, mein guter Herr, Sie irren sich darin, und geben der Welt Anlaß Ihren ehrenwerthen Namen mit den Vertheidigern der Hexen, den Freidenkern und Atheisten zu vermischen, ja sogar mit Männern wie dieser Bletson, der, wenn die Kirchenzucht streng gehandhabt würde wie beim Beginnen der Reformation, nun längst aus der christlichen Gemeinschaft ausgestoßen und fleischlicher Strafe übergeben worden wäre, damit wo möglich noch sein Geist gerettet würde.«

»Sie mißverstehen mich, Mr. Holdenough,« sagte Oberst Everard; »ich läugne das Dasein solcher übernatürlicher Dinge nicht, weil ich weder die Stimme meiner eigenen Meinung gegen das Zeugniß der Jahrhunderte erheben kann, noch Gelehrte wie Sie, zu widerlegen wage. Dennoch aber, obgleich ich die Möglichkeit solcher Dinge zugebe, so habe ich doch zu meiner Zeit noch von keiner Begebenheit gehört, welche so bezeugt würde, daß ich sicher und gewiß sagen könnte, das muß durch übernatürliche Kräfte geschehen sein, und nicht anders.«

»So hören Sie denn,« sagte der Geistliche, »was ich Ihnen auf mein Wort als ein Mann, als ein Christ, und was mehr ist, als ein Diener unserer heiligen Kirche zu erzählen habe. – Ich hatte gestern Abend in dem halb möblirten Zimmer Posto gefaßt; Sie wissen, daß darin ein mächtiger Spiegel hängt, der dem Goliath hätte dienen können sich zu bewundern, wenn er in seiner stählernen Rüstung von Kopf bis Fuß gewappnet war. Ich wählte diesen Platz um so viel lieber, weil man mich benachrichtigte, daß es die nächste bewohnbare Stube bei der Gallerie sei, von der man sagte, daß Sie selbst denselben Abend vom bösen Feinde angegriffen worden wären. – Ist dem so? sprechen Sie.«

»Ich ward in diesem Zimmer von irgend Jemanden in keiner guten Absicht angegriffen. So weit,« sagte Oberst Everard, »hat man Sie mit der Wahrheit berichtet.«

»Nun gut, ich wählte meinen Posten so gut ich konnte, so wie ein entschlossener General seine Truppen anmarschiren läßt, und seine Schanzen so nahe wie möglich bei der belagerten Stadt anlegt. Es ist wahr, Oberst Everard, ich empfand körperliche Furcht; denn selbst Elias und die Propheten welche den Elementen geboten, hatten ihren Antheil an unserer gebrechlichen Natur, um wie viel mehr ein sündenvolles Wesen wie ich. Doch war meine Hoffnung und mein Muth hoch gesteigert, und ich dachte an die Bibelverse, die ich gebrauchen könnte, zwar nicht in dem schändlichen Sinne der Amulette und Zauberkünste, so wie die verblendeten Papisten sie anwenden, verbunden mit dem Zeichen des Kreuzes und mit anderen nutzlosen Formen, sondern in der Hoffnung, daß ein festes Vertrauen auf das göttliche Versprechen das wahre Schild des Glaubens ist, womit man den feurigen Pfeilen des Satans widerstehen, und womit man sie löschen kann. So bewaffnet und vorbereitet setzte ich mich nieder um zu lesen und zu schreiben, und um mein Gemüth zu zwingen seine Aufmerksamkeit den Gegenständen zuzuwenden, welche der Lage ziemten in der ich mich befand, und die jeder ungesetzmäßigen Ausschweifung meiner Einbildungskraft entgegenarbeiteten, und meiner Phantasie keinen Raum gestatteten, über thörichte Furcht zu brüten. So überlegte ich es mir, und schrieb nieder was ich für diese Zeit angemessen hielt, und wovon ich dachte, daß vielleicht einige hungrige Seelen von der Speise Nutzen ziehen könnten, welche ich bereitete.«

»Das war weise und würdig gehandelt, mein guter und hochzuverehrender Herr,« erwiederte der Oberst Everard, »ich bitte Sie, fortzufahren.«

»Während ich so beschäftigt war und ungefähr drei Stunden lang an meiner Arbeit saß, und die Müdigkeit nicht achtete, da überlief mich ein sonderbarer Schauder. Das breite altmodische Zimmer schien sich auszudehnen, schien finsterer zu werden, und sich höher zu wölben, während die Nachtluft kalt und scharf darin heulte; ich weiß nicht, ob es daher kam, daß das Feuer ausgehen wollte, oder ob immer solchen Dingen, welche Statt fanden, ein Athem und ein Hauch des Schreckens vorhergeht, wie Hiob in einer wohlbekannten Stelle sagt: Furcht kam über mich und Beben, so daß meine Gebeine erzitterten. Dann hörte ich ein klingendes Geräusch in meinen Ohren, fühlte einen Schwindel in meinem Gehirn, so daß ich denen glich, die um Hülfe rufen wo keine Gefahr vorhanden ist, und entfliehen wollen, wo Niemand verfolgt. Dann schien es mir, als ginge Jemand hinter mir, dessen Bild in dem großen Spiegel wiederschiene, vor den ich meinen Schreibtisch gestellt hatte, und den ich durch Hülfe eines großen stehenden Leuchters sehen konnte, welcher vor dem Glase war. Ich blickte in die Höhe und sah in dem Glase deutlich die Erscheinung eines Mannes – so gewiß, wie die Worte von meinem Munde gehen, war es kein Anderer, als derselbe Joseph Albany – der Gefährte meiner Jugend, er, den ich von den Zinnen des Schlosses Clidesthrough in den tiefen See hinabstürzen sah.«

»Was thaten Sie?«

»Mir fiel es plötzlich ein,« sagte Holdenough, »daß der stoische Philosoph Athenodorus dem Schrecken einer solchen Erscheinung entging, indem er ruhig seine Studien fortsetzte; und mich ergriff der Gedanke, daß ich, als ein christlicher Geistlicher und als ein Hüter der Mysterien wenig Ursache hätte, das Böse zu fürchten und meinen Geist mit besseren Dingen beschäftigen könne, als ein Heide, der selbst in seiner Weisheit noch verblendet war. Statt also Unruhe zu verrathen oder den Kopf herumzudrehen, fuhr ich fort, obgleich mit klopfendem Herzen und mit zitternder Hand zu schreiben.«

»Nun, wenn Sie nur gar schreiben konnten,« sagte der Oberst, »mit diesem Eindruck im Gemüthe, so dürften Sie mit ihrem unerschrockenen Muthe die englische Armee commandiren.«

»Unser Muth ist uns nicht eigen, Oberst,« sagte der Geistliche, »und soll nicht gelobt werden, als wäre er der Unsrige; und wenn Sie wieder von dieser seltsamen Vision als von einem Eindrucke der Phantasie, und nicht wie von einem den Sinnen deutlichen Gegenstand reden, so sag' ich Ihnen nochmals, daß Ihr weltliches Wissen, hinsichtlich der Dinge, welche nicht von dieser Welt sind, reine Thorheit ist.«

»Blickten Sie wieder in den Spiegel?« sagte der Oberst.

»Ich that es, nachdem ich den trostreichen Text niedergeschrieben hatte: du sollst den Satan unter deine Füße treten.«

»Und was sahen Sie alsdann?«

»Den Wiederschein desselben Joseph Albany,« sagte Holdenough, »wie er langsam hinter meinem Stuhle vorbeischritt; derselbe im Körperbau und in den Zügen, wie ich ihn in seiner Jugend gekannt hatte, nur daß seine Wangen Spuren eines vorgerückteren Alters trugen, als das, in welchem er starb, und daß er sehr bleich war.«

»Was thaten Sie alsdann?«

»Ich wandte mich um, und sah deutlich die Gestalt, welche ich in dem Spiegel erblickt hatte, die weder schnell noch langsam, sondern mit ruhigem, festen Tritte einherschritt. Sie wandte sich wieder um, als sie der Thüre nahe war, und zeigte mir nochmals ihre bleichen, geisterartigen Züge ehe sie verschwand. Aber wie sie das Zimmer verlassen hat, ob durch die Thüre oder auf eine andere Weise, das zu bemerken war mein Geist zu sehr bewegt; auch kann ich mich dessen trotz aller Anstrengung nicht deutlich mehr erinnern.«

»Das ist eine sonderbare, und da sie von Ihnen kommt, eine außerordentlich gut bezeugte Erscheinung,« antwortete Everard. »Und doch Mr. Holdenough, wenn wirklich die Geisterwelt, wie Sie es vermuthen und ich es nicht bestreiten will, ihre Boten ausgeschickt hat, so können Sie doch auch sicher sein, daß auch boshafte Menschen darin verwickelt sind. Auch ich habe einige Geisterbesuche gehabt, die aber körperliche Kraft besaßen, und wie ich sicher überzeugt bin, auch irdische Waffen führten.«

»Ach ohne Zweifel, ohne Zweifel,« erwiederte Mr. Holdenough; »Beelzebub greift gern mit Cavallerie und Infanterie untereinander gemischt an, so wie der alte schottische General David Leßlie. Er hat sowohl körperliche als unkörperliche Teufel, und gebraucht die einen um die anderen zu unterstützen, und ihnen zum Rückhalt zu dienen.«

»Es mag sein, wie Sie sagen, verehrter Herr,« antwortete der Oberst, »aber was rathen Sie in diesem Falle zu thun?«

»Darüber muß ich mich mit meinen Collegen berathen,« sagte der Geistliche; »und wenn in unserer Mitte nur noch fünf Priester der wahren Kirche übrig geblieben sind, so wollen wir den Satan in corpore angreifen, und dann werden Sie sehen, ob wir nicht Macht genug haben, ihm zu widerstehen, bis er davonfliehen wird. Sollte aber dieses geistige Aufgebot mißlingen, so würde ich wahrlich dazu rathen, daß diese lüderliche Höhle der alten Tyrannei und der Ausschweifung als ein Haus der Zauberei und der Verabscheuung gänzlich vom Feuer zerstört werde, damit nicht allenfalls der Teufel, wenn er ein Hauptquartier findet, das so sehr nach seinem Sinne ist, Garnison und Festung benützt, um die ganze Nachbarschaft zu beunruhigen. Soviel ist gewiß, ich möchte keiner christlichen Seele rathen, das alte Gebäude zu bewohnen, und wenn es leer stünde, so würde es nur zu einem Sammelplatze der Hexenmeister dienen, um dort ihre Höllenkniffe auszuführen, und der Hexen, um dort ihren höllischen Sabbath zu feiern, und deren die wie Demas nach den Gütern dieser Welt umhergehen, und um Gold und Silber Zauberformeln zum Nachtheil der Seelen der Verstorbenen aussprechen. Glauben Sie mir also, daß es am besten wäre, wenn man es zerstörte und niederrisse, und nicht ein Stein auf dem andern bliebe.«

»Das muß ich doch verneinen,« sagte der Oberst; »denn der Lord-General hat durch einen besonderen Befehl dem Bruder meiner Mutter, dem Sir Henry Lee und seiner Familie erlaubt, wieder in das Haus seiner Väter zurückkehren zu dürfen, da es wirklich der einzige Ort ist, wo er für seine grauen Haare ein Obdach erhalten kann.«

»Geschah das auf Ihren Rath, Markham Everard?« fragte der Geistliche streng.

»Gewiß,« antwortete der Oberst, »und warum sollte ich nicht meinen Einfluß ausüben, um meinem Oheim eine Zufluchts-Stätte zu verschaffen?«

»Nun, so wahr deine Seele lebt,« antwortete der Presbyterianer, »das hätte ich von keiner anderen Zunge, als von deiner eigenen geglaubt. Sage mir, war es nicht eben dieser Sir Henry Lee, der mit Hülfe seiner Diener die Befehle des Papisten Leic ausführte, den Altar auf die östliche Seite von Woodstock zu stellen, schwur er nicht bei seinem Barte in den Straßen von Woodstock selbst einen jeden aufhängen zu lassen, der sich weigern würde, auf des Königs Gesundheit zu trinken? Ist seine Hand nicht roth vom Blute der Heiligen? Und gab es im Felde einen heftigeren und unbarmherzigeren Streiter für das Prälaten- und Adels-Wesen?«

»Das mag alles gewesen sein, wie Sie es sagen, mein guter Mr. Holdenough,« antwortete der Obrist; »nun aber ist mein Oheim alt und schwach, und kaum bleibt ihm ein einziger Diener; seine Tochter ist ein Wesen, worüber der kälteste vor Mitleiden weinen würde, wenn er sie betrachtet, ein Wesen das –«

»Das dem Everard theurer ist,« fiel Holdenough ein, »als sein guter Name, seine Treue gegen seine Freunde, und seine Pflicht gegen seine Religion; – doch jetzt ist es nicht Zeit, mit süßen Lippen zu kosen. Der Pfad, den Sie betreten, ist gefährlich. Sie helfen dazu, den papistischen Candelaber, den der Himmel in seinem gerechten Zorn von seinem Platze stieß, wieder aufzurichten, in den Zauberhallen dieser Erzsünder, die mit ihnen verzaubert sind. Ich werde es nicht dulden, daß das Land von ihren Hexenkünsten verunreinigt werde; sie sollen, sie werden nicht wieder hieher kommen.«

Er sprach dies mit Heftigkeit, und stieß seinen Stock gegen den Boden; auch der Oberst, den es verdroß, fing an sich seinerseits hochmüthig zu äußern. »Sie sollten doch erst die Macht besser bedenken, die Ihnen zu Gebote steht, Ihre Drohungen auszuführen, Mr. Holdenough, ehe Sie dieselben so kurz weg ausstoßen.«

»Wie, habe ich nicht die Macht zu binden und zu lösen?« sagte der Geistliche.

»Die Macht wird Ihnen wenig nützen, außer bei denen, die ihrer eigenen Kirche zugethan sind,« sagte Everard in einem spöttischen Tone.

»Hüten Sie sich, hüten Sie sich,« sagte der Geistliche, der zwar ein vortrefflicher, aber wie wir schon gesehen haben, auch ein reizbarer Mann war. – »Beschimpfen Sie mich nicht; sondern denken Sie ehrenvoll von dem Boten, um des Herrn willen, dessen Botschaft er trägt. – Ich sage Ihnen, bieten Sie mir nicht Trotz, ich muß meine Pflicht erfüllen, und wäre es selbst zum Nachtheil meines leiblichen Bruders.«

»Ich sehe nicht, was Ihr Amt in der Sache zu thun hat,« sagte Oberst Everard; »und ich meinerseits warne Sie, Ihren Auftrag nicht zu überschreiten.«

»Ganz recht – Sie halten mich schon für eben so untergeben wie einen von Ihren Grenadieren,« erwiederte der Geistliche, dessen Züge vor Unwillen zitterten, so daß sie selbst sein graues Haar bewegten; »aber hüten Sie sich, Sir, ich bin nicht so unmächtig, wie Sie vermuthen. Ich will jeden guten Christen in Woodstock anflehen, seine Lenden zu umgürten, um in unserem Weichbilde der Wiederherstellung des Prälatenwesens, der Unterdrückung und des Royalismus zu widerstehen. Ich will den Zorn der Gerechten erregen gegen den Unterdrücker – den Ismaeliten, den Edomiten und sein Geschlecht, und gegen diejenigen, die ihn aufrecht erhalten und ermuthigen sein Schild zu erheben. Ich will laut rufen und nicht schonen, und viele erwecken, deren Liebe erkaltet und die Menge, die sich um diese Dinge nicht kümmert. Es werden noch einige übrig bleiben, die auf mich horchen; und ich will den Stab Josephs nehmen, der in den Händen Ephraims lag, und will hingehen um diesen Platz zu reinigen von Zauberern und Hexen und Verzauberungen, will rufen und ermahnen, und sprechen: wollt Ihr für den Baal streiten? Wollt Ihr ihm dienen? – Nein – ergreift den Propheten des Baal, laßt Niemanden entkommen.«

»Herr Holdenough, Herr Holdenough,« sagte der Oberst Everard ungeduldig, »wie Sie mir selbst erzählten, haben Sie diesen Text nur zu oft schon gebraucht.«

Der alte Mann schlug sich heftig mit der Hand auf die Stirne, und fiel, als diese Worte gesprochen wurden, so plötzlich und so kraftlos in den Sessel, als hätte ihm der Oberst eine Pistolenkugel durch den Kopf geschossen. Everard, welchem der Vorwurf schon leid that, der ihm in seiner Ungeduld entschlüpfte, bat ihn um Verzeihung und brachte jede Entschuldigung vor, die ihm, wenn sie auch noch so unpassend war, im Augenblick einfiel. Aber der alte Mann war zu sehr ergriffen – er stieß die Hand zurück, schenkte ihm kein Gehör, und erhub sich endlich, indem er finster sprach: ›Herr, Sie haben mein Vertrauen mißbraucht, haben es niedrig mißbraucht, um mir Vorwürfe zu machen. – Aber genießen Sie den Triumph über einen alten Mann, und über den Freund Ihres Vaters, reißen Sie die Wunde auf, welche Ihnen sein unzeitiges Vertrauen zeigte.«

»Ach nicht doch, mein würdiger und vortrefflicher Freund,« sagte der Oberst. –

»Freund!« antwortete der alte Mann auffahrend, »wir sind Feinde, Herr, für jetzt und für immer.«

Er sprach's, fuhr von dem Sitze auf, und verließ das Zimmer eiligen Schrittes, wie er es bei Gelegenheiten zu thun pflegte, wenn sein inneres Gefühl erregt ward.

»Nun ja,« sagte Oberst Everard, »es hat noch nicht genug Streit zwischen meinem Oheime und den Einwohnern von Woodstock gegeben, daß ich ihn noch vermehren mußte, indem ich diesen heftigen Greis reize, dessen Eifer für seine Ideen der kirchlichen Regierung und dessen hartnäckige Vorurtheile gegen alle diejenigen, die davon abweichen, ich kannte! Der Pöbel von Woodstock wird sich empören; denn obgleich ihm kaum zwanzig zu einem ehrlichen und vernünftigen Zweck beistehen würden, so braucht er doch nur Plünderung und Zerstörung zu verkündigen, und sie werden ihm alle folgen. Und auch mein Oheim ist eben so heftig und hartnäckig. Für alle Güter, die er je besaß, wird er es nicht erlauben, daß man auch nur zwanzig Mann zu seiner Vertheidigung in sein Haus lege; und wenn er auch nur allein ist, oder nur Joceline ihm hilft, so wird er auf diejenigen, welche das Jägerhaus angreifen, eben so gut feuern, als hätte es hundert Mann Garnison, und ist dann nicht Blutvergießen die unausbleibliche Folge?«

Diese traurigen Betrachtungen wurden durch die Zurückkunft des Mr. Holdenough unterbrochen, welcher mit demselben eiligen Schritt wieder in das Zimmer stürzte, mit dem er es verlassen hatte, gerade auf den Oberst zu eilte, und sagte: »Nimm meine Hand, Markham, nimm geschwind meine Hand, denn der alte Adam flüstert mir zu, daß es Unrecht ist, sie so lange ausgestreckt zu halten.«

»Herzlich gerne empfange ich Ihre Hand, mein ehrwürdiger Freund,« sagte Everard, »und ich hoffe, es geschieht zum Zeichen unserer erneuerten Freundschaft.«

»Gewiß, gewiß,« sagte der Geistliche, indem er ihm freundlich die Hand schüttelte, »es ist zwar wahr, du hast bitter gesprochen; aber du hast zur rechten Zeit die Wahrheit geredet, und ich glaube, obgleich deine Worte strenge waren, es geschah in guter und freundschaftlicher Absicht. Wahrlich und wahrhaftig, es wäre eine große Sünde von mir, von Neuem Gewaltthätigkeiten hervorzurufen, wenn ich mich derer erinnere die Sie mir vorgeworfen haben.« –

»Verzeihen Sie mir, mein guter Mr. Holdenough,« sagte Oberst Everard, »ich wollte es Ihnen keineswegs ernstlich vorwerfen

»Ach stille doch, stille, ich bitte,« sagte der Geistliche; »ich sage, die Anspielung auf das, was Sie mir höchst gerecht vorgeworfen haben, hätte von mir als eine Gunstbezeugung eines getreuen Freundes betrachtet werden sollen, obgleich die Anklage die Galle des alten Adams in mir rege machte, der nur auf meinen Schaden lauert. Gewiß sollte ich, der durch eine unglückliche Ermahnung Schlacht und Streit erregte, und die Lebenden den Todten zuschickte – und, wie ich fürchte, auch die Todten wieder unter die Lebenden zurückrief – ich sollte nun auf Frieden und Eintracht und Versöhnung denken, und die Strafe dem großen Wesen überlassen, dessen Gesetze übertreten werden, und die Rache dem, der da sprach: ›ich werde heimzahlen!‹«

Die demüthigen Züge des alten Mannes erhoben sich mit ruhigem Vertrauen, als er dies Geständniß ablegte; und Oberst Everard, der seine körperliche Schwäche und die Vorurtheile seines Standes kannte, und also wissen mußte, wie schwer es dem Geistlichen werden mußte zu einem so demüthigen Tone herabzusinken, beeilte sich seine Bewunderung über seine christliche Milde auszusprechen, vermischt mit Vorwürfen gegen sich selbst, daß er das Gefühl des ehrwürdigen Mannes so tief beleidiget habe.

»Denken Sie nicht daran – denken Sie nicht daran, vortrefflicher junger Mann,« sagte Holdenough, »wir haben beide geirrt – ich, indem ich es meinem Eifer erlaubte, die Nächstenliebe zu unterdrücken, – und vielleicht auch Sie, da Sie einem alten Manne hart zu Leibe gingen, der erst vor Kurzem sein Leiden in Ihren freundschaftlichen Busen ausschüttete. Doch sei jetzt alles vergessen. Mögen Ihre Freunde, wenn sie nicht durch diese Erscheinungen abgeschreckt worden sind, ihre Wohnung so bald wieder beziehen, als sie nur mögen. Wenn sie sich gegen die Mächte der Lüfte beschützen können, so glauben Sie mir, daß wenn ich es durch irgend Etwas das in meiner Macht steht, verhindern kann, sie von keinem irdischen Nachbar beleidigt werden sollen. Seien Sie auch versichert, mein guter Herr, daß meine Stimme bei dem würdigen Bürgermeister, den guten Altermännern und der besseren Classe der Hauseigenthümer in jener Stadt immer noch etwas gilt, wenn schon die niederere Classe sich von jedem Winde einer neuen Lehre mit fortblasen läßt. Seien Sie ferner versichert, Oberst, daß wenn der Bruder Ihrer Mutter, oder irgend einer aus seiner Familie einsehen sollte, daß er vorschnell gehandelt habe, in dieses unglückliche und unglückselige Haus zurückzukehren, oder sollten sie irgend einen Herzens- oder Gewissenszweifel haben, welcher geistlichen Trost erfordert, so wird ihnen Nehemia Holdenough Tag und Nacht eben so sehr zu Gebote stehen, als wären sie in der heiligen Kirche, deren unwürdiger Priester er ist, geboren und erzogen. Auch soll weder die Angst vor dem was furchtbar ist in jenen Mauern, noch seine Kenntniß von ihrem verblendeten fleischlichen Zustand (da sie bei dem Mißbrauch der Dispensationen der Pfaffen aufgewachsen sind) ihn verhindern, nach seinen schwachen Fähigkeiten zu ihrem Schutz und ihrer Erbauung beizutragen.«

»Ich fühle vollkommen die Größe Ihrer Güte, verehrter Herr,« sagte Oberst Everard, »aber ich halte es nicht für wahrscheinlich, daß mein Oheim Sie belästigen wird. Er ist gewöhnt, in zeitigen Gefahren sein eigener Beschützer zu sein, und sich bei geistigem Zweifel auf sein eigenes Gebet und auf die Vorschriften seiner Kirche zu verlassen.«

»Ich glaubte es wäre nicht überflüssig, meine Hülfe anzubieten,« sagte der alte Mann, der sich etwas beleidigt darüber fühlte, daß man seine angebotene geistliche Hülfe für aufdringlich hielt. »In diesem Falle bitte ich um Verzeihung – ich bitte demüthiglichst um Verzeihung, ich möchte nicht gerne aufdringlich sein.«

Der Oberst beeilte sich, diesen neuen Gegenstand der Eifersucht des Geistlichen zu beschwichtigen, denn ein übertriebenes Gefühl seiner Würde, und ein von Natur hitziges Temperament, das er nicht immer unterdrücken konnte, waren die einzigen Fehler des guten Mannes.

Sie standen wieder auf ihrem alten freundschaftlichen Fuße, als Roger Wildrake aus Joceline's Hütte zurückkehrte, und seinem Herrn in's Ohr flüsterte, daß seine Gesandtschaft den erwünschtesten Erfolg gehabt habe.

Dann wandte sich der Oberst an den Geistlichen, und benachrichtigte ihn, daß, da die Commissäre Woodstock bereits verlassen hätten und sein Oheim Sir Henry Lee sich vorgenommen habe, um die Mittagszeit in das Jägerhaus zurückzukehren, so wolle er ihn, wenn es Sr. Hochwürden gefällig wäre, nach dem Flecken zurückbegleiten.«

»Wollen Sie nicht verweilen,« sagte der ehrwürdige Mann mit ausforschendem Tone, »um Ihre Verwandte bei ihrer Zurückkehr in dieses Haus zu bewillkommen?«

»Nein, mein Freund,« sagte Oberst Everard, »der Antheil, den ich an diesem unglücklichen Bürgerkriege genommen, vielleicht auch die Art des Gottesdienstes, zu welcher ich erzogen wurde, haben mir in der Meinung meines Oheims so sehr geschadet, daß ich für einige Zeit seinem Hause und seiner Familie fremd bleiben muß.«

»Wirklich! nun das freut mich von ganzem Herzen und von ganzer Seele,« sagte der Geistliche. »Verzeihen Sie meine Offenherzigkeit, ich hatte gedacht – was liegt daran, was ich dachte – ich möchte nicht gerne beleidigen. Aber obgleich das Mädchen eine liebliche Gestalt hat, und, wie man allgemein sagt, in allen menschlichen Dingen untadelich ist, doch – aber ich thue Ihnen wehe, – kurz, ich werde nichts weiter darüber sagen. Sie müßten denn meinen offenherzigen, aber keineswegs bindenden Rath verlangen, den ich Ihnen aber durchaus nicht aufdringen will. Kommen Sie, wir wollen dem Städtlein zugehen. Die liebliche Einsamkeit des Waldes macht vielleicht unsere Herzen zu gegenseitiger Mittheilung geneigt.«

Sie gingen also gemeinschaftlich dem Flecken zu, und obgleich sie von verschiedenen Gegenständen sprachen, so verlangte doch der Oberst, zu Mr. Holdenough's Erstaunen, wegen seiner Liebe zu seiner schönen Base seinen geistlichen Beistand nicht; auch hielt, was sich der Krieger kaum erwartete, der Geistliche sein Wort, und war seinem eigenen Ausdrucke nach nicht so zudringlich, ungeforderten Rath in einer so delikaten Sache zu geben.



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