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Achtes Kapitel.

Wir konnten den Protector sehen
Auf der Tribüne herrschend stehen;
Die Thrän' im Aug', den Zorn im Blick,
Wägt' er des Landes Weh' und Glück.
Doch trotz der Macht und trotz der Größe,
Zeigt sich der Mensch in seiner Blöße.

Crabbe.

Wir wollen für jetzt den Obersten Everard seinen Betrachtungen überlassen, und seinen fröhlichen, royalistischen Gefährten begleiten, welcher, wie es sich wohl von selbst denken läßt, einen Frühtrunk, bestehend in Muskatellerwein und einigen Eiern, einnahm, ehe er im Wirthshaus zum Ritter St. Georg zu Pferde stieg, um sich, wie er sagte, vor dem Einflusse der rauhen Herbstluft zu schützen. Hatte er sich schon der ausschweifenden Lebensart ergeben, welcher sich die königlich Gesinnten überließen, als wollten sie selbst in dieser Hinsicht die strengen Grundsätze ihrer Gegner nicht theilen, so fühlte sich doch Wildrake bei seiner jetzigen Gesandtschaft von so verschiedenen, seltsamen Gefühlen durchdrungen, daß der Mann von guter Geburt und Erziehung durch den royalistischen Hitzkopf durchleuchtete, und welche zeigten, daß das Schwelgerleben seine guten Naturanlagen nicht völlig hatte unterdrücken können.

Im Allgemeinen war sein Gemüth mit Abscheu gegen Cromwell erfüllt, den er als Royalist nur auf dem Schlachtfelde zu treffen wünschte, um ihn mit einem Pistolenschuß zu begrüßen. Aber sein Haß war mit einer guten Dosis Furcht vermischt. Der Sieg, der von seinem Feldherrnstabe unzertrennlich schien, hatte dem merkwürdigen Manne, dem sich Wildrake nahete, jenen Einfluß auf die Gemüther seiner Feinde verschafft, welchen das wankellose Glück hervorbringt. Sie haßten ihn, aber sie fürchteten ihn noch weit mehr. Ueberdieß plagte Wildrake seine unruhige Neugierde, eine natürliche Folge seiner Geschäftslosigkeit, so daß ihn alles Merkwürdige und Bemerkenswerthe unwiderstehlich anzog.

»Ich freue mich doch, den alten Schurken zu sehen,« sagte er, »wäre es auch nur um des Vergnügens willen, daß ich sagen kann, ich habe ihn gesehen.«

Zur Nachmittagszeit erreichte er Windsor, widerstand aber der Versuchung, sein Quartier in einem von jenen alten Schlupfwinkeln aufzuschlagen, die er in den besseren Tagen jener schönen Stadt häufig besuchte.

Er ging in das erste Wirthshaus, vor welchem aber der alte Schild: »Gasthaus zum Hosenband« längst verschwunden war. Auch auf den Wirth hatte der Geist der Zeit sich erstreckt, er war jetzt nüchterner, schüttelte bedenklich den Kopf, wenn er von dem Parlamente sprach, wünschte England einen glücklichen Ausweg aus seinem Unglück, und verkündete das Lob Sr. Excellenz des Lord Generals. Auch sein Wein war jetzt, wie Wildrake bemerkte, besser, als sonst, denn die Puritaner besaßen einen eigenen Scharfblick, Betrügereien dieser Art zu entdecken; dabei war sein Maaß kleiner, und seine Preise größer geworden. Dieser wichtige Mann sagte ihm also, der Lord General ließe ohne Weiteres Personen jeden Ranges und Standes vor sich; und er würde ohne Weiteres morgen um acht Uhr Audienz bei ihm erhalten, wenn er sich am Schloßthor einfinde, und sich als Ueberbringer von Depeschen an Se. Excellenz melden ließe.

Zur bestimmten Stunde begab sich der verkleidete Royalist in das Schloß. Die Soldaten, welche in rothen Röcken und mit finsteren Mienen, das Gewehr auf der Schulter, am äußeren Thore des ehrwürdigen Gebäudes Wache hielten, ließen ihn ohne Umstände durch. Wildrake ging über den Hof und warf einen Blick auf die schöne Kapelle, welche erst vor Kurzem den ungeehrten Leichnam des hingerichteten Königs von England in der finsteren Stille ihrer Grabgewölbe aufgenommen hatte. Die Rückerinnerung an diesen ergreifenden Gegenstand hätte Wildrake fast bewogen, lieber schaudernd zurückzukehren, als dem finsteren kühnen Manne unter die Augen zu treten, dem man vor allen anderen die Schuld an dem traurigen Ausgang dieser Sache zuschrieb. Aber da er von der Nothwendigkeit überzeugt war, die Aufwallungen seines Gemüthes zu unterdrücken, so eilte er, das Geschäft zu verrichten, das ihm sein Freund, gegen den er sich so verpflichtet fühlte, aufgetragen hatte. In der Nähe des runden Thurms blickte er nach der Stelle, wo das Banner Englands geflattert hatte. Es war verschwunden, mit seinen schönen Malereien, seinem glänzenden Wappen und seinen herrlichen Stickereien; aber an seiner Stelle erhob sich die Fahne der Republik, das Kreuz des St. Georg in blauer und rother Farbe, die aber noch nicht von dem schottländischen Kreuze diagonal durchschnitten ward, welches England bald darauf, zum Zeichen seines Sieges über seinen alten Feind, in sein Wappen aufnahm. Diese Veränderung versenkte ihn gegen seine Gewohnheit so sehr in trübe Betrachtungen, daß ihn erst das Zurufen der Schildwache und ihr kräftiges Aufstoßen des Flintenkolbens auf den Boden, aus seinen Träumen weckte und wieder zu sich brachte.

»Wer seid Ihr und zu wem wollt Ihr?«

»Ich bin mit einem Briefe an den sehr ehrenwerthen Lord General beauftragt,« antwortete Wildrake.

»So wartet, bis ich den Offizier der Wache rufe.«

Der Offizier, der sich von seinen Untergebenen durch eine größere Menge Band um den Hals, durch die doppelte Höhe seines colossalen Hutes, durch einen weiteren Mantel und durch ein noch viel finstereres Ansehen auszeichnete, erschien. Man konnte es in seinen Zügen lesen, daß er zu jenen furchtbaren Schwärmern gehörte, denen Oliver seine Siege verdankte, und an deren Eifer die Tapferkeit der Royalisten zur Vertheidigung der Person und der Krone ihres Herrschers scheiterte. Mit feierlichem Ernste sah er den Wildrake von Kopf bis zu Fuß an, und verlangte endlich sein Anliegen zu wissen.

Wildrake versetzte mit so viel Festigkeit, als er konnte: »Ich habe ein Anliegen an Ihren General.«

»An Se. Excellenz, den Lord General, willst du wahrscheinlich sagen,« erwiederte der Korporal. »Freund, deine Sprache zeigt wenig Ehrerbietung vor Sr. Excellenz.«

»Der Teufel hole Se. Excellenz,« dachte er bei sich; aber er war so klug, es fein für sich zu behalten. Seine Antwort war eine stille Verbeugung.

»Folge mir,« sagte die steife Gestalt, die ihn angeredet hatte, und die ihn nun in die Schloßwache führte. Dort fand er ein charakteristisches Bild jener Zeit, das von dem der militärischen Aufenthaltsörter in unserer Zeit sehr verschieden war. Einige Musketiere saßen beim Feuer und hörten einem anderen zu, der ihnen ein religiöses Mysterium erklärte. Seine Zuhörer hörten ihm mit der größten Aufmerksamkeit zu, und ihre ganze Antwort bestand in Wolken von Tabacksdampf, die sich unter ihren dicken Bärten erhoben. Ein anderer Soldat lag auf seinem Gesichte auf einer Bank; ob er schlafe oder geistige Betrachtungen anstellte, konnte man nicht wohl unterscheiden. Mitten in der Stube stand ein Offizier, wie es sein gesticktes Kleid und seine Schärpe vermuthen ließ, und war damit beschäftigt, einem eben angekommenen Bauernlümmel das damals übliche Manöver zu lehren. Wildrake konnte wenigstens zwanzig Commandowörter zählen, worauf eben so viel Bewegungen folgten, denn ehe das Exercitium zu Ende war, erlaubte ihm der Korporal nicht, die Schwelle zu überschreiten, oder sich zu setzen.

»Wie heißt du, Freund,« sagte der Offizier zu dem Rekruten, als die Uebung beendigt war.

»Ephraim,« erwiederte der Bursche.

»Und wie sonst noch?«

»Ephraim Cobb, aus der guten Stadt Glocester, wo ich sieben Jahre bei einem wackeren Schuhmacher in der Lehre stand.«

»Nun, es ist ein ehrenwerthes Handwerk,« versetzte der Offizier lächelnd, »versuche nur dein Glück einmal bei uns, du wirst schon sehen, daß man's da über den Leisten bringen kann.«

Dann wandte er sich zum Korporal, der sich einige Schritte von ihm entfernt hielt, und wahrscheinlich gern reden wollte.

»Nun, was Neues, Korporal?«

»Verzeihen Ew. Excellenz, hier ist ein Mann mit einem Briefe,« versetzte jener, »aber ich traue ihm wahrlich nicht ganz, ich glaube fast, es ist ein Wolf im Schafsfell.«

Wildrake sah nun zu seinem Schrecken, daß er sich in der Gegenwart des höchstmerkwürdigen Mannes befand, an welchen seine Aufträge lauteten; er überlegte bei sich, wie er ihn anreden solle.

Die Gestalt des Oliver Cromwell war, wie allgemein bekannt, durchaus nicht einnehmend; er war von mittlerer Statur und von grobem starkem Körperbau, seine ausdrucksvollen Gesichtszüge verriethen Strenge, Scharfsinn und tiefen Forschergeist, seine grauen Augen strahlten vom lebhaftesten Feuer; im Verhältniß gegen die übrigen Theile des Gesichts, war seine Nase etwas zu groß.

Wenn er verstanden sein wollte, so konnte er kräftig und nachdrücklich sprechen, doch war seine Rede weder lieblich noch anmuthig; dennoch aber konnte sich Niemand, wo es galt, kräftiger und bestimmter ausdrücken, als er. Wollte er aber, wie es ihm oft geschah, den großen Redner spielen, wollte er dem Volke schmeicheln, ohne es aufzuklären, dann wußte Cromwell seine wirkliche oder angebliche Ansicht in einen solchen Nebel von Worten einzukleiden, da gab es so viele Ausnahmen und besondere Fälle, so viel Schachtelsätze und Parenthesen, daß der klügste Mann, den Englands Boden trug, der unverständlichste Redner schien, der seine Zuhörer in eine unbeschreibliche Verwirrung setzte. Mit Recht sagt also ein Geschichtschreiber, daß eine Sammlung der Reden, welche der Protektor hielt, wenn man einige ausließe, das sinnloseste Buch auf der Welt sein würde; aber wenn er vollkommen gerecht gewesen wäre, so hätte er hinzufügen müssen, daß auch Niemand kraftvoller, verständlicher und eindringender redete, als Oliver Cromwell, wenn er es wollte.

Oliver Cromwell stammte zwar aus einer guten Familie und hatte also auch eine standesgemäße Erziehung und Bildung genossen; doch gelang es dem schwärmerischen Volksliebling nie, sich die – unter den höheren Classen üblichen – Höflichkeitsformen anzueignen, wenigstens beobachtete er sie nicht. Sein Betragen war so derb, daß es zuweilen fast bauernmäßig war. Aber in seiner Sprache und in seinem Benehmen äußerte sich eine Kraft und eine Stärke, die seinem Charakter völlig entsprach, und welche Furcht, wo nicht gar Ehrfurcht einflößten; ja der finstere schlaue Geist beherrschte seinen Willen so sehr, daß er, wenn er wollte, zuweilen selbst hinreißend werden konnte. Sein Humor aber, der sich wohl auch hie und da zu zeigen pflegte, war niedrig, flach, manchmal sogar etwas handgreiflich. Er war übrigens ein vollkommener Engländer, verachtete die Thorheit, haßte die Ziererei und verabscheute die Ceremonie, so daß ihn alles dieses, verbunden mit seinem Verstande und seinem Muthe, in vieler Hinsicht zu keinem unpassenden Repräsentanten der englischen Demokratie machte.

Seine Religiosität wird immer sehr in Zweifel gehüllt sein, den er selbst wohl schwerlich hätte lösen können. Es gab bestimmt einmal eine Epoche in seinem Leben, in welcher er ein aufrichtiger Schwärmer war, und seine Gemüthsstimmung, die ein wenig mit Schwermuth vermischt war, von demselben Fanatismus ergriffen wurde, der zu seiner Zeit so viele Menschen begeisterte. Wiederum gab es Perioden in seiner politischen Laufbahn, wo wir ihm nicht unrecht zu thun glauben, wenn wir ihn der Heuchelei beschuldigen. Wir glauben so ziemlich die rechte Mitte zu treffen, wenn wir annehmen, daß der religiöse Glaube zum Theil wirklich in seinem Gemüthe gegründet war, zum Theil aber auch, so wie sein eigenes Interesse es verlangte, vorgeschoben wurde. So sinnreich aber ist das menschliche Herz, nicht allein Andere, sondern auch sich selbst zu täuschen, daß wahrscheinlich weder Cromwell noch diejenigen, welche, wie er, für fromm und heilig gelten wollten, den Punkt genau hätten bestimmen können, wo Schwärmerei und Heuchelei sich berührte, wo diese endete und wo jene anfing. Die Religiosität ihres Gemüthes hatte keine festen Schranken, sondern sie schwankte mit ihren äußeren Umständen je nach dem Fallen oder Steigen ihres Glückes oder ihres Unglückes, mit ihrem Muthe oder ihrer Muthlosigkeit.

So war also der Charakter des hochberühmten Mannes, der sich bei den Worten des Korporals umwandte, Wildraken mit seinen Blicken zu durchdringen schien, aber an seinem Aeußeren so wenig Wohlgefallen fand, daß er, ohne sich dessen recht bewußt zu sein, den Degen rückte, um ihn um so leichter fassen zu können. Dann aber schien er seinen Argwohn zu beseitigen oder hielt Vorsicht unter seiner Würde; er hüllte sich in seinen Mantel und frug den Cavalier, wer er wäre und woher er käme?

»Ein armer Gentleman, Mylord,« antwortete Wildrake, »der eben von Woodstock kommt.«

»Nun, was bringt Ihr denn, Herr Gentleman?« sagte Cromwell, indem er das Wort scharf betonte. »Ich habe viele Leute gekannt, die sich diesen Titel zueigneten, und sich dennoch nichts weniger als weise und aufrichtig betrugen; doch war Gentleman ein recht ehrenvoller Titel in Alt-England, als man noch wußte, was es bedeuten sollte.«

»Sie reden ganz wahr, Mylord,« antwortete Wildrake, indem er mit Mühe seine gewöhnlichen heftigen Redensarten unterdrückte. »Vor Alters fand man Gentlemen an den Orten, wo sie hin gehörten, aber jetzt hat sich die Welt so geändert, daß der Riemen des Sporns den Platz des gestickten Gürtels eingenommen hat.«

»Gilt das mir?« sagte der General. »Wahrhaftig du bist kühn, Geselle, und wagst gefährliche Worte; du klingst etwas hohl für gutes Metall, wie es mir scheint. Aber sprich, was bringst du mir Neues?«

»Hier diesen Brief für die Hände Ew. Excellenz von dem Obersten Markham Everard.«

Als Cromwell den Namen eines Mannes erwähnen hörte, den er so gern auf seine Seite zu bringen wünschte, so antwortete er freundlicher: »Freund, ich muß dich mißverstanden haben; verzeihe mir, mein Freund, denn ich zweifle nicht, daß du es bist. Setze dich und unterhalte dich so gut du kannst, bis wir den Inhalt deines Briefes untersucht haben. Soldaten, gebt ihm, was er wünscht.«

Mit diesen Worten verließ der General die Hauptwache, und Wildrake nahm in einem Ecklein Platz, wo er geduldig auf den Erfolg seiner Sendung harrte.

Nun glaubten die Soldaten, ihn achtungsvoller behandeln zu müssen, und boten ihm eine Pfeife Taback und einen Krug Wein an. Aber Cromwells eindrucksvolle Züge und die gefährliche Lage, in die er gerathen könnte, falls er entdeckt würde, was durch den geringsten Zufall geschehen konnte, bewogen ihn, das Anerbieten auszuschlagen. Er lehnte sich zurück, als wollte er schlafen, und entging also allen Bemerkungen und Unterredungen, bis ein Adjutant erschien, um ihn zu Cromwell zu führen. Durch ein Pförtchen, das in das Hauptgebäude des Schlosses führte, über geheime Treppen und Gänge, gelangte Wildrake endlich in ein kleines Arbeitszimmer, das mit Möbeln reich versehen war, von denen manche noch die königlichen Namenszüge trugen, die aber unordentlich herumstanden, so wie auch verschiedene Bilder mit vergoldeten Rahmen, die mit dem Gesichte der Wand zugekehrt waren, als habe man sie herunter genommen, um sie weg zu thun.

Hier also saß der siegreiche General der Republik, in einem großen Lehnsessel, der mit Damast überzogen und reich gestickt war, und dessen Pracht mit der einfachen Kleidung Cromwells einen grellen Widerspruch bildete, wiewohl seine Blicke und seine Züge zu sagen schienen, daß der Sitz, der in früheren Zeiten einem Könige zum Ruheplatz gedient zu haben schien, für seinen Ehrgeiz und für seinen Stolz nicht zu hoch wäre. Wildrake stand, und er hieß ihn nicht sitzen.

»Pearson,« sagte Cromwell zu seinem Adjutanten, »warte im Vorzimmer, bleibe aber in der Nähe, damit ich dich rufen kann.«

Der Adjutant verbeugte sich und ging.

Der General hielt Everards Brief in der Hand, und sah wieder den Wildrake scharf an, als bedenke er sich, wie er ihn anreden solle.

Seine Rede war im Anfang so zweideutig, wie wir schon seine Weise beschrieben haben, und für Jedermann sehr schwer zu verstehen, selbst wenn er es wollte. Wir wollen sie so kurz geben, wie der Wunsch es gestattet, die eigenen Worte eines so außerordentlichen Mannes mitzutheilen.

»Ihr habt,« sagte er, »diesen Brief von Eurem Herrn oder Gönner, Markham Everard gebracht. Gewiß, er ist ein vortrefflicher, hochachtungswerther Gentleman, der sich immer bei dem großen Werke auszeichnete, diesen drei armen unglücklichen Nationen die Freiheit zu verschaffen. – Antworte mir nicht, ich weiß schon, was du sagen willst. – Diesen Brief sendet er mir also durch dich, seinen Schreiber oder Secretär, zu dem er Zutrauen hat, und zu welchem er mich bittet, ebenfalls Vertrauen zu fassen, damit ein sorgfältiger Bote sein möge unter uns. Ferner hat er dich gesandt – antworte nicht, ich weiß schon, was du sagen willst – ferner hat er dich gesandt zu mir, der ich, wenn ich schon unwürdig sein mag, mein Schwert zu erheben für die heilige Sache Englands, doch mit der Führung und mit dem Commandostabe der Armee beehrt wurde. – Nein, Freund, antworte nicht, ich weiß schon, was du sagen willst. – Bemerke dir also bei unsrer Unterhandlung, und gib Acht auf unseren Vortrag, daß du ein dreifaches Argumentum oder eine dreifache Eintheilung zu beobachten hast; erstens: in so fern es deinen Herrn betrifft; zweitens: in so fern es uns in unserer Amtspflicht betrifft; und drittens und letztens: in so fern es deine eigene Person angeht.«

»Was also nun erstens diesen ehrenwerthen Gentleman, Oberst Markham Everard betrifft, so hat er sich wahrlich männlich gezeigt, vom Anfang dieser unglücklichen Händel an, bis auf den heutigen Tag, er hat sich nicht gewendet, weder zur Rechten noch zur Linken, sondern er behielt das Ziel im Auge, das sein Streben war. Doch aber dürfen wir uns hier auf Erden weniger von Privatrücksichten und von Parteilichkeiten leiten lassen, als durch jene höheren Rücksichten der Pflicht. Was also Woodstock betrifft, so verlangt da der Oberst eine große Sache, daß es ausgenommen werde von der Beute der Frommen, und im Besitz bleibe den Moabiten und namentlich dem bösgesinnten Henry Lee, der stets seine Hand gegen uns erhob, wo er es konnte. Ich sage also, er hat sowohl für mich, als für sich um eine große Sache gebeten. Denn wir, die wir von der gottesfürchtigen Armee Englands erwählt wurden, werden von dem Parlamente für Männer gehalten, die zwar erbeuten sollen, aber denen selbst kein Antheil davon zukömmt. Doch spreche ich nicht gerade nur von der Einräumung Woodstocks, da die edlen Lords des hohen Rathes, und die Commissäre des Parlaments vielleicht huldreichst denken mögen, ich hätte durch meinen Verwandten Desborough einiges Interesse dabei, das er für seine vielfachen Dienste wohl verdient hat, und das ich also nicht schmälern kann, es sei denn des öffentlichen Wohls wegen. Du siehst also nun deutlich ein, mein wackerer Freund, wie es bei der Sache, die dein Herr von mir verlangt, mit mir steht. Ich schlage es also weder ab, noch kann ich es vollkommen gewähren, ich spreche nur meinen einfachen Gedanken deutlich darüber aus. Du verstehst mich doch gewiß?«

Roger Wildrake hatte zwar der Rede des Lord Generals alle mögliche Aufmerksamkeit gewidmet, aber die Klauseln und die Parenthesen des Vortrags hatten ihn so verwirrt, daß er nicht wußte, ob er ja oder nein antworten sollte. Der General, der seine Verlegenheit bemerkte, begann eine neue Rede zu demselben Zwecke, wie zuvor; – er sprach also von seiner Liebe zu seinem werthen Freunde, dem Obersten – von seiner Hochachtung vor seinem gottesfürchtigen Verwandten Desborough, von der unendlichen Wichtigkeit des Schlosses und des Parks von Woodstock. – Von dem Beschlusse des Parlaments, sie einzuziehen und den Ertrag dem Staatsschatze zuzuwenden, – von seiner tiefen Verehrung vor dem Parlamente, von seinem nicht minder theilnehmenden Gefühl an dem Unrecht, das der Armee dabei geschehen wäre, – daß er von Herzen geneigt sei, alles wieder auf einen friedlichen und freundschaftlichen Fuß zu bringen, selbst wenn er seine Stelle, ja wenn er sogar sein Leben dabei verlieren müßte, wenn er es nur mit Sicherheit für die armen Soldaten thun könnte, die ihn wie einen Vater verehrten, und ihm kindlichen Gehorsam und kindliche Zuneigung zeigten.

Hier machte er abermals eine Pause; aber Wildrake war immer noch so ungewiß, wie zuvor, ob er dem Obersten Everard die erbetene Vollmacht gewähren wollte, Woodstock gegen die Parlaments-Commissäre zu vertheidigen oder nicht. In seinem Herzen hegte er die Hoffnung, daß die himmlische Gerechtigkeit oder Gewissensbisse den Verstand des Königsmörders umnebeln würden. Aber trotz aller Mühe konnte er nichts bemerken, als den Scharfblick des festen, ernsten Auges, das, während die Zunge in breiten, weitschweifigen Reden überströmte, sogleich die Wirkungen zu belauschen schien, welche seine Eloquenz auf den Zuhörer hervorbrachte.

»Nun wahrhaftig,« dachte der Cavalier in seinem Herzen, als er seine Lage überlegte, und über eine Unterredung ungeduldig ward, die zu keinem Ende zu führen schien, »wenn Noll auch der Teufel selbst wäre, wie er des Satans Lieblingskind ist, so soll er mich doch nicht länger mehr zum Besten haben. Ich unterbreche ihn, wenn er so fortfährt, und will doch einmal sehen, ob ich ihn zu keiner verständlicheren Sprache bringen kann.«

Wenn es dem Wildrake gleich etwas gefährlich schien, seinen kühnen Vorsatz auszuführen, so erwartete er doch sehnlich die Gelegenheit, es zu versuchen, ob denn Cromwell wirklich ganz unfähig wäre, seine Meinung auszudrücken. Schon fing dieser eine dritte Lobrede auf den Obersten Everard mit einigen Variationen an, als Wildrake die Gelegenheit erspähte, dem General in die Rede zu fallen, als dieser eben eine kleine Pause machte.

»Verzeihen Sie,« sagte er geradezu, »Ew. Excellenz haben nun zwei Gegenstände ihrer Rede vollkommen besprochen, nämlich was von Ihrer eigenen hohen Person handelt, und von der meines Herrn, des Obersten Everard; nun aber wäre es nicht unnöthig, auch dem dritten Punkte einige Worte zu gönnen.«

»Dem dritten?« fragte Cromwell.

»Ja,« sagte Wildrake, »nämlich der Abtheilung Ihrer Rede, welche sich auf meine eigene geringe Person bezog. Was habe ich zu thun, und welchen Antheil soll ich denn an der Sache haben?«

Oliver, der bisher mit einer Stimme gesprochen hatte, welche so ziemlich dem Knurren eines alten Katers glich, rief nun mit dem Gebrülle eines Tigers: » Dein Antheil, du Galgenstrick, der Galgen! Kerl, du sollst so hoch hängen wie Haman, wenn du dein Geheimniß verräthst; aber,« setzte er mit ruhigerer Stimme hinzu, »sei vernünftig und bewahre es als ein ehrlicher Mann, und du kannst dir damit meine Gunst erwerben. Komm' her, wie ich sehe, bist du ziemlich kühn; mein würdiger Freund, der Oberst Everard, schreibt mir, du wärest ein Uebelgesinnter gewesen, und hättest nun jene verfallene Sache aufgegeben. Mein Freund, Alles, was das Parlament oder die Armee gethan haben, hätte die Stuarts nicht von ihrem Throne gestoßen, wenn nicht der Himmel mit ihnen im Streit gewesen wäre. Ach wie annehmlich und lieblich ist es, seine Rüstung anzulegen für die Sache des Himmels; denn wahrlich, sonst könnten um meinetwegen diese Männer bis auf den heutigen Tag auf dem Throne von England sitzen. Auch tadle ich Niemanden, der zu ihnen hielt, bis die großen Strafgerichte sie plötzlich trafen und sie und ihr Haus überwältigten. Ich bin nicht blutgierig, und fühle wohl in mir selbst, daß auch ich menschliche Gebrechen und menschliche Fehler habe; aber mein Freund, wer bei großen Begebenheiten die Hand legt an das Rad der Zeit, das die Nationen treibt und die Völker, der thut am besten, wenn er nicht hinter sich schaut. Aber,« fügte er mit erhobener Stimme hinzu, »wenn du mich täuschest, so soll dein Galgen nicht um einen Fuß niedriger werden, als der des Haman. Sage mir also, ob du den Sauerteig deiner bösen Gesinnungen ganz verbannt hast.«

»Ew. hochgeehrte Herrlichkeit,« erwiederte der Cavalier achselzuckend, »hat für uns gethan, was die Waffen nur immer im Stande sind, zu leisten.«

»Glaubst du?« sagte der General mit einem Lächeln, welches verrieth, daß er nicht ganz unempfindlich gegen Schmeichelei war, »ja, darin sagst du die Wahrheit – wir sind ein Hebel gewesen. Auch wollen wir gegen die, die in den feindlichen Reihen gekämpft haben, nicht so streng sein, wie Andere. Die Glieder des Parlamentes müssen wohl am besten ihr eigenes Interesse und ihren eigenen Willen kennen, aber meiner schwachen Einsicht nach ist es Zeit, diesen Streitigkeiten ein Ende zu machen, und Menschen von allen Ständen und Classen die Mittel einzuräumen, ihrem Vaterlande nützlich zu sein. Auch wird die Schuld nur an dir liegen, wenn du nicht mitarbeitest zu deinem Besten und zum Besten des Staates; und dem, was ich dir zu sagen habe, nicht die tiefste Aufmerksamkeit weihst.«

»Ew. Herrlichkeit brauchen an meiner Aufmerksamkeit nicht zu zweifeln,« antwortete Wildrake.

Der General der Republik machte eine abermalige Pause, wie Jemand, der nicht ganz unbedenklich einem Anderen sein Zutrauen schenkt; dann aber erklärte er seine Absichten mit einer Deutlichkeit, deren er sich selten befleißigte. Doch geriet er hie und da auf Umwege, die ihm fast zur Gewohnheit geworden waren, und von denen er sich nur auf dem Schlachtfelde gänzlich trennte.

»Du siehst also, mein Freund,« sagte er, »wie die Sachen bei uns stehen. Es liegt mir nichts daran, wer es weiß, – genug, das Parlament liebt mich nicht, und der hohe Staatsrath, durch den es die vollziehende Gewalt des Königreichs leitet, noch viel weniger. Warum sie eigentlich Verdacht gegen mich hegen, das weiß ich nicht; es müßte nur sein, weil ich diese arme unschuldige Armee nicht überliefern will, die mir in so vielen Schlachten folgte, und die man nun auseinander reißen, verstückeln, und herabsetzen will. Demnach würden die, die den Staat mit ihrem eigenen Blute beschützten, vielleicht kaum die Mittel mehr haben, sich durch ihre Arbeiten ihren Lebensunterhalt zu verschaffen; und das wäre doch, meine ich, gar zu hart, denn man nähme ja dann dem Esau seine Erstgeburt, und gäbe ihm nicht einmal eine armselige Linsensuppe dafür.«

»Ich denke, Esau wird sich wohl schon selbst helfen,« sagte Wildrake.

»Da hast du ein kluges Wort gesprochen,« versetzte der General; »denn ein Bewaffneter duldet nicht, daß man ihn Hunger sterben läßt, wenn es nur Speisen gibt, die man mit Gewalt nehmen kann. – Doch bin ich weit entfernt, zum Aufstand oder zum Ungehorsam gegen unsere Obrigkeit aufzumuntern. Ich möchte bloß eine anständige, passende Art finden, die sie bewegte, auf unsere Vorschläge zu hören und für unsere Bedürfnisse zu sorgen; da sie aber so wenig auf mich achten, so müßt Ihr es selbst einsehen, daß ich den Staatsrath sowohl, wie das Parlament gegen mich aufbringen würde, wenn ich mich, um Eurem würdigen Herrn zu willfahren, ihren Zwecken entgegen stemmte, oder der Commission, die in ihrem Auftrage (und die ist jetzt die höchste im Staat, und mag es meinetwegen noch lange sein) handelt, befehlen wollte, mit der Beschlagnahme einzuhalten. Ja, man würde sogar sagen, daß ich selbst das Interesse der Uebelgesinnten beförderte, weil ich es zuließe, daß die Höhle der blutdürstigen Tyrannen der Vorzeit, jetzt ein Zufluchtsort für jenen alten, eingefleischten Amalekiten, Sir Henry Lee, bleibe. Wahrhaftig, es wär' eine gefährliche Sache.«

»Befehlen also Ew. Excellenz, daß ich dem Oberst Everard berichten soll, daß Sie ihm in dieser Sache nicht helfen können?«

»Unbedingt ja, – bedingt aber könnte die Antwort wieder anders heißen,« erwiederte Cromwell. »Ich merke schon, du kannst meine Absichten nicht durchdringen, ich will dir sie also zum Theil kund thun. – Aber ich sage dir, wenn du es Jemanden verräthst, außer deinem Herrn, wenn du ihm Antwort bringst, so sollst du, wenn schon viel Blut in diesen unruhigen Zeiten vergossen wurde, doch des qualvollsten Todes sterben.«

»Fürchten Sie nichts,« sagte Wildrake, der jetzt so niedergeschlagen und demüthig war, wie der Falke in Gegenwart des Adlers.

»So höre mich denn an,« sprach Cromwell, »und merke dir eine jede Sylbe. Kennst du den jungen Lee, den sie Albert nennen, einen Widerspenstigen, wie sein Vater, der mit dem jungen Manne in den letzten Kampf zog, den wir bei Worcester kämpften?«

»Ich weiß, daß es einen jungen Mann gibt, der Albert Lee heißt,« antwortete Wildrake.

»Weißt du ferner nicht – ich will aber keineswegs die Geheimnisse des guten Obersten durchdringen, sondern ich möchte nur Etwas erfahren, damit ich weiß, wie ich ihm am besten dienen kann. – Weißt du nicht, frag' ich dich, daß dein Herr, Markham Everard, sich um die Schwester dieses Widerspenstigen, um die Tochter des alten Forst-Aufsehers Sir Henry Lee bewirbt?«

»Ich habe das Alles gehört,« sagte Wildrake, »und will auch nicht läugnen, daß ich es glaube.«

»Gut also, weiter. – Als nun der junge Mann, Carl Stuart, vom Schlachtfelde zu Worcester floh und durch heftige Verfolgung gezwungen ward, sich von seinem Gefolge zu trennen, da war, ich habe es aus sicherer Quelle, eben dieser Albert Lee einer der Letzten, wo nicht gar der Allerletzte, der ihn begleitete.«

»Das war teuflisch von ihm,« sagte der Cavalier, der seine Ausdrücke nicht gehörig abwog, und nicht bedachte, in wessen Gegenwart er sprach. – »Ich will ihn mit meinem Degen aufhalten, und ihn zwingen, ein wahrer Sprößling des alten Stammes zu sein.«

»Was! schwörst du,« sagte der General, »ist das deine Besserung?«

»Ich schwöre nie, wenn es Ihnen gefällig ist,« erwiederte Wildrake, indem er sich faßte, »außer wenn ich von Uebelgesinnten und von Cavalieren sprechen höre, dann kehrt sogleich meine alte Gewohnheit zurück, und ich fluche wie einer von Gorings Soldaten.«

»Weg mit dir,« sagte der General; »was nützt es, so furchtbare Flüche auszustoßen, welche keinen Vortheil bringen?«

»Freilich gibt es nützlichere Sünden in der Welt, als das Laster zu schwören,« war die Antwort, die dem Cavalier auf den Lippen schwebte, die er aber mit einer Entschuldigung vertauschte, beleidigt zu haben. In Wirklichkeit aber hatte die Unterredung eine Wendung genommen, welche sie dem Wildrake anziehender machte als früher. Er war also entschlossen, die Gelegenheit nicht vorbeigehen zu lassen, sich in Besitz des Geheimnisses zu setzen, das auf Cromwell's Lippen zu schweben schien; und das konnte nur dadurch geschehen, daß er sehr auf seiner Hut war.

»Wie ist das Haus zu Woodstock beschaffen?« sagte der General kurz.

»Ein altes Gebäude,« erwiederte Wildrake, »und so viel ich bei einem Aufenthalte während einer einzigen Nacht sehen konnte, fehlt es nicht an verborgenen Treppen und unterirdischen Gängen, wie gewöhnlich in den alten Rabennestern dieser Art.«

»Auch wohl ohne Zweifel Oerter, um Priester zu verstecken,« sagte Cromwell; »selten fehlt es in solchen alten Häusern an geheimen Ställen, wo man die Kälber von Bethel mästen kann.«

»Ew. Excellenz,« sagte Wildrake, »können darauf schwören.«

»Ich schwöre gar nicht,« erwiederte der General trocken – »aber was meinst du, guter Bursche, ich will dich geradezu etwas fragen – wo ist es wohl am wahrscheinlichsten, daß die beiden Flüchtlinge von Worcester Obdach suchen werden – denn Obdach müssen sie doch irgendwo finden – glaubst du nicht, daß sie nach dem alten Palaste fliehen werden, dessen geheimen Gänge und Winkel der junge Albert von seiner frühesten Jugend an kennen muß?«

»Wahrlich,« sagte Wildrake, der sich zwang, gleichgiltig zu antworten, wenn schon die Möglichkeit eines solchen Falles und seine Folgen sein Gemüth schrecklich durchzuckten. »Wahrlich, auch ich würde der Meinung Ew. Gnaden sein, aber ich denke doch, die Gesellschaft, welche im Auftrag des Parlaments Woodstock in Besitz genommen hat, wird sie wohl von dort verscheuchen, wie die Katze die Tauben vom Hühnerhofe abhält. Die Nachbarschaft der Generale Desborough und Harrison wird den Flüchtlingen vom Schlachtfelde zu Worcester nicht sehr wohl anstehen.«

»So dachte ich auch, und wünsche auch, daß es so sein möge,« antwortete der General. »Lange möge es noch dauern, daß unser Name ein Schrecken unserer Feinde sei. Wenn du aber in dieser Sache den Vortheil deines Herrn kräftig befördern willst, so mußt du bei der gegenwärtigen Gelegenheit etwas Tüchtiges leisten.«

»Mein Verstand ist zu klein, um die Tiefe der Absichten Ew. Excellenz zu durchschauen,« sagte Wildrake.

»Höre also und ziehe Nutzen daraus,« antwortete Cromwell. »Freilich war die Eroberung von Worcester eine große und krönende Gnade; doch würde unser Dank dafür zu klein scheinen, wenn wir nicht zugleich Alles thäten, was zur letzten Verbesserung und zum endlichen Schlusse des großen Werkes dienen kann, das bisher so glücklich in unseren Händen von Statten ging. Dabei versichern wir in reiner Demuth und in Einfalt des Herzens, daß wir auf keine Weise unsere Persönlichkeit bedenken wollen, sondern vielmehr bitten und ersuchen, daß unser Name und unser Glück lieber vergessen würde, als daß das große Werk unvollständig bliebe. Doch betrifft es uns, wie wir da sind, insofern nämlich arme Geschöpfe mehr oder minder dem Wechsel des Glückes ausgesetzt sind, nicht uns und unsere Macht, sondern die Bestimmung, zu der wir berufen sind und die wir mit Demuth auszuüben streben. – Ich sage, es ist uns wichtig, daß alle diese Dinge in Uebereinstimmung mit den großen Werken geschehen, welche in diesem Lande ausgeübt wurden und noch ausgeübt werden. Das ist meine klare und einfache Meinung, und darum ist es sehr wünschenswerth, daß dieser junge Mann, dieser König der Schotten, wie er sich nennt, daß dieser Carl Stuart nicht aus einem Lande entkomme, wo seine Ankunft so viele Unruhe und Blutvergießen hervorbrachte.«

»Ich zweifle nicht,« sagte der Cavalier, indem er zu Boden sah, »daß die Weisheit Ew. Herrlichkeit Alles so eingeleitet hat, daß Sie am besten zu Ihrem Zwecke gelangen, und ich bete dafür, daß Ihre Mühe bezahlt werden möchte, wie sie es verdient.«

»Ich danke dir, mein Freund!« sagte Cromwell sehr demüthig; »freilich steht unser Lohn in den Händen eines guten Zahlmeisters, der den Sonnabend nie vorbeigehen läßt. Aber verstehe mich recht, mein Freund – ich verlange nicht mehr als meinen eigenen Antheil an der guten Sache. Ich würde deinem würdigen Herrn und selbst dir in deiner Art so viel Freundliches erzeigen, als nur in meinen schwachen Kräften steht; ich rede nicht mit gewöhnlichen Leuten auf eine Weise, daß unsere Gegenwart vergessen wird, als wäre das eine Sache, die jeden Tag vorfallen kann. Wir sprechen mit Männern, wie du, von ihrem Lohne oder von ihrer Strafe, und ich hoffe, daß du in deinem Auftrag dir das erstere verdienen wirst.«

»Ew. Gnaden sprechen wie Jemand, der zum Herrschen geboren ist,« erwiederte Wildrake.

»Es ist wahr, die Menschen werden zu denen, welche in meinem Range stehen, nur durch Furcht und Achtung hingezogen,« sagte der General. »Aber genug davon, da ich ja für meine eigene Person nichts vor allen Andern verlange. Ich wünschte nur, deinem Herrn diese goldene Kugel in die Mütze zu werfen. Er hat gegen diesen Carl Stuart und gegen seinen Vater gedient. Aber er ist ein naher Verwandter des alten Ritters Lee, und seiner Tochter sehr geneigt. Auch du wirst Schildwache stehen, mein Freund – dein schelmischer Blick wird dir das Zutrauen eines jeden Uebelgesinnten verschaffen, und die Beute kann diesem Schirme nicht nahen, und glaubte sie sich auch wie eine Kröte in den Felsen zu verstecken – du wirst ihre Gegenwart wittern.«

»Ich suche Ew. Excellenz so viel wie möglich zu begreifen,« sagte der Cavalier, »und danke Ihnen herzlich für die gute Meinung, die Sie von mir haben, auch wünschte ich nichts sehnlicher, als eine Gelegenheit zu finden, Ihnen meine Dankbarkeit dafür zu bezeigen. Aber mit Ihrer Erlaubniß bleibt immer noch die Vermuthung Ew. Excellenz sehr unwahrscheinlich, so lange Woodstock im Besitz der Sequestratoren bleibt. Denn sowohl der alte Ritter als sein Sohn, und noch weit mehr ein Flüchtling, wie Ew. Gnaden ihn bezeichnete, werden sich hüten, sich dem Schlosse zu nähern, so lange sie es noch bewohnen.«

»Eben deßwegen unterhandelte ich so lange mit dir,« sagte der General. – »Ich sagte dir, daß ich bei einer geringfügigen Gelegenheit nicht gerne die Sequestratoren durch meinen eigenen Befehl aus ihrem Besitze verjagen möchte, obgleich ich vielleicht Autorität genug im Staate hätte, es zu thun, und das Murren der Tadler zu verachten. Kurz also, wenn ich mein Privilegium ertheile und seine Kraft und die Macht des Auftrags sich erproben lasse, den die Commission von einer andern Behörde hat, so möchte ich es nicht unnütz oder ohne große Aussicht auf Gewinn verschleudern. Wenn also dein Obrist aus Liebe zur Republik es auf sich nehmen will, die Mittel ausfindig zu machen, sie einer großen und nahen Gefahr zu entreißen, welche aus der Flucht dieses jungen Mannes erfolgen wurde, und wenn er sein Möglichstes thun will, um ihn aufzuhalten, falls ihn seine Flucht, wie es sehr wahrscheinlich ist, nach Woodstock führen wird, so will ich dir Befehle an die Sequestratoren ausfertigen, den Palast augenblicklich zu räumen, und dem nächsten Regimente meiner Armee, das zu Oxford liegt, den Auftrag geben, sie am Kragen hinauszuwerfen, wenn sie sich widersetzen. Ja sie dürfen sogar des Beispiels wegen, den Desborough zuerst hinauswerfen, wenn er schon mit meiner Schwester verheirathet ist.«

»Thun Sie das, wenn Sie so gütig sein wollen, Sir;« sagte Wildrake, »und mit Ihrer allmächtigen Vollmacht hoffe ich die Commissäre, selbst ohne Beihülfe Ihrer tapferen und ergebenen Truppen, zu verjagen.«

»Oh, darüber bin ich nicht ängstlich,« erwiederte der General, »den wollte ich sehen, der noch sitzen bliebe, wenn ich einem von ihnen befehlen wollte, fortzugehen – das ehrenwerthe Haus ausgenommen, in dessen Namen die Commission handelt, das aber, wie man sagt, aufhören wird, sich mit politischen Dingen zu beschäftigen, ehe die Zeit herannaht, es zu erneuern. Was mir also vor Allem wichtig ist, das besteht darin, zu erfahren, ob dein Herr einen Handel unternehmen wird, der eine so schöne Hoffnung auf Gewinn darbietet. Ich bin fest überzeugt, daß er mit einem Burschen wie du bist, der einmal bei den Royalisten diente, und wahrscheinlich auch ihre lüderliche Weisen wieder annehmen kann, den Aufenthaltsort dieses Stuart ausfindig machen kann. Entweder wird der junge Lee den alten persönlich besuchen, oder er wird eine schriftliche Verbindung mit ihm anknüpfen. Auf jeden Fall muß Markham Everard und du Augen in jeglichem Haare des Kopfes haben.« Während er das sprach, runzelte sich seine Stirne, er erhob sich vom Stuhle, und schritt heftig bewegt durch das Zimmer. »Wehe Euch, wenn Ihr mir den jungen Abenteurer entfliehen laßt! – Es wäre besser für Euch, wenn Ihr in dem tiefsten Kerker Europa's schmachtetet, als wenn Ihr Englands Luft mit dem Gedanken einathmet, mich zu hintergehen. Ich habe offen mit dir gesprochen, Bursche – offenherziger, als es mein Brauch ist – die Umstände erforderten es. Aber mein Vertrauen zu theilen, gleicht der Wache über ein Pulvermagazin, der geringste, der unbedeutendste Funke kann dich in Asche verwandeln. Sage deinem Herrn, was ich sagte – aber nicht, wie ich es sagte. O der Schande, daß ich mich von meiner Leidenschaft hinreißen ließ – geh', Herr Pearson soll dir versiegelte Befehle bringen, – aber bleib' – du willst etwas fragen.«

»Ich möchte wissen,« sagte Wildrake, dem die sichtbare Angst des Generals einiges Vertrauen einflößte, »wie der junge Mann aussieht, wenn ich ihn allenfalls treffen sollte.«

»Es ist ein schlanker, kräftiger, schwärzlicher Bursche, hoch aufgeschossen, wie man sagt. Da ist ein Gemälde von ihm, das vor Zeiten von einer trefflichen Hand gemalt wurde.« Er kehrte eins der Gemälde um, das gegen die Wand gewendet war, aber es zeigte sich, daß es nicht das Bildniß Carls des Zweiten, sondern das seines unglücklichen Vaters war.

Cromwell's erste Bewegung zeigte die Absicht, das Gemälde schnell wieder hinzustellen, und es schien, als bedürfe es einer Kraftanstrengung seiner Seits, seine Abneigung es zu betrachten, zu unterdrücken. Aber er ward ihrer Herr, stellte das Gemälde an die Wand und trat ernst und langsam einige Schritte zurück, als wäre er, trotz seines inneren Gefühls, entschlossen, eine Stelle zu suchen, wo er es vortheilhaft betrachten könne. Es war gut für Wildrake, daß er ihn nicht ansah, denn auch sein Blut schäumte, als er das Bildniß seines Herrn in den Händen dessen sah, welcher der Haupturheber seines Todes war. Als ein heftiger und aufbrausender Mensch, bezähmte er seine Leidenschaften nur mit großer Mühe, und wäre er beim ersten Auflodern seines Unwillens mit einer passenden Waffe versehen gewesen, so würde Cromwell wahrscheinlich nie eine höhere Stufe der Gewalt erstiegen haben.

Aber das natürliche plötzliche Aufbrausen des Unwillens, das einen gewöhnlichen Menschen, wie Wildrake, ergriff, verschwand neben der starken, aber erstickten Bewegung, die ein so mächtiger Charakter, wie Cromwell, zeigte. Als der Cavalier die finsteren, kühnen Züge des großen Mannes, bewegt von inneren, unbeschreiblichen Gefühlen erblickte, da erstarb die Flamme seiner eignen Heftigkeit und verlor sich in Erstaunen und Furcht. So wahr ist es, daß, wie das größere Licht das kleinere unscheinbar macht, große, talentvolle und herrschende Gemüther im Strome der Leidenschaften den schwächern Willen und die Leidenschaften der anderen verdrängen und unterdrücken; so wie, wenn ein Bach sich in einen Fluß ergießt, der stolze Strom die Gewässer des kleineren Bächleins an die Seite drängt.

Wildrake stand schweigend, unthätig und fast erschrocken, während Cromwell mit festem Ernste im Auge und im Betragen das Bildniß des letzten Königs in kurzen, unterbrochenen Sätzen erklärte, wie Jemand, der sich zwingt, einen Gegenstand zu betrachten, den ein starkes, inneres Gefühl peinlich und schmerzlich macht. Seine Worte schienen weniger an Wildraken gerichtet, als der unwillkürliche Erguß seines eigenen Herzens zu sein, das die Rückerinnerung an die Vergangenheit und die Vorempfindung der Zukunft bewegt.

»Dieser flammändische Maler,« sagte er, – »dieser Antonio Van Dyke – welche Macht besitzt er doch! Stahl kann verstümmeln, Krieger können verwüsten und zerstören – aber der König bleibt stets unverletzt; und während unsere Enkel seine Geschichte lesen, können sie die melancholischen Züge mit der traurigen Erzählung vergleichen. – Es war eine ernste Nothwendigkeit – eine furchtbare That! Der ruhige Stolz dieses Auges hätte Welten mit kriechenden Franzosen, hätte geschmeidige Italiener, hätte umständliche Spanier beherrschen können; aber er erhöhete nur den eigenthümlichen Stolz des ernsten Engländers. – Wir wollen dem armen, sündigen Menschen, dessen Athem in der Nase ist, es nicht zur Last legen, wenn ihm der Himmel die Nervenstärke versagt, aufrecht stehen zu bleiben! Der schwache Reiter wird von dem unlenksamen Pferde abgeworfen und todt getreten – der stärkere Mann, der bessere Ritter aber springt auf den leeren Sattel und gebraucht Zügel und Sporn, bis das stolze Roß seinen Meister fühlt. Wer kann ihn tadeln, der hoch zu Pferde triumphirend durch die Menge reitet, weil ihm das gelang, wobei der Unfähige und Schwache stürzte und umkam? Wahrlich, er trägt nur den verdienten Lohn davon. Ist also dieses Stück gemalte Leinwand etwas mehr, als ein Anderes? Nein; möge es in Anderen Vorwürfe erregen, das kalte, ruhige Antlitz, das stolze, klagende Aug'. Wer nach höheren Rücksichten handelte, braucht vor gemalten Schatten nicht zu schaudern. Weder Reichthum noch Macht erhob mich aus meiner Dunkelheit. Die unterdrückten Gewissen, die verletzte Freiheit Englands waren das Panier, dem ich folgte.«

Er erhob seine Stimme, als hielt er seine Vertheidigungsrede vor einem Gerichtshofe, so daß Pearson, der dienstthuende Adjutant, das Zimmer öffnete. Als er aber seinen Herrn bemerkte mit glühendem Auge und ausgestrecktem Arme, das Knie vorgebogen und mit erhobener Stimme, wie ein General, der die Avant-Garde commandirt, so zog er sich augenblicklich wieder zurück.

»Nein, es war keine eigennützige Absicht, die mich dazu bewog,« fuhr Cromwell fort, »ich fordere die Welt – die Lebenden und die Todten fordere ich in die Schranken, wenn sie behaupten, daß ich um meinetwillen die Waffen ergriff, oder um mein Glück zu befördern. Kein Soldat in der ganzen Armee sah jene unglückliche Begebenheit mit größerem Bedauern – –«

In diesem Augenblick öffnete sich das Zimmer und eine Dame trat herein, die man, obgleich ihre Züge sanfter und weicher waren, doch wegen ihrer Aehnlichkeit mit dem General sogleich für seine Tochter erkennen mußte. Sie näherte sich dem General, umschlang ihn zärtlich mit dem Arme und sprach mit überredendem Tone: »Vater, das ist nicht wohl gethan – Sie haben mir versprochen, es solle nicht wieder stattfinden.«

Cromwell beugte das Haupt, wie Jemand, der sich entweder der Leidenschaft schämt, von der er sich überwältigen ließ, oder des Einflusses, der über ihn ausgeübt wird. Doch folgte er dem liebreichen Rathe und verließ das Zimmer, ohne den Kopf wieder gegen das Gemälde zu wenden, das ihn so sehr ergriffen hatte.



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