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Dreizehntes Kapitel.

Sie kniet, und einer Heil'gen gleich
Hebt sie das Aug' gen Himmel;
Betet fromm.

König Heinrich VIII.

Mancherlei Vermuthungen erregte Oberst Everards Abreise zu einer so späten Stunde; denn es mochte ungefähr 7 Uhr Abends sein. Diener und Gefolge versammelten sich in den Vorzimmern oder Hallen, denn Niemand zweifelte daran, daß der Grund zu seiner plötzlichen Abreise darin läge, daß er, wie sie sich ausdrückten, »Etwas gesehen haben müsse,« und Alle wünschten zu wissen, wie ein Mann von so erprobtem Muthe, wie Everard, bei einer eben gehabten Geistererscheinung wohl aussehen möchte. Aber er ließ ihnen keine Zeit, Bemerkungen darüber zu machen; denn gehüllt in seinen Reitermantel schritt er durch die Halle, warf sich auf's Pferd, und ritt mit entsetzlicher Eile durch den Forst der Hütte des Försters Joceline zu.

Markham Everard war von Natur hitzig, kühn, ernst und entschlossen fast bis zur Uebereilung. Doch hatte ihn eine richtige Erziehung gelehrt (und die strenge moralische und religiöse Zucht seiner Sekte war dieser zu Hülfe gekommen), seine natürliche Heftigkeit nicht allein zu verbergen, sondern auch zu unterdrücken und auf seiner Hut dagegen zu sein. Aber wenn die Fluth einer heftigen Bewegung das natürliche Ungestüm des jungen Soldaten rege machte, so durchbrach es diese künstlichen Schranken, und wie ein Strom, der sich schäumend über Dämme stürzt, ward er dann um so viel heftiger, als räche er sich für die erzwungene Ruhe, welche er eine Zeit lang anzunehmen gezwungen war. Bei solchen Gelegenheiten war er gewöhnt, nur den Gegenstand in's Auge zu fassen, auf den sich seine Gedanken geworfen hatten, und gerade darauf loszugehen, es sei nun ein geistiger Gegenstand, oder das Erstürmen einer Bresche, ohne die Schwierigkeiten zu berechnen, welche vor ihm lagen.

Jetzt war sein herrschender, Alles übertäubender Gedanke, seine geliebte Cousine wo möglich von den gefährlichen und entwürdigenden Verbindungen loszureißen, in welchen er sie verwickelt glaubte, oder zu entdecken, daß sie mit diesen Umtrieben wirklich nicht in Verbindung stehe. Er glaubte gewissermaßen darüber urtheilen zu können, je nachdem er sie in der Hütte, auf die er nun zu galoppirte, gegenwärtig oder abwesend fand.

Aber vielleicht konnte sein Besuch ihrem Vater mißfallen; doch welches Recht hat er dazu? War nicht Alexis die nächste Blutsverwandte, der theuerste Gegenstand seines Herzens, und sollte er deßwegen von seinen Bemühungen abstehen, sie von den Folgen einer thörichten Verschwörung loszureißen, weil durch sein Erscheinen in ihrer gegenwärtigen Wohnung, welche zu betreten ihm der Ritter untersagt hatte, der Mißmuth des Alten rege werden konnte? Nein, er war entschlossen, die harten Reden des alten Mannes zu ertragen, wie er den Sturm des Herbstwindes ertrug, der um ihn her heulte, und der die Aeste der Bäume, unter denen er ritt, erschütterte, sich aber seiner Reise nicht entgegen setzen, oder sie auch nur aufhalten konnte. Fand er Alexis abwesend, wie er es zu glauben Ursache hatte, so wollte er dem Sir Henry Lee selbst das erzählen, was er gesehen hatte. Denn wenn sie auch thätigen Theil an dem Taschenspielerstreiche genommen hatte, welchen man zu Woodstock ausführte, so mußte er doch nothwendigerweise mit ihres Vaters Wissen und Willen geschehen sein; denn der alte Ritter hielt streng auf weibliche Zurückhaltung und weiblichen Anstand. Er wollte dann diese Gelegenheit ergreifen, um ihm die wohlgegründete Hoffnung mitzutheilen, daß er ferner in Woodstock wohnen, und die Sequestratoren von den königlichen Gebäuden und Domänen durch andere Mittel entfernt werden könnten, als durch diese sonderbare Weise sie einzuschüchtern, welche darauf berechnet zu sein schien, sie aus dem Schlosse zu verjagen.

Dieses Alles schien ihm in seiner Pflicht als Verwandter obzuliegen, und erst als er an der Thüre der Hütte des Wildmeisters hielt, und dem Wildrake die Zügel zugeworfen hatte, erinnerte sich Everard an den stolzen, hochmüthigen und unbeugsamen Charakter des Sir Henry Lee. Seine Hand berührte schon die Klinke, da fühlte er erst eine Abneigung, sich dem reizbaren, alten Ritter aufzudringen. Aber es blieb nicht viel Zeit zum schwankenden Zweifel. Bevis, welcher innerhalb des Hauses schon mehr als einmal gebellt hatte, ward ungeduldig, und Everard hatte gerade nur so viel Zeit, den Wildrake zu bitten, die Pferde zu halten, bis er ihm den Joceline schicke, als die alte Hanne die Thüre öffnete, um zu fragen, wer noch so spät in der Nacht draußen sei. Es wäre unnütz gewesen, der alten Dame Hanne eine Erklärung geben zu wollen; der Oberst schob sie deßhalb sanft bei Seite, und trat in Joceline's Küche. Bevis, der schon hinzugetreten war, um der Hanne in ihrem Widerstand beizustehen, demüthigte seine Löwengestalt durch jenen wunderbaren Instinkt, wodurch diese Thiere sich so lange noch derer erinnern, mit denen sie einst vertraut waren, und erkannte den Verwandten seines Herrn, indem er ihm auf seine Weise mit Kopf und Schweif huldigte.

Everard, der in seinem Vorhaben immer unentschlossener ward, je weniger er der Ausführung ausweichen konnte, ging über den Vorplatz, wie Jemand, der in ein Krankenzimmer tritt, und öffnete die Thüre des innern Zimmers mit schwankender, zitternder Hand, als wolle er die Vorhänge vor dem Bette eines sterbenden Freundes zurückziehen. Er erblickte die Scene, die wir eben beschreiben wollen.

Sir Henry Lee saß in einem hölzernen Lehnsessel nahe beim Feuer. Er war in seinen Mantel gehüllt, und seine Füße ruhten auf einem Schemel, als litt er am Podagra oder an einem sonstigen Unwohlsein. Sein langer, weißer Bart floß über sein schwarzes Gewand herab, so daß er mehr einem Einsiedler, als einem alten Soldaten oder einem Manne von Stande glich. Er hörte mit tiefer, andächtiger Aufmerksamkeit auf einen ehrwürdigen Greis, dessen abgetragenes Kleid doch immer noch den geistlichen Stand verrieth und der mit leiser, aber tiefer und voller Stimme das Abendgebet vorlas, nach dem Ritus der englischen Kirche. Alexis kniete zu den Füßen ihres Vaters, und sprach die Responsen mit einer Stimme, die sich den Chören der Engel hätte anschließen können, und mit der bescheidenen, ernsten Religiosität, welche zu der Melodie ihrer Stimme paßte. Das Angesicht des dienstthuenden Geistlichen hätte ehrfurchtsvoll ausgesehen, wäre es nicht durch ein schwarzes Pflaster entstellt gewesen, welches das linke Auge und einen Theil des Gesichtes bedeckte, und wenn nicht in seinen Zügen Sorgen und Leiden ausgedrückt gewesen wären. Als Oberst Everard eintrat, erhob der Geistliche den Finger, als warne er ihn, den Gottesdienst zu stören, und wies ihm einen Platz an, zu welchem sich, tief ergriffen von der Scene, die er erblickte, der Hereingekommene mit möglichst leisem Schritte begab, und andächtig niederkniete, als gehöre er zu der kleinen Versammlung.

Everard war von seinem Vater in dem puritanischen Glauben auferzogen worden; er war ein Mitglied der Sekte, die in ihrem Ursprung die Lehren der englischen Kirche und sogar ihre Hierarchie nicht verwarf, sondern nur bei gewissen Ceremonien, Gebräuchen und Ritualen, auf welchen der berühmte, unglückliche Laud mit unzeitigem Eigensinn hielt, von der damals herrschenden Kirche abwich. Waren also auch die Grundsätze, welche Everard in dem Hause seines Vaters eingesogen hatte, den Lehren der englischen Kirche entgegen, so söhnte ihn doch die Regelmäßigkeit, mit welcher der Gottesdienst dieser Sekte von der Familie seines Oheims zu Woodstock gehalten wurde, wieder mit derselben aus; denn in den Zeiten ihres Glückes hielten sie gewöhnlich einen Caplan für diesen besondern Zweck.

So tief nun auch die Verehrung war, mit welcher er dem eindrucksvollen Gottesdienste der Kirche zuhörte, so konnten sich doch Everard's Augen nicht enthalten, zuweilen nach seiner Alexis hinzublicken, und seine Gedanken sich auf die Ursache seiner Anwesenheit zu richten. Das Fräulein schien ihn plötzlich zu erkennen, denn eine ungewöhnliche Röthe überflog ihre Wangen, ihre Finger zitterten, als sie die Blätter ihres Gebetbuches umwandte, und ihre Stimme, welche eben noch fest und wohltönend war, versagte ihr, als sie die Responsen wiederholte. Es kam dem Everard vor, als habe sich der Charakter ihrer Schönheit sowohl, als der ihrer äußern Gestalt mit ihrem Glückszustande verändert.

Die schöne, adeliche, junge Dame näherte sich nun in ihrer Kleidung einem gewöhnlichen Landmädchen; aber was sie an Fröhlichkeit des Ansehens verloren hatte, hatte sie, wie es schien, an Würde gewonnen. Ihre schönen blonden Zöpfe waren um ihren Kopf gewunden, und die natürlich herabfallenden Locken verliehen ihr das einfache Ansehen, welches ihr fehlte, als ihr Kopfputz die Fertigkeit einer geschickten Haarkünstlerin zeigte. Ein leichter, fröhlicher Zug, welcher fast etwas Humoristisches verrieth, und das Vergnügen zu suchen schien, war den Spuren des Kummers gewichen, und eine ruhige Schwermuth, welche es für ihren Beruf hielt, Andere zu trösten, nahm seine Stelle ein. Vielleicht hatte sich ihr Geliebter jenes scherzhaften, obgleich unschuldigen Zuges erinnert, als er glaubte, Alexis habe bei den Beunruhigungen im Jägerhause eine Rolle gespielt. Nun aber schämte er sich seines Verdachtes, und war geneigter zu glauben, der Teufel habe ihre Stimme nachgeahmt, als daß ein Wesen, das so sehr über die Gefühle dieser Welt erhaben war, und dessen Reinheit sich eher der künftigen nahte, so undelikat gewesen sein sollte, sich in Umtriebe gegen ihn und gegen Andere einzulassen.

Diese Gedanken durchkreuzten seinen Geist trotz dem, daß es unpassend war, sie in diesem Augenblicke zu nähren. Der Gottesdienst nahete sich nun seinem Ende, und wie war Oberst Everard erstaunt und verwirrt, als der dienstthuende Priester mit fester, vernehmlicher Stimme und mit der höchsten Würde den Allmächtigen anflehte, zu segnen und zu erhalten »unseren souveränen Herrn, König Karl, den gesetzmäßigen und unbezweifelten König dieser Reiche.« Das Gebet (zu jener Zeit gewiß ein höchst gefährliches) ward mit voller erhobener und deutlicher Betonung gesprochen, als fordere der Priester alle Zuhörende auf, etwas dagegen zu sagen, wenn sie den Muth hätten. Stimmte auch der republikanische Offizier nicht mit dem Gebete überein, so hielt er es doch für unpassend, Einwendungen dagegen zu machen.

Der Gottesdienst ward auf die gewöhnliche Weise geschlossen, und die kleine Versammlung stand auf. Auch Wildrake, welcher während des letzten Gebetes eingetreten war, war nun gegenwärtig, und der erste, welcher das Wort ergriff, auf den Priester zulief, und ihn herzlich bei der Hand schüttelte, wobei er schwur, daß er sich sehr freue, ihn wieder zu sehen. Der gute Geistliche erwiederte den Händedruck mit Lächeln, und bemerkte, daß er seiner Zusicherung auch ohne Eid geglaubt hätte. Unterdessen nahte sich Everard dem Sitze seines Oheims, verbeugte sich tief und ehrfurchtsvoll, erst gegen Sir Henry Lee, und dann gegen Alexis, deren Röthe sich nun von ihren Wangen auf Augen und Busen verbreitete.

»Ich bitte Sie um Verzeihung,« sagte der Oberst verlegen, »daß ich meinen Besuch, den ich zu keiner Zeit für sehr angenehm halten darf, zu einer besonders unpassenden Zeit abstatten muß.«

»Weit entfernt davon, Neffe,« sagte Sir Henry weit milder, als Everard es erwartet hatte, »daß uns deine Besuche zu einer andern Zeit willkommner wären, wenn wir nur öfter das Vergnügen hätten, dich bei unseren Andachtsstunden zu sehen.«

»Ich hoffe, die Zeit wird bald herannahen, Sir,« erwiederte Everard, »wo Engländer eines jeden Glaubens und einer jeden Confession mit vollkommener Gewissensfreiheit gemeinschaftlich den großen Vater verehren werden, den sie alle nach ihrer Weise mit diesem theuren Namen benennen.«

»Ich hoffe es auch, Neffe,« sagte der alte Mann mit derselben unveränderten Stimme, »und wir wollen jetzt nicht streiten, ob die Kirche von England dem Conventicle weichen, oder ob der Conventicle sich nach der Kirche bequemen soll. Wahrscheinlich beehrtest du meine arme Wohnung, wo wir dich in Wahrheit nach unserem letzten Abschiede nicht so bald wieder erwarteten, nicht deßhalb, um Glaubensartikel festzusetzen.«

»Ich würde mich glücklich schätzen,« sagte Oberst Everard schwankend, »wenn ich glauben dürfte, daß meine Gegenwart jetzt nicht so unwillkommen wäre, wie damals.«

»Neffe,« sagte Sir Henry, »ich will offen mit dir sein. Als du zuletzt hier warst, glaubte ich, du hättest mir eine köstliche Perle gestohlen, welche dir zu geben einst mein Stolz und meine Glückseligkeit gewesen sein würde; die ich aber, deinem seitherigen Betragen nach, lieber in den tiefsten Abgrund der Erde begraben, als deiner Obhut anvertrauen würde. Das erregte, wie der ehrliche Will sagt, »den raschen Muth, den meine Mutter mir verlieh.« Ich hielt mich für beraubt und glaubte den Räuber vor mir zu sehen. Ich habe mich getäuscht, – ich bin nicht beraubt, und ich kann wohl den Versuch verzeihen, weil die That nicht erfolgte.«

»Ich möchte nicht gern etwas Beleidigendes in Ihren Worten finden,« sagte Oberst Everard, »wenn der Inhalt im Allgemeinen freundschaftlich klingt, aber ich kann vor Gott beschwören, daß meine Absichten und meine Wünsche für Sie und Ihre Familie eben so entfernt von egoistischen Endzwecken, wie sie mit Liebe gegen Sie und die Ihrigen erfüllet sind.«

»Laß hören, Freund; wir sind heutigen Tages nicht sehr an gute Wünsche gewöhnt, und ihre Seltenheit schon wird sie uns willkommen machen.«

»Ich möchte gerne, Sir Henry (da Sie mir keinen liebevolleren Namen geben wollen), diese Wünsche in Thaten verwandeln können. Ihr Schicksal ist einmal schlimm, und ich fürchte, es könnte noch schlimmer werden.«

»Schlimmer, als ich es erwarte, kann es nie werden. Neffe, ich schaudere vor dem Wechsel meines Glückes nicht zurück. Ich werde gröbere Kleider tragen, werde mich von gewöhnlicherer Kost nähren – man wird seinen Hut nicht mehr vor mir abziehen, wie man es that, als ich groß und mächtig war. Aber was thut das? Der alte Henry Lee zog seine Ehre seinem Titel, und seinen Glauben seinem Lande und seiner Herrschaft vor. Habe ich nicht den Dreißigsten im Januar erlebt? Ich bin weder ein Zeichendeuter, noch ein Astrolog; aber der alte Will lehrt mich, daß, wenn die grünen Blätter abfallen, der Winter sich naht, und Dunkelheit erfolgt, wenn die Sonne untergeht.«

»Bedenken Sie einmal, Herr,« sagte Oberst Everard, »wenn Sie, ohne daß man Unterwerfung oder einen Eid forderte, ohne daß man Ihnen eine ausdrückliche oder stillschweigende Verbindlichkeit auferlegte, außer daß Sie den öffentlichen Frieden zu stören nicht reizen, wenn Sie so wieder in das Jägerhaus zurückkehren könnten, und Ihre gewöhnlichen Einnahmen und Beschäftigungen wieder hätten – ich habe große Hoffnungen, daß man das erlauben oder wenigstens stillschweigend dulden wird.«

»Ja, ich verstehe dich, man will mich behandeln, wie die königlichen Münzen, die mit dem Stempel des Rumpfes bezeichnet werden, um sie gangbar zu machen, weil ich zu alt bin, als daß man das königliche Zeichen ganz von mir abschleifen könnte. Neffe, ich mag das nicht. Ich habe zu lange im Jägerhaus gelebt, und glaube mir, ich hätte es zürnend schon längst verlassen, wenn ich nur einen Befehl von demjenigen dazu bekommen hätte, dem zu dienen ich noch erleben möchte. Ich will nichts von den Usurpatoren annehmen, sie mögen nun Rumpf oder Cromwell heißen – es sei ein Teufel oder eine ganze Legion – ich will keine alte Mütze von ihnen annehmen, um meine grauen Haare zu bedecken – kein abgelegtes Kleid, um meine zitternden Glieder vor der Kälte zu schützen. Sie sollen nicht sagen, sie hätten mit ihrer unfreiwilligen Güte den Abraham reich gemacht – ich will sterben, wie ich lebte, der königlich gesinnte Lee.«

»Darf ich hoffen, daß Sie darüber nachdenken werden, Herr; und daß Sie, wenn Sie vielleicht bedenken, welche geringe Unterwerfung man verlangt, mir vielleicht eine günstigere Antwort geben können?«

»Herr, wenn ich meine Meinung zurücknehme, was gewöhnlich mein Gebrauch nicht ist, so sollst du es erfahren. Und nun Neffe, hast du noch etwas hinzuzufügen? Wir halten den ehrwürdigen Geistlichen im äußeren Zimmer auf.«

»Etwas hätte ich noch zu sagen – etwas über meine Base Alexis,« – sagte Everard mit großer Verlegenheit; »aber ich fürchte, daß das Vorurtheil zu stark gegen mich spricht.«

»Sir, ich darf meine Tochter wohl allein lassen – ich will den guten Doktor in dem Zimmer der alten Hanna aufsuchen. Es ist mir nicht unlieb, wenn du es weißt, daß das junge Mädchen, wo es geht, die Ausübung ihres freien Willens hat.«

Er zog sich zurück und ließ die Verwandten allein.

Oberst Everard nahte sich der Alexis, und wollte ihre Hand ergreifen. Sie aber zog sie zurück, setzte sich auf den Sessel, welchen ihr Vater verlassen hatte, und zeigte ihm einen andern, welcher in einiger Entfernung stand.

»Sind wir uns denn so fremd geworden, meine theuerste Alexis?« sagte er.

»Wir wollen später davon sprechen,« erwiederte sie. »Zuerst sagen Sie mir den Grund, warum Sie uns so spät besuchen.«

»Sie hörten,« sagte Everard, »was ich Ihrem Vater mittheilte?«

»Ja, aber das schien nur ein Theil davon zu sein – ein anderer schien sich noch besonders auf mich zu beziehen.«

»Es war nur eine Einbildung – ein sonderbares Mißverständniß,« antwortete Everard. »Darf ich fragen, ob Sie heute Abend ausgegangen waren?«

»Gewiß nicht,« antwortete sie. »Ich komme nicht in Versuchung, unser kleines Obdach zu verlassen, so armselig es auch ist, während ich mich wichtigerer Pflichten zu entledigen habe. Aber was soll diese sonderbare Frage, Oberst Everard?«

»Sagen Sie mir auch Ihrerseits, warum Ihr Vetter Markham den Namen der Freund- und Verwandtschaft und selbst den eines näheren Gefühls verloren hat, und dann will ich Ihnen antworten, Alexis.«

»Das ist bald beantwortet,« sagte sie. »Als Sie das Schwert gegen die Sache meines Vaters, ja fast gegen seine Person zogen, da sann ich, vielleicht mehr, als ich gesollt hätte, darüber nach, eine Entschuldigung für Sie zu finden. Ich kannte oder vielmehr ich glaubte Ihre hohen Gefühle für Bürgerpflicht zu kennen – ich kannte die Ansichten, in denen Sie auferzogen wurden, und ich sagte: ›ich will ihn selbst deßwegen nicht verwerfen – er widersetzte sich seinem Könige, weil er seinem Vaterlande ergeben ist.‹ Sie versuchten es, den großen Schluß des Trauerspiels am dreißigsten des Januars zu verhindern, und es bestärkte mich in meiner Meinung, daß Markham Everard irre geführt werden, aber weder niedrig, noch selbstsüchtig handeln könne.«

»Und was hat Ihre Meinung verändert, Alexis? Und wer wagt es,« sagte Everard erröthend, »einen solchen Beinamen mit dem Namen des Markham Everard zu verbinden?«

»Oberst Everard,« sagte sie, »ich bin kein Gegenstand, an dem Sie Ihre Tapferkeit erproben könnten, auch will ich Sie nicht beleidigen. Aber Sie werden Zeugen genug finden, die Ihnen sagen, daß Oberst Everard sich dem Usurpator Cromwell unterwirft, und daß alle seine schönen Vorwände, die Freiheit seines Vaterlandes zu befördern, nur ein Schirm sind, um mit dem glücklichen Rebellen einen Handel zu treiben, und für sich und seine Familie die bestmöglichsten Bedingungen zu erhalten.«

»Für mich – nie!«

»Nun dann für Ihre Familie. Ja ich weiß es gewiß, daß Sie dem militärischen Tyrannen den Weg gezeigt haben, den er und seine Helfershelfer einschlagen müssen, um sich der Regierung zu bemächtigen. Glauben Sie, mein Vater oder ich würden eine Zufluchtsstätte annehmen, für welche Englands Freiheit und Ihre Ehre der Kaufpreis sind?«

»Gerechter Himmel, Alexis, was ist das? Sie klagen mich an, denselben Weg einzuschlagen, den Sie vor Kurzem noch selbst gebilligt haben!«

»Als Sie auf Befehl Ihres Vaters sprachen, und uns Unterwürfigkeit gegen die bestehende Regierung anempfohlen haben, da dachte ich, ich gestehe es selbst ein, das graue Haupt meines Vaters könne, ohne entehrt zu werden, noch länger unter dem Obdache bleiben, das uns so lange eine Zufluchtsstätte gewährte. Aber haben Sie Ihres Vaters Einwilligung dazu, daß Sie der Rathgeber jenes ehrgeizigen Soldaten auf seiner neuen Laufbahn werden, und ihn anreizen, eine neue Art Tyrannei zu errichten? Man kann sich der Unterdrückung unterwerfen, aber ein anderes ist es, der Geschäftsführer der Tyrannen zu werden – und, ach Markham – ihr Bluthund!«

»Was, Bluthund? – Was meinen Sie? – Ich gestehe, daß ich gerne die Wunden meines blutenden Vaterlandes verbinden helfen würde, selbst wenn Cromwell nach seinem unvergleichlichen Steigen sich mit einem weiteren Schritte der höchsten Gewalt nahen sollte. – Aber sein Bluthund zu sein! Was meinen Sie damit?«

»Ist es also falsch? Ich habe gleich darauf schwören wollen, daß es unwahr ist.«

»Was meinen Sie denn, um Gotteswillen!«

»Es ist also nicht wahr, daß Sie sich verbindlich gemacht haben, den jungen König von Schottland zu verrathen?«

»Verrathen! Ich sollte ihn, oder irgend einen andern Flüchtling verrathen? Nein – niemals! Ich wollte, er wäre glücklich aus England. – Ich wollte ihm meine Hülfe zur Flucht anbieten, und wäre er im Augenblicke in diesem Hause, und würde noch glauben, seinen Feinden einen guten Dienst zu thun, indem ich sie verhinderte, sich mit seinem Blute zu beflecken, – aber ihn verrathen – niemals!«

»Ich wußte es – ich war sicher, daß es unmöglich ist. Aber seien Sie noch rechtlicher, reißen Sie sich von jenem finsteren, ehrgeizigen Soldaten los! Fliehen Sie ihn und seine ungerechten Pläne, welche nur durch ferneres Blutvergießen ausgeführt werden können.«

»Glauben Sie mir,« erwiederte Everard, »daß ich den Weg einschlagen werde, welcher für unsere Zeit am passendsten ist.«

»Wählen Sie den, der sich am passendsten mit Ihrer Pflicht verträgt, Markham, der für Wahrheit und Ehre am passendsten ist. Erfüllen Sie Ihre Pflicht, und überlassen Sie es der Vorsehung, das Uebrige zu entscheiden. – Leben Sie wohl, wir stellen die Geduld meines Vaters auf eine zu große Probe – Sie kennen seine Hitze. – Leben Sie wohl, Markham.«

Sie streckte ihre Hand aus, die er an seine Lippen drückte, und das Zimmer verließ. Eine stillschweigende Verbeugung gegen seinen Oheim, und ein Wink an Wildrake waren die einzigen Zeichen des Abschiedes; er verließ die Hütte, war bald auf seinem Pferde und schlug mit seinem Gefährten den Weg nach dem Jägerhause wieder ein.



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