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Fünfzehntes Kapitel.

Nun funkeln die nächtlichen Flammen,
Nun heulet die Eule dazu,
Die Leichen, sie fahren zusammen,
Es kennt selbst das Grab keine Ruh.
Denn nun ist die Nachtzeit gekommen,
Da klaffen die Gräber so weit,
Und alle Gespenster sie kommen,
Denn nun ist's für Geister die Zeit.

Sommernachts-Traum.

Vor dem Thore des Pallastes waren jetzt die Wachen verdoppelt. Everard frug den Korporal um die Ursache, als er in die Halle trat, wo sich jener mit seinen Soldaten befand, welche an einem großen Feuer, das sie mit zerbrochenen Stühlen und Bänken unterhielten, saßen oder lagen.

»Ja wahrhaftig,« antwortete der Mann, »die Wache wird, wie Ew. Gnaden sagen, mit solchen Pflichten gar zu arg geplagt; doch hat sich eine allgemeine Furcht verbreitet und Keiner will die Wache allein beziehen. Wir haben jedoch einen oder zwei von unsern Vorposten eingezogen, und werden morgen von Oxford aus Verstärkung erhalten.«

Oberst Everard fand nach genauer Untersuchung, daß alle Schildwachen, sowohl innerhalb als außerhalb des Schlosses, von dem kriegserfahrenen General Harrison gehörig vertheilt waren. Es blieb ihm also nichts zu thun übrig, als (seines eigenen Abenteuers eingedenk) noch zwei Schildwachen nach jenem Vorzimmer vor der langen Gallerie zu beordern. Der Korporal versprach ehrfurchtsvoll seinen Befehlen Folge zu leisten.

Auch die Diener, welche man jetzt rief, erschienen in doppelter Anzahl. Everard wünschte zu wissen, ob die Commissäre schon zu Bette gegangen wären oder ob er sie noch sprechen könne.

»Sie sind in ihrem Schlafzimmer,« erwiederte einer der Diener: »aber sie werden sich wohl noch nicht ausgekleidet haben.«

»Was!« sagte Everard, »sind Oberst Desborough und Herr Bletson beide in demselben Schlafzimmer?«

»Ihre Gnaden haben es so gewollt,« sagte der Diener; »und ihre Secretäre bleiben die ganze Nacht auf Wache.«

»Es scheint hier im Hause Sitte zu sein, die Wachen überall zu verdoppeln,« sagte Wildrake. »Wäre nur eine schöne Hausmagd da, so wollte ich mich willig in den Gebrauch fügen.«

»Still, du Narr!« sagte Everard. – »Und wo sind denn der Maire und Mr. Holdenough?«

»Der Bürgermeister ist zu Pferde hinter dem Soldaten, welcher nach Oxford ging um Verstärkung zu holen, nach dem Flecken zurückgekehrt, und der Geistliche hat sich in dem Zimmer einquartirt, in welchem Oberst Desborough die verflossene Nacht zubrachte, und wo er am wahrscheinlichsten den – Ew. Gnaden verstehen mich schon, treffen wird. Gott steh' uns bei, wir sind geplagte Leute!«

»Und wo sind denn die Diener des Generals Harrison,« sagte Tomkins, »daß sie ihn nicht in sein Zimmer begleiten?«

»Hier, hier, Herr Tomkins!« sagten drei Bursche, welche sich vordrängten, und auf deren Gesichtern dieselbe Verwirrung lag, welche sich aller Einwohner von Woodstock bemächtigt zu haben schien.

»Also fort mit euch!« sagte Tomkins; »redet nicht mit seiner Excellenz – ihr sehet, er ist nicht bei Laune.«

»Wahrlich,« bemerkte Oberst Everard, »er sieht entsetzlich bleich aus, und seine Züge sind verzerrt, als hätte ihn der Schlag getroffen; und obgleich er auf dem Wege so viel schwatzte, hat er doch den Mund noch nicht geöffnet, seitdem wir hier sind.«

»Das ist so seine Art, wenn er Erscheinungen gehabt hat,« sagte Tomkins. »Gebt Seiner Gnaden den Arm, Zedekia und Jehonathan, um ihn fortzuführen – ich werde sogleich nachfolgen. – Du, Nicodemus, erwarte mich – es ist nicht gut allein gehen in diesem Hause.«

»Herr Tomkins,« sagte Everard, »ich habe sagen hören, daß Sie ein scharfblickender, geistreicher Mann sind – sagen Sie mir offen, fürchten Sie sich im Ernst vor einem übernatürlichen Spuk in diesem Hause?«

»Ich möchte mich nicht gerne der Gefahr Preis geben, Sir,« sagte Tomkins sehr ernst; »wenn man meinen hochzuverehrenden Herrn ansieht, so kann man sich vorstellen, wie ein Lebender aussieht, nachdem er mit einem Todten gesprochen hat.« Er verbeugte sich tief und ging. Everard aber eilte dem Zimmer zu, welches die beiden andern Commissäre zur Beruhigung zusammen bewohnten. Sie wollten eben in das Bett gehen, als er in das Zimmer trat. Beide fuhren zurück, als die Thüre sich öffnete – und beide freueten sich auch, als sie sahen, daß nur Everard hereintrat.

»Hör' einmal,« sagte Bletson, indem er ihn bei Seite zog, »sah'st du je einen solchen Esel, wie Desborough? Der Kerl ist dumm wie ein Ochse, und furchtsam wie ein Schaaf. Er bestand darauf, daß ich bei ihm schlafen solle, um ihn zu beschützen. Werden wir eine lustige Nacht bekommen, ha? Du kannst, wenn du willst, das dritte Bett einnehmen, welches für Harrison bereitet wurde, aber er ist fortgelaufen wie ein Mondkalb, um sich nach dem Thale von Armageddon im Parke von Woodstock umzusehen.«

»General Harrison ist eben mit mir zurückgekehrt,« sagte Everard.

»Nein, so wahr ich lebe, der darf nicht in unser Zimmer,« sagte Desborough, welcher die Antwort hörte. »Niemand, der, so viel ich weiß, mit dem Teufel zu Nacht speiste, hat ein Recht, bei Christenmenschen zu schlafen.«

»Es ist auch keineswegs seine Absicht,« sagte Everard; »so viel ich weiß, schläft er in einem besonderen Zimmer und allein.«

»Doch nicht ganz allein, wie ich es mir zu sagen getraue,« sagte Desborough; »denn Harrison hat eine gewisse Anziehungskraft für die Gespenster – sie fliegen um ihn her wie Mücken um ein Licht. Aber ich bitte dich, guter Everard, bleibe du bei uns. Ich weiß nicht, wie's kömmt, aber, obgleich du deine Religion nicht immer im Munde trägst, auch nicht so viel harte Worte darüber sprichst, wie Harrison, und nicht predigst, wie ein sehr ehrenwerther Verwandter von mir, welcher namenlos bleiben soll, so fühle ich mich doch in deiner Gesellschaft weit sicherer, als bei allen Anderen. Denn was diesen Bletson betrifft, der ist ein Gotteslästerer, und ich fürchte, der Teufel wird ihn holen, ehe noch der Morgen graut.«

»Hörten Sie jemals eine so feige Memme?« sagte Bletson dem Everard in's Ohr. »Aber verweilen Sie dennoch, mein werthester Oberst. Ich kenne Ihren Eifer, den Betrübten und Gebeugten beizustehen, und Sie sehen, daß sich Desborough in diesem Falle befindet und mehr als ein gutes Beispiel nöthig hat, um ihn zu verhindern, an Geister und Feinde zu denken.«

»Es thut mir leid, daß ich Ihnen die Gefälligkeit nicht erweisen kann, Gentlemen,« sagte Everard; »aber ich habe mir vorgenommen, in Victor Lee's Zimmer zu schlafen, und also wünsche ich Ihnen gute Nacht; wollten Sie aber ohne Beunruhigung schlafen, so rathe ich Ihnen, sich während der Nachtwachen dem zu empfehlen, welchem die Nacht ist, wie der Mittag. Ich hatte die Absicht, heute Abend wegen meines Hierseins mit Euch zu reden; aber ich will es auf morgen aufschieben, wo ich Euch herrliche Gründe vorzulegen gedenke, Woodstock zu verlassen.«

»Wir haben deren schon genug,« sagte Desborough; »ich zum Beispiel kam hieher, um dem Staate, freilich mit einigem mäßigen Nutzen für meine Mühe, zu dienen: aber wenn ich heute Nacht wieder, wie in der vergangenen, auf den Kopf gestellt werde, so möchte ich nicht um eine Königskrone länger verweilen; denn ich bin überzeugt, daß mein Nacken ihr Gewicht nicht tragen könnte.«

»Gute Nacht!« rief Everard aus und wollte eben gehen, als Bletson sich dicht an seine Seite drängte, und ihm zuflüsterte: »Höre, Oberst, du kennst meine Freundschaft zu dir – ich bitte dich um Alles, die Thüre deines Zimmers offen zu lassen, damit du rufen kannst, wenn dir etwas begegnet, wo ich im Augenblick bei dir sein werde. Thue es, theuerster Everard, denn sonst wird mich meine Furcht für dich nicht schlafen lassen; denn ich weiß, daß du, ungeachtet deines vortrefflichen Geistes, doch einige jener abergläubischen Ideen hegst, welche wir mit der Muttermilch einsaugen, und die der Hauptgrund unserer Furcht bei einer Gelegenheit, wie die gegenwärtige, ist. Darum laß also, wenn du mich lieb hast, deine Thüre offen, damit ich dir im Nothfall schnell zu Hülfe eilen kann.«

»Mein Herr vertraut zuerst auf seine Bibel,« sagte Wildrake, »und dann auf sein gutes Schwert. Er glaubt nicht, daß man den Teufel dadurch verbannen kann, daß zwei in einem Zimmer schlafen, und noch weniger, daß der böse Feind gar nicht existire, weil Atheisten der Rota ihn läugnen.«

Everard ergriff seinen unvorsichtigen Freund am Kragen, zog ihn noch während er sprach fort, und hielt ihn fest, bis sie in das Zimmer des Victor Lee kamen, wo sie bei einer frühern Gelegenheit geschlafen hatten. Selbst da hielt er den Wildrake noch fest, bis der Diener die Lichter hingestellt und das Zimmer verlassen hatte. Dann ließ er ihn los, und machte ihm die vorwurfsvolle Frage: »Bist du nicht ein vernünftiger, einsichtsvoller Mensch, daß du in einer Zeit, wie die jetzige, Gelegenheit suchst, dich in Streit zu verwickeln? Schäme dich!«

»Ja, schämen müßte ich mich wirklich,« sagte der Cavalier; »schämen müßt' ich mich wirklich, ein so zahmes Geschöpf zu sein, mich auf diese Weise einem Manne zu unterwerfen, welcher weder von besserer Geburt, noch von besserer Erziehung ist, als ich. Ich sage dir, Mark, du machst einen unedlen Gebrauch von deinem Vortheile über mich. Warum erlaubst du mir nicht, dich zu verlassen und nach meiner eigenen Weise zu leben und zu sterben?«

»Weil ich, noch ehe eine Woche nach unserer Trennung verflossen wäre, hören würde, daß du auf eine niedrige Art gestorben seist. Komm, guter Freund, welche Tollheit war es denn von dir, den Harrison anzufallen, und dich in einen unnützen Streit mit Bletson einzulassen?«

»Warum? Ich meine, wir sind nun einmal in des Teufels Haus, und ich möchte gerne dem Wirthe meine Schuldigkeit bezahlen. Darum wollte ich ihm einstweilen den Harrison oder den Bletson als einen Bissen zuschicken, um seinen Appetit zu stillen, bis Crom–«

»Still, selbst die steinernen Wände haben Ohren,« sagte Everard, indem er um sich schaute. »Da steht dein Nachttrunk. Sieh nach deinen Waffen; denn wir müssen so vorsichtig sein, als wenn der Bluträcher hinter uns wäre. Dort ist dein Bett – und ich, wie du siehst, habe mir meins in dem Wohnzimmer bereiten lassen. Nur die Thüre trennt uns.«

»Die ich offen lassen werde, im Falle du nach Hülfe rufst, wie jener Ungläubige sprach. Aber hast du denn das Alles schon in so schöner Ordnung angetroffen, mein guter Freund?«

»Ich theilte dem Tomkins meine Absicht mit, hier zu schlafen.«

»Das ist ein sonderbarer Geselle,« sagte Wildrake, »und wie ich sehe, bemerkt er jeden Schritt – denn Alles scheint durch seine Hand zu gehen.«

»Er ist, wie ich höre,« erwiederte Everard, »einer von den Menschen, welche die Zeit ausgebildet hat – hat eine besondere Gabe zu predigen und darzustellen, was ihm bei den Independenten Ansehen verschafft, und empfiehlt sich den Gemäßigteren durch seine Einsicht und durch seine Thätigkeit.«

»Wurde seine Rechtlichkeit nie in Zweifel gezogen?« sagte Wildrake.

»Nie, so viel ich hörte,« sagte der Oberst; »im Gegentheil hat man ihn immer vertraulicherweise den ehrlichen Joc und den zutrauensvollen Tomkins genannt. Ich aber glaube, daß seine Rechtlichkeit immer gleichen Schritt mit seinem Interesse hält. – Aber komm, leere deinen Becher und geh' zu Bett. – Was, auf einen Zug geleert?«

»Alle Teufel ja – mein Gelübde verbietet mir, zwei daraus zu machen; aber fürchte nichts, die Nachtmütze wird mein Gehirn nur erwärmen, aber nicht entzünden. Also, es komme nun ein Mensch oder ein Teufel, rufe mir, wenn du gestört wirst, und verlasse dich auf mich.«

Indem er das sprach, zog sich der Cavalier in sein Zimmer zurück, und nachdem Oberst Everard den beschwerlichen Theil seiner Kleidung abgelegt hatte, legte er sich in seinen Beinkleidern und in seiner Jacke auf das Bett und schlief ein.

Er ward durch eine anhaltende leise, feierliche Musik geweckt, welche sich in einiger Entfernung verlor. Er schreckte auf und fühlte nach seinen Waffen, die er nahe bei sich fand. Er sah um sich, da aber im Kamine nur noch einige Kohlen glimmten, so konnte er die Gegenstände nicht mehr unterscheiden, doch fühlte er, obgleich er nicht leicht an übernatürliche Einwirkung glaubte, jenen unbestimmten Schauder, welcher uns anzeigt, daß eine Gefahr nahe ist, die wir aber noch nicht näher kennen. Da er nicht sicher wußte, ob ihm vielleicht diese Töne im Traum vorgekommen seien, wollte er sich nicht gerne den Neckereien seines Freundes aussetzen, indem er ihn zu Hülfe riefe. Er setzte sich also aufrecht in dem Bette, und erwartete den weiteren Verlauf der Sache.



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