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Achtundzwanzigstes Kapitel.

Wie! schön und jung und treu dabei?
Ein Wunder ist's, sollt's Wahrheit sein.

Waller.

Rosa, von Natur eines der uneigennützigsten und liebevollsten Geschöpfe, die je athmeten, war die erste, die schnell über die besondere Lage, in der sich ihre Gebieterin befand, und den hohen Grad von Zwang, der bisher ihren Verkehr mit ihrem jugendlichen Beschützer bezeichnet hatte, nachsann und ängstlich zu wissen verlangte, was mit dem verwundeten Ritter geschehen solle. Als sie sich jedoch Evelinen näherte, um diese wichtige Frage an sie zu richten, so wankte ihr Entschluß fast.

Evelinens Aussehen war in der That von der Art, daß es grausam gewesen wäre, andere Besorgnisse in ihr zu erwecken, als die sie neulich so tief erschüttert hatten, und mit denen sich ihr Geist noch immer beschäftigte. Ihr Angesicht war todesbleich und nur hie und da mit einigen Blutstropfen befleckt. Ihr Schleier war zerrissen und mit Staub und Blut beschmutzt; ihr Haar umflog in wilden Locken Stirne und Schultern, und eine einzelne, abgeknickte und zerraufte Feder – Alles, was ihr von ihrem Kopfputze geblieben war – hatte sich in ihre Locken verwickelt, und flatterte da noch, mehr zum Spotte als zur Zierde. Ihre Augen waren auf die Sänfte geheftet, auf der Damian lag, und sie ritt dicht neben ihr her, ohne ihre Gedanken, wie es schien, auf irgend etwas Anderes, als auf des Jünglings Gefahr zu richten.

Rosa sah deutlich, daß ihre Gebieterin sich in einem so aufgeregten Zustande befand, daß sie nicht sehr geeignet war, ihre eigene Lage in's Auge zu fassen. Sie bemühte sich daher, ihre Aufmerksamkeit allmählig darauf zu lenken. »Theuerste Gebieterin,« sagte sie, »beliebt es Euch nicht, meinen Mantel umzulegen?«

»Plage mich nicht,« antwortete Eveline in einem etwas geschärften Tone.

»In der That, meine Gebieterin,« sagte Dame Gillian, schnell näher herbeikommend, als fürchtete sie, man möchte in ihre Amtsverrichtungen als Putzfrau eingreifen. – »In der That meine Gebieterin, Rosa Flammock hat recht, und weder Euer Mieder, noch Euer Rock sitzen gut, und, die Wahrheit zu sagen, sie sind kaum anständig angelegt. Wenn daher Rosa mir etwas aus dem Wege gehen will,« fuhr die Putzfrau fort, »so will ich Euern Anzug mit ein paar Nadeln besser ordnen, als irgend eine Flamänderin in zwölf Stunden im Stande wäre.«

»Ich kümmere mich nicht um meine Kleidung,« erwiederte Eveline in demselben Tone.

»So kümmert Euch wenigstens um Eure Ehre – um Euern Ruf,« sagte Rosa, näher zu ihr hineilend, und ihr die Worte in's Ohr flüsternd: »Besinnt Euch, und zwar schnell, wohin Ihr diesen verwundeten jungen Mann bringen lassen wollt?«

»In's Schloß,« antwortete Eveline laut. »In's Schloß, und zwar auf dem kürzesten Wege.«

»Warum nicht lieber in sein Lager, oder nach Malpas?« fragte Rosa. »Glaubt mir, theuerste Gebieterin, das würde das Beste sein.«

»Warum nicht auch – warum sollten wir ihn nicht lieber hier auf dem Wege liegen lassen, und ihn so den Messern des Wallisers oder den Zähnen des Wolfes Preis geben? – Einmal – Zweimal – Dreimal war er mein Erretter. Wohin ich gehe, soll auch er gehen; auch will ich keinen Augenblick eher in Sicherheit sein, als bis ich weiß, daß auch er es ist.«

Rosa sah ein, daß ihre Vorstellungen keinen Eindruck auf ihre Gebieterin machen konnten, und ihr eigener Verstand sagte ihr, daß das Leben des verwundeten Mannes durch eine zu lange Fortschaffung gefährdet werden könnte. Ein Ausweg fiel ihr ein, durch den, wie sie glaubte, dieses Hinderniß gehoben werden konnte; allein sie mußte vorher ihren Vater befragen. Sie berührte daher ihren Zelter mit der Reitgerte, und in einem Augenblicke war ihre kleine, doch schöne Gestalt und ihr muthiges Pferdchen neben dem riesenhaften Flamänder und seinem großen schwarzen Rosse. »Mein theuerster Vater,« sagte Rosa, »die Lady hat im Sinne, Sir Damian nach dem Schlosse bringen zu lassen, wo er wahrscheinlich ein langer Gast sein wird; – was haltet Ihr davon? – Ist dieß wohl ein heilsamer Entschluß?«

»Heilsam für den Jüngling, ohne Zweifel, Röschen,« antwortete der Flamänder, »weil er so eher der Gefahr eines Fiebers entgehen wird.«

»Wohl wahr; aber ist es auch für meine Gebieterin gut und weise?« fuhr Rosa fort.

»Weise genug, wenn sie sich weise dabei benimmt. Doch warum wolltest du daran zweifeln, Röschen?«

»Ich weiß nicht,« sagte Rosa, ungern selbst ihrem Vater ihre Besorgnisse und Zweifel verrathend; »allein, wo böse Zungen sind, gibt es auch böse Gerüchte. Sir Damian und meine Gebieterin sind Beide noch sehr jung – ich glaube, es wäre am besten, theuerster Vater, wenn Ihr dem verwundeten Ritter den Schutz Eures Daches anbötet.«

»Das wird nicht geschehen, Mädchen!« antwortete der Flamänder hastig. – »Das wird nicht geschehen, wenn ich es vermeiden kann. Kein Normann soll meine ruhige Schwelle überschreiten, und eben so auch kein Engländer, um meines ruhigen Gewerbes zu spotten, und meine Lebensmittel aufzuzehren. Du kennst sie nicht, weil du stets bei deiner Gebieterin bist, und ihre Gunst genießest, allein ich kenne sie sehr gut, und das Beste, was ich von ihnen erlangen kann, ist lässiger Flamänder und habgieriger Flamänder und flamändischer Esel – ich danke den Heiligen, daß sie seit Gwenwyns Ueberfalle mich nicht mehr flandrische Memme schelten können.«

»Ich glaubte immer, mein Vater,« antwortete Rosa, »Eure Gemüthsart sei zu ruhig, als daß Ihr diese niedrigen Verläumdungen beachten könntet. Bedenkt, daß wir Lehensleute dieser Lady sind, und daß sie meine huldreiche Gebieterin, und ihr Vater Euer gnädiger Herr war; auch dem Constabel seid Ihr für die Erweiterung Eurer Privilegien Dank schuldig. – Mit Geld kann man Schulden bezahlen, allein Güte kann nur durch Güte vergolten werden, und ich sehe voraus, daß Ihr nie mehr Gelegenheit haben werdet, dem Hause der Berenger und der de Lacy einen so großen Dienst zu erweisen, als Ihr ihm jetzt erweisen könnet, wenn Ihr diesem verwundeten Ritter die Thüre Eures Hauses öffnet.«

»Die Thüre meines Hauses,« antwortete der Flamänder – »weiß ich, wie lange ich dieses oder irgend ein anderes Haus auf Erden das meinige nennen kann? Ach! meine Tochter, wir kamen hieher, um der Wuth der Elemente zu entfliehen, allein wer weiß, wie bald wir durch den Grimm der Menschen umkommen werden.«

»Ihr sprecht sonderbar, mein Vater,« sagte Rosa; »es verträgt sich nicht mit Eurer festen Weisheit, aus dem schnellen Unternehmen eines wallisischen Geächteten ein so allgemeines Unglück zu weissagen.«

»Ich denke nicht an den einäugigen Freibeuter,« sagte Wilkin, »obschon die Zunahme und Kühnheit solcher Räuber, wie Dawfyd, kein gutes Zeichen für ein ruhiges Land ist; allein du, die du in jenen Mauern wohnst, hörst wenig von dem, was außerhalb derselben vorgeht, und eure Lage ist nicht so beängstigend; – auch hättet ihr nichts von diesen Dingen von mir erfahren, falls ich es nicht für nöthig gefunden hätte, mich in ein anderes Land zu begeben.«

»Wie, mein theuerster Vater, Ihr wolltet Euch aus diesem Lande entfernen, wo Eure Sparsamkeit und Euer Fleiß Euch ein ehrenvolles Auskommen gesichert haben?« –

»Ja, und wo mir der Hunger gottloser Leute, die mir die Früchte meines Fleißes mißgönnen, wahrscheinlich einen unehrenvollen Tod bereiten wird. In mehr als einer Grafschaft sind unter dem englischen Pöbel Unruhen ausgebrochen, und ihre Wuth ist gegen unser Volk gerichtet, als ob wir Juden oder Heiden, nicht aber bessere Leute und Christen wären, als sie selbst. Sie haben in York, Bristol und andern Orten die Häuser der Flamänder geplündert, ihr Eigenthum geraubt, ihre Familien mißhandelt, und sie selbst ermordet – und warum? – weil wir Kunst und Industrie, wovon sie früher nichts wußten, unter sie gebracht haben; und weil Reichthum, wovon sie sonst nichts in Britannien gesehen hätten, der Lohn unserer Mühe war. Röschen, dieser böse Geist greift täglich weiter um sich. Röschen, hier sind wir sicherer, als sonst wo, weil wir eine ziemlich starke Colonie bilden; allein ich traue unsern Nachbarn nicht; und wärest du Rosa nicht in Sicherheit, so würde ich längst schon Alles aufgegeben und Britannien verlassen haben.«

Alles aufgegeben und Britannien verlassen! – Diese Worte klangen wundersam in den Ohren seiner Tochter, die besser, als irgend Jemand, wußte, wie viel sich ihr Vater durch seine Industrie erworben hatte, und wie unwahrscheinlich es war, daß ein Mann von seiner festen und ruhigen Gemüthsart schon errungene Vortheile aus Furcht vor einer fernen oder zufälligen Gefahr aufgeben werde. Endlich erwiederte sie: »Wenn eine solche Gefahr vorhanden ist, mein Vater, so glaube ich, daß Euer Haus und Eure Güter durch nichts besser geschützt werden können, als durch die Gegenwart dieses edlen Ritters. Wo lebt ein Mensch, der es wagen dürfte, Gewaltthätigkeiten in dem Hause zu verüben, das Damian von Lacy bewohnt?«

»Das weiß ich doch nicht,« sagte der Flamänder, in demselben gesetzten und ruhigen, allein nichts Gutes weissagenden Tone, – »mag es mir der Himmel verzeihen, wenn es eine Sünde ist! allein ich sehe nicht viel weiter, als Tollheit in diesen Kreuzzügen, welche die Priesterschaft mit so vielem Glücke gepredigt hat. So ist jetzt der Constabel schon seit drei Jahren abwesend, und noch ist keine sichere Nachricht von seinem Leben oder Tode, seinem Siege oder seiner Niederlage da. Er zog von hier aus, als ob er weder den Zügel fahren lassen, noch das Schwert in die Scheide stecken wolle, bevor das heilige Grab den Händen der Sarazenen entrissen sei, und doch können wir nicht sicher erfahren, ob den Sarazenen auch nur ein Dörfchen genommen worden ist. Unterdessen wird das Volk, das zu Hause geblieben ist, mißvergnügt, ihre Gebieter und der beste Theil ihrer Vasallen sind in Palästina – todt oder lebendig, wir wissen es kaum. Die Zurückgebliebenen werden durch Haushofmeister und Beauftragte gedrückt, deren Joch weder so leicht ist, noch so leicht ertragen wird, als das der wirklichen Herrn. Der gemeine Mann, der, wie natürlich, die Ritter und Edlen haßt, glaubt, es sei an der Zeit, diesen die Spitze zu bieten. Ja auch unter den Edelgeborenen selbst gibt es Einige, die nicht ungern gemeinschaftliche Sache mit ihnen machen würden, um Antheil an der Beute zu erhalten; die auswärtigen Unternehmungen und ruchlose Sitten haben Manchen arm gemacht; und der, welcher arm ist, wird für Geld seinen eigenen Vater morden. Ich hasse die armen Leute, und ich wollte, ein Jeder wäre beim Teufel, der sich nicht durch seiner Hände Fleiß ernähren kann.«

Der Flamänder beendigte mit dieser charakteristischen Verwünschung eine Unterredung, durch die sich Rosa eine weit trübere Ansicht von der Lage Englands bildete, als sie bisher, in die Ringmauern von Garde doloureuse eingeschlossen, vermocht hatte. »Gewiß,« sagte sie, »gewiß haben Diejenigen, die de Lacy und Berengers Banner beschützt, die Gewaltthaten, von denen Ihr sprecht, nicht zu fürchten.«

»Berenger ist nur dem Namen nach noch vorhanden,« antwortete Wilkin Flammock, »und Damian ist zwar ein braver Junge, allein es mangelt ihm seines Oheims überwiegender Einfluß und ehrfurchterregender Charakter. Seine Leute beklagen sich, daß sie mit der Bewachung eines Schlosses geplagt sind, das an und für sich uneinnehmbar und mit einer hinlänglichen Besatzung versehen ist, und daß sie bei dieser unthätigen und ruhmlosen Lebensweise jede Gelegenheit zu ehrenvollen Unternehmungen, d. h. zu Kampf und Plünderung, verlieren. Sie sagen, Damian der Bartlose sei ein Mann gewesen, allein Damian mit dem Knebelbarte sei nichts Besseres als ein Weib, und das Alter, das seine Oberlippe beschattet habe, habe zu gleicher Zeit auch seinen Muth verdunkelt. Sie sagen auch noch andere Dinge, allein, es wäre zu langweilig, sie alle erwähnen zu wollen.«

»Dennoch aber laßt mich wissen, was sie sagen; laßt es mich wissen, um's Himmels willen,« antwortete Rosa, »wenn es, wie es auch wirklich sein muß, meine theure Lady angeht.«

»Ja sie geht es an, Röschen,« antwortete Wilkin. »Es gibt Viele unter den normännischen Kriegern, die bei ihren Weinflaschen behaupten, dieser Damian de Lacy sei in die Braut seines Oheims vernarrt, und sie stehen mit einander durch Zauberkünste in Verbindung.«

»Ja, in der That durch Zauberkünste müßte es geschehen,« sagte Rosa höhnisch lächelnd, »denn durch irdische Mittel stehen sie in keiner Verbindung, wie ich, für meine Person bezeugen kann.«

»Zauberkünsten schreiben sie es daher zu,« sagte Wilkin Flammock, »daß, sobald meine Gebieterin die Zugbrücke ihres Schlosses überstiegen hat, de Lacy mit einem Theil seiner Reiterei im Sattel ist, obwohl sie mit Bestimmtheit wissen, daß er keinen Boten, Brief noch eine sonstige Anzeige ihres Vorhabens erhalten hat; auch haben sie bei solchen Gelegenheiten niemals die Gebirgspässe lange durchzogen, ehe sie sahen oder hörten, daß Lady Eveline in der Nähe war.«

»Dieß ist mir nicht entgangen,« sagte Rosa, »und meine Gebieterin hat sogar schon ihr Mißfallen über die Genauigkeit und Sorgfalt, mit der Damian alle ihre Bewegungen zu erforschen sucht, so wie über dienstbeflissene Pünktlichkeit, mit der er sie bewacht, ausgedrückt. Doch hat der heutige Tag bewiesen, daß die Wachsamkeit von Nutzen sein kann, und da sie bei solchen Gelegenheiten niemals zusammentrafen, sondern stets in einer Entfernung blieben, die jede Möglichkeit einer Unterredung ausschloß, so hätten sie, glaube ich, dem Tadel des geschärften Argwohns entgehen sollen.«

»Ach Tochter Röschen,« erwiederte Wilkin, »man kann zuweilen die Vorsicht so weit treiben, daß sie Argwohn erregt. Warum stehen, sagen die Krieger, diese Beide in einem so beständigen und doch so sorgfältig verborgenen Einverständnisse? Warum sind sie einander so nahe, und treffen doch niemals zusammen? Wären sie bloß der Neffe und die Braut des Oheims, so würden sie ohne Bedenken öffentlich mit einander zusammen kommen, und sind sie andererseits zwei geheime Liebende, so hat man Ursache, zu glauben, daß sie ihre geheime Zusammenkunftsörter zu finden wissen, ob sie schon Verstand genug besitzen, sie zu verbergen.«

»Jedes Wort, das Ihr sprecht, mein Vater, vergrößert die unumgängliche Nothwendigkeit, daß Ihr den verwundeten Jüngling in Euer Haus aufnehmet. Mögen die Uebel, die Ihr fürchtet, auch noch so groß sein, immerhin könnt Ihr Euch darauf verlassen, daß Ihr sie nicht vermehren werdet, wenn Ihr ihm und einigen wenigen seiner treuen Begleiter Eure Thüre öffnet.«

»Nicht einem einzigen Begleiter,« sagte der Flamänder hastig, »nicht einem einzigen jener fleischfressenden Schurken, ausgenommen dem Pagen, der ihn pflegen, und dem Arzte, der ihn heilen soll.«

»Aber diesen Dreien wenigstens darf ich den Schutz Eures Hauses anbieten,« sagte Rosa.

»Thue, was du willst, thue was du willst!« sagte der liebende Vater. »Bei meiner Treue, Röschen, es ist gut für dich, daß du Verstand und Mäßigung im Bitten hast, da ich so thöricht schnell im Gewähren bin. Dieß ist nun eine deiner Grillen von Ehre oder Großmuth. – Aber glaube mir, Rosa, Diejenigen, welche thun wollen, was besser als gut ist, bringen manchmal hervor, was schlimmer als schlimm ist! – Allein ich glaube, ich werde dießmal mit der bloßen Furcht davon kommen; denn deine Gebieterin, die, mit Ehren zu melden, etwas von einem irrenden Fräulein hat, wird das ritterliche Vorrecht, ihren Ritter in ihrem eigenen Hause zu beherbergen, vertheidigen.«

Der Flamänder prophezeite wahr. Rosa hatte Evelinen nicht sobald den Vorschlag gemacht, den verwundeten Damian bis zu seiner Genesung in ihres Vaters Hause zu lassen, als ihre Gebieterin das Anerbieten kurz und bestimmt verwarf. »Er war mein Erretter,« sagte sie, »und wenn es ein Wesen gibt, für das die Thore von Garde doloureuse von selbst auffliegen sollten, so ist es Damian de Lacy. – Nein, Mädchen, blicke mich nicht mit so argwöhnischer und doch so betrübter Miene an, – diejenigen, welche über die Heuchelei erhaben sind, verachten den Argwohn. – Nur Gott, und Unsrer Frau bin ich Rechenschaft schuldig, und sie können im Innern meines Herzens lesen!!«

Schweigend gelangte man bis an's Burgthor, wo Lady Eveline den Befehl gab, ihr Beschützer, wie sie Damian emphatisch nannte, solle in ihres Vaters Gemach gebracht werden. Mit der Klugheit eines vorgerückten Alters, ertheilte sie die nöthigen Anweisungen für die Aufnahme und die Bequemlichkeit seiner Begleiter, und traf überhaupt alle Anstalten, die ein solcher Zuwachs an Gästen in der Festung erforderlich machte. Alles dies that sie mit der größten Fassung und Geistesgegenwart, ja selbst ehe sie ihre unordentliche Kleidung wechselte oder ordnete.

Ein anderer Schritt war noch zu thun. Sie eilte in die Kapelle der Jungfrau. Hier warf sie sich vor ihrer göttlichen Beschützerin nieder, dankte ihr für ihre zweite Befreiung, und flehte um ihren Beistand, und durch ihre Fürsprache um den des allmächtigen Gottes, auf dem dornigen Pfade, den sie zu wandeln genöthigt war. »Du weißt,« sagte sie, »daß ich nicht aus Vertrauen auf meine eigene Kraft mich in Gefahr gestürzt habe. O mache mich stark, wo ich am schwächsten bin, laß meine Dankbarkeit und mein Mitleiden nicht zum Fallstrick für mich werden; und bewahre mich, indem ich mich bemühe, die Pflichten zu erfüllen, die mir die Dankbarkeit auferlegt, von dem Leumunde der Menschen – und bewahre mich – o bewahre mich vor den hinterlistigen Anschlägen meines eigenen Herzens.«

Sie betete hierauf ihren Rosenkranz mit heißer Inbrunst, und gebot, nachdem sie in ihr Gemach zurückgekehrt war, ihren Frauen, ihre Kleidung zu ordnen, und die äußern Zeichen der Gewaltthat zu entfernen, die sie so eben erst erlitten hatte.



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