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Dreiunddreißigstes Kapitel.
Der Herold.

Ariel.
– – – Horch! sie brüllen!

Prospero.
Laß sie sofort verfolgen.

Der Sturm.

Man machte Platz in der Versammlung, und die Anwesenden zeigten keine geringe Neugier, den Herold zu sehen, den die aufrührerischen Lütticher einem so stolzen Fürsten, wie dem Herzog von Burgund, zu senden wagten, während dieser so sehr erzürnt gegen sie war. Denn es muß bemerkt werden, daß in jener Zeit Herolde nur von souverainen Fürsten bei feierlichen Gelegenheiten einander zugesandt wurden, und daß der niedere Adel nur Unterherolde zu dergleichen Zwecken anwandte. Auch mag beiläufig erwähnt sein, daß Ludwig XI., der Alles zu verlachen pflegte, was nicht wirkliche Macht oder wesentlichen Vortheil versprach, vorzüglich auch ein Verächter der Herolde und der Wappenkunst mit ihrem buntscheckigen und förmlichen Wesen war, während der stolze Sinn seines Nebenbuhlers Karl, welcher einer ganz andern Tendenz huldigte, dem ceremoniellen Verfahren kein geringes Gewicht beilegte.

Der Herold, welcher nun in die Versammlung der Fürsten geführt ward, war gekleidet in einen Waffenrock, gestickt mit dem Wappen seines Herrn, worin sich der Eberkopf sehr auszeichnete, und zwar, nach der Meinung der Kundigen, mehr hervorstechend als regelrecht. Sein übriger Anzug, (über die Maßen buntscheckig) war überladen mit Borten, Stickereien und allerlei Zierathen; der Federbusch, den er trug, war so hoch, als wolle er die Decke des Saales damit abfegen. Kurz, der gewöhnliche bunte Glanz der Heroldskleidung war verzerrt und zur Karrikatur geworden. Der Eberkopf wiederholte sich nicht nur an jedem Theile seiner Kleidung, sondern selbst seine Mütze hatte eine solche Form, und stellte den Eberkopf mit blutiger Zunge und blutigen Hauern, oder in der Kunstsprache mit »züngelndem, gezahntem Rachen« dar; überhaupt lag in des Mannes ganzem Aeußern etwas, was ein Gemisch von Kühnheit und Ängstlichkeit ankündigte, – er glich einem Menschen, der einen gefährlichen Auftrag übernommen hat, und der es weiß, daß Kühnheit allein ihn sicher aus der Sache ziehen könnte. Eine gleiche Mischung von Furcht und Frechheit that sich in der Weise kund, mit welcher er seine Ehrfurcht bezeigte, und dabei zeigte er eine so auffällige Unbeholfenheit, die denjenigen keineswegs eigen zu sein pflegt, die gewohnt sind, häufig in fürstlicher Gegenwart aufzutreten.

»Wer bist du, in des Teufels Namen?« dies war der Gruß, mit welchem Karl der Kühne diesen seltsamen Gesandten empfing.

»Ich bin Rouge Sanglier,« antwortete der Herold, »der Waffenträger Wilhelms von der Mark, von Gottes Gnaden und durch die Wahl des Kapitels, Fürstbischofs von Lüttich.«

»Ha!« rief Karl, aber, seine Leidenschaft scheinbar unterdrückend, gab er ein Zeichen fortzufahren.

»Und, nach den Rechten seiner Gemahlin, der hochgebornen Gräfin Hameline von Croye, Grafen von Croye und Herrn von Bracquemont.«

Das Staunen, in welches Herzog Karl durch die ungeheure Kühnheit versetzt wurde, mit welcher man jene Titel in seiner Gegenwart verkündigte, schien ihn stumm gemacht zu haben; der Herold aber, der wahrscheinlich durch die Ankündigung seines Charakters einen guten Eindruck hervorgebracht zu haben meinte, fuhr nun fort, seine Botschaft auszurichten.

» Annuncio vobis gaudium magnum,« sagte er; »ich thue Euch, Karl, Herzog von Burgund und Graf von Flandern, im Namen meines Herrn kund und zu wissen, daß er, Kraft einer vom heiligen Vater alsbald zu erwartenden Dispensation, und Ernennung eines geeigneten Substituten ad sacra, entschlossen ist, zugleich das Amt als Fürstbischof zu verrichten und die Rechte des Grafen von Croye zu behaupten.«

Der Herzog von Burgund ließ bei dieser und ähnlichen Pausen in des Herolds Rede nur ein »Ha!« oder einen ähnlichen Ausruf hören, ohne eine Antwort zu geben; und diese Ausrufungen geschahen in einem Tone, welcher andeutete, daß der Herzog, obwohl überrascht und erzürnt, doch Willens sei, Alles anzuhören, ehe er sich selber eine Antwort gestatten werde. Zu noch größerem Erstaunen aller Anwesenden unterließ er seine gewöhnlichen heftigen Gesten, indem er ruhig den Nagel seines Daumens gegen die Zähne gedrückt hielt, welches seine Lieblingsstellung beim Zuhören war, und die Augen am Boden haften ließ, als wolle er nicht gern die Leidenschaft verrathen, die ihre Gluth verkündigen könnte.

Der Gesandte fuhr daher kühn und furchtlos fort, sich seiner Botschaft zu entledigen. »Also verlange ich, im Namen des Fürstbischofs von Lüttich und Grafen von Croye von Euch, Herzog Karl, von den anmaßenden Eingriffen in die Gerechtsame der freien Reichsstadt Lüttich, die Euch die Nachsicht des verstorbenen Ludwig von Bourbon, des unwürdigen Bischofs, gestattete, gänzlich abzustehen.« –

»Ha!« rief hier der Herzog wieder.

»Desgleichen der Bürgerschaft die Fahnen zurückzugeben, die Ihr der Stadt gewaltsam abgenommen, nämlich der Zahl nach sechsunddreißig; – die Breschen in ihren Mauern wieder zuzubauen und die tyrannisch geschleiften Werke herzustellen, – auch meinen Gebieter, Wilhelm von der Mark, als Fürstbischof, gesetzmäßig in einem freien Domcapitel erwählt, wovon hier das Protocoll zu sehen, anzuerkennen.«

»Habt Ihr geendet?« sagte der Herzog.

»Noch nicht,« erwiderte der Botschafter: »ferner soll ich Eure Hoheit von Seiten des besagten hochgebornen und ehrwürdigen Fürstbischofs und Grafen auffordern, daß Ihr sogleich die Besatzung aus dem Schlosse Bracquemont und andern festen, zur Grafschaft Croye gehörigen Plätzen, die Ihr in selbige gelegt, herauszieht, mögen sie im Namen Ew. Hoheit selbst, oder in dem der Isabelle, die sich Gräfin von Croye nennt, oder in irgend eines Andern Namen jene Orte besetzt haben; denn es wird erst auf dem Reichstage entschieden werden müssen, ob die fraglichen Lehen nicht der Schwester des verstorbenen Grafen, meiner gnädigsten Gebieterin Hameline, mit Ausschließung seiner Tochter, vermöge des jus emphyteusis verbleiben sollen.«

»Euer Herr ist sehr gelehrt,« erwiderte der Herzog.

»Gleichwohl,« fuhr der Herold fort, »ist der edle und ehrwürdige Fürst und Graf geneigt, sobald alle übrigen Streitigkeiten zwischen Burgund und Lüttich beigelegt sein werden, der Gräfin Isabelle eine ihrem Range geziemende Apanage zu bewilligen.«

»Er ist großmüthig und bedachtsam,« sagte der Herzog im nämlichen Tone.

»Nun, bei eines armen Narren Gewissen,« sagte der Glorieux leise zum Grafen Crèvecoeur, »ich möchte lieber in der Haut der schlechtesten Kuh stecken, die je an der Viehseuche starb, als in dieses Kerls bemaltem Rocke! Der arme Mann gleicht einem Betrunkenen, der immer nur den nächsten Schoppen vor sich im Auge hat, nicht aber die Dutzende, die der Wirth hinter'm Schenktische anschreibt.«

»Seid Ihr fertig?« sagte der Herzog zum Herold.

»Noch ein Wort,« antwortete Rouge Sanglier, »von meinem vielerwähnten edlen und hochwürdigen Herrn, in Bezug auf seinen werthen und treuen Bundesgenossen, den allerchristlichsten König.«

»Ha!« rief der Herzog, emporfahrend und in heftigerm Tone, als bisher; doch bezwang er sich, und nahm sogleich seine ruhige und aufmerksame Haltung wieder an.

»Das Gerücht geht nämlich, daß Ihr, Karl von Burgund, die Person des allerchristlichsten Königs, gegen Eure Pflicht als Vasall der Krone Frankreich und gegen Treu und Glauben, die unter christlichen Fürsten üblich, gewaltsam zurückhaltet. Deswegen fordert Euch mein edler und hochwürdiger Herr durch meinen Mund auf, seinen königlichen und allerchristlichsten Verbündeten alsbald in Freiheit zu setzen, oder die Ausforderung anzunehmen, zu deren Verkündigung ich ermächtigt bin.«

»Seid Ihr jetzt fertig?« fragte der Herzog.

»Ich bin es,« antwortete der Herold, »und erwarte Eurer Hoheit Antwort, mit der Hoffnung, sie werde von der Art sein, daß sie die Vergießung von Christenblut verhütet.«

»Nun, bei St. Georg von Burgund,« – sagte der Herzog; – aber eh' er fortfahren konnte, erhob sich Ludwig und fiel mit so würdevollem und gebietendem Tone ein, daß ihn Karl nicht unterbrechen konnte.

»Mit Eurer Gunst, mein lieber Vetter von Burgund,« sagte der König; »wir selber nehmen das Wort zuerst in Anspruch, um diesem unverschämten Menschen Erwiderung zu geben. – Elender Herold, oder was du sonst sein magst, verkündige dem meineidigen, geächteten Mörder Wilhelm von der Mark, daß der König von Frankreich sogleich vor Lüttich sein wird, um den kirchenräuberischen Mörder seines geliebten Verwandten, Ludwigs von Bourbon, zu bestrafen; und daß er entschlossen ist, den Wilhelm von der Mark lebendig in Ketten aufhängen zu lassen, für die Unverschämtheit, sich seinen Bundesgenossen zu nennen und seinen königlichen Namen einem seiner schlechtesten Botenträger in den Mund zu legen.«

»Und von meiner Seite füge hinzu,« sagte Karl, »was ein Fürst einem gemeinen Diebe und Mörder überhaupt sagen lassen kann. – Und nun mach' dich fort! – Doch halt. – Nie ging ein Herold vom burgundischen Hofe zurück, ohne sich reichlicher Geschenke zu freuen! – Laßt ihn peitschen, bis die Knochen sichtbar sind!«

»Nein, mit Eurer Hoheit Erlaubniß,« sagte Crèvecoeur und D'Hymbercourt zugleich, »er ist ein Herold und muß als solcher sein Recht haben.«

»Messires,« erwiderte der Herzog, »wie könnt Ihr so blind sein, zu glauben, daß der Rock den Herold macht. Ich sehe an dieses Kerls Benehmen, daß er ein bloßer Betrüger ist. Laßt Toison d'Or vortreten und ihn in unserer Gegenwart examiniren.«

Trotz seiner natürlichen Frechheit erblaßte der Bote des wilden Ebers der Ardennen jetzt, obwohl er sein Gesicht geschminkt hatte. Toison d'Or, wie bereits erwähnt, der Oberherold des Herzogs und Wappenkönig in dessen Gebiete, schritt hervor mit der Feierlichkeit eines Mannes, der da weiß, was seines Amtes ist, und fragte seinen vermeinten Amtsbruder, auf welcher hohen Schule er seine vorgebliche Wissenschaft studirt habe.

»Ich ward auf der hohen Schule der Heraldik zu Regensburg zum Herold gebildet,« antwortete Rouge Sanglier, »und empfing von dieser gelehrten Brüderschaft das Diplom als Ehrenherold.«

»Ihr konntet es aus keiner würdigeren Quelle erhalten,« antwortete Toison d'Or, sich tiefer als zuvor verbeugend; »und wenn ich mich unterfange, auf Befehl meines allergnädigsten Herzogs mit Euch über die Geheimnisse unserer erhabenen Wissenschaft zu sprechen, so geschieht es nicht um Lehre zu geben, sondern um zu empfangen.«

»Zur Sache!« rief der Herzog ungeduldig. »Keine Ceremonie, legt ihm eine Frage vor, um sein Geschick zu erproben.«

»Es wäre ungerecht,« sagte Toison d'Or, »einen Schüler des würdigen Waffencollegiums zu Regensburg zu fragen, ob er die gewöhnlichen Kunstausdrücke der Heraldik kennt; doch kann ich ohne Beleidigung den Rouge Sanglier befragen, ob er in den geheimnißvollern Ausdrücken der Wissenschaft bewandert ist, durch welche die Gelehrteren emblematisch und gewissermaßen parabolisch unter einander dasjenige bezeichnen, was sie gegen Andere in der gewöhnlichen Sprache bezeichnen, die schon in den Anfangsgründen der Heraldik gelehrt wird?«

»Ich verstehe die eine Art der Wappenkunde so gut wie die andere,« antwortete Rouge Sanglier kühnlich; »doch kann es sein, daß wir in Deutschland nicht dieselben Ausdrücke haben, wie ihr in Flandern.«

»Ach, wie könnt Ihr doch so sprechen!« erwiderte Toison d'Or; »ist doch unsre edle Wissenschaft das Panier des Adels und der Ruhm des Edelmuths, dieselbe in allen Christenländern, ja, bekannt und anerkannt selbst bei Sarazenen und Mauren. Ich ersuche Euch daher, mir irgend ein beliebiges Wappen nach der himmlischen Weise, das heißt, nach den Planeten zu beschreiben.«

»Blasonirt Euch selber wie Ihr wollt,« sagte Rouge Sanglier; »ich will nicht auf Euer Commando läppische Possen treiben, wie ein Affe.«

»Zeigt ihm ein Wappen und laßt es ihn nach seiner Weise beschreiben,« sagte der Herzog; »und kann er's nicht, so verspreche ich seinem Rücken rothe, blaue und schwarze Wappenfelder.«

»Hier,« sagte der burgundische Herold, ein Stück Pergament aus seiner Tasche ziehend, »hab' ich, aus gewissen Rücksichten, nach meiner eignen armen Weise ein altes Wappen gezeichnet. – Ich bitte meinen Bruder, wenn er in der That zum ehrwürdigen Regensburger Wappencollegium gehört, dies in der Kunstsprache zu erklären.«

Glorieux, der großes Gefallen an dieser Verhandlung zu finden schien, hatte sich unterdessen dicht an die beiden Herolde gemacht. »Ich will dir helfen, guter Kerl,« sagte er zu Rouge Sanglier, der hoffnungslos auf die Pergamentrolle blickte. »Dies, meine Herren und Gebieter, stellt die Katze vor, die nach dem Fenster der Milchkammer guckt.«

Dieser Einfall erregte ein Gelächter, welches dem Rouge Sanglier zu statten kam, indem es Toison d'Or, unwillig über die Mißdeutung seiner Zeichnung, bewog, zu erklären, daß es das Wappen sei, welches Childbert, König von Frankreich, annahm, nachdem er Gandemor, den König von Burgund, gefangen genommen; es stellte eine Tigerkatze, als Zeichen des gefangenen Fürsten, hinter einem Gitter vor, oder, wie es Toison d'Or kunstgerecht ausdrückte, einen schreitenden Tiger im goldenen Felde.«

»Bei meiner Kappe,« sagte Glorieux, »wenn die Katze Burgund vorstellt, so behauptet sie jetzt wenigstens die Außenseite des Gitters.«

»Allerdings, lieber Mann,« sagte Ludwig lachend, während die übrigen Anwesenden, und selbst Karl, unzufrieden über solch einen plumpen Scherz schienen, – »ich bin dir ein Goldstück dafür schuldig, daß du etwas so traurig Ernstes in fröhlichen Scherz verwandelst, in welchem es auch hoffentlich enden wird.«

»Schweig, Glorieux,« sagte der Herzog; »und Ihr, Toison d'Or, der Ihr zu gelehrt seid, um verständlich zu sein, tretet zurück, – und Einer von Euch führe den Schurken vor. – Hört Ihr, Schuft,« sagte er im rauhesten Tone, »kennt Ihr den Unterschied zwischen Silber und Gold, außer im geprägten Zustande?«

»Um Gottes willen, Euer Gnaden, habt Erbarmen! – Edler König Ludwig, sprecht für mich!«

»Sprich selber für dich,« sagte der Herzog – »mit einem Worte, bist du Herold oder nicht?«

»Bloß für diese Gelegenheit!« bekannte der entlarvte Würdenträger.

»Nun, bei St. Georg!« sagte der Herzog mit einem Seitenblick auf Ludwig, »wir kennen keinen König – keinen Edelmann – außer einem, welcher die edle Wissenschaft, worauf Königthum und Adel beruhen, so herabzuwürdigen vermöchte! keinen, außer dem Könige, welcher einen verkleideten Bedienten an Eduard von England schickte.«

»Eine solche Kriegslist,« sagte Ludwig lachend, oder sich zu lachen zwingend, »ließ sich nur an einem Hofe rechtfertigen, wo es damals keine Herolde gab, während gleichwohl die Umstände dringend waren. Obwohl dies aber bei dem plumpen, kurzsichtigen Insulaner hingehen konnte, so würde doch keiner, der nur etwas klüger, als der wilde Eber, denken können, daß solch ein Streich an dem gebildeten burgundischen Hofe unentdeckt bleiben werde.«

»Sende ihn, wer da wolle,« sagte der Herzog zornig, »er soll in schlimmem Zustande heimkehren. – Hier! schleppt ihn nach dem Markte! – geiselt ihn mit Pferdezäumen und Hundepeitschen, bis der Waffenrock in Fetzen um ihn hängt! – Auf den Rouge Sanglier! – ça – ça! halloh, halloh!«

Vier oder fünf große Jagdhunde, wie man sie auf den von Rubens und Schneiders gemeinschaftlich gemalten Jagdstücken sieht, vernahmen die wohlbekannten Töne, mit welchen der Herzog seine Rede schloß, und begannen zu heulen und zu bellen, als ob ein Eber wirklich aus seinem Lager aufgescheucht wäre.

»Beim heiligen Kreuz!« sagte König Ludwig, der sich bemühte, in die Laune seines gefährlichen Vetters einzugehen, »da der Esel des Ebers Haut angelegt hat, so würd' ich die Hunde auf ihn hetzen, um ihn herauszubeißen.«

»Recht! recht!« rief Herzog Karl, zu dessen Stimmung dieser Einfall trefflich paßte, – »so soll es geschehn! – koppelt die Hunde los! – Hallo Talbot! hallo Beaumont! – Wir wollen ihn hetzen von der Schloßpforte bis zum Ostthore.«

»Ich hoffe, Eure Hoheit werde mich wie ein jagdbares Thier behandeln,« sagte der Mensch, die beste Miene zum bösen Spiele machend, »und mir das Waldrecht verstatten?«

»Du bist nur ein Gewürm,« sagte der Herzog, »und verdienst nicht, nach den Jagdgesetzen behandelt zu werden; trotzdem sollst du sechzig Schritt Vorsprung haben, wär' es auch nur deiner beispiellosen Unverschämtheit wegen. – Auf, auf, ihr Herren! – wir wollen diese Jagd ansehen!« – Sonach löste sich die Rathsversammlung tumultuarisch auf, und alle eilten, am schnellsten aber die beiden Fürsten, um die humane Augenweide zu genießen, welche König Ludwig angegeben hatte.

Der Rouge Sanglier Der rothe Eber. zeigte sich als ein treffliches Jagdwild; denn, vom Schrecken beflügelt und mit einem halben Dutzend wilder Hetzhunde an den Fersen, die durch Hörnerschall und Waidmannsruf ermuntert wurden, floh er mit Windesschnelle, und wäre ihm nicht sein Heroldskleid hinderlich gewesen (für einen Renner kann es kein schlechteres geben), so möchte er den Hunden wohl entkommen sein; auch wechselte er ein- oder zweimal die Richtung auf eine Weise, die den großen Beifall der Zuschauer erwarb. Keiner von Allen, ja nicht einmal Karl, ergötzte sich so an der Jagd, als König Ludwig, der, theils aus politischen Rücksichten, theils aus natürlichem Wohlgefallen am Anblicke menschlicher Leiden, wenn sie eine lächerliche Seite darboten, so sehr lachte, daß ihm die Augen übergingen, und im Ausbruche des Entzückens den Hermelinmantel des Herzogs faßte, als ob er sich daran stützen wollte; während der Herzog, nicht minder erfreut, seinen Arm um des Königs Schultern schlang, so daß sie eine wechselseitige Sympathie und Vertraulichkeit an den Tag legten, die sehr von den Verhältnissen verschieden war, worin sie eben erst zu einander gestanden hatten.

Endlich konnte die Eile des Pseudoherolds diesen nicht länger vor den Fängen seiner Verfolger retten; sie erfaßten ihn, warfen ihn nieder, und würden ihn wahrscheinlich bald erwürgt haben, hätte der Herzog nicht gerufen: »halt! die Hunde zurück! – er ist so gut gelaufen, daß er, obwohl er den Hunden nicht entging, doch nicht sterben soll.«

Mehrere Diener beeilten sich alsbald, die Hunde zurückzuhalten, und man sah, wie sie einige festkoppelten und andere verfolgten, welche, die zerfetzten Fragmente des gemalten und gestickten Rockes schüttelnd, den der Unglückliche zur bösen Stunde angelegt hatte, triumphirend durch die Straßen rannten.

In diesem Augenblicke, während der Herzog zu sehr mit dem beschäftigt war, was vor ihm vorging, um das zu bemerken, was hinter ihm gesagt wurde, flüsterte Oliver le Dain dem König in's Ohr – »Es ist der Zigeuner Hayraddin Maugrabin – es wäre nicht gut, wenn er mit dem Herzog spräche.«

»Er muß sterben,« antwortete Ludwig im nämlichen Tone – »Todte Leute plaudern nicht.«

Einen Augenblick nachher trat Tristan l'Hermite, welchem Oliver die nöthige Andeutung gegeben hatte, vor den König und den Herzog, und sagte in seiner rauhen Weise: »Mit Eurer Majestät und Eurer Hoheit Erlaubniß, dies Stück Wild ist mein, und ich nehme es in Anspruch – er ist mit meinem Stempel bezeichnet – die Lilie ist auf seine Schulter gebrannt, wie Jedermann sehen kann. – Er ist ein anerkannter Schurke, hat des Königs Unterthanen erschlagen, Kirchen beraubt, Jungfrauen geschändet, Wild in königlichen Waldungen getödtet« –

»Genug, genug,« sagte Herzog Karl, »er ist aus vielen Gründen meines königlichen Vetters Eigenthum. Was denkt Eure Majestät mit ihm zu thun?«

»Wenn er meiner Verfügung überlassen ist,« sagte der König, »so will ich ihm wenigstens eine Lektion in der Heraldik geben, worin er so unwissend ist – ich will ihn blos praktisch lehren, was ein Kreuz mit einer hängenden Schlinge in der Heraldik bedeutet.«

»Doch nicht wie er es trägt, sondern wie es ihn trägt. – Laßt ihn von Eurem Gevatter Tristan unterweisen, er ist ein gelehrter Professor dieser Geheimnisse.«

So antwortete der Herzog, laut über seinen eignen Witz lachend, und Ludwig stimmte so herzlich ein, daß sich sein Nebenbuhler nicht enthalten konnte, mit einem freundlichen Blicke zu ihm zu sagen:

»O Ludwig, Ludwig! wollte Gott, du wärest als Monarch so getreu, als du lustig als Gesellschafter bist! Ich kann nicht umhin, oft an die fröhliche Zeit zu denken, die wir zusammen verlebten.«

»Ihr könnt sie zurückbringen, wenn Ihr wollt,« sagte Ludwig; »ich will Euch so gute Bedingungen bewilligen, als Ihr in meiner jetzigen Lage nur immer verlangen könnt, ohne Euch zur Fabel der Christenheit zu machen; und daß ich sie halten werde, will ich auf der Reliquie beschwören, die ich das Glück habe immer bei mir zu tragen, sie ist ein Stück des ächten Kreuzes.«

Hier zog er ein kleines goldenes Reliquienkästchen hervor, welches er an einer Kette vom nämlichen Metall unter dem Gewande trug, und nachdem er es andächtig geküßt hatte, fuhr er fort:

»Bei dieser heiligen Reliquie ward nie ein falscher Eid geschworen, der nicht binnen Jahresfrist gerächt worden wäre.«

»Aber,« sagte der Herzog, »es war das nämliche, bei welchem Ihr mir Freundschaft schwurt, als Ihr Burgund verließt, und kurz nachher sandtet Ihr den Bastard von Rubempré ab, um mich zu morden oder zu entführen.«

»Ei, liebster Vetter, nun rührt Ihr alle die alten Beschwerden wieder auf,« sagte der König; »ich versichere Euch, daß Ihr in dieser Sache getäuscht wurdet. – Ueberdies schwur ich damals nicht bei dieser Reliquie, sondern bei einem andern Stück des heiligen Kreuzes, welches ich vom Großherrn empfing, und das wahrscheinlich durch den Aufenthalt unter den Ungläubigen an Kraft verloren hatte. Und brach nicht auch binnen Jahresfrist der Krieg des öffentlichen Wohls aus? Und lagerte nicht ein burgundisches Heer bei Saint Denis, unterstützt von allen großen Lehensträgern Frankreichs? Und ward ich nicht genöthigt, die Normandie meinem Bruder abzutreten? – O Gott, schütze uns vor Meineid unter solcher Bürgschaft, wie diese hier!«

»Wohlan, Vetter,« antwortete der Herzog, »ich glaube, du hast eine Lehre empfangen, um ein andermal Treue zu halten. – Und nun noch einmal, wollt Ihr ohne Winkelzug und Zweideutigkeit Euer Versprechen halten, und mit mir gehen, um den mörderischen von der Mark und die Lütticher zu strafen?«

»Ich will gegen sie marschiren,« antwortete Ludwig, »mit dem ganzen Heerbann Frankreichs und mit wehender Oriflamme.«

»Nein, nein,« sagte der Herzog, »das ist mehr, als nöthig oder räthlich sein dürfte. Die Gegenwart Eurer schottischen Garde und zweihundert auserlesene Lanzen werden hinreichen, um zu zeigen, daß Ihr frei handelt. Eine große Armee möchte« –

»Mich in der That frei machen, wollt Ihr sagen, lieber Vetter?« fiel der König ein. »Wohlan, Ihr sollt die Zahl meiner Begleiter bestimmen.«

»Und um einen schönen Zankapfel aus dem Wege zu räumen, willigt Ihr ein, daß die Gräfin Isabelle von Croye sich mit dem Herzog von Orleans verheirathet?«

»Lieber Vetter,« sagte der König, »Ihr wollt meine Gefälligkeit hart erproben. Der Herzog ist der verlobte Bräutigam meiner Tochter Johanna. Seid großmüthig – gebt diese Sache auf und laßt uns lieber von den Städten an der Somme sprechen.«

»Mein Staatsrath wird davon mit Eurer Majestät sprechen,« sagte Karl; »mir liegt weniger die Erlangung von Ländergebiet am Herzen, als die Genugthuung für Beleidigungen. Ihr habt Euch mit meinen Vasallen in Umtriebe eingelassen, und hattet Lust, über die Hand einer Person zu verfügen, die unter Burgunds Vormundschaft steht. Eure Majestät muß sie an ein Mitglied Eurer königlichen Familie vermählen, da Ihr Euch einmal in die Sache gemischt habt – außerdem brechen unsre Verhandlungen sogleich ab.«

»Wenn ich sagte, ich thät' es gern,« antwortete der König, »so würde mir das Niemand glauben; daher mögt Ihr, lieber Vetter, urtheilen, in wie hohem Maße ich Euch verbindlich zu sein wünsche, wenn ich sage, daß ich, obwohl widerstrebend, in die Partie willige, und sobald die Dispensation vom Papste erlangt sein wird, sollen meine Einwürfe der von Euch vorgeschlagenen Heirath nicht mehr hinderlich sein.«

»Alles Uebrige können leicht unsre Minister in Ordnung bringen,« sagte der Herzog, »und somit sind wir noch einmal Vettern und Freunde.«

»Der Himmel sei gepriesen!« sagte Ludwig, »welcher, die Herzen der Fürsten in seiner Hand haltend, sie gnädig zu Frieden und Sanftmuth lenkt und die Vergießung von Menschenblut verhütet. – Oliver,« setzte er leise, zu seinem Günstlinge gewendet, hinzu, der ihn stets, wie der dienstbare Geist einen Zauberer, umgab, – »hörst du, – sage Tristan, daß er mit dem landstreicherischen Zigeuner schnell macht.«



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