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Elftes Kapitel.

Ihr paßt nicht zu der Zeit und ihren Sitten,
Wo Laster Tugenden so ähnlich sehn,
Daß Ihr sie nimmer unterscheiden könnt.
Gewand und Nahrung ist bei ihnen gleich;
Wie Mann und Weib erscheinen sie vereint
Im Bette und im prächt'gen Viergespann.

Ben Jonson.

Als Nigel am folgenden Morgen nach dem Frühstücke überlegte, wie er den Tag hinbringen wolle, vernahm er ein Geräusch auf der Treppe, welches seine Aufmerksamkeit erregte. Im nächsten Augenblicke trat Frau Lenchen ein, hocherröthend und kaum fähig, die Worte hervorzubringen: »Ein junger großer Herr! – Gewiß, kein Geringerer,« fuhr sie fort, mit der Hand über den Mund fahrend, »kein Geringerer würde so keck sein – ein junger großer Herr wünscht Euch seine Aufwartung zu machen.«

Sie hatte kaum ausgesprochen, so erschien in dem Stübchen Lord Dalgarno, munter, aufgeräumt, ohne eine Spur von Verlegenheit und scheinbar eben so vergnügt, seinen Bekannten hier zu treffen, als hätte er ihn in den Gemächern eines Palastes gefunden. Nigel hingegen (denn die Jugend ist unter dem Joche solcher Aeußerlichkeiten) war außer Fassung gebracht und tief beschämt, von einem solchen Muster der Eleganz in einem Zimmer überrascht zu werden, welches ihm bei dessen Erscheinen noch niedriger, enger, düsterer und ärmlicher vorkam, als je vorher. Er wollte sich entschuldigen, aber Lord Dalgarno unterbrach ihn mit der Bemerkung: »Kein Wort davon! kein Wort weiter! Ich weiß, warum Ihr hier vor Anker liegt. Aber ich kann reinen Mund halten. Eine so hübsche Wittwe könnte ein noch schlechteres Quartier empfehlen.«

»Auf mein Wort, auf Ehre!« – begann Glenvarloch.

»Pst! pst! keine Worte!« unterbrach Lord Dalgarno. »Ich bin kein Plaudermaul, und ich werde Euch nicht in's Gehege gehen. Es gibt genug Wild im Walde, Gott sei Dank, und ich weiß schon für mich selbst eine Rike zu schießen.«

Alles dies sprach er so leichthin, und die Erklärung, welche er gab, schien ein solches Compliment für die Galanterie des Herrn von Glenvarloch zu sein, daß dieser sich nicht weiter bemühte, ihn zu enttäuschen. Wie der Mensch eben schwach ist, – Nigel schämte sich weniger einer ihm fälschlich zugemutheten Schlechtigkeit, als seiner wirklichen Armuth, und gab dem Gespräche eine andere Wendung, seinen und seiner armen Hauswirthin guten Namen der üblen Meinung des jungen Höflings preisgebend.

Zögernd bot er einige Erfrischungen an. Lord Dalgarno sagte, er habe längst gefrühstückt, allein er komme eben vom Ballspiel und wolle gern ein Glas Dünnbier von der hübschen Wirthin trinken. Dies wurde herbeigeschafft, getrunken und gelobt. Da die Wirthin selber es brachte, so benutzte Lord Dalgarno die Gelegenheit, sie genauer zu betrachten, und trank dann mit ernster Miene auf's Wohlsein ihres Gemahls, indem er kaum merkbar dem Lord Glenvarloch zunickte. Frau Lenchen fühlte sich geschmeichelt, strich ihre Schürze hinunter und sagte: ihrem Hans werde große Ehre von Ihren Herrlichkeiten erwiesen; er sei ein guter, für seine Familie arbeitsamer Mann, so sehr wie nur irgend einer in der Gasse oder nordwärts bis zur Paulszeil.

Sie würde wahrscheinlich weiter den Unterschied des Alters angeführt haben, als den einzigen Mangel in ihrem ehelichen Glücke; allein ihr Gast, der nicht Lust hatte, ferner den Spötteleien seines Freundes ausgesetzt zu sein, gab ihr wider seine Gewohnheit ein Zeichen, sich zu entfernen.

Lord Dalgarno sah ihr nach, blickte dann den Lord Glenvarloch an, schüttelte den Kopf und sprach die bekannten Verse:

»O edler Herr, hüt' dich vor Eifersucht;
Dies Scheusal mit den grünen Augen zeugt
Selbst sich die Nahrung.

Kommt,« fuhr er mit verändertem Tone fort; »warum sollte ich Euch so quälen, ich, der ich so viele eignen Thorheiten habe. Ich sollte mich vielmehr entschuldigen, daß ich hier bin, und Euch sagen, warum ich komme.«

So sprechend nahm er sich einen Stuhl, schob Nigeln einen andern hin, ohne daß dieser Zeit hatte, ihm zuvorzukommen, und fuhr in demselben leichten, vertraulichen Tone fort:

»Wir sind Nachbarn, edler Herr, und haben uns jetzt erst kennen gelernt. Ich weiß genug von dem lieben Norden, um mir nicht zu verhehlen, daß schottische Nachbarn entweder sehr gute Freunde oder Todfeinde sein müssen, entweder Hand in Hand gehen oder mit gezogenem Schwerte einander gegenüberstehen. Ich wähle das Hand in Hand, es sei denn, daß Ihr mein Anerbieten ausschlagt.«

»Wie wäre es möglich, zurückzuweisen, was so offenherzig angeboten wird, auch wenn Euer Vater mir nicht ein zweiter Vater gewesen wäre!« erwiderte der Freiherr von Glenvarloch. Er ergriff Dalgarno's Hand und fügte hinzu: »Ich denke, ich habe meine Zeit nicht verloren, denn in einem Tage meiner Aufwartung am Hofe habe ich einen herzlichen Freund und einen mächtigen Feind gewonnen.«

»Der Freund dankt Euch für Eure gute Meinung,« erwiderte Dalgarno. »Aber, mein lieber Glenvarloch – oder vielmehr – Titel sind zu steif zwischen uns Leuten von besserem Schlage – wie ist Euer Taufname?«

»Nigel,« antwortete der Herr von Glenvarloch.

»Nun,« sprach der von Dalgarno, »so wollen wir Einer für den Andern Nigel und Malcolm heißen, und für die plebejische Welt: Edler Herr. Aber ich wollte Euch fragen, wen Ihr für Euren Feind haltet?«

»Keinen Geringeren, als den allmächtigen Günstling, den Herzog von Buckingham.«

»Ihr träumt. Was konnte Euch eine solche Meinung beibringen?«

»Er hat es mir selbst gesagt und insofern als ein offener, ehrlicher Mann an mir gehandelt,« antwortete Nigel von Glenvarloch.

»O, Ihr kennt ihn noch nicht,« entgegnete sein Besucher. »Der Herzog ist ein Inbegriff von hundert edlen Eigenschaften, die ihn veranlassen, wie ein stolzes Roß bei dem geringsten Hindernisse auf seinem Wege ungeduldige Seitensprünge zu machen. Aber was er in solchen Augenblicken fliegender Hitze sagt, ist nicht seine wahre Meinung. Gott sei Dank! ich vermag mehr bei ihm, als die Meisten aus seiner Umgebung. Kommt mit mir, ihn zu besuchen, Ihr werdet sehen, wie er Euch aufnimmt.«

»Ich habe Euch gesagt,« versetzte Glenvarloch mit einigem Nachdrucke, »daß der Herzog von Buckingham, ohne die geringste Beleidigung von meiner Seite, sich im Angesichte des Hofes für meinen Feind erklärt hat. Er muß diesen Angriff eben so öffentlich zurücknehmen, wie er ihn gemacht hat, bevor ich den geringsten Schritt zur Annäherung thue!«

»In jedem andern Falle würdet Ihr Recht haben,« erwiderte Lord Dalgarno, »aber hier in diesem Falle seid Ihr auf dem falschen Wege. Am Himmel des Hofes ist Buckingham das herrschende Gestirn, und je nachdem er für oder wider ist, steigt oder fällt die Gunst dessen, der ein Gesuch hat. Der König würde Euch an Euren Phädrus erinnern:

» Arripiens geminas ripis cedentibus ollas –« (Der Strom,) Während das Ufer entweicht, die beiden Töpfe erfassend –

u. s. w. Ihr seid das irdene Gefäß; hütet Euch, wider das eiserne anzustoßen.«

»Das irdene Gefäß« – entgegnete Glenvarloch – »wird den Anstoß vermeiden, indem es aus dem Strome an's Ufer geht. Ich gedenke nicht mehr am Hofe zu erscheinen.«

»O, am Hofe müßt Ihr nothwendig noch erscheinen. Ihr würdet finden, daß außerdem Eure schottische Sache sehr langsam vorwärts geht, denn Gunst und Fürsprache ist nöthig, um die königliche Unterschrift, die Ihr erlangt habt, wirksam zu machen. Hierüber wollen wir späterhin weiter sprechen. Unterdessen sagt mir, lieber Nigel, habt Ihr Euch nicht gewundert, mich so früh bei Euch zu sehen?«

»Ich bin erstaunt, wie Ihr mich in diesem Winkel ausfindig machen konntet,« antwortete Nigel.

»Mein Page Lutin ist ein wahrer Teufel für solche Arten von Entdeckungen,« sprach Lord Dalgarno. »Ich brauche nur zu sagen: Kobold, ich möchte wissen, wo der und der, oder die und die wohnt – und er führt mich wie durch Zauberkunst hin.«

»Ich hoffe doch, er wird nicht auf der Straße warten,« bemerkte Nigel. »Ich will augenblicklich meinen Diener nach ihm schicken.«

»Bemüht Euch nicht,« erwiderte Dalgarno. »Er wird in diesem Augenblicke mit den ersten besten Gassenbuben auf der Paulslände Grübchen oder Hellerlegen spielen; es sei denn, daß er seine alten Gewohnheiten abgelegt hätte.«

»Fürchtet Ihr nicht, daß in solcher Gesellschaft seine Sitten verderben?« fragte Nigel.

»Die Gesellschaft mag zusehen, daß die ihrigen nicht leiden,« antwortete Dalgarno gleichgültig. »Es müßte eine Gesellschaft von leibhaftigen Teufeln sein, in welcher Lutin nicht mehr Unheil lehren als lernen könnte. Er ist, den Göttern sei's gedankt! für seine Jahre gründlich im Bösen erfahren. Ich darf die Mühe sparen, mich um seine Sittlichkeit zu bekümmern, denn Nichts kann sie verbessern, noch verschlimmern.«

»Das wird Euch schwer fallen, vor seinen Eltern zu verantworten,« bemerkte Nigel.

»Es würde mir schwer fallen, seine Eltern zu finden, um ihnen Rechenschaft abzulegen.«

»Er ist vielleicht ein Waise,« bemerkte Lord Nigel weiter; »aber als Page in Ew. Herrlichkeit Familie muß er von Eltern stammen, die einen gewissen Rang besitzen.«

»Einen so hohen Rang, als der Galgen ihnen gewähren konnte,« erwiderte Dalgarno in demselben gleichgültigen Tone. »Sie sind beide gehenkt worden; wenigstens haben mir die Zigeuner, denen ich ihn vor fünf Jahren abgekauft habe, so gesagt. Ihr macht große Augen. Aber sprecht – ist es nicht besser, anstatt eines faulen, eingebildeten, adeligen Milchgesichtes, dem ich nach der alten Art den Schulmeister machen müßte, aufpassend, daß er Gesicht und Hände wasche, seine Gebete hersage, seine Grammatik lerne, keine schlechten Reden führe, seinen Hut ausbürste, sein gutes Wams nur Sonntags anziehe – ist es, sage ich, nicht besser, statt eines solchen Hänschens Gutkind ein Geschöpf wie dies zu haben?«

Er that einen hellen durchdringenden Pfiff, und in wenigen Augenblicken stürzte der Page in's Zimmer, wie herbeigezaubert. Seiner Größe nach schien er nur fünfzehn Jahre alt zu sein, allein seinem Gesichte nach mußte man ihn für zwei oder drei Jahre älter halten. Er war fein gebaut und reich gekleidet. Sein schmales braunes Gesicht verrieth seine Zigeunerabkunft, eben so seine strahlenden schwarzen Augen, welche den, welchen er ansah, zu durchbohren schienen.

»Da ist er,« sprach Lord Dalgarno, »in jedes Element passend, bereitwillig, jeden Befehl auszuführen, sei er gut, schlecht oder gleichgültig. Er sucht seines Gleichen in seiner Art als Spitzbube, Dieb und Lügner.«

»Lauter Eigenschaften, die Ew. Herrlichkeit schon gute Dienste geleistet haben,« bemerkte der kecke Page.

»Hinaus, du Teufelsbraten!« sprach sein Herr; »verschwinde, oder mein Zauberstab fliegt um deine Ohren.« Der Knabe wandte sich um und war eben so schnell weg, wie er gekommen war. »Ihr seht,« fuhr Dalgarno fort, »daß bei der Wahl meiner Dienerschaft die beste Rücksicht, die ich auf edles Blut nehmen kann, darin besteht, es von meinem Haushalte auszuschließen. Dieser Galgenvogel wäre hinreichend, eine ganze Antichambre voll Pagen zu verderben, möchten sie auch von Königen und Kaisern abstammen.«

»Ich kann mir kaum denken, daß ein großer Herr der Dienste eines solchen Kobolds bedürfen sollte,« entgegnete Nigel. »Ihr scherzt blos mit meiner Unerfahrenheit.«

»Die Zeit wird lehren, ob ich scherze oder nicht, lieber Nigel,« antwortete Lord Dalgarno. »Einstweilen schlage ich Euch vor, die Fluth zu benutzen, um eine Spazierfahrt flußaufwärts zu machen. Den Mittag, hoffe ich, werdet Ihr mit mir speisen.«

Nigel ließ sich einen Vorschlag gefallen, der so viel Unterhaltung versprach. Er, sein Freund, Lutin und Moniplies – welche Letztere nebeneinander wie eine Verbindung von Affe und Bär erschienen – bestiegen Lord Dalgarno's Kahn, dessen Ruderer das Wappen Sr. Herrlichkeit am Arme trugen. Die Luft war herrlich, und die muntere Unterhaltung Dalgarno's erhöhete die Lust der Fahrt. Er konnte Nigeln nicht nur Auskunft über die verschiedenen öffentlichen Gebäude und standesherrlichen Wohnungen geben, an welchen sie vorbeifuhren, sondern er würzte diese trocknen Angaben auch durch eine Menge von Anekdoten, politischen Winken und Skandalgeschichten. Wenn er auch nicht gerade sehr witzig war, so hatte er jedenfalls vollkommen den Ton der höheren Gesellschaft, welcher damals, wie jetzt, jeden sonstigen Mangel überreich ersetzte.

Dieser Ton war dem jungen Freiherrn von Glenvarloch eben so neu, wie die Welt, welche Dalgarno vor seinen Blicken aufthat. Trotz seinem gesunden Menschenverstande und seiner im Ganzen edlen Gesinnung hörte er ohne Widerspruch die Lectionen an, welche sein neuer Freund ihm als einem Neuling in der Welt gab. Einen Ton erhabener strenger Moralität der leichten Conversation des Höflings gegenüber anzunehmen, hätte pedantisch und lächerlich ausgesehen, und jeder Versuch, den Nigel machte, die Sätze seines Begleiters in scherzhaftem Tone zu bestreiten, bewies nur, wie sehr Dalgarno ihm in dieser Art der Unterhaltung überlegen war. Obwohl Nigel innerlich Vieles von dem, was er hörte, mißbilligte, so fand er doch die Manieren seines neuen Bekannten und die Sprache, welche derselbe führte, bei weitem nicht so empörend, als wir seiner Gesinnung nach vermuthen sollten, weil die gefällige Form, in welche Dalgarno seine Unsittlichkeit hüllte, dieselbe minder abschreckend erscheinen ließ. Ueberdies hütete sich der Höfling, lange bei solchen Punkten zu verweilen, welche mit den Gewohnheiten und Grundsätzen des zu Bekehrenden in allzugrellem Widerspruche zu stehen schienen, und überall mischte er so sehr Scherz und Ernst untereinander, daß Nigel nie wußte, ob er die wahre Meinung seines Führers vernehme oder die Ausflüsse seiner tollen Laune. Hin und wieder schimmerte in seinem Gespräche Muth und Ehrgefühl durch, so daß sich annehmen ließ, Dalgarno würde, falls er einen geeigneten Anlaß erhielte, einen ganz andern Charakter entwickeln, als den des Höflings und Wollüstlings, den er jetzt zur Schau trug.

Auf der Rückfahrt bemerkte Nigel, daß sie an dem Hause des Grafen von Huntinglen vorbeikamen, und machte den Lord Dalgarno darauf aufmerksam, indem er äußerte, er glaube, sie würden hier zu Mittag speisen. »Gewiß nicht,« erwiderte Dalgarno. »Ich habe zu viel Mitleid mit Euch, als daß ich Euch nochmals den Bauch mit halbrohem Rindfleisch und Canariensect füllen sollte. Ich habe Euch Etwas Besseres zugedacht, als einen solchen Skythenschmaus. Mein Vater seinerseits will heute bei dem ernsten alten Grafen von Northampton speisen, dem weiland gepriesenen Unterdrücker vorgeblicher Prophezeihungen, Freiherrn Heinrich Howard« Lord Heinrich Howard war der zweite Sohn des dichtenden Grafen von Surrey. Talentvoll und kenntnißreich schrieb er 1583: »Ein Verwahrungsmittel wider das Gift vermeintlicher Prophezeihungen.« Er gewann die Gunst der Königin Elisabeth, indem er, wie er sagte, sein Geschütz gegen eine Secte königsfeindlicher Wahrsager richtete. In den letzten Jahren Elisabeths war er ein eifriger Anhänger Jakobs, und vermittelte mit vieler steifen Förmlichkeit und eben so großer Schlauheit den Briefwechsel zwischen dem schottischen Könige und dem jüngeren Cecil. Nach Jakobs Thronbesteigung in England wurde er zum Grafen von Northampton und zum Geheimsiegelbewahrer ernannt. Beaumont, der französische Botschafter, sagt von ihm, er sei einer der größten Schmeichler und Verleumder gewesen..

»Geht Ihr nicht mit ihm?« fragte Nigel.

»Wozu?« versetzte Dalgarno. »Etwa um Se. Herrlichkeit von abgestandener Politik in falschem Latein sprechen zu hören, welches der alte Fuchs immer anwendet, um der gelehrten Majestät von England Gelegenheit zu geben, seine grammatischen Schnitzer zu corrigiren? Das wäre eine feine Art, die Zeit hinzubringen.«

»Ich meinte,« entgegnete Nigel, »Ihr würdet es thun, um einen Theil des Gefolges Eures Herrn Vaters zu bilden.«

»Mein Herr Vater« – erwiderte der Hofmann – »hat Blaukappen genug, um sein Gefolge zu bilden, so daß er einen Schmetterling, wie ich bin, wohl entbehren kann. Er kann den Sectbecher emporheben ohne meinen Beistand, und sollte das besagte väterliche Haupt etwas schwindelig werden, so sind Leute genug da, um Se. ehrenwerthe Herrlichkeit zu Sr. Herrlichkeit sehr ehrenwerthem Ruhebette zu führen. – Nun, Nigel, starrt mich nicht an, als ob meine Worte das Boot mit uns versenken sollten. Ich liebe meinen Vater – ich liebe ihn von Herzen – und ich achte ihn, obwohl ich wenig Dinge in der Welt achte. Ein treuerer alter Trojaner hat nie ein Schwert mit einer Lederschnur an den Leib gebunden. Im Uebrigen gehört er zu der alten Welt, ich zu der neuen. Er hat seine Thorheiten, ich die meinigen, und je weniger Jeder von uns die kleinen Fehltritte des Andern sieht, desto größer wird die Ehre und Rücksicht sein, – ich sage Rücksicht, denn das ist wohl der richtige Ausdruck – welche wir uns wechselseitig zollen. Wenn wir getrennt sind, dann ist Jeder von uns er selber, so wie die Natur und die Umstände ihn gemacht haben. Sind wir dagegen zusammengekoppelt, so werdet Ihr in der Koppel entweder einen alten oder einen jungen Heuchler, oder gar zwei Heuchler finden.«

In diesem Augenblicke fuhr das Boot an dem Landungsplatze in Blackfriars an. Lord Dalgarno sprang an's Land, warf seinem Pagen sein Rappier und seinen Mantel zu, und empfahl seinem Begleiter, ein Gleiches zu thun. »Wir kommen unter feine Herren,« bemerkte er, »und wenn wir so eingemummt einhergingen, würden wir aussehen wie der braune Don, der sich in seinen Mantel wickelt, um die Mängel seines Wamses zu verbergen.«

»Ich habe manchen ehrlichen Mann gesehen, der dies that, gnädiger Herr,« bemerkte Moniplies, der auf eine Gelegenheit gewartet hatte, sich in das Gespräch zu mischen. Es fiel ihm wahrscheinlich die Lage ein, in welcher er sich, was Wams und Mantel betrifft, unlängst befunden hatte.

Lord Dalgarno sah ihn mit großen Augen an, als wundere er sich über sein vorlautes Wesen, und entgegnete dann: »Ihr mögt allerlei Dinge gesehen haben, guter Freund, aber Ihr habt das noch nicht gesehen, was vornehmlich Euren Meister angeht, nämlich seinen Mantel so zu tragen, daß man die goldbesetzten Säume und das Futter von Zobelpelz sieht. Seht, wie Lutin den Degen hält, den Mantel zum Theil darübergeworfen, aber so, daß der ciselirte Griff und die Silberarbeit des Beschlags hervortritt. – Gebt Eurem Vertrauten Euren Degen,« fuhr er, zu Nigel gewendet, fort, »damit er sich in einer so nöthigen Kunst übt.«

»Ist es wohl räthlich, ganz unbewaffnet zu gehen?« fragte Nigel, sein Seitengewehr losmachend und es dem Diener übergebend.

»Und warum sollte es nicht räthlich sein?« entgegnete Dalgarno. »Ihr denkt an die Alte Rauchige, wie mein Vater gleichsam schmeichelnd Eure gute schottische Hauptstadt nennt, wo eine solche Wirthschaft mit persönlichen Feindschaften und Parteifehden ist, daß ein irgend angesehener Mann nicht zwei Mal über Eure Hochstraße gehen kann, ohne sein Leben drei Mal in Gefahr zu setzen Das Tagebuch des ehrbaren Bürgers Birrel enthält oft Begebenheiten wie die folgende: »Am 24. November (1567) um zwei Uhr Nachmittags begegneten sich der Herr von Airth und der Herr von Wrems auf der Hochstraße in Edinburgh, und sie und ihr Gefolge lieferten sich ein blutiges Gefecht, in welchem von beiden Seiten Mehre durch Pistolenschüsse verwundet wurden.« – Uebrigens waren solche Raufereien auch in London nicht so ungewöhnlich, wie es nach Dalgarno's Aeußerung scheinen sollte. In Shadwells Lustspiel: »Die Landstreicher,« erzählt ein alter Taugenichts, indem er sich seiner früheren Thaten rühmt: »Ich habe die Hektors gekannt, und vor diesen die Muns und die Tityretus. Das waren Hauptkerle! Damals konnte ein Mann nicht von dem Rosengarten bis zur Piazza gehen, ohne zwei Mal sein Leben zu wagen.« – In Edinburgh waren die Schlägereien Folge von Erbfehden, in London entsprangen sie aus der Ausgelassenheit und Anmaßung junger Wüstlinge.. Hier, edler Herr, wird keine Rauferei auf der Straße geduldet. Sobald ein Schwert gezogen wird, mischt sich der ochsenköpfige Bürger ein und ›Prügel‹ ist das Losungswort.«

»Und das ist ein hartes Wort, wie mein Hirnkasten bezeugen kann,« bemerkte Richard.

»Wäre ich dein Herr,« sprach Dalgarno im strengen Tone, »so würde ich dir den Hirnkasten öffnen, wenn du in meiner Gegenwart ein Wort sprächest, ohne daß man dich zuvor angeredet hätte.«

Richard murmelte Etwas vor sich hin, ließ sich aber die Andeutung gesagt sein und nahm seinen Platz hinter seinem Herrn ein neben Lutin, der nicht verfehlte, seinen neuen Gefährten dem Spotte der Vorübergehenden Preis zu geben, indem er, so oft er es unbemerkt von Richard thun konnte, dessen steifen militärischen Gang und mißvergnügte Miene nachahmte.

»Nun sagt mir, lieber Malcolm,« begann Nigel, »wohin steuern wir? Werden wir in einem Hause speisen, das Euch gehört?«

»In einem Hause, das mir gehört? – ja wohl,« antwortete Dalgarno. »In einem Hause, das mir gehört, in einem Hause, das Euch gehört, und in einem Hause, das noch zwanzig flotten Herren weiter gehört, und wo der Tisch bessere Kost, besseren Wein und bessere Bedienung darbietet, als wenn wir Alle uns zusammenthun wollten, um ihn einzurichten. Wir gehen in das erste Speisehaus von London.«

»Das heißt in gewöhnlicher Sprache, in eine Herberge? auf eine Trinkstube?« fragte Nigel.

»O Ihr Neuling!« rief Dalgarno. »Liebster Freund, eine Herberge, eine Trinkstube, das sind Orte, wo schmierige Bürger ihren Krug und ihre Pfeife genießen, wo die spitzbübischen Winkeladvokaten bei ihren Opfern schmarotzen, – wo Studenten aus dem Tempel ihre schlechten Witze reißen, und wo geringe Edelleute solche dünne Getränke zu sich nehmen, daß sie wassersüchtig statt betrunken werden. Ein Speisehaus ist ein neuerfundenes Institut, dem Bacchus und Komus geweiht, wo die feinsten, vornehmsten Herren der Zeit mit den ersten geistreichen Köpfen des Jahrhunderts zusammentreffen, – wo der Wein der Geist der ausgewähltesten Trauben ist, ätherisch wie der Genius des Dichters, und alt und edel wie das Blut eines Standesherrn. Die Speisen sind etwas Höheres, als grobe irdische Nahrung. Land und See werden in Contribution gesetzt, um sie zu liefern, und der Erfindungsgeist von sechs sinnreichen Köchen wird fortwährend auf die Folter gespannt, um ihre Kunst mit den Stoffen gleichen Schritt halten zu lassen, oder dieselben wo möglich noch zu veredeln.«

»Diese ganze Beschreibung« – bemerkte Nigel – »belehrt mich, daß wir, wie ich gleich anfangs meinte, auf eine großartige Trinkstube gehen, wo wir einen guten Tisch finden und dafür eine entsprechende Rechnung bezahlen werden.«

»Rechnung!« rief Dalgarno im vorigen Tone aus. » Pereat dieser bäurische Ausdruck! Welche Entweihung! Monsieur le Chevalier de Beaujeu, der Stolz von Paris und die Zier von Gascogne, – der nach dem bloßen Geruch das Alter seines Weines bestimmt, der seine Saucen in einem Kolben destillirt nach Lullys wissenschaftlichen Grundsätzen, der mit solcher ausgesuchten Genauigkeit vorschneidet, daß er dem Standesherrn, dem Ritter, dem Junker genau denjenigen Theil vom Fasan gibt, der seinem Range entspricht, – er, der mit solcher Gewissenhaftigkeit eine Feigenschnepfe zerlegt, daß unter zwölf Gästen keiner auch nur ein Haarbreit oder den zwanzigsten Theil einer Drachme mehr erhält als der andere – von ihm und von einer Rechnung sprecht Ihr in einem Athem! Merkt es, er ist das Orakel in allen Angelegenheiten, betreffend die Geheimnisse von Passage, Hasard, In und In, Penneeck und Verquire. Was sag' ich? Beaujeu ist König des Kartenspiels und Herzog des Würfelbechers. Mit ihm sollte man rechnen, wie mit einem rothnäsigen Sohne des gemeinen Bratspießes?! Theuerster Nigel, welch ein Wort habt Ihr da ausgesprochen! und über welch eine Person! Daß Ihr ihn nicht kennt, ist Eure einzige Entschuldigung für solche Blasphemie, und kaum möchte sie genügen; denn einen Tag in London gewesen sein und Beaujeu nicht zu kennen, bildet an sich schon ein Verbrechen. Aber Ihr sollt ihn sofort in diesem heilvollen Augenblicke kennen lernen, lernen Euch selbst verabscheuen wegen der Gräuel, die Ihr ausgesprochen habt.«

»Alles gut,« sprach Nigel, »aber dieser werthe Chevalier hält doch diese Tafel nicht auf eigne Kosten?«

»Nein,« antwortete Dalgarno, »es findet eine Art Ceremonie Statt, welche meines Ritters Freunde und Vertraute verstehen, mit der Ihr aber vorläufig Nichts zu schaffen habt. Es wird, wie Se. Majestät sagen würde, ein symbolum erlegt, – mit andern Worten, es findet ein Austausch von Artigkeiten zwischen Beaujeu und seinen Gästen Statt. Er verehrt ihnen das Essen und den Wein, so oft sie auf ihr Wohlsein Bedacht nehmend sein Haus um die Mittagsstunde besuchen, und sie verehren aus Dankbarkeit dem Ritter einen Jacobus Etwa einen Karolin.. Außerdem müßt Ihr wissen, daß neben Komus und Bacchus auch die Beherrscherin der irdischen Angelegenheiten, Diva Fortuna, häufig bei Beaujeu verehrt wird, und daß er als pontificirender Hoherpriester seinen gebührenden Antheil von den Opfern erhält.«

»Mit andern Worten,« fügte Nigel hinzu, »dieser Mann hält ein Spielhaus.«

»Ein Haus, in welchem Ihr spielen könnt, so gut wie auf Eurem Zimmer, wenn Ihr Lust habt,« erwiderte Malcolm Dalgarno. »Ich erinnere mich sogar, daß der alte Thomas Tally mit dem Franzosen Quinze le Va während der Morgenandacht in der Paulskirche um Geld Karten spielte. Es war ein nebeliger Morgen, der Pfarrer war schläfrig, und die ganze Gemeinde bestand nur aus ihnen und einem blinden Weibe, so daß sie unentdeckt blieben.«

»Dem sei, wie ihm wolle,« erklärte Nigel Olifaunt ernst; »ich kann mit Euch nicht in diesem Hause speisen.«

»Und warum, ums Himmels willen, wollt Ihr Eure Zusage zurücknehmen?« fragte Lord Malcolm.

»Ich nehme keine Zusage zurück,« versetzte Nigel. »Aber ich bin durch ein meinem Vater frühzeitig abgelegtes Versprechen gebunden, nie ein Spielhaus zu betreten.«

»Ich sage Euch, dies ist kein Spielhaus,« erwiderte Lord Dalgarno; »es ist nichts Anderes als ein Speisehaus, nur auf besserem Fuße eingerichtet und von besserer Gesellschaft besucht, als andere Speisehäuser in der Stadt. Wenn sich in demselben Einige mit Karten- und Hasardspiel vergnügen, so sind es Ehrenmänner, die als solche spielen, und um nicht mehr, als sie erträglicher Weise verlieren können. Es waren unmöglich solche Häuser, welche Euer Vater von Euch gemieden haben wollte. Und dann hätte er Euch eben sowohl schwören lassen können, daß Ihr nie in einer Herberge, Trinkstube, Garküche oder irgend einer anderen Wirthschaft einkehren wolltet. Denn es gibt keine Wirthschaft, in welcher Eure Augen nicht entweiht werden könnten durch den Anblick eines Häufleins bemalter Pappendeckelstückchen, und Eure Ohren nicht entheiligt durch das Gerassel der kleinen gefleckten Stückchen Elfenbein. Der Unterschied ist, daß wir da, wo wir hingehen, Standespersonen sich mit dem Spiele unterhalten sehen, während Ihr in den gewöhnlichen Häusern Eisenfresser und Kehlstecher antrefft, die Euch Euer Geld abzulisten oder abzutrotzen suchen.«

»Ich bin überzeugt, daß Ihr mich nicht absichtlich zu etwas Unrechtem verleiten werdet,« erklärte Nigel. »Mein Vater hatte einen Abscheu vor Glücksspielen, sowohl aus Grundsätzen der Religion wie der Klugheit. Er vermuthete, hoffentlich fälschlich, daß ich eine Neigung zu dergleichen hätte, und er hat mir das erwähnte Versprechen abgenommen.«

»Bei meiner Ehre,« erwiderte Dalgarno, »was Ihr sagt, enthält den besten Grund für mich, darauf zu bestehen, daß Ihr mit mir geht. Ein Mann, der eine Gefahr vermeiden soll, muß erst ihre wahre Beschaffenheit und Größe kennen lernen, und zwar in Begleitung eines zuverlässigen Führers und Wächters. Denkt Ihr, ich selber spielte? Meines Vaters Eichen wachsen zu weit von London und stehen zu festgewurzelt in den Felsen von Perthshire, als daß ich sie herunterwürfeln sollte, obwohl ich ganze Wälder wie Kegel habe fallen sehen. Nein, Nein! Das sind Kurzweile für die reichen Südländer, nicht aber für arme schottische Landherren. Der Ort ist ein Speisehaus, und als solchen wollen wir Beide ihn benutzen. Wenn Andere ihn als Spielplatz benutzen, so ist es ihre Schuld, nicht unsere oder die des Hauses.«

Nigel fand diese Gründe nicht genügend und bestand darauf, das seinem Vater gegebene Versprechen zu halten, bis sein Gefährte ungehalten zu werden anfing und den Vorwurf durchblicken ließ, daß Nigel einen beleidigenden Verdacht auf ihn werfe. Nigel konnte diesem veränderten Tone nicht widerstehen. Er bedachte, daß er dem Herrn von Dalgarno für seines Vaters schnelle freundschaftliche Vermittelung große Rücksicht schuldig sei, nicht minder wegen der rückhaltslosen Weise, in welcher der Sohn ihm seine Freundschaft angeboten hatte. Er wollte nicht zweifeln an seinen Versicherungen, daß das Haus, in welchem sie speisen sollten, nicht zu denjenigen gehöre, auf welche seines Vaters Verbot sich bezog, und endlich war er fest entschlossen, jeder Versuchung zur Theilnahme an Glücksspielen zu widerstehen. Er beruhigte also den Herrn von Dalgarno mit der Versicherung seiner Bereitwilligkeit, mit ihm zu gehen. Augenblicklich kehrte die gute Laune des jungen Hofmannes zurück. Er begann abermals eine groteske, hochtrabende Beschreibung des Wirthes Monsieur de Beaujeu, und schloß dieselbe nicht eher, als bis sie den Tempel der Gastfreiheit erreichten, welchen der Gepriesene unter seiner Obhut hatte.

Anmerkung zum elften Kapitel.

Um diese Zeit begannen die alten Bräuche des Ritterthums gewaltig auszuarten. Am sichtbarsten war dies in der Veränderung, welche mit der Erziehung und Beschäftigung der Pagen vorging. Diese Diener waren ursprünglich adelige Knaben, die frühzeitig aus dem elterlichen Hause entfernt wurden, wo zu große Nachsicht in ihrer Behandlung zu befürchten war, und in die Familie eines Fürsten oder eines Mannes von Range und kriegerischem Rufe aufgenommen wurden, um dort gewissermaßen eine Lehrzeit des Ritterthums und der Höflichkeit zu bestehen. Ihre Erziehung war streng sittlich; sie wurden zu nützlichen Uebungen angehalten und mit dem, was als höhere Bildung galt, vertraut gemacht. Aus Pagen wurden sie zu Knappen oder Edelknechten gemacht, aus Edelknechten oft zu Rittern.

Aber im 16. Jahrhunderte war der Page zu einem bloßen Bedienten geworden, der zuweilen durch die Pracht seiner Kleidung eine ganze Schaar von Knechten mit Schild und Schwert ersetzen sollte. Herr Johann sagt, als er einen Theil seines Gefolges cassirt:

Fallstaff will – so erheischt es jetzt die Zeit –
Nur einen Pagen im verbrämten Kleid.

Jonson tadelt mit der Entrüstung eines Sittenrichters die Veränderung. Der Wirth der neuen Herberge erklärt dem Lord Lovel, welcher seinen Sohn zum Pagen haben will, er wolle ihn lieber mit eigner Hand aufknüpfen,

»Als je zu solchem Leben ihn bestimmen.

Lovel.

Dünkt so abscheulich eine Laufbahn Euch,
Die seit uralter Zeit betreten wird,
Und stets gegolten als der wahre Weg,
Die Jugend auszubilden in der Kunst
Der Waffen und in edler Wissenschaft?
In Anstand des Benehmens und der Red'
Und Allem, was dem Edelmann geziemt?
Das Fechten, Reiten, Tanzen und den Tact
Anmuth'ger Haltung, die Natürlichkeit
Des Sinns und des Benehmens, fehlerfrei
Die Muttersprache reden: Alles das
Lernt er allein in dieser Adelsschul'.

Wirth.

Als noch der Adel selbst war, was er soll,
Als Tugend Adel gab und nicht das Gold,
Der Titel nicht erkauft ward, und der Rang
Errungen ward; da wurde jedes Haus
Zur Akademia. Doch diese Dinge
Sind nicht mehr üblich, und was üblich ist,
Entspricht dem Zweck nicht länger.

Lovel.

Was heißt das?
Lehrt man nicht etwa mehr, wie ehedem,
Centaurenkunst und Thrakerfertigkeit
Im Reiten und des Pollux Waffenspiel?
Zu gehn, zu springen in der Rüstung flink,
Pyrrhich'schen Tänzern gleich, geschickt zum Krieg?
Der Ziffern, Linien, Formen, Wissenschaft,
Die zu Entwürfen wahrhaft fähig macht?
Sprachkunde endlich, daß die Rede süß
Dem Mund entquillt?

Wirth.

Seht meine Lesart:
Zu üben Pandars feine Kuppelkunst,
Botschaft zu bringen zur Frau Cressida;
Statt Morgens sich zu tummeln mit dem Roß,
Die Kammermagd zu küssen; statt des Sprungs
Auf's Holzpferd, mit den Dirnen umzuspringen;
Statt Waffenübung Fingerfertigkeit
In Kartenkünsten und im Würfelspiel,
Und weiter Fertigkeit, den Rock des Herrn
Irrthümlich zu versetzen als ein Pfand,
Aus seiner Tasche eine gute Uhr,
Aus einem Kleinod überzähl'ge Steine
Vom Rock der Frau ein Paar Juwelenknöpf'
Fein zu entnehmen: das sind heutzutag
Des Pagenthums sieben freie Künste.«

Die neue Herberge. Erster Aufzug.

 

Ende des ersten Theils.



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