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Siebentes Kapitel.

Was noth that, haben wir bedacht. Jedoch
Das Nöthigste, das was die heil'ge Schrift –
Als wär's allein nur der Betrachtung werth –
Das Eine nennt, was noth thut, ist versäumt.

Der Kämmerling.

Als die übrige Gesellschaft sich aus dem Hause Meister Heriots entfernte, wollte der junge Herr von Glenvarloch sich ebenfalls beurlauben. Allein der Hauswirth hielt ihn einige Augenblicke hin, bis Alle außer dem Geistlichen fortgegangen waren, und sprach dann: »Gnädiger Herr, wir haben einige Stunden erlaubten Genusses verlebt, und nun möchte ich Euch gern zu einem ernsteren Geschäft zurückhalten. Wenn wir das Glück haben, des guten Meisters Windsor Gesellschaft zu genießen, pflegt derselbe, bevor wir auseinandergehen, das kirchliche Abendgebet vorzutragen. Euer trefflicher Herr Vater würde nicht vor der Hausandacht weggegangen sein. Ich hoffe das Gleiche von Ew. Herrlichkeit.«

»Mit Vergnügen, Herr,« antwortete Nigel; »ich fühle mich durch diese Einladung Euch von Neuem verbunden. Wenn junge Leute ihre Pflicht vergessen, so sind sie herzlichen Dank dem Freunde schuldig, der sie daran erinnert.«

Während sie so sprachen, nahmen die Diener die Klapptische weg, brachten einen Lesepult herbei und stellten Stühle und legten Kniekissen hin für den Hausherrn, für seine Schwester und für den vornehmen Gast. Dicht neben Heriots Stuhl wurde ein niedriger Sitz gestellt. Nigel wollte denselben einnehmen, aber der Goldschmied bedeutete ihm durch einen Wink, er möge auf einem höheren Platz nehmen. Der Geistliche stellte sich hinter den Lesepult. Die Schreiber und das zahlreiche Gesinde, darunter auch Moniplies, wohnten mit Ernst der Andacht bei und saßen auf Bänken.

Alle hatten ihre Plätze eingenommen und waren, so viel man sah, zur Andacht gesammelt, als man ein leises Klopfen an der Thür vernahm. Jungfrau Judith sah ihren Bruder fragend an, und als dieser ernsthaft nickte, ging sie an die Thür, öffnete dieselbe und führte eine Person von großer Schönheit ein, deren plötzliches und sonderbares Auftreten sie fast wie ein Gespenst erscheinen ließ. Sie war todtenbleich. Keine Spur von Farbe belebte ihre Züge, die an sich wundervoll waren. Ihr langes schwarzes Haar fiel über ihre Schultern herab, sorgfältig gekämmt, aber ungeschmückt, was höchst auffallend war in einer Zeit, wo bei allen Ständen Kopfbedeckungen üblich waren. Ihre Kleidung, vom einfachsten Schnitt, war weiß und verhüllte ihre ganze Person, ausgenommen Gesicht, Hals und Hände. Sie war eher unter als über der mittleren Größe, aber so fein und in so richtigem Verhältniß gebaut, daß die Aufmerksamkeit des Betrachters gar nicht auf ihre Größe fiel. Im Gegensatz zu der sonstigen Einfachheit ihrer Tracht hatte sie ein Halsband, um welches eine Herzogin sie hätte beneiden mögen, so groß und strahlend waren seine Brillanten – und einen Rubinengürtel von kaum geringerem Werthe.

Als diese sonderbare Gestalt in das Gemach eintrat, warf sie ihr Auge auf Nigel und blieb stehen, wie unschlüssig, ob sie vorwärts gehen oder umwenden solle. Ihr Blick drückte mehr Ungewißheit und Zögerung, als Verschämtheit und Aengstlichkeit aus. Tante Judith nahm sie bei der Hand und führte sie langsam vorwärts. Ihr dunkles Auge war fortwährend auf Nigel geheftet mit einem Ausdruck von Schwermuth, der ihn tief ergriff. Selbst als sie auf dem leeren Sitze Platz genommen, blickte sie ihn noch mehr als ein Mal in derselben gedankenvollen und besorgten Weise an, aber ohne eine Spur von Verlegenheit, welche sich durch das mindeste Erröthen verrathen hätte.

Nachdem diese sonderbare Person das auf ihrem Kissen liegende Gebetbuch in die Hand genommen, schien sie ganz in Andacht versunken. Nigels Aufmerksamkeit auf den Gottesdienst war durch ihr Erscheinen so sehr gestört, daß er oft nach ihr umsah; aber nie bemerkte er, daß sie auch nur einen Augenblick sich in ihrer Andacht unterbrach. Ihr Beispiel vermochte nicht die durch sie veranlaßte Zerstreutheit Nigels zu beseitigen. Obwohl von seinem Vater an Gottesfurcht gewöhnt, wünschte er diesmal mit Ungeduld den Schluß des Gebetes herbei, um seine Neugier zu befriedigen. Nachdem der Gottesdienst geendigt war und Jeder noch einige Augenblicke in stiller Andacht verharrt hatte, stand zuerst die geheimnißvolle Person auf. Nigel bemerkte, daß keiner der Diener sich rührte, bis sie sich entfernt hatte. Sie kniete vor Heriot nieder, welcher mit schwermüthigem Blicke die Hand auf ihr Haupt legte und sie zu segnen schien. Sodann verbeugte sie sich, aber ohne zu knien, vor Jungfrau Judith und wandte sich nach der Thür. Im Augenblick des Hinaustretens warf sie einen so durchdringenden Blick auf Nigel, daß dieser unwillkürlich sich abwandte. Als er wieder nach ihr hinsah, erblickte er nur noch den Saum ihres weißen Gewandes, und die Thür schloß sich hinter ihr.

Die Diener standen nun auf und entfernten sich. Dem Freiherrn und dem Geistlichen wurde Wein und Pfefferkuchen angeboten, worauf der Geistliche sich entfernte. Nigel hätte ihn gern begleitet, um von ihm Etwas über die Erscheinung zu erfahren; allein der Hauswirth hielt ihn zurück mit der Bitte, in sein Geschäftszimmer einzutreten.

»Ich hoffe, gnädiger Herr,« sprach der Bürger, »Eure Vorbereitungen, um am Hofe zu erscheinen, sind so weit gediehen, daß Ihr übermorgen Euch einstellen könnt. Es ist dies vielleicht für geraume Zeit der letzte Tag, daß Se. Majestät für alle Die, welche durch Geburt, Rang oder Amt Zutritt haben, offenen Hof hält. Den Tag nachher geht er nach Theobalds Haus, wo er so sehr mit Jagen und andern Belustigungen beschäftigt ist, daß er Niemand Gehör geben will.«

»Aeußerlich werde ich bis dahin in Bereitschaft sein, meine Aufwartung zu machen,« antwortete der junge Herr; »aber ich habe kein rechtes Herz dazu. Die Freunde, von welchen ich Entgegenkommen und Fürsprache erwartet hatte, haben sich kalt und falsch gezeigt. Ich will denselben für diesmal weiter keine Mühe machen, und doch gestehe ich, daß ich eine kindische Blödigkeit empfinde, allein auf einem mir so neuen Schauplatze zu erscheinen.«

»Es ist verwegen von einem Handwerksmanne, einem Standesherrn ein solches Anerbieten zu machen,« nahm Heriot das Wort. »Ich muß morgen nach Hof. Vermöge meines Vorrechtes als zur Hofhaltung gehöriger Diener kann ich Euch bis in das Audienzzimmer begleiten. Ich kann Euren Eintritt erleichtern, falls derselbe Schwierigkeiten finden sollte; ich kann die rechte Zeit, und die rechte Weise bestimmen, in welcher man sich dem König nahen darf. Aber ich weiß nicht,« fügte er lächelnd hinzu, »ob diese Vortheile nicht aufgewogen werden durch den ungünstigen Umstand, daß ein Herr von hohem Adel derselben durch einen alten Schmied theilhaftig werden soll.«

»Durch den einzigen Freund, den ich in London gefunden habe,« setzte Nigel hinzu, ihm die Hand reichend.

»Nun, wenn Ihr die Sache so anseht,« erwiderte der ehrliche Bürgersmann, »dann ist Nichts weiter zu sagen. Ich hole Euch morgen in einer anständigen Barke ab. Bemerkt aber, lieber junger Herr, daß ich nicht, wie Manche meines Standes, über denselben hinauszukommen und mich mit Höheren auf gleiche Linie zu stellen suche. Fürchtet also nicht, mich zu demüthigen, indem Ihr mich im Audienzzimmer, und wo es sich sonst gebührt, daß wir nicht beisammen sind, in der gebührenden Entfernung stehen lasset. Im Uebrigen werde ich mich glücklich schätzen, dem Sohne meines alten Gönners zu Diensten sein zu können.«

Der Gegenstand dieses Gesprächs war so ganz von demjenigen verschieden, welcher die Neugier des jungen Lords gereizt hatte, daß kein Uebergang auf diesen für jetzt möglich war. Nigel beurlaubte sich also bei dem Goldschmied und versprach, um zehn Uhr des folgenden Morgens bereit zu sein, mit ihm die Barke zu besteigen.

Das von Graf Anton Hamilton als eine Eigenthümlichkeit Londons gepriesene Geschlecht der Fackelbuben hatte bereits unter der Regierung Jakobs I. seine Verrichtungen begonnen. Einer derselben war mit seiner dampfenden Fackel in Beschlag genommen, um dem schottischen Freiherrn und seinem Diener nach ihrer Wohnung zu leuchten, welche sie, obwohl jetzt etwas besser in London bekannt, in der Dunkelheit hätten verfehlen können. Der sinnreiche Meister Moniplies hielt sich unter diesen Umständen dicht hinter seinem Herrn, den Schild am Arme und das Schwert für den Nothfall ein wenig in der Scheide gelüpft.

»Gnädiger Herr,« nahm der weise Diener das Wort, »wenn wir bei dem alten Manne dort nicht so guten Wein und so gute Kost gehabt hätten, und wenn ich nicht gehört hätte, daß er in manchen Stücken ein rechtschaffener Mann und ein ächtes Edinburgher Gewächs ist, so hätt' ich wohl sehen mögen, wie seine Füße beschaffen sind, und ob er nicht unter seinen Corduanschuhen und den stattlichen Rosen darauf gespaltene Klauen hat.«

»Du Schlingel,« erwiderte Nigel, »man hat dich zu wohl gehalten, und jetzt, wo du deinen Bauch gefüllt hast, hältst du dich über den Mann auf, von dem du Gutes genossen hast!«

»Um Vergebung, gnädiger Herr,« sprach Moniplies, »ich möchte nur etwas Näheres von ihm wissen. Ich habe sein Brod gegessen, das ist wahr. Schlimm genug, daß Seinesgleichen Fleisch zu verschenken haben, während Ew. Herrlichkeit und ich uns kaum Haferbrei und Haferkuchen verschaffen konnten. – Ich hab' auch seinen Wein getrunken –«

»Das seh' ich,« unterbrach ihn sein Herr, »und mehr als du gesollt hättest.«

»Um Vergebung, gnädiger Herr,« erwiderte Moniplies, »Ihr sagt das, weil ich einen Schoppen ausgestochen habe mit dem lustigen Buben Jan, wie sie den Lehrburschen nennen, und das war aus purer Dankbarkeit für seine frühere Gutthat. Ich gestehe, daß ich überdies das gute alte Lied von Marleys Lise gesungen habe, wie sie es ihr Lebtage nicht gehört haben:

O, kennt Ihr Marleys Lise, Schätzchen?
Das Weib, das verkauft jetzt Gemüse, Schätzchen?
Marleys Lise ist jetzt so fein,
Will nicht mehr aufstehn zu füttern die Schwein'.
O, kennt Ihr – –«

Mitten im besten Singen ward Moniplies dadurch unterbrochen, daß sein Herr ihn beim Kragen packte, und drohte, ihn zu Tode zu prügeln, wenn er durch sein ungebührliches Lärmen die Schaarwache herbeizöge.

»Bitte um Verzeihung, gnädiger Herr, bitte gehorsamst um Verzeihung. Nur wenn ich an den Jan Vin denke, wie sie ihn nennen, kann ich kaum umhin, zu summen: ›O kennt Ihr‹ – Aber ich bitte Ew. Herrlichkeit um Verzeihung, ich will ganz stumm sein, wenn Ew. Herrlichkeit es befiehlt.«

»Nein, Bursche!« sprach Nigel, »schwatze nur zu; denn ich weiß, unter dem Vorwande, deine Schweigsamkeit zu versichern, würdest du mehr schwatzen und mehr Züchtigung verdienen, als wenn dir kein Zügel angelegt ist. Also sprich heraus, was hast du gegen Meister Heriot?«

Vermuthlich wollte Nigel, indem er seinem Diener frei zu reden erlaubte, ihm Anlaß geben, auf dies weibliche Wesen zu kommen, welches auf so geheimnißvolle Weise bei dem Gebet erschienen war. Mochte nun dies der Fall sein, oder mochte er lediglich wünschen, daß Moniplies in leiser Rede die Hitze aushauchen möchte, die sich sonst vielleicht in lärmendem Gesange Luft gemacht hätte – jedenfalls verstattete er ihm, in seinem Vortrage nach seiner Weise fortzufahren.

»Also,« sprach der Redner, »ich möchte wissen, was dieser Meister Heriot für ein Kerl ist. Er hat Ew. Herrlichkeit, wie ich mir denke, mit Gold versehen; und wenn das der Fall ist, so glaub' ich, er hat seine Absicht dabei, denn anders ist es jetzt nicht in der Welt. Hätte Ew. Herrlichkeit ihr eignes Land in Händen, so würde ohne Zweifel dieser Patron, wie die Meisten seines Geschäfts – Goldschmiede nennen sie sich, ich sage Wucherer – er würde, sag' ich, Lust haben, so und soviel Pfund afrikanischen Dreck (ich meine Gold) für so und so viele schöne Aecker und Hunderte von Aeckern schottischen Landes zu vertauschen.«

»Aber du weißt ja, ich habe kein Land,« bemerkte der Freiherr, »wenigstens keins, auf welches ich jetzt Schulden machen könnte. Ich dächte, du hättest mich nicht daran zu erinnern brauchen.«

»Das ist wahr, gnädiger Herr, sehr wahr, und dem dümmsten Verstande ohne weitläufige Auseinandersetzung einleuchtend. Also gnädiger Herr, wenn Meister Georg Heriot nicht etwas Weiteres außer den Besitz Eures Gutes als Grund seiner Freigebigkeit anzuführen weiß, und da es ihm nicht viel nützen kann, Eures Leibes Herr zu werden, sollte er da nicht Eurer Seele nachstreben?«

»Meiner Seele? Du Schlingel!« versetzte der Freiherr. »Was sollte ihm meine Seele nützen?«

»Was weiß ich?« entgegnete Moniplies. »Sie gehen herum wie ein brüllender Löwe – ohne Zweifel lieben sie das Futter, um das sie so sehr toben, und – gnädiger Herr,« flüsterte der Diener, »man sagt, Meister Heriot habe schon einen Geist im Hause.«

»Was? willst du mich zum Besten haben?« sprach Nigel. »Ich schlage dir den Kopf ein, du besoffenes Thier.«

»Besoffen?« entgegnete der treue Anhänger. »Hm! konnte ich umhin, Ew. Herrlichkeit Gesundheit auf meinen bloßen Knieen zu trinken, als Meister Jan mir vortrank? Der Teufel müßte den holen, der sich weigerte! Ich würde dem Hundsfott, der sich besinnen wollte, die Kniekehle abhauen und ihn so knien machen, daß es ihm schwer werden sollte wieder aufzustehen. – Aber was den Geist betrifft,« fuhr Richard fort, da er sah, daß sein Herr auf seine Tirade nichts erwiderte, »den hat Ew. Herrlichkeit mit eignen Augen gesehen.«

»Ich habe keinen Geist gesehen,« sprach Glenvarloch in höchster Spannung. »Was meinst du für einen Geist?«

»Ihr habt ein Fräulein zum Gebet kommen sehen, die zu keinem Menschen ein Wort sprach und blos nickte und sich verbeugte gegen den Alten und gegen die Frau vom Hause. Wißt Ihr, wer sie ist?«

»Nein,« antwortete Nigel. »Ich vermuthe aber, es ist eine Verwandte.«

»Den Teufel auch!« fiel Moniplies hastig ein. »Mit keinem Blutstropfen mit ihnen verwandt, wenn sie überhaupt einen Blutstropfen in sich hätte. Ich sage Euch nur, was alle Leute als Wahrheit erzählen, die im Bereich der Lombardstraße wohnen, daß das Fräulein, oder das Weibsbild, oder wie Ihr sie nennen wollt, seit manchem Jahre leiblich todt ist, obwohl sie bei ihnen, selbst bei ihren Andachten, erscheint.«

»Wenigstens wirst du zugeben, daß sie ein guter Geist ist,« bemerkte Nigel Olifaunt, »da sie eine solche Zeit wählt, ihre Freunde zu besuchen.«

»Das weiß ich nun gerade nicht,« entgegnete der abergläubische Diener. »Ich wüßte keinen Geist, der dem Donnerworte von Herrn Johann Knox Troß geboten hätte, dem mein Vater in seinen schlimmsten Zeiten beistand, ausgenommen eine Zeitlang, wo der Hof, dem mein Vater Fleisch lieferte, gegen ihn war. Aber der Geistliche dort hat eine ganz andere Art, als unser gewaltiger Meister Rollock und Herr David Black von North-Leith und dergleichen. Lieber Gott, was weiß ich, ob die Gebete, wie sie die Südländer aus ihrem schwarzen Meßbuch ablesen, nicht die Kraft haben, Teufel herbeizuziehen, so wie ein recht heißes Gebet aus dem Herzen dieselben vertreiben kann, gleichwie der böse Geist durch den Geruch der Fischleber aus der Brautkammer von Sara, der Tochter Raguels, vertrieben ward? Was übrigens diese Geschichte betrifft, so laß ich es dahin gestellt sein, ob sie wahr ist oder nicht, denn bessere Männer als ich haben sie bezweifelt.«

»Gut, gut, gut,« sprach ungeduldig der Freiherr; »wir sind jetzt bald zu Hause. Ich habe dich aussprechen lassen, um in Zukunft von deiner neugierigen Thorheit und von deinem schwachköpfigen Aberglauben Nichts mehr zu hören. Wofür hältst du oder deine unsinnigen Gewährsmänner diese Person?«

»Darüber kann ich nichts Genaues sagen,« antwortete Moniplies. »Gewiß ist, daß ihr Leib vor Jahren gestorben ist und begraben war. Nichtsdestoweniger wandert sie immer noch auf der Erde herum, und besonders in Meister Heriots Familie, wiewohl sie von Solchen, die sie genau kennen, auch anderwärts gesehen worden ist. Aber wer sie ist, das will ich nicht für gewiß sagen, eben so wenig, wie sie, gleich einem hochländischen Braunchen, sich an eine einzelne Familie anschließt. Man sagt, sie habe eine Reihe Zimmer für sich, ein Vorzimmer, ein Wohnzimmer und ein Schlafzimmer. Aber sie hat kein Bett, sie schläft in ihrem Sarge. Wände, Thüren, Fenster sind so verhängt, daß nirgends durch eine Ritze Tageslicht eindringen kann; sie lebt bei Kerzenschein – –«

»Wozu dies, wenn sie ein Geist ist?« fragte Nigel Olifaunt.

»Was weiß ich?« erwiderte der Diener. »Ich danke Gott, daß ich Nichts von ihrem Gefallen oder Mißfallen weiß. Aber ihr Sarg ist da, und ich überlasse Ew. Herrlichkeit, zu errathen, was ein lebendiges Wesen mit einem Sarge zu thun hat. Gerade so wenig, wie ein Geist mit einer Laterne, denk' ich.«

»Welchen Grund« – sprach Nigel – »kann ein so junges und schönes Geschöpf haben, jetzt schon für gewöhnlich sein dereinstiges letztes Ruhebett zu betrachten?«

»Das weiß ich wirklich nicht, gnädiger Herr,« antwortete Moniplies. »Aber der Sarg ist da, wie mir Augenzeugen gesagt haben. Er ist von Ebenholz, mit silbernen Nägeln verziert und mit dem kostbarsten Damast ausgeschlagen, so daß eine Fürstin darin liegen könnte.«

»Sonderbar!« sprach Nigel, dessen Einbildungskraft, wie das in der Regel bei lebhaften jungen Leuten der Fall ist, durch das Sonderbare und Romantische gefesselt wurde. »Ißt sie nicht mit der Familie?«

»Wer? – Sie?« rief Moniplies, erstaunt über die Frage. »Wer mit ihr essen wollte, müßte einen langen Löffel haben Der Engländer sagt: Wer mit dem Teufel essen will, muß einen langen Löffel haben – wo wir sagen: Mit großen Herren ist nicht gut Kirschen essen. – Also: In ihrer Nähe ist es nicht geheuer.. Es wird immer Etwas für sie in den Thurm gelegt, wie sie es nennen, das ist eine Art Drehkasten, der sich halb auf die eine, halb auf die andere Seite drehen läßt.«

»Ich habe diese Einrichtung in Nonnenklöstern im Auslande gesehen,« bemerkte Lord Glenvarloch. »Bekommt sie so ihr Essen?«

»Ich habe mir sagen lassen,« antwortete der Diener, »daß jeden Tag des Scheines halber Etwas hineingelegt wird. Aber es ist nicht anzunehmen, daß sie es verzehrt, eben so wenig, wie die Bilder von Bel und vom Drachen die Leckereien verzehrten, die ihnen vorgesetzt wurden. In dem Hause sind genug handfeste Knechte und Mägde, um die Leck's-all-auf zu machen, so gut wie die siebzig Priester Bels nebst ihren Weibern und Kindern.«

»Und man sieht sie nie in der Familie, außer zur Gebetsstunde?« fragte Nigel.

»So viel ich höre, sonst nie,« antwortete Richard.

»Sonderbar!« sprach Nigel Olifaunt. »Trüge sie nicht solchen Schmuck und wohnte sie nicht dem protestantischen Gottesdienste bei, so würde ich sie für eine katholische Einsiedlerin halten, der es aus dringenden Gründen verstattet worden ist, ihre Zelle hier in London anzulegen, oder für eine unglückliche papistische Büßerin. So aber weiß ich nicht, was ich von ihr halten soll.«

Diese Betrachtungen wurden durch das Klopfen des Fackelbuben an Hans Christie's Thür unterbrochen. Frau Lenchen kam heraus, »mit Knicks und Lächeln um den Mund,« um ihren geehrten Gast bei seiner Rückkehr zu bewillkommen.


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