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Einleitung.

Ist unser Preiß bloß für den Junkertroß?
Auf, Muse, singe mir den Mann von Roß.

Pope.

Nachdem es mir im Herzen von Mid-Lothian einigermaßen gelungen war, Interesse für eine Person zu erregen, welcher die einer Heldin zukommenden Eigenschaften abgehen, fühlte ich mich zunächst versucht, einen Helden zu wählen, der zum Voraus eben so wenig versprach. Da ein tüchtiger Charakter, Herzensgüte und redliche Gesinnung notwendige Erfordernisse waren bei einem Menschen, der auf hohe Geburt, romantisches Gefühl oder sonstige Vorzüge der in Darstellungen dieser Art vorkommenden Personen keinen Anspruch machte, so benutzte ich den Namen eines Mannes, der manche Denkmäler seines Wohlwollens und seiner Menschenliebe hinterlassen, – die glänzendsten, welche Schottlands Hauptstadt aufzuweisen hat.

Der schottische Leser wird leicht errathen, daß hier Georg Heriot gemeint ist. Für diejenigen, welche südlich vom Tweed wohnen, muß bemerkt werden, daß der genannte Mann ein reicher Bürger von Edinburgh, des Königs Goldschmied, war, der Jakob dem Ersten nach der englischen Hauptstadt folgte und sein Geschäft mit solchem Glück betrieb, daß er 1622 als einer der Wohlhabendsten seiner Zeit starb. Er hatte keine Kinder. Nachdem er diejenigen seiner Verwandten, welche etwa Anspruch auf seine Erbschaft machen konnten, reichlich bedacht hatte, vermachte er sein übriges Vermögen zur Gründung einer milden Stiftung, in welcher die Söhne von Edinburgher Freisassen unentgeltlich zu dem ihren Fähigkeiten angemessenen Beruf erzogen und in Stand gesetzt werden, unter günstigen Aussichten die Lebensbahn zu betreten. Das Stiftsgebäude ist ein Viereck von edler gothischer Bauart; es bildet in demselben Maße eine äußere Zierde der Stadt, wie es als Anstalt, vermöge der zweckmäßigen Einrichtung, dem Gemeinwesen zum Nutzen gereicht. Zur Ehre der Verwaltung (der Obrigkeit und Geistlichkeit von Edinburgh) ist das Vermögen der Stiftung so angewachsen, daß sie jetzt jährlich hundert und dreißig junge Leute unterhält und erzieht, von denen viele ihrem Vaterlande in verschiedenen Stellungen Ehre gemacht haben.

Von dem Gründer einer solchen Wohlthätigkeitsanstalt läßt sich voraussetzen, daß er mit festem Schritt und beobachtendem Blick durch's Leben gewandelt sei und keine Gelegenheit versäumt habe, denen beizustehen, welchen die zu eigner Leitung nöthige Erfahrung abging. Indem ich annahm, daß seine Bemühungen zum Besten eines jungen Mannes von hohem Adel gemacht wurden, welcher durch den aristokratischen Hochmuth seiner Zeit, nicht minder durch die mehr unseren Tagen eigenthümliche selbstische Ueppigkeit, endlich durch die zu allen Zeiten üblichen Verführungen der Genußsucht mißleitet war, dachte ich Unterhaltung gewähren und selbst Nutzen stiften zu können durch die Schilderung des Wirkens dieses bürgerlichen Mentors zum Nutzen des von ihm Geleiteten. Ich gestehe, daß ich nicht viel von dem sittlichen Nutzen halte, der aus Dichtungen zu ziehen wäre; indeß wenn überhaupt ein Wort zu seiner Zeit einem jungen Menschen zum Besten gereichen kann, so ist es sicher dann der Fall, wenn es ihn auf den Ruf der Pflicht und der Selbstverleugnung, anstatt auf die stürmische Leidenschaft hinweiset. Freilich konnte ich nicht hoffen oder erwarten, aus meinem klugen und wohlwollenden Bürgersmann eine so anziehende Erscheinung zu machen, wie aus dem Landmädchen, welches edelmüthig ihre häuslichen Neigungen ihrer Sittenreinheit aufopfert. Dennoch hoffte ich, es ließe sich Etwas thun, was nicht ganz unwürdig wäre des Ruhmes, den Georg Heriot durch die seinem Vaterlande erwiesenen Wohlthaten erworben hat.

Es kam mir nicht unwahrscheinlich vor, daß sich aus dieser einfachen Anlage etwas Ansprechendes entwickeln ließe. Denn die Regierung Jakobs I., unter welcher Georg Heriot blühte, ließ der Erfindung in der Fabel freien Spielraum, und zu gleicher Zeit erlaubte sie größere Mannigfaltigkeit und Abwechslung der Charaktere, als sich mit der wirklichen Geschichte vertragen hätte, wenn die Handlung ein Jahrhundert weiter zurück verlegt worden wäre. Lady Maria Wortley Mantague hat mit eben so viel Wahrheit als Geschmack den Satz aufgestellt, daß in jedem Lande diejenige Gegend vorzugsweise den Namen einer romantischen verdient, wo die Berge sich mit den Ebenen oder dem Flachlande vereinigen. Aus einem ähnlichen Grunde läßt sich auch sagen, daß keine Periode der Geschichte malerischer ist, als die, wo die alten, rauhen, wilden Sitten eines barbarischen Zeitalters dem ersten Einfluß der Neuerung unterliegen und sich durch das Licht steigender oder wiederauflebender Wissenschaft und die Lehren erneuter oder verbesserter Religion schärfer hervorheben. Der starke Gegensatz, den der Widerstand alter Sitten gegen die allmälig sie bekämpfenden neuen bildet, liefert die zu einer anregenden Erzählung nöthigen Lichter und Schatten. Während eine solche Periode den Dichter berechtigt, Begebenheiten von wunderbarer und unwahrscheinlicher Färbung einzuflechten, als Folgen der stürmischen Unabhängigkeit und Wildheit, der alten Gewohnheit an Gewaltthätigkeiten, die einem kaum der Barbarei entstiegenen Volke anklebt, so lassen sich auf der anderen Seite die Charaktere und Gefühle vieler unter den handelnden Personen, ohne der Wahrscheinlichkeit Eintrag zu thun, in jener Mannigfaltigkeit der Abschattung und Zeichnung malen, welche der kaum eingetretenen helleren Zeit angemessen ist.

Die Regierung Jakobs I. von England bietet diesen Vortheil in ganz besonderem Maße. Ein Abglanz des Ritterwesens, dessen Sonne bereits untergegangen war, erhellte und vergoldete noch den Gesichtskreis, und obwohl schwerlich Jemand streng die Quixotischen Gebote desselben befolgte, so redeten doch noch immer Männer und Frauen in der ritterlichen Sprache von Herrn Philipp Sidneys Arcadia. Die Förmlichkeiten des Turnierplatzes wurden noch zum Besten gegeben, obwohl dieser jetzt nur noch eine place de Carroussel war. Hin und wieder fand sich wohl ein Ritter vom Bad mit stolzem Muth – wie z. B. der allzu gewissenhafte Lord Herbert von Cherbury – der seinem Gelübde treu genug war, um es für Pflicht zu halten, einen andern Ritter oder einen Edelknecht, mit der Schärfe des Schwertes zur Rückgabe der einem schönen Fräulein entwendeten Bandschleife nöthigen S. Denkwürdigkeiten des Lord Herbert von Cherbury.. Allein während manche Leute einander um solche Ehrenpünktchen die Hälse brächen, schlug die Stunde, wo Bacon sich anschickte, die Welt zu belehren, daß von der Autorität nicht auf die Wirklichkeit zu schließen sei, daß die Wahrheit ermittelt werden müsse, indem man von einer Gewißheit zur anderen fortschreite, bis man zu einer unbestreitbaren Autorität gelange, nicht von der Voraussetzung ausgehend, sondern von der Erfahrung.

Der gesellschaftliche Zustand unter Jakobs I. Regierung bot gleichfalls das Bild einer sonderbaren Verwirrung. Die Zügellosigkeit eines Theils der Mitglieder des Gemeinwesens gab unaufhörlich Anlaß zu Blutvergießen und Gewaltthätigkeiten. An die Stelle des Bravo in den Tagen der Königin, wie ihn Shakspeare in vielen Unterarten schildert – Bardolph, Nym, Pistol, Peto und die andern Genossen Fallstaffs, Leute, welche ihre Eigenheiten, d. h. Wunderlichkeiten hatten – an die Stelle dieses Bravo war seit dem Beginn der niederländischen Kriege eine Gattung von Schlägern getreten, welche sich des Rappiers und Dolchs bedienten, anstatt des weit weniger gefährlichen Schwertes und Schildes. Ein Geschichtschreiber sagt in dieser Beziehung: »Händel zwischen Einzelnen waren im Gange, besonders zwischen Engländern und Schotten; Zweikämpfe fanden in jeder Straße statt. Es gab Secten und eigenthümliche Titel, deren Glieder und Träger unbestraft und unbeachtet blieben, z. B. die Secten der Brüllbuben, Bonaventoren, Bravadoren, Quarterer und dergl. Es waren dies Verschwender, die sich in Schulden gerannt hatten und nun Rotten bildeten, um sich gegen das Gesetz zu wehren. Sie wurden von mehreren Gliedern des hohen Adels begünstigt. Da auch die Bürger aus Ueppigkeit ihr Gut verpraßten, so hatte es den Anschein, als wolle die Zahl dieser verzweifelten Gesellen eher zu- als abnehmen, Sie machten unter allerlei Vorwand verzweifelte Unternehmungen, so daß man kaum wagen durfte, nach neun Uhr Abends über die Straße zu gehen« Geschichte der vierzehn ersten Regierungsjahre von König Jakob. Siehe Somers' Abhandlungen, herausgeg. von Scott. Bd. 2. S. 266..

Derselbe Gewährsmann versichert uns ferner: »Alte Edelleute, welche ihr Hab und Gut in bestem Stande (womit sie als wohlhabende Leute gelebt) ihren Söhnen überlassen hatten, mußten es erleben, wie ein Theil davon in Saus und Braus aufging, und hatten die Aussicht, daß der Rest nachfolgen würde. Der Stand der heiligen Ehe ward zu einem Possenspiel, das manche Familien zu Grunde richtete. Hurenhäuser hatten starken Zuspruch, und selbst Männer von hohem Range entweihten ihren Leib, um ihre Lüste zu befriedigen, und verschwendeten ihr Vermögen in unzüchtigen Genüssen. Ritter und Edelleute, welche in Hoffart und Prassen ihr Vermögen durchgebracht, sammelten sich in der Hauptstadt, um auch noch ihre Tugend durchzubringen, und führten ein lüderliches Leben; die Frauen und Töchter von Vielen gaben schmählich ihre Leiber preis, um standesgemäß leben zu können. Bierhäuser, Würfelhäuser, Schenken und Wohnsitze der Schlechtigkeit sind allerwärts über die Maßen zahlreich.«

Nicht etwa bloß in dem Buche eines puritanischen, vielleicht satyrischen Schriftstellers finden wir das widrige Gemälde der Sittenrohheit im Anfänge des siebzehnten Jahrhunderts. Vielmehr ist in allen Lustspielen jener Zeit die lustige und witzige Person ein junger Erbe, der die ganze Einrichtung seines Vaters verändert hat und, wie die Alten sagten, einem Springbrunnen gleich, in Lässigkeit und Ausschweifung den Reichthum verschleuderte, den seine sorgsamen Aeltern mit Mühe in geheimen Behältern gesammelt.

Und während dieser Geist der Ausschweifung seine Wirkungen über ein ganzes Königreich zu verbreiten schien, bildeten Leute ganz anderer Art allmälig die festen und entschlossenen Charaktere, welche sich späterhin in den Bürgerkriegen entfalteten und gewaltigen Einfluß auf die Sinnesart der ganzen englischen Nation übten, bis sie, von einem Aeußersten zum andern übergehend, in finsterem Fanatismus die glänzenden Spuren der wiederauflebenden schönen Künste untergehen ließen.

Die angeführten Stellen möchten beweisen, daß das selbstische und empörende Benehmen des Lord Dalgarno keine Uebertreibung ist, und daß bei den Auftritten in Whitefriars und an ähnlichen Plätzen die Farben nicht zu stark aufgetragen sind. Unter Jakobs I. Regierung erschien das Laster bei den höheren Klassen ganz unverhüllt. Die Vergnügungen und Lustbarkeiten zur Zeit Elisabeths hatten einen Anstrich von anständiger Zurückhaltung, wie sie dem Hofe einer jungfräulichen Königin zukam. Dagegen unter Jakobs Regierung fröhnte man öffentlich und maßlos den gröbsten Lüsten. Nach Herrn Johann Harrington wälzten sich die Männer in viehischen Genüssen, und selbst Frauen entsagten dem natürlichen Zartgefühl und taumelten in Trunkenheit herum. Nach einer launigen Schilderung eines Maskenfestes, bei welchem die Theilnehmer sich berauscht hatten, fügt er hinzu: »Ich habe mich sehr gewundert über diese sonderbaren Mummereien. Sie erinnern mich an das, was von der Art in den Tagen unserer Königin stattfand und wobei ich zuweilen als Zuschauer und Theilnehmer gegenwärtig war. Damals hab' ich nie einen solchen Mangel an Ordnung und Nüchternheit gesehen, wie jetzt. Der Pulverschrecken ist uns ganz aus dem Sinne gekommen. Wir treiben es, als ob der Teufel es darauf angelegt hätte, daß Jedermann sich mit Saus und Braus, Unmäßigkeit und Zeitverschwendung zu Grunde richten sollte. Die vornehmen Frauen thun wohl daran, verlarvt einherzugehen; die Verhüllung ihres Antlitzes ist noch das einzige Zeichen von Bescheidenheit bei ihnen. Leider aber wird ihr sonderbares Betragen mit solcher Nachsicht angesehen, daß ich mich über Nichts mehr wundere, was vorfällt Harringtons Nugae Antiquae, vol. II. p. 352. In Betreff der groben Lüderlichkeit jener Zeit, welche nur zu sehr durch das Beispiel des im Uebrigen weder unfähigen noch bösartigen Königs begünstigt wurde, siehe Winwoods Denkwürdigkeiten, Howels Briefe und andere Denkwürdigkeiten der Zeit, vornehmlich aber den vertraulichen Briefwechsel von Steenie, alias Buckingham, mit seinem ehrwürdigen Papa und Gevatter, König Jakob, worin es von schmutzigen und kindischen Redensarten wimmelt. Der gelehrte D'Israeli hat mit dem Versuch einer Ehrenrettung Jakobs nur für sich selbst den Ruhm eines geschickten Anwalts gewonnen, ohne großen Nutzen für seinen königlichen Clienten..

Bei einem solchen Zustande am Hofe blieb der gewöhnliche Begleiter roher Sinnlichkeit nicht aus, unverhüllte Selbstsucht, die zerstörende Feindin der Menschenliebe und feiner Sitte, welche beide, jede in ihrer Sphäre, auf der Achtung beruhen, die Einer für das Wohl und die Gefühle des Andern beweiset. In einer solchen Zeit mag wohl der scham- und gefühllose Mächtige sich frech über die Schande seiner Bubenstreiche wegsetzen und prahlen mit ihren Folgen, so lange sie seinen Lüsten und seinem Vortheile dienen.

Elsaß wird überall erklärt als der rothwälsche Name für Whitefriars, welches einzelne Vorrechte einer Freistätte besaß und darum den Sammelplatz von Taugenichtsen bildete, welche meist dem Gesetze verfallen waren. Jene Vorrechte rührten daher, weil der Ort ein Sitz der Carmeliter oder Frauenbrüder ( White Friars, wörtlich Weiße Mönche) war, gegründet, wie Stowe sagt, von Herrn Patrick Grey im J.1241. Edward I. gab ihnen einen Platz in der Fleetstreet, um ihre Kirche darauf zu bauen. Das damals aufgeführte Gebäude wurde erneut durch Courtney, Grafen von Devonshire, unter Edwards Regierung. Zur Zeit der Reformation behielt der Ort sein Recht als Freistätte, und Jakob I. bestätigte und erweiterte dasselbe durch eine Urkunde im I. 1608. Shadwell war der erste Schriftsteller, welcher von Whitefriars literarischen Gebrauch machte in dem Schauspiel: »der Junker vom Elsaß«, einer Nachahmung der Adelphi des Terentius.

In diesem alten Stücke erziehen zwei reiche Brüder zwei junge Leute (Söhne des Einen), jeder nach seinen besonderen Grundsätzen von Strenge und Nachsicht. Der ältere von den Zöglingen, der mit großer Strenge behandelt worden war, verfällt plötzlich in alle Laster der Stadt, wird von den Betrügern und Raufern von Whitefriars verführt und wird mit einem Worte der Junker vom Elsaß. Der Dichter gibt als Charakterbilder jenes Ortes die in der Anmerkung bezeichneten Personen Kniffig, ein Schuft, der Schulden halber sich nicht aus Whitefriars herauswagen darf, dort aber junge Erben in seine Netze lockt und ihnen unter lästigen Bedingungen Geld und Gut verschafft, sich für sie verbürgt und mit ihnen theilt, bis er sie zu Grunde gerichtet hat. Ein unzüchtiger, schamloser, lüderlicher Gesell, wohl erfahren in dem Rothwälsch der Umgegend.
Scheinewohl, Vetter der Belfords, der, nachdem Kniffig ihn zu Grunde gerichtet, als Lockvogel für Andere dient, und sich nicht aus dem Elsaß herauswagen darf, wo er wohnt. Er verbürgt sich mit Kniffig für Erben und schwelgt auf deren Kosten.
Hauptmann Hacken, ein Tölpel aus dem Elsaß, ein feiger, unverschämter, lärmender Gesell, weiland Wachtmeister in Flandern, wo er der Fahne entlaufen ist, hat sich um einer kleinen Schuld willen in's Elsaß zurückgezogen, wo er zum Hauptmann geschlagen worden ist, verheirathet mit einer Wohnungsvermietherin, die Kirschbranntwein ausschenkt und kuppelt.
Schaber, ein heuchlerischer, Gebete plappernder, psalmsingender, steifer Gesell, der für fromm gelten will, ein frommer Spitzbube, im Bunde mit Kniffig, liefert jungen Erben Geld und Gut. – S. Shadwells Werke, 4. Band.
. Das Stück machte, wie wir aus der Zueignung an den Grafen von Dorset und Middlessex ersehen, großes Glück, weit über die Erwartungen des Verfassers hinaus. »Keine Komödie,« sagt er, »hat seit langen Jahren so volle Häuser gemacht. Ich hatte die große Ehre, so viele Freunde zu finden, daß das Haus, so lange es steht, nie so voll gewesen ist, als bei der dritten Aufführung dieses Stücks, und ganze Schaaren gingen weg, weil sie keinen Platz mehr fanden« Shadwells Werke, 4. Band.. Der Verfasser der vorliegenden Erzählung hat aus dem Junker vom Elsaß einige Andeutungen entlehnt und die Kunde davon, aus welchem Fuße die Eisenfresser und Diebe der Freistätte mit ihren Nachbarn standen, mit den hitzigen Studenten des Tempels.

Dies wären die Materialien, welche der Verfasser bei dieser Novelle benutzt hat, einer Novelle, die vielleicht, wie manche andere, unterhaltender ist, wenn man sie zum zweiten Male liest, als beim ersten Ueberblick der Geschichte mit ihren wenigen und mageren Begebenheiten.

Der einleitende Brief ist, wie Lucio sagt, »des Scheines halber nur« geschrieben und wäre nicht vorgedruckt worden, wenn der Schreiber daran gedacht hätte, sich zu seinem Werke zu bekennen. Da eine Maske und ein Incognito das Vorrecht hat, mit einer fremden Stimme und in einem angenommenen Charakter zu sprechen, so hat der Verfasser sich in der Verkleidung einige Freiheiten erlaubt, und während er fortfährt, auf den mancherlei Entschuldigungen zu bestehen, welche die Einleitung enthält, muß gegenwärtiges Geständniß dazu dienen, ihn von dem Vorwurfe toller Wunderlichkeit freizusprechen, welche er in seinem wahren Charakter als einen Verstoß wider die Regeln der Höflichkeit und des guten Geschmacks betrachtet haben würde.

Abbotsford, 1. Juli 1831.


Einleitender Brief.

Hauptmann Clutterbuck an
S. Ehrwürden Herrn Dr. Staubtrocken.

»Verehrtester Herr!

Ich nehme bereitwillig an und erwidere die Höflichkeiten, mit welchen Sie mich in Ihrem verbindlichen Schreiben zu beehren die Güte hatten, und stimme vollkommen mit Ihrem Citat überein: Quam bonum et quam jucundum! In der That können wir uns als Abkömmlinge derselben Familie betrachten oder nach dem landüblichen Ausdruck als eines Mannes Kinder, und es bedurfte von Ihrer Seite keiner Entschuldigung für die Bitte um Nachweisungen von mir in Betreff des Gegenstandes Ihrer Wißbegierde. Die Zusammenkunft, auf welche Sie anspielen, hat im Laufe des letzten Winters stattgefunden und ist so tief meinem Gedächtniß eingeprägt, daß es keiner Anstrengung bedarf, um mir die geringsten Einzelnheiten derselben zu vergegenwärtigen.

Sie wissen, der Antheil, den ich an Veröffentlichung des Romans »das Kloster« gehabt, hat mir einen gewissen literarischen Namen in unserer schottischen Hauptstadt gemacht. Seitdem stehe ich nicht mehr in den Läden unserer Buchhändler, mit naseweisen Lehrlingen um die Gegenstände meiner Neugier feilschend, herumgestoßen unter Knaben, die Rechen- und Schreibbücher kaufen wollen, und unter Mädchen, die für einen Kreuzer Papier holen: nein, der Buchhändler selber heißt mich herzlich willkommen mit den Worten: »Treten Sie gefälligst in's Comptoir, Herr Hauptmann. Junge, einen Stuhl für den Herrn Hauptmann! Hier ist die Zeitung, Herr Hauptmann, die heutige Nummer,« oder: »Hier ist das neueste Werk; nehmen Sie das Falzbein und schneiden Sie es unbedenklich auf,« oder: »Nehmen Sie es mit nach Haus,« oder: »Sie sollen es zum Buchhändlerpreis haben.« Oder wenn es vielleicht ein Werk aus seinem eigenen Verlag ist, erstreckt sich seine Freigebigkeit so weit, daß er sagt: »Ihnen, Herr Hauptmann, werde ich eine solche Kleinigkeit doch nicht in Rechnung bringen; es ist ein überzähliges Exemplar. Haben Sie die Güte, dies Werk bei Ihren lesenden Freunden zu erwähnen.« Ich schweige von unserem behaglichen, wohlgewählten literarischen Kreis bei einer Meerbutte, einer Keule von einem fünfjährigen Hammel und dergleichen, oder bei einer die Runde machenden bescheidenen Flasche von Robert Cockburns bestem Schwarzen – vielleicht von seinem vorzüglichsten Blauen, dienlich unser Gespräch über alte Bücher und über Pläne zu neuen zu beleben. Das sind lauter Annehmlichkeiten, die Männern vom Schriftstellerfach vorbehalten bleiben, und ich genieße sie in ihrer ganzen Ausdehnung.

Indessen Alles unter der Sonne ändert sich. Mit ungemeinem Bedauern vermisse ich jetzt bei meinen jährlichen Besuchen in der Hauptstadt den herzlichen Willkomm des geistreichen, wohlwollenden Freundes, der mich zuerst im Publikum eingeführt hat, der mehr Mutterwitz besaß, als genug gewesen wäre, um den Ruf eines Dutzends Schöngeister zu begründen, und mehr ächten Humor, als hinreichend gewesen wäre, um das Glück von doppelt so vielen zu machen. Zu diesem Verlust kommt noch – hoffentlich jedoch nur für kurze Zeit – der eines anderen buchhändlerischen Freundes, dessen klarer Verstand und Unbefangenheit nicht nur seine Heimath zum Markt ihrer eignen Erzeugnisse gemacht, sondern der auch hier einen literarischen Gerichtshof gegründet hat, welcher Achtung selbst Denen abnöthigt, welche keineswegs geneigt sind, seinen Grundsätzen zu huldigen. Die Wirkungen dieser fast lediglich durch den gesunden Sinn und die klugen Berechnungen eines Einzelnen hervorgebrachten Veränderungen – eines Mannes, der in einem alle Erwartung übertreffenden Maße die verschiedenen Talente seines Vaterlandes zu benutzen wußte, – werden vermuthlich erst bei der nächsten Generation in ihrem ganzen Umfange hervortreten.

Ich trat in den Laden am Kreuz, um mich nach meinem würdigen Freunde zu erkundigen, und erfuhr zu meinem Vergnügen, daß sein Aufenthalt im Süden die Symptome seiner Krankheit gemildert hatte. Gebrauch machend von dem oben angedeuteten Vorrechte, schlenderte ich in dem Labyrinthe kleiner dunkler Zimmer oder – nach der Ausdrucksweise unserer Alterthümler – Crypten, herum, welche die weitläufigen Hintergebäude der berühmten Verlagshandlung bilden. Während ich durch die finsteren Gemächer wandelte, die theils mit alten Büchern, theils, nach der Aufstellung zu schließen, mit minder verkäuflichen neueren von ähnlichem Inhalte angefüllt waren, konnte ich mich eines heiligen Schauers nicht erwehren bei dem Gedanken, mich vielleicht bei einem überschwänglichen Dichter einzudrängen, der sein poetisches Feuer sprühte, oder etwa bei einer noch furchtbareren Schaar von Kritikern, die beschäftigt wären, das Wild zu zerreißen, welches sie eben niedergeworfen hatten. In dieser Voraussetzung empfand ich zum Voraus die Schauer der hochländischen Seher, welche ihre Gabe nöthigt, Dinge zu erblicken, die nicht für sterbliche Augen sind, welche, nach dem Ausdruck von Collins:

– »fühllos oft, wie finstrer Wahnsinn gaffen,
Zu sehn, was Geisterschaaren heimlich schaffen.«

Indeß eine unwiderstehliche Neugier trieb mich durch diese Reihe dunkler Kammern, bis ich, gleich dem Juwelier von Delhi im Hause des Zauberers Bennaskar, endlich ein der Heimlichkeit und dem Schweigen geweihtes Gewölbe erreichte und bei einer Lampe die Person, oder vielleicht besser gesagt, das Gespenst des Verfassers von Waverley erblickte, beschäftigt, eine bekleckste Revision zu lesen! Sie werden sich nicht wundern über den kindlichen Instinkt, welcher mich augenblicklich die Züge dieser ehrwürdigen Erscheinung erkennen ließ, und daß ich sofort das Knie beugte mit dem klassischen Gruß: Salve, magne parens! Die Erscheinung unterbrach mich, indem sie mich auf einen Sitz hinwies und mir zugleich zu verstehen gab, daß meine Ankunft nicht unerwartet war, und daß sie mir Etwas zu sagen hatte.

Ich setzte mich gehorsamst nieder und bemühte mich, genauer die Züge Dessen zu erforschen, in dessen Gesellschaft ich mich wider Erwarten hier befand. Allein ich bin außer Stande, Ew. Ehrwürden ein Ergebniß meines Forschens zu melden. Denn abgesehen von der Dunkelheit des Gemaches und der fieberhaften Aufregung meiner Nerven, fühlte ich mich so zu sagen von einem kindlichen Gefühl überwältigt, das mir verwehrte, zu bemerken, was die Person vor mir vielleicht ganz besonders verbergen wollte. Die Gestalt war so tief verhüllt in einen Mantel oder Schlafrock oder ein ähnliches weites Gewand, daß die Verse Spencers auf sie angewandt werden konnten:

»Doch aus den Zügen, aus dem Angesicht,
Konnt' man, ob Mann, ob Weib allein sie sei,
Auch mit dem schärfsten Blick entnehmen nicht.«

Aber ich muß von nun an wie zu Anfange das männliche Geschlecht anwenden. Denn obwohl sinnreiche Gründe, ja fast positive Beweise vorgebracht worden sind, um darzuthun, daß der Verfasser von Waverley nichts anders ist, als zwei talentvolle Damen, so muß ich doch bei der allgemeinen Meinung bleiben, daß er dem rauheren Geschlecht angehört. In seinen Schriften sind zu viele Dinge,

» Quae maribus sola tribuuntur« Die nur Männern gegeben sind.,

als daß ich den geringsten Zweifel daran hegen könnte. Ich will in Form eines Zwiegesprächs so genau wie möglich berichten, was zwischen uns Beiden vorging, vorläufig bemerkend, daß im Verlauf der Unterhaltung meine Schüchternheit unmerklich vor der Vertraulichkeit seiner Rede schwand, und daß ich am Schlusse des Gesprächs meine Behauptungen mit aller gebührenden Zuversicht aufstellte.

Verfasser von Waverley. Ich war Willens, Sie zu besuchen, Hauptmann Clutterbuck, denn Sie sind diejenige Person in meiner Familie, welche ich seit dem Tode von Jedediah Cleishbotham am meisten achte. Ich fürchte, ich habe Unrecht gethan, Ihnen das Kloster aufzuhängen. Ich hätte nicht übel Lust, es damit gutzumachen, daß ich Sie zum Pathen bei diesem noch ungebornen Kindlein ernenne (hier deutete er auf den Revisionsbogen). Doch vorerst, was das Kloster betrifft, – was sagt die Welt davon? Sie können es wissen, denn Sie leben darin.

Hauptmann Clutterbuck. Hm! hm! – Eine kitzliche Frage. Ich habe von den Verlegern keine Klage gehört.

Verf. Das ist die Hauptsache. Indeß zuweilen wird ein unbedeutendes Werk durch diejenigen geschleppt, die vor ihm ausgelaufen sind und günstigen Wind gehabt haben. Was sagen die Kritiker?

Hauptm. Allgemein fühlt man, daß das Weiße Fräulein kein Glück macht.

Verf. Ich halte sie selbst für verfehlt, aber mehr in der Ausführung als in der Anlage. Hätte ich einen esprit follet beschwören können, der zugleich fantastisch und interessant, launig und gutmüthig, eine Art Irrlicht, durch keine festen Gesetze oder Beweggründe in seinem Thun gebunden, treu und anhänglich und doch ein Quälgeist und unzuverlässig –

Hauptm. Verzeihen Sie die Unterbrechung. Ich denke, Sie beschreiben da ein artiges Weib.

Verf. Wahrhaftig, ich glaube es selber. Ich mußte meine Elementargeister mit ein wenig menschlichem Fleisch und Blut ausstatten. – Sie sind zu fein für den jetzigen Geschmack des Publikums.

Hauptm. Man wendet ein, das Thun Ihres Nixchens hätte ein mehr gleichmäßig edles sein sollen. Ihr Tauchen des Priesters war keine Najadenbelustigung.

Verf. Ei, man muß es nicht so genau nehmen mit den Wunderlichkeiten eines Wesens, das eben doch nur eine höhere Art von Kobold ist. Das Bad, in welches Ariel, die zarteste Schöpfung von Shakspeares Phantasie, den lustigen Bruder Trinculo lockt, war nicht von Ambra oder Rosenwasser. Aber ich will nicht mehr gegen den Strom schwimmen. Mag es jedermann wissen – ich schreibe um zu unterhalten, und obwohl ich nie durch Mittel, die ich für unwürdig halte, nach Beliebtheit zu streben gedenke, so will ich doch auch auf der andern Seite nicht hartnäckig sein in Vertheidigung meiner Fehler gegen die Stimme des Publikums.

Hauptm. Sie verzichten also in diesem Werke (hier sah ich auf den obenerwähnten Revisionsbogen) auf das Mystische, Zauberhafte, auf das ganze System von Wundern, Zeichen und Vorbedeutungen? Keine Träume, keine Ahnungen, keine Anspielungen auf künftige Begebenheiten?

Verf. Kein Gekritzel in der Göckelsgasse, mein Sohn, kein Krachen der Trommel von Tedworth, – nicht einmal das armselige Klopfen der Todtenuhr in der Wand. Alles ist klar und offen; ein schottischer Metaphysiker könnte jedes Wort davon glauben.

Hauptm. Und die Geschichte ist, hoff' ich, natürlich und wahrscheinlich, beginnt auffallend, hat einen natürlichen Verlauf und endet glücklich, – gleich dem Laufe eines berühmten Flusses, der aus der Oeffnung einer dunkeln romantischen Grotte ausströmt, und dann fortfließt, nie innehaltend, nie seinen Lauf übereilend, gleichsam aus einem natürlichen Antriebe alle anziehenden Punkte des von ihm durchflossenen Gebietes besuchend, immer anziehender, je weiter er fortströmt, und zuletzt in einem Hafen endend, wo Schiffe aller Art Segel und Raa streichen.

Verf. Ho! ho! Was Teufel ist denn das? das ist die Manier von Ercles, und es gehörte Einer dazu, der mehr als ich dem Herkules gliche, um eine Geschichte zu schaffen, die ausströmte, fortflösse, nie innehielte, Besuche machte, sich erweiterte, vertiefte und so fort. Ich würde bis an's Kinn im Grabe stehen, ehe ich diese Aufgabe vollendet hätte, und mittlerweile würden alle Schnurren, die ich zur Ergötzung meiner Leser ersonnen, in meinem Hirnkasten vermodern, wie Sanchos Witze, als dieser bei seinem Herrn in Ungnade gefallen war. – So lange die Welt steht, ist noch keine Novelle nach diesem Plane geschrieben worden.

Hauptm. Verzeihen Sie – Tom Jones.

Verf. Richtig, und vielleicht auch Amelia. Fielding hatte einen hohen Begriff von der Würde einer Kunst, als deren Erfinder er angesehen werden darf. Er fordert zu einer Vergleichung zwischen der Novelle und dem epischen Gedicht heraus. Smollet, Le Sage und Andere haben sich von seinen strengen Regeln losgemacht und viel mehr Erzählungen verschiedener Abenteuer, die einem Menschen begegnet sind, als kunstvoll angelegte Epopöen geliefert, in welchen jeder Schritt uns eine Strecke der endlichen Entwickelung näher führt. Diese großen Meister haben sich begnügt, den Leser auf dem Wege zu unterhalten, und ließen den Schluß kommen, weil die Erzählung eben ein Ende haben mußte, gleichwie der Wanderer im Wirthshaus einkehrt, weil es Abend ist.

Hauptm. Eine sehr bequeme Art zu reisen, wenigstens für den Verfasser. Mit einem Worte, Sie sind der Meinung von Bayes: »Was zum Teufel soll der Plan, wenn er nicht schöne Sachen bringt?«

Verf. Gesetzt, ich wäre es, und ich schriebe mit Sinn und Verstand ein paar ungekünstelte und lose zusammenhängende Auftritte, die jedoch so viel Anziehendes hätten, um hier Körperschmerz vergessen zu machen, dort Seelenleid zu mildern, an einem dritten Orte eine von den Sorgen der Tagesarbeit gefurchte Stirn zu glätten, an einem vierten, böse Gedanken zu verdrängen oder bessere einzuflößen, wieder an einem andern, einen Trägen zur Erforschung der vaterländischen Geschichte zu ermuntern, endlich überall, wo nicht das Lesen die dem Beruf gebührende Zeit wegnimmt, eine unschuldige Unterhaltung zu gewähren, – sollte nicht der Verfasser eines solchen, wenn auch kunstlos ausgeführten Werkes für seine Fehler und Nachlässigkeiten die Entschuldigung des Sklaven vorbringen, der, als er für die Ausbreitung einer falschen Siegesnachricht bestraft werden sollte, sich durch den Ausruf rettete: »Bin ich zu tadeln, Athener, daß ich euch einen glücklichen Tag verschafft habe?«

Hauptm. Wollen Sie mir erlauben, ein Geschichtchen von meiner Großmutter zu erzählen?

Verf. Ich sehe nicht ab, was Ihre Großmutter mit unserm Gegenstande zu schaffen hat.

Hauptm. Die Geschichte paßt wohl in unser Gespräch über den Plan von Bayes. Die scharfsinnige alte Dame – Gott habe sie selig! – war eine große Freundin der Kirche und konnte nie hören, daß böse Zungen über einen Geistlichen lästerten, ohne sich seiner mit Wärme anzunehmen. Doch gab es einen Fall, in welchem sie immer ihren ehrwürdigen Schützling aufgab – nämlich sobald sie erfuhr, daß er eine förmliche Predigt gegen Verläumder und Lästerer gehalten hatte.

Verf. Wie paßt dies zu unserem Gegenstande?

Hauptm. Ich habe Ingenieure sagen hören, man könne dem Feinde die schwache Seite verrathen, wenn man sie zu sehr befestige.

Verf. Nochmals, wie paßt dies zu unserem Gegenstande?

Hauptm. Nun denn, ohne weitere Umschweife: ich fürchte, dies neue Werk, bei welchem Sie mich großmüthig betheiligen wollen, wird viele Entschuldigung bedürfen, da Sie für gut halten, Ihre Vertheidigung schon vor der Untersuchung zu beginnen. – Ich will eine Flasche Claret wetten, die Geschichte ist in der Eile zusammengeschrieben.

Verf. Eine Flasche Portwein, wollen Sie sagen.

Hauptm. Ich sage Claret, guten Claret von dem Kloster. O liebster Herr, wenn Sie nur dem Rathe Ihrer Freunde folgen und sich bemühen wollten, wenigstens zur Hälfte die Gunst zu verdienen, die Sie beim Publikum gefunden, dann könnten wir Alle Tokaier trinken!

Verf. Es ist mir einerlei, was ich trinke, wenn der Trank nur gesund ist.

Hauptm. Lassen Sie sich Ihren Ruf nicht gleichgültig sein, – Ihren Ruhm.

Verf. Meinen Ruhm? – Ich will Ihnen antworten, wie ein sinnreicher, geschickter und erfahrener Freund von mir, als Anwalt des bekannten Jem Mac Coul, über die Schranken hinüber erwiderte, als man Gewicht legte auf die Weigerung seines Clienten, gewisse Fragen zu beantworten, welche, wie gegnerischer Seits behauptet wurde, kein Mann, dem etwas an seinem Rufe gelegen wäre, auf sich beruhen lassen würde. »Mein Client,« sagte er, »hat das Unglück, nichts auf seinen Ruf zu halten, und ich würde eine Unredlichkeit gegen das Gericht begehen, wenn ich sagte, er habe irgend welchen, der beachtenswerth wäre.« Ich befinde mich, obwohl nicht aus gleichen Gründen, in Jems glücklichem Zustande von Gleichgültigkeit. Mögen Die nach Ruhm streben, welche eine substantielle Gestalt haben. Ein Schatten – ein unpersönlicher Schriftsteller ist nichts Besseres – kann keinen Schatten werfen.

Hauptm. Sie sind wohl nicht mehr so unpersönlich, wie früher. Diese Briefe an den Abgeordneten der Universität Oxford –

Verf. Beweisen den Witz, den Geist und das Zartgefühl ihres Verfassers, Gaben, welche ich herzlich gern auf wichtigere Gegenstände verwendet sehen möchte. Sie beweisen ferner, daß die Beibehaltung meines Incognito ein frühreifes Talent zur Erörterung einer kitzlichen Frage geführt hat. Allein eine geschickt verfochtene Sache ist darum noch nicht eine gewonnene. Erinnern Sie sich der fein gefügten Kette von Indicienbeweisen, um darzuthun, daß Sir Philipp Francis Verfasser der Briefe von Junius sei. Diese Beweise schienen anfangs unwidersprechlich, und doch haben sie jetzt ihre Kraft verloren, und Junius ist nach der allgemeinen Meinung jetzt eine so ungewisse Person, wie nur je. Doch über diesen Punkt ein Wort weiter zu sagen, will ich mich weder locken noch reizen lassen. Zu sagen, wer ich nicht bin, wäre ein Schritt dazu, zu sagen, wer ich bin; und da ich so wenig, wie ein gewisser von Shenstone erwähnter Friedensrichter, den Lärm und das Geschwätz liebe, welches solche Dinge in der Welt machen, so werde ich fortfahren, Schweigen zu beobachten über einen Punkt, der meines Erachtens das Aufheben nicht verdient, welches man davon gemacht hat, und noch weniger den Aufwand von Scharfsinn, wie wir ihn bei dem jungen Briefschreiber sehen.

Hauptm. Zugegeben, daß Sie sich nicht um Ihren persönlichen Ruf kümmern oder um den irgend einer literarischen Person, an der man Ihre Sünden heimsuchen könnte, so werden Sie mir erlauben zu sagen, daß einfach Dankbarkeit gegen das Publikum, welches Sie so wohlwollend aufgenommen hat, und gegen die Kritiker, welche Sie so nachsichtig behandelt haben, Sie bewegen müßte, mehr Mühe auf ihre Geschichte zu verwenden.

Verf. Ich bitte Sie, mein Sohn, wie Dr. Johnson gesagt haben würde, »schlagen Sie sich leere Redensarten aus dem Kopfe.« Was die Kritiker betrifft, die haben ihr Geschäft, und ich das meine, wie das Sprichwort in den Kinderstuben sagt –

»Die Kinder in England zerbrechen gern Sachen,
Die Hollands fleißige Kinder gern machen.«

Ich bin ihr ergebener Schakal, allzusehr beschäftigt, ihnen Futter zu liefern, als daß ich Zeit hätte, zuzusehen, was sie annehmen oder zurückweisen. Was das Publikum betrifft, – zu diesem steh' ich etwa im Verhältniß eines Briefträgers, der ein Päckchen an Jemandes Thür abgibt. Enthält dasselbe eine angenehme Nachricht, ein Briefchen von einer Geliebten, ein Schreiben von einem abwesenden Sohne, einen Wechsel von einem für bankerott gehaltenen Correspondenten, dann ist es willkommen. Man liest die Schrift zu wiederholten Malen, faltet sie zusammen, heftet sie ein und hebt sie sorgfältig im Pult auf. Ist dagegen der Inhalt widerwärtig, kommt er von einem Mahner, einem Langweiler, so verwünscht man den Correspondenten, wirft den Brief in's Feuer und bedauert das bezahlte Porto. Allein in beiden Fällen denkt man so wenig an den Ueberbringer, wie an den Schnee von vorigen Weihnachten. Der höchste Grad von gutem Vernehmen, welches zwischen einem Verfasser und dem Publikum möglich ist, besteht darin, daß die Welt zur Nachsicht gegen die folgenden Werke eines zum Liebling gewordenen Schriftstellers geneigt ist, wäre es auch nur, weil man sich an ihn gewöhnt hat, während der Verfasser natürlich eine gute Meinung von dem Geschmack Derer hat, welche seinen Erzeugnissen so reichlichen Beifall schenken. Allein ich leugne, daß auf der einen oder der andern Seite ein Anspruch auf Dankbarkeit ist.

Hauptm. Selbstachtung wenigstens sollte Behutsamkeit empfehlen.

Verf. Ja, wenn Behutsamkeit die Aussicht auf größeren Erfolg gäbe. Aber die Wahrheit zu gestehen, diejenigen Werke und Stellen, mit welchen ich das meiste Glück gemacht habe, sind durchgängig mit der größten Schnelligkeit hingeschrieben worden, und wenn sie neben andere gehalten und als gelungener gepriesen wurden, konnte ich Feder und Dintenfaß zu Zeugen nehmen, daß die schwächeren Partien mir mehr Mühe gekostet hatten. Ueberdem bezweifle ich den Vortheil zu langen Zögerns für den Verfasser sowohl, wie für das Publikum. Man muß das Eisen schmieden, wenn es warm ist, und die Segel spannen, wenn man guten Wind hat. Wenn ein beliebter Schriftsteller eine Zeitlang nichts von sich hören läßt, tritt sofort ein Anderer an seine Stelle. Bleibt er zehn Jahre im Hafen liegen, bis er ein zweites Werk hervorbringt, so bringen Andere ihn in Vergessenheit, und ist dies nicht der Fall, weil die Zeit zu arm an Genie's ist, so steht ihm sein eigner Ruf im Lichte. Das Publikum wird erwarten, daß das neue Werk zehnmal so gut ist, als das vorige, der Verfasser wird auf zehnmal so großen Beifall rechnen, und es ist Hundert gegen Zehn zu wetten, daß beide sich irren.

Hauptm. Dies mag einen gewissen Grad von Schnellsein beim Herausgeben von Schriften rechtfertigen, nicht aber dasjenige, von dem das Sprichwort sagt, daß es nicht zum Laufen hilft. Wenigstens sollten Sie sich Zeit nehmen, Ihre Geschichte zu ordnen.

Verf. Das ist ein harter Punkt für mich, mein Sohn. Glauben Sie mir, ich bin nicht so thöricht gewesen, die gewöhnliche Vorsicht zu vernachlässigen. Ich habe mein künftiges Werk zu wiederholten Malen abgewogen, es in Bände und Kapitel getheilt und mich bemüht, eine Geschichte zusammenzufügen, welche sich stufenweise und anregend entwickelte, in Spannung erhielte und die Neugier reizte, und zuletzt in einer ergreifenden Katastrophe endigte. Aber ich glaube, ein böser Geist setzt sich auf meine Feder, wenn ich anfange zu schreiben, und lenkt sie anders, als ich will. Die Charaktere vergrößern sich unter meiner Hand, die Vorfälle mehren sich, die Geschichte hat einen langsameren Verlauf, während der Stoff anschwillt; mein regelrechtes Haus wird zu einem gothischen Bau, und das Werk ist geschlossen, ehe ich das Ziel erreiche, das ich mir vorgesteckt hatte.

Hauptm. Entschlossenheit und beharrliche Geduld könnten dem Uebel abhelfen.

Verf. Ach, werther Herr, Sie kennen nicht die Stärke der Vaterliebe. Wenn ich auf einen Charakter komme, wie Bailie Jarvie oder Dalgetty, dann belebt sich meine Einbildungskraft, meine Gedanken werden klarer bei jedem Schritte, den ich mit ihm mache, obwohl er mich manche gedehnte Strecke von dem regelmäßigen Wege abführt und mich nöthigt, über Hecken und Gräben zu springen, um wieder auf die Straße zu gelangen. Widerstehe ich der Versuchung, wie Sie mir rathen, so werden meine Gedanken prosaisch, flach und langweilig, das Schreiben macht mir Mühe und erweckt in mir ein Gefühl von Erschlaffung, welches sich immer mehr steigert; das Sonnenlicht, welches die Phantasie über die Begebenheiten ergossen hatte, verschwindet und Alles bleibt düster und eintönig. Ich bin so wenig mehr derselbe Schriftsteller, der ich in meiner besseren Laune war, wie der stundenlang in einem Rade herumzugehen verurtheilte Hund dem Hunde gleicht, welcher pudelnärrisch seinem eignen Schwanze nachlief und in ungebundener Freiheit seine tollen Sprünge machte. Kurz in solchen Fällen bin ich wie bezaubert.

Hauptm. Wenn Sie sich mit Zauberei entschuldigen, dann ist kein Wort weiter zu sagen. Wen der Teufel treibt, der muß gehen. Das ist wahrscheinlich der Grund, welcher Sie von dramatischen Versuchen abhält, zu welchen man Sie so oft aufgefordert hat?

Verf. Es mag als einer von den Gründen gelten, warum ich kein Schauspiel schreibe, daß ich keinen Plan entwerfen kann. Allein die Wahrheit ist, daß die Annahme meiner Befähigung zu dieser Art von Dichtung bei allzu günstigen Beurtheilern hauptsächlich auf den Bruchstücken alter Schauspiele beruht, welche, aus einer den Sammlern unzugänglichen Quelle geschöpft, voreilig als Erzeugnisse meines Mutterwitzes betrachtet wurden. Die Art und Weise, wie ich zu diesen Bruchstücken gekommen bin, ist so sonderbar, daß ich nicht umhin kann, sie Ihnen zu erzählen. Vernehmen Sie also, daß ich vor zwanzig Jahren nach Worcestershire reisete, um einen alten Freund zu besuchen, der mit mir in dem –schen Dragonerregiment gedient hatte.

Hauptm. Sie haben also gedient?

Verf. Ja und nein; es kommt auf Eins heraus. Hauptmann ist ein guter Titel auf Reisen. Ich fand meines Freundes Haus unerwartet mit Gästen angefüllt, und wurde, wie dies so geht – es war ein altes Haus – in das unheimliche Zimmer verwiesen. Ich habe, wie ein berühmter Mann der neueren Zeit sagt, zu viele Geister gesehen, um an sie zu glauben. Also verfügte ich mich getrost zur Ruhe, eingelullt durch den in den Linden rauschenden Wind, deren Zweige kleine Schatten auf den vom Mondlicht erhellten Fußboden warfen. Siehe, da kam ein stärkerer Schatten und ich erblickte deutlich auf dem Fußboden –

Hauptm. Das Weiße Fräulein von Avenel? – Sie haben diese Geschichte schon einmal erzählt.

Verf. Nein. Ich erblickte eine weibliche Gestalt in einer Nachthaube, einem Geifertuch, einer Schürze, über die Ellenbogen aufgestreiften Aermeln, einer Streubüchse in der einen und einem Saucelöffel in der andern Hand. Ich dachte natürlich, es sei meines Freundes Köchin, die nachtwandele, und da ich wußte, daß er etwas auf seine Sara hielt, welche einen Pfannkuchen zu wenden verstand so gut wie irgend ein Mädchen im Lande, so stand ich auf, um sie wohlbehalten an die Thüre zu führen. Aber als ich mich näherte, sprach sie: »Halt! Ich bin nicht, wofür Ihr mich anseht.« Diese Worte hätten mir an und für sich unter den vorliegenden Umständen nicht auffallend sein können, wohl aber war es der sonderbare hohle Ton, in dem sie gesprochen wurden. »Wisset,« fuhr sie in demselben unheimlichen Tone fort, »ich bin der Geist von Betty Barnes.« – »Die sich aus Liebe zu einem Wagenmeister erhenkte,« dachte ich; »das ist ein sauberes Ding!« – »Jener unglücklichen Elisabeth oder Betty Barnes, welche lange als Köchin diente bei Herrn Warburton, dem unverdrossenen Sammler, aber ach! dem sorglosen Bewahrer der reichsten Sammlung alter Schauspiele, von der man je gehört hat, und von welcher größtenteils nur die Titel noch übrig sind, um die Prolegomena Variorum zu Shakspeare auszuschmücken. Ja, Fremdling, diese unseligen Hände waren es, welche dem Fett und Feuer Dutzende von kleinen Quartanten überliefert haben, die, wären sie noch vorhanden, den ganzen Roxburghe-Club verrückt machen würden. Diese unglückseligen Diebsklauen haben fette Vögel gesengt und schmutzige Anrichten abgewischt mit den verlornen Werken von Beaumont und Fletcher, Massinger, Jonson, Webster – was soll ich sagen? – selbst von Shakspeare!«

Wie jeder dramatische Alterthümler, hatte ich oft meine brennende Neugier nach einem in dem Buche des Meisters der Lustbarkeiten genannten Schauspiele gehemmt gesehen durch die Entdeckung, daß der Gegenstand meiner Nachforschungen unter die Zahl der Brandopfer gehörte, welche dies unglückselige Weib dem Gott der guten Tafel dargebracht hatte. Kein Wunder also, daß, dem Eremiten Parnells gleich,

»Ich überwand die Furcht und schrie wie toll:
Du lüderliches Ding! – Doch als ich so begann,
Schwang Betty grimmig ihre Bratenpfann'.«

»Hütet Euch,« sprach sie, »durch Euren unzeitigen Zorn die Gelegenheit abzuschneiden, die ich noch habe, die Welt für die Mißgriffe meiner Unwissenheit zu entschädigen. In jenem seit langen Jahren nicht benutzten Kohlenloch ruhen die wenigen mit Fett besudelten und geschwärzten Bruchstücke des älteren Dramas, welche dem völligen Verderben entgangen sind. Also« – Nun, was machen Sie für Augen, Herr Hauptmann? Es ist meiner Seele wahr. Ich frage mit meinem Freunde, Major Longbow: Warum sollt' ich lügen?

Hauptm. Lügen? – Der Himmel bewahre mich, daß ich ein solches Wort in Betreff eines so wahrhaftigen Mannes gebrauchen sollte. Sie belieben nur diesen Morgen Ihrem Schwanze nachzulaufen, das ist das rechte Wort. Thäten Sie nicht besser, dies Mährchen für die Einleitung zu »Drei wiederaufgefundenen Dramen« zu versparen oder zu einem ähnlichen Werke?

Verf. Sie haben Recht, mein Sohn. Gewohnheit ist ein mächtiges Ding. Ich hatte vergessen, mit wem ich sprach. Ja, Schauspiele für das Studirzimmer, nicht für die Bühne –

Hauptm. Richtig, so können Sie auf die Aufführung rechnen. Die Direktionen haben eine wunderbare Vorliebe für gezwungene Leute, während sich ihnen Freiwillige zu Tausenden anbieten.

Verf. Ich bin dessen ein lebender Zeuge, denn man hat mich, als einen zweiten Laberius, zum Dramatiker gemacht, ich mochte wollen oder nicht. Ich glaube, man würde meine Muse auf die Bühne jagen, selbst wenn ich eine Predigt schriebe.

Hauptm. Ich glaube wirklich, wenn Sie es thäten, würde man ein Possenspiel daraus machen. Sollten Sie also Ihre Feder vertauschen, so möchte ich Ihnen zu einem Bande Dramen, wie die von Lord Byron, rathen.

Verf. Nein, Se. Herrlichkeit ist einen Schritt über mir; ich will mit meinem Roß nicht wider das seine rennen, wenn ich mir auf andere Weise helfen kann. Aber da ist mein Freund Allan, der hat gerade ein solches Stück geschrieben, wie ich es schreiben würde an einem besonders sonnigen Tage und mit einer von Bramas Extra-Patentfedern. Ohne diese Erfordernisse kann ich nichts Hübsches zuwege bringen.

Hauptm. Meinen Sie Allan Ramsay?

Verf. Nein. Eben so wenig Barbara Allan. Ich meine Allan Cunningham, der eben seine Tragödie Sir Marmaduke Maxwell herausgegeben hat, voll von Lustbarkeiten und Mordthaten, Küssen und Kehlabschneiden, Stellen, welche nichts enthalten und doch ganz hübsche Stellen sind. Im Plane ist nicht ein Schimmer von Wahrscheinlichkeit, aber die einzelnen Stellen sind so voller Leben, durch das Ganze zieht sich eine solche poetische Ader, daß ich wünschte, ich könnte sie in meine Küchenreste hinüberleiten für den Fall, daß ich mich je versucht fühlen sollte, dieselben herauszugeben. Hätte Allan einen Ruf, so würde man ihn lesen und seine Schönheiten bewundern; so aber werden vielleicht bloß seine Fehler bemerkt, oder, was noch schlimmer ist, er wird gar nicht bemerkt. Kümmere dich nicht um sie, wackerer Allan, du bist darum doch eine Zierde von Caledonia. – Es gibt auch einige lyrische Ergüsse von ihm, welche Sie lesen sollten. »Sein Nam' und Heimath« schreibt sich Burns.

Hauptm. Ich will mir's merken. Der Club zu Kennaquhair ist wählig geworden, seitdem die Catalani die Abtei besucht hat. Mein »Poortith Cauld« hat eine kühle Aufnahme gefunden, und »Die Ufer von Bonnie Doon« sind geradezu niedergehustet worden. Tempora mutantur.

Verf. Sie können nicht stehen bleiben. Sie werden mit uns Allen wechseln. Je nun –

»Ein Mann ist Mann für all das.«

Aber der Augenblick des Scheidens naht.

Hauptm. Sie sind also entschlossen, bei Ihrem alten System zu verharren? Bedenken Sie auch, daß dieser schriftstellerischen Fruchtbarkeit unwürdige Beweggründe untergeschoben werden können? Man wird am Ende denken, daß Sie blos um des Gewinnstes willen arbeiten.

Verf. Angenommen, ich ließe die großen Vortheile, welche aus literarischen Erfolgen herfließen, neben andern Beweggründen mitwirken, um mich zu öfterem Erscheinen vor dem Publikum zu veranlassen, so bleibt doch gewiß, daß dieser Gewinn die freiwillige Steuer ist, welche das Publikum für eine gewisse Art literarischer Unterhaltung bezahlt, – eine Steuer, die Niemandem abgenöthigt und nur von denen erlegt wird, die sie aufbringen können und von dieser Ausgabe einen entsprechenden Genuß haben. Wenn das Capital, welches diese Bücher in Umlauf gesetzt haben, ein großes ist, hat es dann blos mir Früchte getragen? und nicht auch hundert Andern, vom ehrwürdigen Papiermüller Duncan an bis zum geringsten Buchdruckerjungen? »Hatt'st du nicht Theil? Hatt'st du nicht fünfzehn Spieß?« Ich denke, unser neues Athen soll mir sehr dafür verbunden sein, daß ich eine so ausgedehnte Fabrik gegründet habe, und wenn das allgemeine Stimmrecht Mode wird, so gedenke ich mich um einen Sitz im Parlament für alle ungewaschenen Arbeiter, die mit der Literatur zu schaffen haben, zu bewerben.

Hauptm. Das ist die Sprache eines Calicofabrikanten, würde man sagen.

Verf. Abermals leeres Geschwätz, mein lieber Sohn – in diesem Sack ist auch Leim –; Nichts als Sophisterei in dieser Welt! Ich behaupte trotz Adam Smith und seinen Nachfolgern, daß ein Schriftsteller, der Glück macht, ein produktiver Arbeiter ist, und daß seine Werke einen eben so wesentlichen Theil des Nationalreichthums ausmachen, wie die Erzeugnisse irgend einer andern Fabrik. Wenn eine neue Waare, die einen wahren inneren Handelswerth hat, dafür angesehen wird, warum sollten des Verfassers Bücherballen für einen minder nützlichen Theil des Nationalkapitals gelten, als die Packe eines andern Fabrikanten? Ich spreche mit Beziehung auf die Verbreitung des Wohlstandes und der Gewerbthätigkeit, welche selbst ein so unbedeutendes Werk, wie dies, fördern und belohnen muß, selbst noch ehe die Bände den Laden des Verlegers verlassen. Ohne mich könnte sie in diesem Grade nicht bestehen, und insofern bin ich ein Wohlthäter des Landes. Was meinen eignen Gewinn betrifft, so ist er der Lohn meiner Arbeit, und ich bin weiter keine Rechenschaft davon schuldig, als dem Himmel für die Art seiner Verwendung. Der Biedermann mag hoffen, daß er nicht lediglich zu eigennützigen Zwecken verwandt wird, und ohne große Ansprüche auf Verdienst von Seiten des Verwenders mag ein Theil »wie Gott will an die Armen kommen«.

Hauptm. Nichts destoweniger gilt es für niedrig, bloß um des Gewinns willen zu schreiben.

Verf. Es wäre niedrig, den Gewinn zur ausschließlichen oder auch nur zur hauptsächlichsten Triebfeder literarischer Thätigkeit zu machen. Ja ich gehe so weit, zu sagen, daß kein Erzeugniß des Geistes, welches der Rücksicht auf eine gewisse Summe Geldes seinen Ursprung verdankte, je Glück gemacht hat. Der Anwalt, welcher redet, der Krieger, welcher kämpft, der Arzt, welcher verschreibt, der Geistliche – falls es solche gibt – welcher predigt ohne Eifer für seinen Beruf oder ohne ein Gefühl seiner Würde, blos mit Rücksicht auf Deserviten, Sold und Gehalt, erniedrigt sich zu einem schmutzigen Handlanger. Darum werden in England die Dienste des Anwalts und des Arztes als keiner eigentlichen Schätzung unterworfen betrachtet und nicht bezahlt, sondern honorirt. Allein lassen Sie einen Clienten oder Patienten die Ceremonie des Honorars, welches dem Scheine nach gar nicht in Betracht kommt, versäumen, und sehen Sie dann, was die gelehrten Herren für Augen dazu machen. Leere Worte bei Seite gesetzt, ist derselbe Fall bei literarischem Erwerb. Kein Mensch, von welchem Range er auch sei, ist darüber erhaben oder sollte darüber erhaben sein, eine billige Vergütung für seine Zeit und einen angemessenen Antheil von dem Capital zu empfangen, welches sogar sein Dasein seiner Thätigkeit verdankt. Als Czar Peter an den Schanzen arbeitete, empfing er den Sold eines gemeinen Soldaten. Große Herren, Staatsmänner, Theologen, die Ausgezeichnetsten ihrer Zeit haben es nicht unter ihrer Würde gehalten, mit ihren Buchhändlern abzurechnen.

Hauptm. (singt)

»Wär' dies Geschäft so niedrig,
Kein Mann von Stand würd's treiben,
Und wär' dieß Thun gar gottlos,
Dann ließ' es der Geistliche bleiben.«

Verf. Sie haben Recht, aber kein Mann von Ehre, Genie oder Geist würde bloße Gewinnsucht zur hauptsächlichen oder gar einzigen Triebfeder seiner Thätigkeit machen. Ich meines Theils bin nicht böse darüber, daß ich bei dem Spiele gewinne; allein, so lange ich dem Publikum damit gefalle, würde ich es vermuthlich fortsetzen aus lauter Lust am Spiele, denn ich habe so sehr, wie nur irgend Einer, die Neigung zu schaffen empfunden, welche vielleicht der stärkste unter allen Trieben ist, und dem Schriftsteller die Feder, dem Maler den Pinsel aufzwingt, oft ohne Wahrscheinlichkeit des Ruhms oder Aussicht auf Gewinn. Ich habe vielleicht zu viel darüber gesagt. Vielleicht könnte ich mich mit eben so viel Wahrheit, wie irgend Einer, von der Beschuldigung der Gier oder Lohnsucht reinigen, aber darum bin ich nicht so heuchlerisch, die gewöhnlichen Beweggründe in Abrede zu stellen, welche alle Welt um mich her in rastlose Thätigkeit versetzen, und Wohlstand, Annehmlichkeiten, Gesundheit und Leben aufzuopfern. Ich strebe nicht nach dem Scheine der Uneigennützigkeit, wie jene sinnreiche, von Goldsmith erwähnte Gesellschaft, welche Stück für Stück zu sechs Groschen verkaufte, blos um des Vergnügens willen aufzuräumen.

Hauptm. Nur noch einen Wink. Die Welt sagt, Sie würden sich ausschreiben.

Verf. Die Welt hat Recht; aber was liegt daran? Wenn sie nicht mehr tanzen wollen, hör' ich auf zu pfeifen.

Hauptm. Und was soll dann aus uns, Ihrer armen Familie werden? Wir werden der Verachtung und Vergessenheit übergeben.

Verf. Wie mancher arme Teufel, der sich bei der Menge seiner Kinder nicht zu helfen weiß, kann ich nicht umhin, die Zahl derselben zu vermehren. »'s ist mein Beruf halt, Heinz. – Diejenigen unter Euch, welche der Vergessenheit werth sind, – vielleicht alle – mögen ihr überliefert werden. Jedenfalls seid Ihr in Euren Tagen gelesen worden, und das ist mehr, als von vielen Eurer Zeitgenossen gesagt werden kann, die weniger Glück und mehr Verdienst hatten. Ihr könnt nicht anders sagen, als daß Ihr den Preis davongetragen habt. Es will immer etwas heißen, die Aufmerksamkeit des Publikums sieben Jahre lang zu fesseln. Hätt' ich blos Waverley geschrieben, so wär' ich schon längst, nach der hergebrachten Redensart, »der geistreiche Verfasser eines zu seiner Zeit sehr bewunderten Romans«. Ich glaube meiner Seele, der Ruhm Waverleys wird sehr durch Diejenigen aufrecht erhalten, welche geneigt sein mögen, diese Erzählung ihren Nachfolgern vorzuziehen.

Hauptm. Sie sind also geneigt, Ihren künftigen Ruhm für gegenwärtigen Ruf hinzugeben?

Verf. Meliora spero Ich hoffe Besseres.. Horaz selber rechnete nicht darauf, in allen seinen Werken fortzuleben. Ich kann hoffen, in einigen der meinen zu leben: non omnis moriar Ich werde nicht ganz sterben.. Es liegt ein Trost in der Betrachtung, daß die besten Schriftsteller in allen Ländern die bändereichsten gewesen sind, und es ist oft geschehen, daß die, welche in ihrer eignen Zeit am besten aufgenommen wurden, auch der Nachwelt gefielen. Ich denke nicht so schlimm von dem gegenwärtigen Geschlecht, daß ich annehmen sollte, seine jetzige Gunst müsse nothwendig auf künftige Verdammniß schließen lassen.

Hauptm. Handelten Alle nach solchen Grundsätzen, so würde das Publikum überschwemmt werden.

Verf. Nochmals mein Sohn, hüten Sie sich vor leeren Redensarten. Sie sprechen, als ob das Publikum Bücher lesen müßte, blos weil sie gedruckt sind. Wenn Sie das wahr machen könnten, würden die Buchhändler Ihnen sehr verbunden sein. Das größte Uebel solcher Ueberschwemmungen besteht darin, daß sie die Lumpen theuer machen. Die Vielheit der erscheinenden Druckschriften schadet der Gegenwart nicht und kann der Nachwelt von großem Nutzen sein.

Hauptm. Ich sehe nicht ab, wie so.

Verf. Die Klagen zur Zeit Elisabeths und Jakobs über die beunruhigende Fruchtbarkeit der Presse waren so laut wie jetzt. Aber betrachten Sie das Ufer, über welches die Ueberschwemmung jenes Zeitalters hinging, ob es nicht jetzt dem reichen Strand der Feenkönigin gleicht –

– – »Mit dem reichsten Schmuck bestreut,
Den Meer' und Erd' in Perl' und Steinen beut,
Und Körner Goldes überall im Sand.«

Glauben Sie mir, selbst in den am wenigsten beachteten Werken der Gegenwart kann das nächste Zeitalter Schätze entdecken.

Hauptm. Gewisse Bücher werden aller Goldmacherkunst trotzen.

Verf. Deren Zahl kann nicht groß sein. Denn werthlose Schriftsteller müssen, wofern sie nicht, wie Sir Richard Blackmore, ihre Werke auf eigne Kosten herausgeben, ihre Gewalt, das Publikum zu langweilen, bald beschränkt sehen durch die Schwierigkeit, Verleger zu finden.

Hauptm. Sie sind unverbesserlich. Hat denn Ihre Verwegenheit gar keine Grenzen?

Verf. Es gibt ewige und geheiligte Grenzen der Ehre und Tugend. Meine Laufbahn gleicht der bezauberten Kammer Britomarts –

»Umblickend sah sie nach dem Eingang hin,
Und da erblickte sie die Ueberschrift:
Sei kühn – Sei kühn, und überall: Sei kühn!
Sie sinnt, allein die Deutung sie nicht trifft.
Zuletzt erspäht sie an dem andern End'
Ein zweites Eisenthor mit dieser Schrift:
Sei nicht zu kühn

Hauptm. So müssen Sie es denn wagen, nach Ihren eignen Grundsätzen zu verfahren.

Verf. Handeln Sie nach den Ihrigen und nehmen Sie sich in Acht, daß Sie hier nicht unnützer Weise die Essenszeit versäumen. Ich will dies Werk zu Ihrem Erbtheil hinzufügen, valeat quantum Es mag gelten, so viel es kann..

Hier endete unser Zwiegespräch. Ein kleiner Apollyon Teufel. In England heißt der Buchdruckerjunge Printer's devil (Druckers-Teufel). mit rußigem Antlitz aus der Stiftsgasse kam und verlangte für Herrn Mac Corkindale die Revision. Zugleich hörte ich, wie Herr C. in einem andern Theile des beschriebenen Labyrinths dem Herrn F. Vorwürfe machte, daß er Jemand so weit in das Innere ihres Heiligthums habe eindringen lassen.

Ich überlasse es Ihnen, sich Ihre eigne Meinung in Betreff der Bedeutung dieses Gesprächs zu bilden. Aber ich glaube sicher den Wünschen unseres gemeinsamen Vaters zu entsprechen, indem ich diesen Brief dem Werke, auf welches er sich bezieht, vordrucken lasse.

Ich verbleibe Ew. Ehrwürden gehorsamster

Cuthbert Clutterbuck.
Kennaquhair
, 1. April 1822.


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