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Fünftes Kapitel.

An den Hof da müßt Ihr gehn.
Was ist dort nicht all zu sehn!
Seidene Gewänder, rauschend,
Thoren, schwatzend, Weise, lauschend,
Wichte, neben Tapfern prahlend,
Edle, neben Bettlern strahlend,
Günstling', die mit leisen Reden,
Ohne Schwert den Gegner tödten.
An den Hof hin sollt Ihr gehn,
Viel, bei Gott, ist dort zu sehn.

Skelton Skeltonirt.

Nicht ganz ohne die Absicht zu prunken, ritt der gutherzige Bürger in der Weise einher, welche, wie der Leser weiß, Frau Christie ein wenig ärgerlich machte, wiewohl ihr Aerger nicht länger dauerte, als ihr Selbstgespräch. Außer dem natürlichen Bestreben, äußerlich als ein Mitglied des höheren Bürgerstandes zu erscheinen, mußte ihn zur Entfaltung eines gewissen Glanzes auch der Umstand bestimmen, daß er im Begriffe war, nach Whitehall zu gehen, um dem Könige eine kostbare Arbeit zu zeigen, welche dieser vielleicht zu betrachten oder gar zu kaufen Lust haben konnte. Er selbst saß, um leichter durch das Gedränge der engen und schmutzigen Gassen zu kommen, auf seinem reichgeschirrten Maulthiere. Einer von seinen Dienern trug das Gefäß, in rothen Boy gewickelt, unter dem Arme, und die beiden andern dienten als Bedeckung. Denn bei dem damaligen Zustande geschah es oft, daß auf offener Straße Angriffe aus Raub- oder Rachsucht gemacht wurden; wer es daher vermochte, ließ sich durch bewaffnete Diener begleiten. Dieser Gebrauch, welcher Anfangs auf den Adel beschränkt war, wurde allmälig auch von angesehenen Burgern angenommen, welche sonst eine bequeme Beute der Straßenräuber geworden wären.

Auf seinem Ritte in westlicher Richtung hielt Meister Georg Heriot bei dem Laden seines Freundes und Landsmannes, des alten Uhrmachers an. Er übergab dem jungen Tunstall, welcher auf dem Posten stand, seine Uhr zum Stellen, und verlangte mit dem Meister zu sprechen. Der alte Zeitmesser kam aus seiner Höhle hervor, das Gesicht von Staub gebräunt, und hier und da von Messingfeile glänzend wie eine Erzbüste, und so in seine Rechnungen vertieft, daß er seinen Freund, den Goldschmied, eine Minute lang anstarrte, ehe er recht begriff, wen er vor sich hatte. Heriot lud ihn und seine Tochter, Jungfrau Margarethe, ein, den andern Tag bei ihm zu Mittag zu speisen, in Gesellschaft eines vornehmen Landsmannes. Aber David Ramsay gab keine Antwort.

»Warte, ich will dich zum Reden bringen!« brummte der Goldschmied für sich, änderte dann plötzlich den Ton und rief: »Nachbar David, wann rechnen wir ab wegen des alten Goldes und Silbers, welches ich Euch zu der Saaluhr bei Theobald und zu dem andern Kreisel für den Herzog von Buckingham geliefert habe? Ich habe das spanische Haus für die gelieferten Barren bezahlen müssen, und ich muß Euch erinnern, daß Ihr schon acht Monate im Rückstande seid.«

In der Forderung eines ungestümen Mahners liegt etwas so Schneidendes, daß kein menschliches Trommelfell, wie unempfindlich es auch gegen andere Töne sein mag, ihrem Eindrucke widerstehen kann. David fuhr aus seinen Träumen auf und antwortete in unzufriedenem Tone: »Oho, Georg. Wozu dieser Lärm um zehn Dutzend Pfund? Alle Welt weiß, daß ich meine Verbindlichkeiten erfüllen kann, und Ihr selber habt mir eine lange Frist angeboten, bis Se. Majestät und der edle Herzog ihre Rechnungen mit mir in Ordnung brächten, und Ihr werdet aus Erfahrung wissen, daß ich ihnen nicht wie ein holländischer Stier ins Haus laufen und lärmen kann, wie Ihr es hier thut.«

Heriot lachte und antwortete: »Ich sehe eben doch, David, eine Geldforderung wirkt auf Eure Ohren wie ein Eimer kaltes Wasser, und macht Euch zu einem Menschen, wie andere sind. Also, Freund, wollt Ihr mir jetzt wie ein christlicher Mann sagen, ob Ihr Morgen Mittag zu mir kommen und meine Pathe, Jungfrau Margarethe, mitbringen wollt, um in Gemeinschaft mit unserm Landsmann, dem jungen Freiherrn von Glenvarloch, zu speisen?«

»Mit dem jungen Herrn von Glenvarloch?« wiederholte der alte Mechaniker. »Herzlich gern. Es soll mich freuen, ihn nach vierzig Jahren wieder zu sehen. Er war auf der Schule eine Klasse vor mir – er ist ein lieber Junge.«

»Das war sein Vater, sein Vater! Ihr alter Confusionsrath!« entgegnete der Goldschmied. »Ein zarter Junge würde er sein, wenn er noch lebte, der brave Herr! Das ist sein Sohn, Lord Nigel.«

»Sein Sohn!« sprach Ramsay. »Vielleicht braucht er einen Chronometer oder eine Uhr. Ein feiner Mann kann dergleichen heutzutage nicht wohl entbehren.«

»Vielleicht kauft er Euch Euer halbes Waarenlager ab, wenn er einmal zu seinem Vermögen kommt. Aber, David, vergeßt Euer Versprechen nicht, und macht es nicht wie damals, als meine Frau den Schafskopf und die Hahnensuppe bis um zwei Uhr für Euch auf dem Feuer stehen ließ.«

»Um so größere Ehre hatte sie von ihrer Kocherei,« antwortete der nun völlig zu sich gekommene David. »Ein Schafskopf, der zu lange gekocht hat, ist, wie man bei uns sagt, Gift.«

»Mag sein,« erwiderte Meister Georg; »aber morgen gibt's keinen Schafskopf, und Ihr könntet eine Mahlzeit verderben, die ein Sprichwort nicht wieder gut machen kann. Vielleicht trefft Ihr auch Euren Freund, Herrn Mungo Malagrowther; wenigstens will ich ihn einladen. Also seid zuverlässig und haltet Wort, David.«

»Ich will zuverlässig sein wie ein Chronometer,« erwiderte Ramsay.

»Auf Euch allein will ich mich aber doch nicht verlassen,« bemerkte Meister Georg. – »Höre, Jan, sage dem Schottenhannchen, sie soll der Jungfrau Margarethe sagen, daß sie ihren Vater erinnert, daß er morgen sein bestes Wams anlegt, und daß sie ihn morgen Mittag in die Lombardstraße bringen soll; sie würden dort einen stattlichen jungen schottischen Lord treffen.«

Jan hustete wie Einer, der einen unangenehmen Auftrag bekommt, oder der eine Aeußerung anhören muß, der er nicht widersprechen darf.

»Hm!« wiederholte Meister Georg, der, wie früher bemerkt worden ist, gar strenge auf häusliche Zucht hielt. »Was bedeutet dies Hm? Willst du meinen Auftrag ausrichten, oder nicht?«

»Gewiß, Meister Heriot,« antwortete der Lehrbursche, an seine Mütze greifend. »Ich habe nur gemeint, Jungfrau Margarethe würde eine solche Einladung wohl nicht vergessen.«

»Freilich nicht,« erwiderte Heriot; »sie ist gehorsam gegen ihren Pathen, obwohl ich sie zuweilen eine Flattermaus nenne. – Und horch, Jan, du und dein Kamerad thätet wohl, euch mit euren Prügeln einzufinden, um sie und euren Meister nach Hause zu geleiten. Aber vergeßt dann nicht, den Laden zuzuschließen und den Hund loszumachen, und den Auslaufer vor dem Laden warten zu lassen, bis ihr wieder zurückkommt. Ich will zwei von meinen Jungen mit euch schicken, denn ich höre, die jungen Studenten im Tempel treiben es wüster als je.«

»Wir wollen ihre Degen mit unsern Knitteln schon in die Scheide treiben,« erklärte Jan. »Ihr braucht Euren Dienern deshalb keine Mühe zu machen.«

»Im Nothfalle haben wir Schwerter, so gut wie die Templer,« bemerkte Tunstall.

»Pfui, pfui!« rief der Bürger. »Ein Lehrbursche mit einem Schwerte! Ich möchte ihn eben so gern im Federhute sehen.«

»Jedenfalls« – sagte Jan – »wollen wir Waffen finden, wie sie für uns passen, um unsern Meister und seine Tochter zu vertheidigen, und sollen wir die Pflastersteine aufheben.«

»So spricht ein Londoner Lehrbursche kühn!« rief zufrieden der Goldschmied. »Und zu eurer Erheiterung, ihr Jungen, sollt ihr eine Flasche Wein aufs Wohlsein der Väter unserer Stadt ausstechen. Ich beobachte euch Beide; es wird Etwas aus euch werden, aus Jedem in seiner Art. – Behüt' Euch Gott, David. Vergeßt nicht morgen Mittag.«

So sprechend wandte er sein Maulthier wieder westwärts und ritt durch Temple-Bar in anständigem Schritt, wie es seiner Wichtigkeit bei der Bürgerschaft zukam, und so, daß seine Nachtreter zu Fuße keine große Mühe hatten, Schritt mit ihm zu halten.

Am Tempelthore machte er wieder Halt, stieg ab und trat in eine der benachbarten kleinen Buden, welche Schreiber inne hatten. Ein junger Mann mit glatten, in der Höhe des Ohrläppchens abgestutzten Haaren stand auf, machte eine demüthige Verbeugung, einen breitgekrämpten Hut abnehmend, den er durchaus nicht wieder aufsetzte, und antwortete auf des Goldschmieds Frage: »Wie geht's, Andres?« mit großer Ehrerbietung: »Gut, durch Ew. Ehren gütige Unterstützung.«

»Nehmt einen großen Bogen, schneidet eine neue Feder mit spitzem Schnabel zu feinen Haarstrichen. Macht den Spalt nicht zu groß, – das ist eine verschwenderische Gewohnheit bei euch Leuten. Merkt, Andres, wer nicht auf Kleines achtet, bringt es zu nichts Großem. Ich habe einen gelehrten Mann gekannt, der tausend Seiten mit einem einzigen Kiel schrieb Ein biblischer Commentar von Gill, zwischen 500 und 600 gedruckte Quartseiten stark, der also in der Handschrift wohl mehr als tausend Seiten einnahm, schließt mit folgenden Versen:
Mit einer Feder ist das Buch geschrieben,
Von einer grauen Gans den Kiel ich nahm,
Und eine Feder war er noch geblieben,
Als mit dem Werklein ich zu Ende kam.

»O Herr!« sprach der junge Mensch, den Lehren des Goldschmieds über Schreibervortheile mit einem Ausdruck der Verehrung lauschend, »mit der Anweisung eines Mannes, wie Ew. Ehren, kann ein armer Mensch, wie ich, bald vorwärts kommen.«

»Meine Anweisungen sind kurz und leicht zu befolgen,« bemerkte der Goldschmied. »Seid ehrlich, fleißig, mäßig, und Ihr werdet bald Wohlstand gewinnen. Hier, schreibt mir diese Bittschrift aufs Zierlichste ab; ich will darauf warten.«

Der junge Mensch begab sich an die Arbeit und vollendete sie zu des Bürgers Zufriedenheit, ohne aufzusehen oder die Feder hinzulegen. Heriot gab ihm einen Goldgulden, befahl ihm an, bei Leibe das Geheimniß in allen ihm anvertrauten Geschäften zu bewahren, bestieg wieder sein Thier und setzte seinen Weg längs den Strand fort.

Temple-Bar, durch welches Heriot kam, war nicht wie jetzt ein gewölbtes Thor, sondern ein Pfahlwerk, dessen Oeffnung bei Nacht und in unrichtigen Zeiten mit Stangen und Ketten geschlossen wurde. Ebenso war der Strand, auf dem er hinritt, nicht, wie jetzt, eine fortlaufende Straße, obwohl er bereits anfing, sich dazu zu gestalten. Er bildete noch einen offenen Weg, an dessen Südseite einzelne Häuser des hohen Adels standen, mit Gärten nach dem Flusse hin, in welchen häufig aus den Gärten Treppen zur bequemen Besteigung der Kähne führten. Viele dieser Häuser haben die Namen ihrer vornehmen Besitzer auf die vom Strande nach der Themse führenden Straßen vererbt. Die Nordseite des Strandes bestand aus einer langen Häuserreihe, hinter welcher, z. B. in der Martinsgasse, stark gebaut wurde. Coventgarden war noch ein wirklicher Garten, in welchem nur erst hie und da einige Häuser standen. Alles ringsumher deutete auf das schnelle Anwachsen einer Hauptstadt, welche lange Zeit Frieden und Wohlstand genossen hatte. Ueberall stiegen Häuser empor, und das scharfe Auge unsers Bürgers sah die Zeit nicht mehr fern, wo die Landstraße, auf welcher er ritt, zu beiden Seiten mit Häuserreihen eingefaßt, den Hof und die Hofstadt mit der Altstadt von London verbinden würde.

Er kam dann durch Charing-croß, damals schon nicht mehr das liebliche einsame Dörfchen, in welchem die Richter auf ihrem Wege nach Westminsterhall zu frühstücken pflegten, sondern schon sich zu der Pulsader gestaltend, durch welche, wie Johnson spricht, »die ganze Fluth von Londons Menschheit strömt«. Die Gebäude nahmen mit reißender Schnelligkeit zu, gaben aber noch nicht im Entferntesten einen Begriff von dem jetzigen Ansehen dieses Stadttheils.

Endlich langte unser Reisender in Whitehall an und ritt durch eins der schönen von Holbein entworfenen und in Backsteinen von abwechselnder Farbe ausgeführten Thore, welche Moniplies profaner Weise mit der Westpforte zu Edinburgh verglichen hatte. In dem weiten Umfange dieses Palastes erblickte man allerwärts die von einem Umbau unzertrennliche Verwirrung. Gerade damals war König Jakob beschäftigt, die alten verfallenen Gebäude von De Burgh, Heinrich VIII. und Königin Elisabeth abbrechen zu lassen und an ihre Stelle die Prachtgebäude zu setzen, an welchen Inigo Jones sein Genie bewährte. Er ließ sich nicht träumen, daß er den Palast baute, aus dessen Fenster sein einziger Sohn auf das Schaffot steigen würde. Um die Arbeit zu beschleunigen, behielt er die königlichen Gemächer noch inne, während die übrigen Theile des alten Baues dem neuen Platz machten, so daß man, um zum Könige zu gelangen, durch ein wahres Labyrinth von Schutt und Baustoffen gehen mußte.

Der Goldschmied und (wie es hieß) zugleich Bankier des königlichen Hauses war eine viel zu wichtige Person, als daß Thorwärter oder Schildwache ihm das geringste Hinderniß hätten in den Weg legen sollen. Er ließ sein Thier und zwei seiner Begleiter in dem Vorhofe, klopfte leise an eine Schlupfpforte und wurde augenblicklich in den Palast eingelassen, wohin ihm sein dritter Diener mit dem Geschirre folgte. Auch diesen ließ er in einem Vorzimmer zurück, wo drei oder vier Pagen in der königlichen Livree mit losgenestelten Hosen und aufgeknöpften Wämsern, überhaupt mit einer Nachlässigkeit gekleidet, welche in der Nähe des Königs auffallen mußte, theils Würfel oder Damenbret spielten, theils mit halbgeschlossenen Augen auf einer Bank schlummerten. Das Vorzimmer führte in eine Gallerie, und in dieser standen zwei adelige Thürwarte, welche den eintretenden Goldschmied wie einen alten Bekannten mit einem Lächeln empfingen.

Von beiden Seiten wurde kein Wort gesprochen. Einer der Thürwarte sah erst den Goldschmied an, und blickte dann auf eine kleine, durch die Wandbehänge halb verdeckte Thür, gleichsam fragend: »Hast du da Geschäfte?« Der Bürger nickte, und der Hofdiener schlich auf den Zehen, und als ob der Fußboden mit Eiern belegt wäre, an die Thür, öffnete sie leise und flüsterte ein paar Worte hinein. Sofort hörte man den König Jakob in breiter schottischer Mundart erwidern: »Laßt ihn augenblicklich ein, Maxwell. Seid Ihr so lange am Hofe gewesen, und wißt nicht, daß Gold und Silber stets willkommen sind?«

Der Thürwart gab dem Bürger ein Zeichen, zu kommen, und führte ihn in das Zimmer des Herrschers ein.

Die Verwirrung, von welcher Heriot den König umgeben fand, war kein übles Bild von dem Geistes- und Gemüthszustande desselben. Man sah viele kostbare Gemälde und sonstige Verzierungen, aber dieselben waren in einer nachlässigen Weise aufgehängt oder aufgestellt, mit Staub bedeckt, und verloren die Hälfte ihres scheinbaren Werthes durch die Art und Weise, wie sie sich dem Auge darboten. Der Tisch war mit großen Folianten beladen, und zwischen diesen lagen Schnurren- und Zotenbücher, und neben Anmerkungen zu unbarmherzig langen Predigten und Versuchen über die Regierungskunst waren zu sehen elende Rundgesänge und Lieder von dem königlichen Lehrling in der Dichtkunst, wie er sich selber nannte, Pläne, um einen allgemeinen Frieden in Europa herzustellen, ein Namensverzeichniß der königlichen Jagdhunde und Recepte gegen die Hundswuth.

Des Königs Kleidung war von grünem Sammet und dermaßen ausgesteppt, daß sie einen Dolchstoß abhielt, aber ihm dafür auch ein plumpes Ansehn gab, und falsch zugeknöpft, die Meinung erweckte, er sei schief gewachsen. Ueber dem grünen Wamse trug er einen dunkelfarbigen Schlafrock, aus dessen Tasche sein Hifthorn hervorsah. Sein grauer Hut mit hohem Kopfe lag auf dem Boden, mit Staub bedeckt, aber umschlungen von einem Geschmeide mit großen Balasrubinen. Statt seiner trug er eine blaue Sammetmütze mit der Feder eines Reihers, den sein Lieblingsfalk unter gefährlichen Umständen erlegt hatte, weshalb der König viel auf diese Feder hielt.

Diese Sonderbarkeit der Kleidung war das ächte Sinnbild der Geistes- und Gemüthsbeschaffenheit eines Königs, aus welchem seine Zeitgenossen so wenig wie spätere Geschichtschreiber klug werden konnten. Jakob war gelehrt, ohne nützliche Kenntnisse zu besitzen; er bewies in einzelnen Fällen Scharfblick, ohne daß man ihm überhaupt hätte Weisheit zuschreiben können. Er hielt viel auf seine Gewalt, wünschte sie zu erhalten und zu vermehren, und war doch geneigt, sie den unwürdigsten Günstlingen zu überlassen. Er war entschieden und herrisch in mündlicher Behauptung seiner Rechte, aber er sah ruhig zu, wie dieselben in der That mit Füßen getreten wurden. Er liebte das Unterhandeln, und wurde dabei immer überlistet; er fürchtete den Krieg, selbst da, wo der Sieg leicht gewesen wäre. Er war gewaltig eifersüchtig auf seine Würde, und doch vergab er sich dieselbe stets durch unziemliche Vertraulichkeit. Er konnte in Staatsgeschäften arbeiten, aber er vernachlässigte es, um leerem Zeitvertreib nachzuhängen. Er war witzig, und dabei ein Pedant; er war gelehrt, aber er sprach gern mit Ungebildeten. Man konnte ihn mit Recht zaghaft nennen, aber er hatte Augenblicke in seinem Leben, wo er ganz den Muth seiner Ahnen zeigte. Er war arbeitsam in Kleinigkeiten und Possen, und er trieb Possen, wo es sich um ernstliche Arbeit handelte. Von Herzen war er fromm, und in seinen Aeußerungen war er oft gottlos. Von Natur aus billig und wohlwollend, gestattete er doch die Bosheiten und Bedrückungen Anderer. Mit dem Gelde, welches er eigenhändig auszugeben hatte, knauserte er, aber er verschwendete maßlos dasjenige, was er nicht sah. Mit einem Worte, die guten Eigenschaften, welche er in einzelnen Fällen an den Tag legte, waren nicht bleibend und umfassend genug, um sein Benehmen im Allgemeinen zu leiten, sondern gaben ihm blos Anspruch auf das ihm von Sully ertheilte Lob: daß er der weiseste Narr in der Christenheit sei.

Die Schicksale dieses Fürsten waren eben so sonderbar, wie sein Charakter. Er, der unfähigste der Stewarts, bestieg friedlich den Thron eines Reiches, gegen welches seine Vorfahren nur mühsam ihren eignen Thron vertheidigt hatten. Und während man erwartete, daß seine Regierung in Großbritannien dauernde Ruhe und inneren Frieden begründen werde, streute sie die Saat der Zwietracht aus, welche, wie die Zähne des fabelhaften Drachen, in einem blutigen Bürgerkriege aufging.

König Jakob begrüßte den Goldschmied mit dem Namen klingender Gürge (denn er gab Allen, mit denen er auf vertrautem Fuße stand, Beinamen), und fragte ihn, was er wieder für Schnurrpfeifereien bringe, um seinen natürlichen Herrn um sein Silber zu prellen?

»Gott behüte mich, allergnädigster Herr, daß ich solch ein sträfliches Vorhaben hegen sollte,« erwiderte der Bürger. »Ich habe blos ein Stück Geschirr gebracht, um es Ew. Majestät zu zeigen, weil es zu schön gearbeitet ist, als daß ich es in andere Hände geben könnte, bevor ich Ew. Majestät Willensmeinung darüber erfahren habe.«

»Alle Wetter! laß sehen, Heriot. – Aber, meiner Seele, Steenies Service war so unmenschlich theuer, daß ich fast mein Königswort gegeben hätte, in Zukunft mein Gold und Silber zu behalten und Euch, Gürge, das Eurige zu lassen.«

»Das Geräth für den Herzog von Buckingham anlangend, geruhte Ew. Majestät zu befehlen, daß Nichts gespart werden sollte, und –«

»Was liegt daran, was ich wollte? Wenn ein weiser Mann mit Kindern und Narren zusammen ist, so macht er Streiche, wie sie. Ihr aber solltet mehr Verstand haben, als dem Kindlein Karl und dem Steenie zu Willen zu sein. Sie sind im Stande, noch den Boden der Zimmer mit Silber platten zu lassen; ich wundere mich, daß sie es nicht schon gethan haben.«

Der Goldschmied verbeugte sich und sprach kein Wort. Er kannte seinen Herrn zu wohl, als daß er sich anders, als durch eine kurze Hindeutung auf seinen Befehl hätte vertheidigen sollen. Jakob, bei welchem die Sparsamkeit nur eine vorübergehende Neigung in Folge augenblicklicher Gewissensbisse war, verlangte alsbald das erwähnte Geschirr zu sehen, und schickte Maxwell ab, es zu holen. Mittlerweile fragte er den Goldschmied, wo er es her habe?

»Aus Italien, Ew. Majestät zu dienen,« antwortete Heriot.

»Es hat doch Nichts an sich, was auf Papstthum hindeutet?« fragte der König mit größerem Ernste als bisher.

»Gewiß nicht,« antwortete der Goldschmied. »Es wäre nicht klug von mir gehandelt, vor die Augen Ew. Majestät irgend Etwas zu bringen, was das Zeichen des Thieres an sich trägt.«

»Ihr wäret ein dummes Thier, wenn Ihr es thätet,« fuhr der König fort. »Es ist bekannt, daß ich in meiner Jugend mit Dagon gerungen und ihn auf die Schwelle seines eignen Tempels gestürzt habe; ein guter Beweis, daß ich einst, obwohl unverdienter Weise, der Vertheidiger des Glaubens Titel, den Heinrich VIII. durch eine Schrift gegen Luther vom Papste erworben und auf seine Nachfolger vererbt hatte. genannt werden sollte. – Aber da kommt Maxwell, sich biegend unter seiner Bürde, wie der goldne Esel des Apulejus.«

Heriot beeilte sich, dem Thürwart seine Last abzunehmen und den Präsentirteller von ungewöhnlicher Größe in ein solches Licht zu setzen, daß der König die erhabene Arbeit daran bequem betrachten konnte.

»Meiner Seele!« rief der König, »ein Prachtstück und für das Gemach eines Königs geeignet. Auch die Darstellung ist, wie Ihr richtig bemerkt, sehr passend, – ja, es ist das Urtheil Salomo's, eines Fürsten, in dessen Fußtapfen jeder lebende Monarch nacheifernd wandeln sollte.«

»Den nur Einer erreicht hat, – wenn ein Unterthan das sagen darf,« fügte Maxwell hinzu.

»Halt's Maul, nichtsnutziger Schmeichler!« rief der König mit einem Lächeln, welches bewies, daß die Schmeichelei ihre Wirkung gethan hatte. »Betrachte dies Prachtstück und halte den Schnabel. – Von wem ist wohl die Arbeit, Gürge?«

»Sie ist von dem berühmten Florentiner Benvenuto Cellini und war für Franz den Ersten bestimmt; aber ich hoffe, sie wird einen passenderen Eigenthümer finden,« erwiderte der Goldschmied.

»Franz von Frankreich!« rief der König. »Salomo, den König der Juden, dem Franz von Frankreich schicken! Meiner Seele, dies allein könnte beweisen, daß Cellini verrückt war, wenn er auch sonst keine Tollheit begangen hätte. – Franz! Er war ein streitsüchtiger Narr, ein bloßer fechtender Narr; er ließ sich bei Pavia fangen, wie vor Zeiten unser David bei Durham. Hätte man ihm Salomo's Weisheit und Friedensliebe und Gottseligkeit schicken können, so wäre ihm damit ein besserer Dienst geschehen. Aber Salomo sollte in anderer Gesellschaft sein, als bei Franz von Frankreich.«

»Ich hoffe, dies Glück soll ihm werden,« sprach Heriot.

»Es ist eine sehenswerthe Kunstarbeit,« fuhr der König fort. »Indeß es kommt mir vor, als schwinge der Carnifex oder Scharfrichter da seine Plempe zu nahe bei des Königs Gesicht, welches im Bereiche seiner Waffe ist. Ich glaube, geringere als salomonische Weisheit hätte dem König sagen müssen, daß schneidende Werkzeuge gefährlich sind, und hätte ihn veranlassen müssen, dem Kerl zu sagen, entweder seinen Säbel einzustecken, oder etwas weiter zurückzutreten.«

Georg Heriot suchte diesen Einwurf zu beseitigen durch die Versicherung, daß die große Nähe des Scharfrichters bei dem Könige nur scheinbar sei, und daß man die Perspective in Anschlag bringen müsse.

»Geht zum Teufel mit Eurer Perspective!« entgegnete der König. »Kann es eine schlimmere Perspective geben für einen rechtmäßigen König, der in Liebe regieren und in Friede und Ehre sterben will, als entblößte Schwerter, die vor seinen Augen blinken? Ich gelte für so muthig, wie viele andere Leute, und doch versichere ich Euch, ich habe nie eine blanke Klinge sehen können, ohne zu blinzeln. – Aber im Ganzen ist es ein herrliches Stück. Was kostet es?«

Der Goldschmied bemerkte, daß es nicht sein Eigenthum sei, sondern einem bedrängten Landsmanne gehöre.

»Das soll Euch zur Entschuldigung dienen, wenn Ihr den doppelten Preis dafür fordert. Nicht wahr?« bemerkte der König. »Ich kenne eure Kniffe, ihr Schacherer.«

»Ich kann nicht hoffen, Ew. Majestät Scharfblick zu täuschen,« erwiderte der Goldschmied. »Es ist so, wie ich gesagt habe, und der Preis beträgt hundertundfünfzig Pfund Sterling, wenn Ew. Majestät geruht, baar zu bezahlen.«

»Hundertundfünfzig Pfund?« wiederholte der König. »Schafft mir erst so viel Hexen und Zauberer, um sie aufzubringen. – Meiner Seele, klingender Gürge, Ihr gedenkt Euren Beutel eine gar lustige Melodie klingen zu lassen. Wie kann ich Euch hundertundfünfzig Pfund bezahlen für ein Stück Silber, das nicht so viel Mark wiegt? Ihr wißt ja, daß die Diener meiner Hofhaltung, und selbst die Mundköche, sechs Monate Rückstand zu fordern haben!«

Der Goldschmied, der an solche Ausbrüche eines leichten Unwillens gewöhnt war, blieb unerschüttert und entgegnete, wenn Se. Majestät an dem Stücke Gefallen finde und es zu besitzen wünsche, so sei über den Preis leicht einig zu werden. Allerdings brauche der Verkäufer dringend sein Geld; aber er, Heriot, wolle es vorschießen, falls es Sr. Majestät gefalle, und eine bequeme Zeit zur Zahlung abwarten, während mittlerweile das Geld die üblichen Zinsen trage.

»Bei meiner Ehre!« rief der König, »das heiß' ich wie ein ehrlicher und billiger Geschäftsmann sprechen. Wir bekommen vielleicht noch einen Beitrag von den Gemeinen, und damit läßt sich diese Schuld tilgen. Fort damit, Maxwell. Fort damit, und laßt ihn an einen Ort stellen, wo er Steenien und dem Kindlein Karl in die Augen fällt, wenn sie von Richmond zurückkommen. – Und nun, da wir unter uns sind, guter alter Freund Gürge, das Bild von Salomo bringt mich auf den Gedanken, daß mit unserer Abreise hierher in den Süden alle Weisheit aus Schottland entwichen ist.«

Georg Heriot war Hofmann genug, um zu erwidern, daß die Weisen natürlich dem Weisesten folgen, wie die Hirsche ihrem Anführer.

»Ich glaube, Du hast Recht,« sprach der König; »denn die Engländer, so eingebildet sie auch sind, lassen doch Uns und die Glieder Unseres Hofhalts, und z. B. Dich, für Leute gelten, die nicht auf den Kopf gefallen sind. Dagegen Denen, welche daheim geblieben sind, scheint der Verstand fortgelaufen zu sein.«

»Es thut mir leid, dies zu hören, allergnädigster Herr,« entgegnete Heriot. »Wollte es Ew. Majestät gefallen, auszusprechen, wodurch unsere Landsleute eine solche Bezeichnung verdient haben?«

»Sie sind wahnsinnig, hirnverrückt geworden,« fuhr der König fort. »Ich kann sie nicht vom Hofe abhalten, so viele Proclamationen ich auch ergehen lasse, daß die Herolde sich heiser schreien. Gestern – nein, es war früher – als Wir eben aufgesessen waren und fortreiten wollten, kam ein ächtes Edinburgher Gewächs angerannt, – ein zerlumpter Kerl, auf dessen Leibe eine wahre Lappensammlung zu sehen war, und dessen Rock und Mütze als Vogelscheuche in einem Erbsenfelde hätten dienen können –; der schob Uns ohne Umstände wie ein starker Bettler eine Supplik in die Hand, betreffend Schulden Unserer Frau Mutter und dergleichen Lumpereien. Drob bäumte sich das Pferd, und wenn Wir nicht einen so guten Sitz hätten, in welchem Stücke wir den Ruf haben, die meisten regierenden Häupter und Unterthanen in Europa zu übertreffen, kann ich Dich versichern, ich wäre der Länge nach auf den Boden gefallen.«

»Ew. Majestät ist ihr gemeinschaftlicher Vater,« bemerkte Heriot. »Darum erkühnen sie sich, in Ew. königliche Nähe sich einzudrängen.«

»Ich weiß wohl, daß ich pater patriae Vater des Vaterlandes. bin,« erwiderte Jakob; »aber man sollte meinen, sie wollten mir alles Blut aussaugen, um nachher meine Erbschaft zu theilen. Weiß Gott, Gürge, keiner der Lümmel versteht es auch nur, eine Supplik so zu überreichen, wie es vor dem Angesichte der Majestät geschehen sollte.«

»Ich wünschte, die passendste und schicklichste Weise zu kennen, in welcher so Etwas geschehen muß,« sprach Heriot, »wäre es auch nur, um unsern armen Landsleuten Lebensart zu lehren.«

»Meiner Treu,« sprach der König, »du bist ein civilisirter Bursche, so daß ich auf dich wohl einige Augenblicke wenden kann, um dich zu unterweisen. Also gib Acht. Du mußt dich der Majestät so nahen – Deine Augen mit der Hand beschattend, zum Zeugniß, daß du vor dem Statthalter des Himmels stehest. Dann mußt du niederknieen, als wolltest du den Saum Unseres Kleides oder die Lasche Unseres Schuhes und dergleichen küssen. – So, du machst es ganz recht. – Wir indessen, um zu beweisen, daß Wir mild und gütig gegen Unsere Unterthanen sind, winken so ab und bedeuten dir aufzustehen. Diese Weisung befolgst du nicht sogleich, wenn du Etwas zu erbitten hast, sondern fährst dafür mit der Hand in die Tasche, ziehst die Supplik hervor und legst sie ehrerbietig in Unsere offene Hand.« Der Goldschmied, welcher alle diese Anweisungen befolgt hatte, blieb auch in dem letzten Stücke nicht zurück, sondern legte zu Jakobs großem Erstaunen die Bittschrift des Herrn von Glenvarloch in seine Hände. »Was ist das, du schlechter Kerl?« rief der König roth werdend und sprudelnd. »Hab' ich dich darum einexercirt, daß du dein Gewehr wider Unseren königlichen Leib kehren sollst? Wahrhaftig, du hättest mir ebensowohl ein Pistol vorhalten können. Und das hast du in meinem Kabinet gethan, in welches Nichts kommen soll, was ich nicht haben will.«

»Ich hoffe,« sprach Heriot fortwährend knieend, »Ew. Majestät wird verzeihen, daß ich die Unterweisung, welche Ew. Majestät mir zu geben geruht hat, zum Besten eines Freundes benutzt habe.«

»Eines Freundes?« wiederholte der König. »Desto schlimmer. Wäre es Etwas für Dich selbst, dann ließe es sich hören und es stände zu erwarten, daß du nicht nächstens wiederkommen würdest. Aber ein Mann kann hundert Freunde, und Bittschriften für jeden derselben haben.«

»Ew. Majestät,« entgegnete Heriot, »wird mich nach der Vergangenheit beurtheilen und mir eine solche Verwegenheit nicht zutrauen.«

»Ich weiß nicht,« sprach der leicht zu besänftigende Herrscher, »die Welt ist verrückt – sed semel insanivimus omnes Ein Mal sind wir Alle toll gewesen. –. Du bist mein alter treuer Diener, das ist die Wahrheit; und wär es Etwas für dich, so solltest du nicht zwei Mal bitten. Aber Steenie hat mich so lieb, daß er meint, Niemand außer ihm dürfe von mir eine Gunst erbitten. – Maxwell« (der Thürwart war eben zurückgekommen, nachdem er den Präsentirteller an seinen Ort gebracht), »geht in das Vorgemach mit Euren langen Ohren. Ehrlich gesprochen, Gürge, ich denke, du bist mein alter Vertrauter und warst mein Goldschmied, als ich noch mit dem heidnischen Dichter sagen konnte: Non mea renidet in domo lacunar Nicht strahlt in meinem Haus die goldgeschmückte Decke.. Denn sie hatten meiner Mutter altes Haus dergestalt geplündert, daß hölzerne Becher und Teller und kupferne Schüsseln das Beste auf Unserm Tische waren, und daß Wir manchmal froh sein mußten, wenn nur Etwas darauf lag. Weißt du noch – denn du warst in Unsere meisten Complotte eingeweiht – wie Wir sechs von Unserer blauen Bande abschicken mußten, um den Taubenschlag und den Hühnerhof der Frau von Loganhouse zu plündern, und welche grimmige Klage die arme Frau gegen Jock von Milch und die Diebe von Annandale erhob, welche so unschuldig an jenem Raube waren, wie ich an einem Morde.«

»Es war ein Glück für Jock,« bemerkte Heriot; »denn wenn ich mich recht erinnere, hat es ihn von dem Auspeitschen zu Dumfries gerettet, was er für andere Uebelthaten wohl verdient hätte.«

»Ah, meinst du das?« sprach der König. »Aber er hatte dafür andere Tugenden, und ferner war er ein trefflicher Waidmann, dieser Jock von Milch, und konnte einem Hunde Halloh zurufen, daß es aus allen Wäldern wiederhallte. Aber zuletzt nahm er ein Ende wie alle Annandaler; der Herr von Torthorwald durchrannte ihn mit dem Spieße. – Wetter! wenn ich an diese tollen Streiche denke, so weiß ich nicht, ob Wir nicht im alten Holyrood, wo wir Uns nach der Decke strecken mußten, lustiger gelebt haben – als jetzt, wo Wir vor der vollen Krippe stehen. Cantabit vacuus Wer keine Geschäfte hat, kann singen. – Wir hatten damals für wenig zu sorgen.«

»Und wenn Ew. Majestät sich erinnern will,« fügte der Goldschmied hinzu, »was für eine Arbeit wir hatten, Silberzeug und Goldzierrathen zusammenzubringen, um vor dem spanischen Botschafter einigen Glanz zu entfalten.«

»Ganz recht,« sprach der König, der jetzt recht in's gevattermäßige Plaudern hineingerathen war. »Ich kann nur nicht auf den Namen des treuen Freiherrn kommen, der Uns mit jeder Unze, die er im Hause hatte, aushalf, damit sein angestammter Fürst nach Etwas aussähe in den Augen Derer, denen beide Indien zu Gebot standen.«

»Ich denke,« bemerkte der Bürger, »wenn Ew. Majestät einen Blick auf das Papier werfen will, so wird Euch sein Name einfallen.«

»Was Ihr sagt!« erwiderte der König. »Wirklich, sein Name war Lord Glenvarloch – Justus et tenax propositi – ein rechtschaffener Mann, aber hartnäckig wie ein gehetzter Stier. Er war zuweilen wider Uns, aber im Ganzen war er ein treuergebener Unterthan. Aber dieser Bittsteller mag wohl sein Sohn sein; denn Lord Randal Olifaunt von Glenvarloch ist lange dahin gegangen, wo Könige und Herren sowohl hingehen müssen, wie Deinesgleichen, Gürge. Aber was will sein Sohn von Uns?«

»Die Berichtigung einer namhaften Schuld,« antwortete der Bürger, »die er von Ew. Majestät Schatzkammer zu fordern hat für Geld, welches Ew. Majestät in einer Zeit dringender Noth bei der Ruthvensfahrt vorgeschossen worden ist.«

»Ich erinnere mich der Sache wohl,« sprach Jakob. – »Wetter, ich war eben aus den Händen des Gebieters von Glames entkommen, und nie noch war einem Fürsten Silber willkommener gewesen. Schande genug, daß ein gekröntes Haupt eine so elende Summe bedürfen sollte! Aber warum mahnt er Uns darob so ungestüm, wie ein Bereiter ein junges Pferd? Wir sind ihm das Silber schuldig und wollen ihn zu gelegener Zeit bezahlen oder ihm auf andere Weise Ersatz geben, was genug ist zwischen Fürst und Unterthan. Wir sind nicht in meditatione fugae Auf dem Sprunge zu entfliehen., daß man so gewissermaßen Hand an Uns legen sollte.«

»Großmächtigster Herr!« nahm der Bürger das Wort, »der junge Mann ist in der äußersten Noth, und dies macht ihn so ungestüm, nicht sein freier Wille. Er muß Geld haben und das bald, um eine Schuld an Peregrin Peterson, den Bewahrer der Freibriefe zu Campvere, abzutragen, widrigenfalls er der Freiherrschaft Glenvarloch als eines nicht eingelöseten Versatzes verlustig geht.«

»Was? was sagst du da?« rief der König; »dem Lümmel von Bewahrer, Sohn eines niederdeutschen Schiffers, sollte die alte Freiherrschaft des Hauses Olifaunt zufallen? Bei Gott, das darf nicht sein. Wir wollen die Vollstreckung aufhalten durch einen Vergünstigungsbefehl oder etwas Aehnliches.«

»Ich fürchte, das geht kaum an,« bemerkte der Bürger. »Die schottischen Rechtsgelehrten behaupten, es sei hier kein anderes Mittel, als zu bezahlen.«

»Gotts Blitz!« versetzte der König. »Er soll sich mit Gewalt im Besitz behaupten wider den Lümmel, bis Wir Maßregeln in Betreff seiner ergreifen können.«

»Gnädigster Herr!« wandte der Goldschmied ein, »Ew. Majestät friedliche Regierung und Gerechtigkeit gegen Alle hat offene Gewalt zu einem kitzlichen Dinge außerhalb der Hochlande gemacht.«

»Ja, ja, ja!« erwiderte der verlegene Fürst, dessen Begriffe von Gerechtigkeit, Bequemlichkeit und Schicklichkeit bei solchen Gelegenheiten sich sonderbar verwirrten. »Es ist nicht mehr wie billig, daß Wir Unsere Schuld abtragen, auf daß der junge Mann die seinige bezahle, und in verbo regis Auf Königs Wort. – er soll bezahlt werden. Aber wie zu Geld kommen, Alter? Das ist ein schwieriges Kapitel. Versucht es mit der Stadt, Gürge.«

»Durchlauchtigster Herr,« antwortete Heriot, »die Wahrheit zu sagen, die Stadt ist durch Anlehen, Geschenke, Steuern gegenwärtig – –«

»Sprich mir nicht davon, was die Stadt ist,« unterbrach der König. »Unsere Schatzkammer ist so trocken, wie Dechant Giles' Predigten über die Bußpsalmen. Ex nihilo nihil fit Aus Nichts wird Nichts.. Es ist eine Kunst, einem Hochländer die Hosen auszuziehen. Wer Silber bei mir holen will, der muß mir erst sagen, wie ich selbst dazu kommen soll. Versucht es mit der Stadt. Meint nicht, daß Ihr für Nichts und wieder Nichts den Titel klingender Gürge führt. In verbo regis, ich will den Jungen bezahlen, wenn Ihr mir das Anlehen verschafft. Ich will über die Bedingungen nicht mäkeln. Unter uns gesagt, Gürge, wir wollen das alte Erbgut von Glenvarloch einlösen. – Aber warum kommt der junge Herr nicht an Hof? Ist er hübsch, Heriot? Kann man ihm Vortritt geben?«

»So gut wie nur irgend Einem,« antwortete Heriot, »aber –«

»Ah! ich verstehe,« ergänzte der König – » Res angusta domi Schlechte Vermögensumstände.. Der arme Junge! Und sein Vater ein ächtes treues Schottenherz, wiewohl steif in gewissen Meinungen. – Horch, Heriot, laß dem Jungen 200 Pfund zukommen, damit er sich ausstaffirt. Da, da – (hier nahm er das Rubingeschmeide von dem Hute) »nimm dies einstweilen zum Pfand für eine größere Summe, du alter Levit. Ich will es mit der nächsten Steuer einlösen.«

»Wollte Ew. Majestät geruhen, mir die Anweisung schriftlich zu geben?« sprach der behutsame Bürger.

»Der Teufel hole deine Pünktlichkeit!« sprach der König. »In der Form bist du so streng wie ein Puritaner, und in der Sache bist du ein wahrer Ungläubiger. Genügt dir nicht ein Königswort, um deine elenden zweihundert Pfund auszulegen?«

»Aber nicht, um Kronjuwelen in der Hand zu behalten,« erwiderte der Goldschmied.

Der König, längst gewohnt, mit mißtrauischen Gläubigern zu verkehren, schrieb eine Anweisung auf Georg Heriot, seinen lieben Goldschmied und Juwelier, für 200 Pfund, augenblicklich zahlbar an Nigel Olifaunt, Freiherrn von Glenvarloch, welche Heriot als Schuld der Krone zu Lasten zu schreiben habe, bevollmächtigt, dafür ein Geschmeide von Balasrubinen mit einem großen Diamant, wie dasselbe im Verzeichniß von Sr. Majestät Juwelen aufgeführt sei, in Händen zu behalten bis zur Rückzahlung. Durch ein anderes Schreiben trug der König besagtem Georg Heriot auf, mit einigen Geldmännern unter billigen Bedingungen ein Anlehen von wenigstens 50,000 Mark, wo möglich aber noch mehr, zu unterhandeln.

»Besitzt er Gelehrsamkeit, dieser Unser Lord Nigel?« fragte der König.

Heriot wußte darüber nichts Näheres zu sagen, meinte aber, er habe im Auslande studirt.

»Wir wollen ihm selber Rathschläge geben, wie er seine Studien aufs Vortheilhafteste fortsetzen kann,« sprach der König. »Vielleicht nehmen Wir ihn an den Hof und lassen ihn mit Steenie und dem Kindlein Karl studiren. Da fällt Uns ein – fort! fort, Georg! – die Kinder werden bald nach Hause kommen, und sie sollen doch Nichts von dieser Sache wissen. Propera pedem Beschleunige den Schritt., o Gürge. Nimm dein Maulthier zwischen die Schenkel, und guten Tag.«

So endete das Gespräch zwischen dem guten König Jakob und seinem wohlwollenden Juwelier und Goldschmied.

Anmerkung zum fünften Kapitel.

Tracht und Gestalt von König Jakob beschreibt ein Zeitgenosse folgendermaßen.

»Er war von mittlerer Statur, nicht eben mager, aber durch seine Kleidung dicker erscheinend, als er wirklich war. Seine Beine waren schwach, weil, wie man annahm, ihm in seiner Kindheit, oder vielmehr vor seiner Geburt, übel mitgespielt worden war, so daß er in seinem siebenten Jahre noch auf keinem Beine stehen konnte. Diese Schwäche nöthigte ihn stets, sich auf Anderer Schultern zu stützen. Im Gehen beschrieb er mit seinen Beinen Kreislinien und dabei fuhren seine Hände immer vor seinem Hosenknopf herum. In der Leidenschaft erlaubte er sich Schwören und Fluchen, selbst an Gotteslästerung streifende Ausdrücke, und in besseren Augenblicken pflegte er dann zu sagen, er hoffe, Gott werde ihm dergleichen nicht als Sünde anrechnen, da es blos Folge seiner Hitze sei. Allein solche tägliche Vermessenheit gegen Gott hätte ihn vielmehr veranlassen sollen, geistlichen Beistand zu suchen, als sich der Hoffnung zu überlassen.« – Dalzells Skizzen aus der schottischen Geschichte, S. 26.



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