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Elftes Kapitel.

Die Zeit, als Chorus, tritt auf.

Ich – manchem lieb; doch Freud und Schreck für Böse
Wie Gute; die ich Irrthum schaff' und löse –
Ich will, weil Zeit ich heiße, jetzt die Schwingen
Gebrauchen. Legt es mir vor allen Dingen,
Und meinem Flug, nicht als Verbrechen aus,
Schlüpf' über sechszehn Jahr ich schnell hinaus,
Den weiten Abgrund liegen lassend. –

Wintermärchen.

Unsere Erzählung ist nun im Begriff einen weiten Sprung zu machen und damit einen Zeitraum von fast siebzehn Jahren zu übergehen, während dessen sich nichts von besonderer Wichtigkeit in Bezug auf die Geschichte, die wir erzählen wollen, ereignete. Die Kluft ist allerdings groß; doch wenn des Lesers Erfahrung im Leben ihn fähig macht, auf einen Zeitraum von gleicher Länge zurückzublicken, so wird ihm dieser Raum in der Erinnerung kaum länger vorkommen, als die Zeit, die er bedarf, um diese Blätter umzuschlagen.

Es geschah im Monat November, etwa siebzehn Jahre nach der im letzten Kapitel erzählten Katastrophe, daß während einer kalten und stürmischen Nacht eine gesellige Gruppe sich dicht um das Küchenfeuer in dem kleinen aber behaglichen Wirthshause zu Kippletringan, welches Mrs. Mac-Candlish in diesem Dorfe verwaltete, versammelt hatte. Die Unterhaltung, welche hier stattfand, wird mich der Mühe überheben, die wenigen Ereignisse zu berichten, welche sich während jenes Zwischenraums in unserer Geschichte zutrugen, und mit denen der Leser doch nothwendig bekannt werden muß.

Mrs. Mac-Candlish, die in einem behaglichen, mit schwarzem Leder überzogenen Lehnstuhl thronte, labte sich und einige Gevatterinnen aus der Nachbarschaft mit einer Tasse ächten Thee's und hatte zu gleicher Zeit ein wachsames Auge auf ihre Dienstleute, welche in Verrichtung ihrer manchfachen Obliegenheiten und Aufträge ab- und zugingen. Der Küster und Vorsänger des Kirchspiels erquickte sich in einiger Entfernung von jenen an seiner sonnabendlichen Abendpfeife und versüßte sich die angenehme Räucherung durch ein gelegentliches Schlückchen Grog. Almosenpfleger Bearcliff, ein Mann von großem Gewicht im Dorfe, vereinigte die Behaglichkeiten beider Parteien – er hatte seine Pfeife und seine Theetasse, und zwar die letztere mit etwas Rum gewürzt. Ein paar Bauerleute saßen etwas abseits und tranken ihren Zweipfennigkrug Bier.

»Ist auch wirklich das Zimmer bereit für sie, und brennt das Feuer hell und raucht das Kamin nicht?« sagte die Wirthin zu einer Magd.

Die Antwort war bejahend. – »Man dürfte auf keine Weise unhöflich gegen sie sein; zumal in ihrem bedrängten Zustande,« sagte sie, sich an den Almosenpfleger wendend.

»Gewißlich nicht, Mrs. Mac-Candlish, gewißlich nicht. Sie könnten wirklich alles Mögliche aus meinem Laden verlangen, möcht' es sieben, acht oder zehn Pfund betragen, ich gäb es ihnen auf Borg, so bereitwillig als dem ersten in der Grafschaft. – Kommen sie in der alten Kutsche?«

»Wohl auf keinen Fall,« sagte der Vorsänger; »denn Miß Bertram kommt jedesmal auf dem weißen Pferdchen zur Kirche – und eine fleißige Kirchgängerin ist sie – und eine Lust ist's, das liebe junge Ding die Psalmen singen zu hören.«

»Ja, und der junge Laird von Hazlewood reitet nach der Predigt den halben Weg mit ihr heim,« sagte eine der Gevatterinnen aus der Gesellschaft; »mich wundert, wie der alte Hazlewood das leidet.«

»Ich weiß nicht, wie er es jetzt dulden kann,« antwortete eine andre der Theetrinkerinnen; »aber es gab eine Zeit, wo Ellangowan es schwerlich geduldet haben würde, daß seine Tochter sich mit dem jungen Hazlewood unterhielt.«

»Ja, es gab eine Zeit,« antwortete die erste mit einigem Nachdruck.

»Ich weiß gewiß, Nachbarin Ovens,« sagte die Wirthin, »daß die Hazlewoods von Hazlewood, obwohl sie eine recht gute alte Familie in der Grafschaft sind, doch nimmermehr, wäre die letzte Mandel Jahr nicht gewesen, daran gedacht haben würden, sich zu den Ellangowans zu erheben. Ei, Beste, die Bertrams sind die alten Dingawaies von alter Zeit her – es gibt ein Lied von ihrer einem, der eine Tochter des Königs von Man heirathete; es fängt an,

Herr Bertram zog wohl über die Haid,
Zum Weib sich zu holen die schönste Maid. –

Mr. Skreigh wird uns wohl die Ballade singen.«

»Werthe Frau,« sagte Skreigh, mit gewichtiger Miene und indem er sein Restchen Grog mit großer Feierlichkeit schlürfte, »unsre Talente sind uns zu anderm Gebrauch verliehen, als um alte weltliche Lieder so kurz vor Sonntag abzusingen.«

»Ei, ei, Mr. Skreigh, es wäre nicht das erste Mal, daß ich Euch am Sonnabend ein altes Ritterlied singen hörte. – Was aber die Kutsche betrifft, Herr Almosenpfleger, so ist die nicht aus dem Schuppen gekommen seit Mrs. Bertram starb, und das werden sechszehn oder siebzehn Jahre her sein – Jock Jabos ist mit einer Kutsche von mir fort, um sie zu holen; – mich wundert, daß er noch nicht zurück ist. 's ist pechfinstre Nacht – aber es sind auf der Straße keine gefährlichen Stellen, bis auf zwei, und die Brücke bei Warroch ist sicher genug, wenn er sich nur gehörig rechts hält. Aber da ist dann die Stelle von Heavieside-Brae, das ist ein wahres Mordloch für alle Postpferde – aber Jock kennt die Straße gut genug.«

Man hörte ein starkes Pochen an der Thür.

»Das sind sie nicht. Ich höre kein Wagenrasseln. – Grizzel, du Faulpelz, geh' nach der Thüre.«

»'s ist ein einzelner Herr,« meinte Grizzel endlich, »soll ich ihm denn das Gastzimmer aufschließen?«

»Ei Grizzel, faule Dirne, so spute dich doch; es wird ein englischer Reiter sein. In so später Nacht und ohne Bedienten zu kommen! – Hat der Knecht das Pferd abgenommen? – Gleich mach' ein Bischen Feuer in der rothen Stube.«

»Ich wünsche, Madame,« sagte der Reisende, indem er in die Küche trat, »ihr erlaubtet, daß ich mich hier wärme, denn die Nacht ist sehr kalt.«

Sein Aeußeres, seine Stimme und sein Benehmen brachte sogleich einen günstigen Eindruck hervor. Er war von hübscher, großer, schmächtiger Gestalt, schwarz gekleidet, wie man sah, sobald er sein Reitkleid abgelegt hatte; sein Alter mochte zwischen vierzig und fünfzig sein; seine Gesichtszüge waren ernst und interessant, und sein Wesen hatte etwas Militärisches. Sein Auftreten und seine Reden bekundeten in jeder Hinsicht den Gentleman. Lange Gewohnheit hatte der Mrs. Mac-Candlish einen feinen Takt gegeben, um den Stand ihrer Gäste zu errathen und ihren Empfang darnach einzurichten: –

Gebührend redet jeden Gast sie an,
Nach Würden wird ein jeglicher empfah'n,
Voll Achtung, freundlich, höflich, fein und sacht,
»Euer Gnaden Dienerin; – Meister Schmied, gut Nacht!«

Bei gegenwärtiger Gelegenheit war sie äußerst höflich, und verschwenderisch mit Entschuldigungen. Der Fremde bat, man möge sein Pferd gehörig versorgen – sie ging selbst hinaus, um den Hausknecht zu schelten.

»Nie war noch ein hübscher Stück Pferdefleisch in unserm Stalle« – sagte der Mensch, und diese Nachricht steigerte der Wirthin Respekt vor dem Reiter. Als sie bei ihrer Rückkehr fand, daß es der Fremde ablehnte in ein anderes Zimmer zu gehen, (welches allerdings, wie sie zugab, nur kalt und rauchig sein würde, so lange das Feuer noch nicht hell brenne,) so hieß sie den Gast freundlich neben dem Feuer Platz nehmen und bot ihm an Erfrischungen dar, was ihr Haus vermochte.

»Eine Tasse Thee, Madam, wenn Ihr so gut sein wollt.«

Mrs. Mac-Candlish fuhr geschäftig hin und her, verstärkte ihren Theekessel mit frischem Heisan, und fuhr fort, ihre Amtspflichten höchst anmuthig zu erfüllen. »Wir haben ein recht nettes Zimmer, Sir, ganz angenehm eingerichtet für Standespersonen; aber für diese Nacht ist es bereits einem Gentleman und seiner Tochter versprochen, die im Begriff sind, diesen Theil des Landes zu verlassen – eine meiner Kutschen ist fort nach ihnen, und muß gleich zurück kommen – es geht ihnen nicht ganz so wohl in der Welt, wie früher; aber es geht mit uns allen bald hoch und bald tief in diesem Leben, wie Ew. Gnaden wohl wissen werden, – aber ist auch der Tabaksgeruch Ew. Gnaden nicht unangenehm?«

»Keineswegs, Madam; ich bin ein alter Soldat und dergleichen völlig gewohnt. – Werdet ihr mir erlauben, einige Fragen über eine Familie hier in der Nähe zu thun?«

Jetzt hörte man Wagengerassel, und die Wirthin eilte zur Thür um die erwarteten Gäste zu empfangen; im Augenblick jedoch kehrte sie in Begleitung des Postillons zurück. »Nein, sie können nun auf keinen Fall kommen, – das steht schlimm mit dem Laird.«

»Ja, Gott helf' ihnen,« sagte die Wirthin, »morgen ist der Termin – der allerletzte Tag, da sie im Hause bleiben können – Alles wird genommen.«

»Ja, aber sie können auf keinen Fall kommen, sag' ich Euch – Mr. Bertram kann nicht von der Stelle.«

»Wie, Mr. Bertram?« sagte der Fremde, »hoffentlich betrifft es nicht Mr. Bertram von Ellangowan?«

»Just denselben, Sir; und wenn Ihr ein Freund von ihm seid, so kommt Ihr gerade zur Zeit, wo es zu Neige mit ihm geht.«

»Ich bin viele Jahre außer Landes gewesen – ist seine Gesundheit so sehr zerrüttet?«

»Ja, und seine Angelegenheiten obendrein,« sagte der Almosenpfleger; »die Gläubiger haben die Güter in Besitz genommen, die verkauft werden sollen. Und Einer der Alles bei ihm galt – ich nenne keinen Namen, aber Mrs. Mac-Candlish weiß, wen ich meine – (die Wirthin wiegte bedeutsam das Haupt,) – der setzt ihm jetzt am ärgsten zu. Ich habe selber einen kleinen Anspruch, aber lieber wollte ich ihn ganz einbüßen, als den alten Mann aus dem Hause treiben, und zwar gerade, da er dem Tode nahe ist.«

»Ja,« sagte der Küster, »dem Glossin liegt viel daran, sich den alten Laird vom Halse zu schaffen und den Verkauf zu beschleunigen, aus Furcht, der männliche Erbe möchte ihm noch in den Weg treten; denn ich habe sagen hören, wenn ein männlicher Erbe da wäre, könnten sie das Gut wegen der Schulden des alten Ellangowan nicht verkaufen.«

»Ich weiß, daß ihm vor vielen Jahren ein Sohn geboren ward,« sagte der Fremde; »er ist gestorben, wie es scheint?«

»Kein Mensch weiß das zu sagen,« antwortete der Küster geheimnißvoll.

»Todt!« sagte der Almosenpfleger, »ich stehe dafür, er ist seit lange todt; man hat in den zwanzig Jahren und länger nichts von ihm gehört.«

»Ach, zwanzig Jahre sind das noch nicht,« sagte die Wirthin; »gerade siebzehn sind es zu Ende dieses Monats; es erregte einen gewaltigen Lärm in der Gegend – das Kind verschwand am nämlichen Tage, wo der Zollaufseher Kennedy ums Leben kam. – Wenn Ihr lange in der Gegend bekannt seid, so werden Ew. Gnaden auch den Zollaufseher Frank Kennedy gekannt haben. Er war ein herzensguter Mann und war in Gesellschaft der besten Herren in der Grafschaft, und auch in unserm Hause trieb er so manchen Spaß. Ich war damals jung, Sir, und hatte nur erst den Mac-Candlish geheirathet, der nun auch todt ist« – (ein Seufzer) – »und manchen Spaß hab' ich damals mit dem Zollaufseher gehabt. Er war ein schlauer Fuchs – o, und wie wußte er den Schmugglern oft einen Bissen wegzuschnappen! aber er war zu wagehalsig. – Und nun seht, Sir, damals lag eine königliche Schaluppe unten in der Wigtonbay, und Frank Kennedy läßt sie Jagd auf Dirk Hatteraicks Fahrzeug machen – Ihr besinnt Euch doch noch auf Dirk Hatteraick, Herr Almosenpfleger? Ich denke ja, Ihr habt auch Euer Geschäftchen mit ihm gehabt – (der Almosenpfleger nickte auf gewisse Weise mit dem Kopfe und ließ ein ›hm‹ hören). Er war ein kühner Bursch, und vertheidigte sein Schiff, bis es in die Luft flog; und Frank Kennedy war der erste Mann am Bord gewesen, und so flog er eine Viertelmeile weit mit fort und fiel in's Wasser unter'm Felsen an der Warrochspitze, den man nun den Zöllnersprung nennt bis heutigen Tag.«

»Und Mr. Bertram's Kind,« sagte der Fremde, »was hat dies mit dem Allem zu schaffen?«

»Ja, Sir, der Junge machte sich gern mit dem Zollaufseher zu thun; und man meint allgemein, er sei mit ihm an Bord des Schiffs gegangen, wie denn die Jungens immer voran sind, wo es Unheil geben kann.«

»Nein, nein,« sagte der Almosenpfleger, »Ihr seid da nicht im Reinen, Luckie – denn der junge Laird ward von einem liederlichen Zigeunerweib mitgenommen, welches man Meg Merrilies nannte, – ich kann mich wohl auf ihr Gesicht besinnen, – und sie that es aus Rache, weil ihr Ellangowan in Kippletringan den Staubbesen geben ließ, nachdem sie einen silbernen Löffel gestohlen hatte.«

»Bitt' um Vergebung, Almosenpfleger,« sagte der Küster, »Ihr seid eben so ihm Irrthum, wie die Frau Wirthin.«

»Und welche Edition besitzt Ihr von der Geschichte, Sir?« sagte der Fremde, indem er sich mit Interesse an jenen wandte.

»Das läßt sich nicht so geradezu erzählen,« sagte der Vorsänger sehr feierlich.

Als man jedoch in ihn drang, zu sprechen, präludirte er mit zwei oder drei starken Zügen aus seiner Tabakspfeife, und aus dem wolkigen Heiligthum, welches er um sich verbreitete, ertheilte er folgende Legende, nachdem er seine Stimme erst durch einige hm! hm! in Stand gesetzt; und so ahmte er nun, so genau als möglich, die Beredtsamkeit nach, welche allwöchentlich über seinem Haupte von der Kanzel herabdonnerte.

»Was wir jetzo bedenken wollen, meine Brüder, – hm, hm – ich will sagen, meine lieben Freunde, – geschah nicht in einem Winkel, und mag allen Hexenadvokaten, Atheisten und Irrgläubigen aller Art als eine Lehre dienen. – Ihr müßt wissen, daß der edle Laird von Ellangowan nicht so eifrig, wie es sich geziemt hätte, damit war, sein Land von Hexen zu säubern (in Betracht des Wortes, das da gesagt ist: ›du sollst keine Zaubrerin leben lassen‹); auch nahm er es nicht gebührend streng mit denen, welche Kobolde hatten, welche Wahrsagerei und dergleichen trieben, wie es bei den Aegyptiern (so pflegen sich diese Leute zu nennen) und andern heillosen Banden in unserm Lande üblich ist. Nun war der Laird drei Jahre verheirathet, ohne einen Erben zu haben – man hielt dies für ein Strafgericht, weil er, wie es hieß, verbotenen Umgang mit der Meg Merrilies pflog, die in den beiden Grafschaften Galloway und Dumfries als die berüchtigtste Hexe bekannt war.«

»Daran mag wohl etwas Wahres sein,« sagte Mrs. Mac-Candlish; »ich weiß selber, daß er ihr zwei Gläser Schnaps in diesem Hause einschenken ließ.«

»Freilich wohl, Wertheste, und das bekräftigt nur noch meine Rede. – Endlich war denn die Lady guter Hoffnung, und in der Nacht, wo sie niederkommen sollte, da kommt an die Thür des Hauses, (an den Hof von Ellangowan, wie man es nennt,) ein steinalter, seltsam gekleideter Mann, und bittet um Quartier. Kopf, Beine und Arme waren nackt, obwohl es gerade im Winter war, und sein eisgrauer Bart hing ihm dreiviertel Ellen lang über die Brust herab. Gut, er ward eingelassen. Als nun die Lady niederkam, da forschte er genau nach der Minute der Geburt, und darauf ging er hinaus und befragte die Sterne. Als er zurückkam, meldete er dem Laird, daß dem bösen Feind Macht gegeben sei über das Knäblein, so in dieser Nacht geboren; und er möchte das Kind ja auf den Wegen der Frömmigkeit erziehen und ihm einen guten Lehrer an die Seite geben, der mit und für den Knaben unablässig betete. Und darauf verschwand der alte Mann und keine Seele hat ihn in diesem Lande jemals wieder gesehen.«

»Nun, damit ist es denn doch nicht ganz richtig,« sagte der Postillon, der in ehrerbietiger Entfernung der Unterhaltung zuhörte; »bitte Mr. Skreigh und die Gesellschaft um Verzeihung, – aber in des Mannes Gesicht war nicht so viel Haar zu sehn, als in dem des Küsters selber; und er hatte ein Paar gute Stiefeln, wie sie je ein Mann an den Beinen trug, und Handschuh obendrein; – und auf Stiefeln mußt' ich mich verstehn, sollt' ich meinen.«

»Still, Jock,« sagte die Wirthin.

»Nun, und was wißt Ihr denn von der Geschichte, Freund Jabos?« sagte der Vorsänger mit geringschätzigem Blicke.

»Nun, jedenfalls ist es etwas, Mr. Skreigh – ich wohnte dazumal kaum einen Steinwurf weit vom Schloß Ellangowan; da kam nun in der Nacht, wo der junge Laird geboren ward, ein Mann an unsre Thür, und meine Mutter schickte mich, der ich ein flinker Bursch war, hinaus, um dem Fremden den Weg zum Schloßthor zu zeigen; wäre er nun so ein Hexenmeister gewesen, so hätt' er sich ja wohl von selber hinfinden können, – er war ein junges, wohlgebautes und gutgekleidetes Kerlchen und sah wie ein Engländer aus. Und ich sag' Euch, sein Hut, seine Stiefeln und Handschuh waren so gut, wie sie nur je ein Gentleman trägt. Allerdings warf er einen furchtsamen Blick auf das alte Schloß – und mit der Wahrsagerei hat er sich auch befaßt – ich habe wohl davon gehört; aber was sein Verschwinden betrifft, da hielt ich ihm selber den Steigbügel, als er fortritt, und er gab mir eine hübsche halbe Krone – er ritt eine Miethkracke, die Souple Sam hieß – sie gehörte dem George zu Dumfries – es war ein Teufelsvieh und hatte den Spath – ich habe das Beest vorher und auch nachher gar oft gesehen.«

»Gut, gut, Jock,« antwortete Mr. Skreigh mit mildem feierlichem Tone, »unsre Berichte differiren keineswegs in den Hauptsachen; aber ich wußte nicht, daß Ihr den Mann gesehn hattet. – So seht nun, meine Freunde, nachdem der Wahrsager dem Knaben Böses prophezeit hatte, gab ihm sein Vater einen frommen Gottesgelehrten bei, der Tag und Nacht um ihn war.«

»Ja, das war der Mann, den man nur Dominie Simson nannte,« sagte der Postillon.

»'s ist eben nicht viel an ihm,« bemerkte der Almosenpfleger; »ich habe gehört, daß er nie fünf Worte in einer Predigt zusammenbringen konnte, seitdem er Kandidat geworden.«

»Nun freilich,« sagte der Vorsänger mit einer Bewegung der Hand, als sei er begierig, selbst wieder das Wort zu gewinnen; »er war also Tag und Nacht um den jungen Laird. Da begab es sich, als der Knabe grade fünf Jahre alt war und der Laird zur Einsicht seiner Fehler kam, daß er beschloß, jene Zigeuner von seinem Grund und Boden zu jagen; dies setzte er auch in's Werk, und Frank Kennedy, ein rauher, kurz angebundner Patron, ward abgeschickt, um sie auszutreiben. Er fluchte und verwünschte sie, und sie thaten ihm zur Vergeltung dasselbe; und Meg Merrilies, die vom Feinde der Menschheit die meiste Macht erhalten hatte, verschwor sich, daß sie ihn, beides an Leib und Seele, ehe drei Tage vergehn würden, in ihrer Gewalt haben wolle. Und ich hab' es von sicherer Hand, von einem Manne, der selber dabei war, nämlich John Wilson, des Lairds Reitknecht, daß Meg dem Laird erschien, als er von Singleside über's Feld heimritt, und ihn mit alle dem bedrohte, was nachher die Familie wirklich betroffen hat; aber ob es Meg selber, oder ein Gespenst war, welches ihr glich, denn sie erschien in ganz übermenschlicher Größe, das wußte John nicht genau zu sagen.«

»Jawohl,« sagte der Postillon, »daran kann wohl etwas sein – ich weiß nichts dagegen zu sagen, denn ich war damals nicht in der Gegend; aber John Wilson ist freilich ein Prahlhans und ist dabei furchtsamer als ein Hase.«

»Und wie lautet das Ende von all diesen Dingen?« sagte der Fremde mit einiger Ungeduld.

»Der Ausgang und das Ende davon war, Sir,« sagte der Vorsänger, »daß, während alle zuschauten, wie ein Königsschiff auf einen Schmuggler Jagd machte, dieser Kennedy plötzlich, ohne einen denkbaren Grund, von ihnen fortrannte – Seile oder Taue hielten ihn freilich nicht zurück – und nach dem Warrochholze hinsauste, so schnell, als ihn sein Thier tragen konnte; unterwegs trifft er den jungen Laird mit seinem Hofmeister, er nimmt den Knaben zu sich auf's Pferd und schwört, wenn er behext sei, so solle der Knabe dasselbe Schicksal theilen; der Lehrer folgt so schnell er kann, und zwar beinah so schnell als sie selber, denn er war außerordentlich gut zu Fuße – da sah er Meg, oder den Teufel, ihren Herrn, in ihrer Gestalt, plötzlich aus dem Boden erscheinen und den Knaben aus dem Arme des Zöllners reißen – dieser setzte sich zur Wehr und zog sein Schwert – denn Ihr wißt, ein behexter Mann und ein Hengst fürchtet sich vor dem Teufel nicht.«

»Ich glaube, das ist sehr wahr,« sagte der Postillon.

»So, Sir, packte sie ihn und warf ihn wie einen Stein über die Klippen von Warroch, wo er am Abend gefunden ward – aber was aus dem Kinde ward, das kann ich freilich nicht sagen. Aber unser damaliger Geistlicher, der nun auch an einem bessern Orte ist, war der Meinung, der Knabe könne vielleicht nur auf eine Zeitlang nach dem Feenlande gebracht worden sein.«

Der Fremde hatte bei einigen Stellen dieser Erzählung leise gelächelt, aber eh' er antworten konnte, hörte man den Hufschlag eines Pferdes, und ein flinker, hübsch gekleideter Bedienter, mit einer Kokarde am Hute, stürmte in die Küche mit den Worten: »Macht ein Bischen Platz, liebe Leute;« als er jedoch den Fremden bemerkte, ward er alsbald zum höflichen und bescheidenen Bedienten, sein Hut sank vom Kopfe herunter, und er legte einen Brief in die Hände seines Herrn. »Die Familie zu Ellangowan, Sir, befindet sich in großer Trauer, und ist nicht im Stande, Besuche anzunehmen.«

»Ich weiß es,« erwiederte sein Herr. »Und wenn Ihr mir jetzt erlauben wollt, Madam, das erwähnte Zimmer einzunehmen, da die erwarteten Gäste doch nicht kommen« – –

»Sogleich, Sir,« sagte Mrs. Mac-Candlish und beeilte sich, auf dem Wege vorzuleuchten, und zwar mit all der geräuschvollen Geschäftigkeit, welche alle Wirthinnen bei solcher Gelegenheit gern entfalten.

»Junger Mensch,« sagte der Almosenpfleger zum Bedienten, indem er ein Glas füllte, »Ihr werdet hier so etwas nach Eurem Ritte wohl nicht stehen lassen.«

»Ei, bei Leibe nicht, Sir – Dank Euch – auf eure Gesundheit, Sir.«

»Und wer ist wohl Euer Herr, Freund?«

»Wer, der Gentleman, der hier war? das ist der berühmte Oberst Mannering, Sir, aus Ostindien.«

»Wie, von dem wir in den Zeitungen lesen?«

»Jawohl, ganz derselbe. Er war es, der Cuddieburn entsetzte, und Chingalore vertheidigte, und den großen Mahrattenhäuptling, Ram Jolli Bundleman, schlug – ich hab' ihn fast auf all seinen Feldzügen begleitet.«

»Gott sei uns gnädig,« sagte die Wirthin, »ich muß ihn doch fragen, was er zum Abendessen wünscht – daß ich ihn auch hier niedersetzen lassen konnte!«

»O, das hat er so gern, Mutter; – Ihr habt nie einen einfachern Mann in Eurem ganzen Leben gesehen, als unsern alten Oberst; und doch hat er auch manchmal den Teufel im Leibe.«

Da der Rest der Abendunterhaltung in den untern Räumen wenig Anziehendes hatte, so werden wir, mit des Lesers Erlaubniß, hinauf in das Gastzimmer steigen.



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