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Vierzehntes Kapitel.

»Ich widerstehe der Begegnung, bis
Mein Feind mich übermannt.«

Der Sturm.

»Das war nur schwach geblasen,« sagte Hagenbach, und stieg auf die Wälle, von denen aus er sehen konnte, was außerhalb des Thores vorging. »Wer kommt, Kilian?«

Der vertraute Knappe eilte, ihm die Neuigkeit mitzutheilen.

»Zwei Männer mit einem Maulthier, dem gnädigen Herrn zu dienen; und Kaufleute, vermuthe ich.«

»Kaufleute? Bist du des Teufels, Schurke? Krämer, willst du sagen. Hat man je von englischen Kaufleuten gehört, die zu Fuß reisen, und nicht mehr Gepäck haben, als man einem Maulthier aufladen kann? Das müssen bettelnde Zigeuner sein, oder von denen, die das französische Volk Schotten nennt. Die Schelme! sie sollen mit ihren Wänsten für die Armuth ihrer Beutel zahlen!«

»Seid nicht zu hastig, gnädiger Herr,« sagte der Knappe; »kleine Geldseckel halten reiche Güter. Aber reich oder arm, das sind unsere Leute, wenigstens sehen sie ganz so aus – der Aeltere, ziemlich groß und dunkeln Gesichts, mag fünfundfünfzig Jahre alt sein und hat einen etwas grauen Bart; der Jüngere, etliche zwanzig, größer als der Erste, und ein wohlgestalteter Bursche, mit glattem Kinn und hellbraunem Schnurrbart.«

»Laßt sie herein,« sagte der Statthalter, und wandte sich, um auf die Straße hinabzugehen, »und bringt sie in die Folterkammer des Zollhauses.«

Indem er dies sagte, begab er sich selbst nach dem bezeichneten Ort. Dies war ein Gemach in dem großen Thurm, der den östlichen Thorweg schützte, und hier war der Bock und verschiedene andere Marterwerkzeuge, welche der grausame und räuberische Statthalter bei solchen Gefangenen in Anwendung zu bringen gewohnt war, von denen er entweder Beute oder Nachricht zu erpressen wünschte. Er trat in das schwach erhellte Gemach, dessen hohe gothische Decke kaum gesehen werden konnte. Schlingen und Stricke, die von derselben herunterhingen, kündigten eine furchtbare Verbindung mit verschiedenen Geräthschaften von rostigem Eisen an, die an den Wänden herumhingen oder zerstreut auf dem Boden lagen.

Ein matter Lichtstrahl fiel durch eines der zahlreichen und engen Schießlöcher, mit denen die Mauern versehen waren, gerade auf die Gestalt und das Gesicht eines großen schwärzlichen Mannes, der nach der blos theilweisen Beleuchtung in einer finstern Ecke des Unheil verkündenden Gemaches saß. Seine Züge waren regelmäßig und sogar schön, aber von besonders finsterem und drohendem Gepräge. Die Kleidung desselben bestand aus einem Scharlachmantel; sein Haupt war entblößt und von struppigen schwarzen Locken umgeben, welche die Zeit theilweise grau gefärbt. Er beschäftigte sich eifrig mit dem Putzen eines breiten, zweihändigen Schwertes von sonderbarer Gestalt, und welches bedeutend kürzer war, als die Waffen dieser Art, die, wie wir beschrieben, bei den Schweizern im Gebrauch standen. So tief war er in sein Geschäft verloren, daß er beim Aufgehen der schweren Thüre mit schnarrendem Geräusch zusammenfuhr. Dabei fiel ihm das Schwert aus der Hand und rollte mit gewaltigem Rasseln an den Steinboden.

»Ha, Scharfrichter!« sagte der Ritter beim Eintritt in die Folterkammer, »du rüstest dich für dein Geschäft?«

»Es würde des gnädigsten Herrn Diener übel bekommen,« antwortete der Mann in rauhem, tiefem Ton, »wenn er lässig erfunden würde. Aber der Gefangene ist nicht weit; ich kann darüber aus dem Fallen meines Schwertes urtheilen, denn das kündigt unfehlbar die Anwesenheit dessen an, der seine Schneide fühlen soll.«

»Die Gefangenen sind bei der Hand, Franz,« entgegnete der Statthalter, »aber dein Vorzeichen hat dich einmal getäuscht. Es sind Bursche, für die ein guter Strick hinreichen wird, und dein Schwert trinkt blos edles Blut.«

»Desto schlimmer für Franz Steinernherz,« erwiderte der Beamte im Scharlach. »Ich glaubte, daß der gnädige Herr, da Ihr immer gütig gegen mich gewesen seid, mich heute adeln würde.«

»Adeln!« rief der Statthalter; »bist du toll, du, adelig! der Scharfrichter!«

»Und warum nicht, Herr Archibald von Hagenbach? Ich denke, der Name Franz Steinernherz von Blutacker sei so gut adelig als ein anderer, denn er ist rechtmäßig und gesetzlich gewonnen. Nun, starret mich nicht so an. Wenn einer von meinem Stand sein schreckliches Geschäft an neun Männern von edler Geburt versieht, und mit dem nämlichen Schwert und mit einem einzigen Hieb für jeden Missethäter, hat er da nicht ein Anrecht auf Freiheit von Abgaben und den Adel durch eine Urkunde?«

»So spricht das Gesetz,« sagte Herr Archibald nach kurzem Bedenken, – »aber mehr im Spott, als im Ernst, sollte ich meinen, da man noch Keinen fand, der Ansprüche auf die Wohlthat desselben erhob.«

»Desto größere Ehre für den,« sagte der Gesetzvollstrecker, »welcher der Erste sein wird, die Ehren in Anspruch zu nehmen, die man einem scharfen Schwert und einem sauberen Streich schuldig ist. Ich, Franz Steinernherz, werde der erste Adelige meines Standes sein, sobald ich noch einen Reichsritter abgefertigt habe.«

»Du bist immer in meinem Dienst gewesen, nicht wahr?« fragte der von Hagenbach.

»Unter welch' anderem Herrn,« erwiderte der Scharfrichter, »hätte ich mich so beständiger Uebung zu erfreuen gehabt? Ich habe Eure Sprüche an verurtheilten Sündern ausgeübt, seit ich eine Peitsche schwingen, eine Brechstange heben, oder diese zuverlässige Waffe schwingen konnte. Und wer kann sagen, ich habe je beim ersten Streich gefehlt oder einen zweiten versetzen müssen? Tristran de l'Hopital, Petit André und Trois Echelles sind, mit mir verglichen, Stümper im Gebrauch des edlen und ritterlichen Schwertes. Wahrhaftig, ich würde mich schämen, wenn ich mich in der Handhabung von Strick und Dolch mit ihnen messen sollte; dies sind keine Geschäfte, die eines christlichen Mannes würdig sind, der zu Ehren und Adel aufstrebt.«

»Du bist ein Kerl von ausgezeichneter Geschicklichkeit, das läugne ich nicht,« versetzte der Hagenbacher. »Aber es kann nicht sein, ich glaube, es kann nicht sein, daß ich so Viele habe umbringen lassen, da edles Blut im Lande so selten wird, und übermüthige Bauern den Herrn spielen über Ritter und Barone.«

»Ich will meinem gnädigen Herrn die Kranken, die ich kurirt, mit Namen und Titel hersagen,« sagte Franz, und zog eine Pergamentrolle hervor und las mit fortlaufenden Bemerkungen: – »Da war Graf Wilhelm von Elverschuh, er war mein Meisterstück, ein freundlicher Jüngling, und starb ganz wie ein Christ.«

»Ich erinnere mich – es war gewiß ein hübscher Junge, und er machte meiner Herrin den Hof,« sagte Archibald.

»Er starb am Tage Judä, im Jahr der Gnade 1455,« sagte der Scharfrichter.

»Weiter, blos Namen, kein Datum,« sagte der Statthalter.

»Herr Miles von Steckenburg –«

»Er trieb mein Vieh weg,« bemerkte der gnädige Herr.

»Herr Ludwig von Riesenfeld,« fuhr der Scharfrichter fort.

»Er liebelte mit meinem Weibe,« erläuterte der Statthalter.

»Die drei Junker von Lämmerburg – Ihr machtet ihren Vater, den Grafen, an einem Tage kinderlos.«

»Und er machte mich güterlos,« sagte Herr Archibald, »so ist die Rechnung richtig. – Du brauchst nicht weiter zu lesen,« fuhr er fort, »ich gebe zu, daß du deine Liste in der Ordnung hältst; aber sie ist mit fast allzurothen Buchstaben geschrieben. Ich hatte diese drei jungen Edelleute blos für eine Hinrichtung gezählt.«

»Da habt Ihr mir großes Unrecht gethan,« sagte Franz, »sie kosteten drei gute, besondere Streiche mit diesem guten Schwert.«

»Sei's so, und Gott sei mit ihren Seelen,« sagte Hagenbach. »Aber dein Ehrgeiz muß noch eine Zeitlang schlafen gehen, Scharfrichter, denn die Waare, die heute hierhergekommen, ist für Verließ und Strang, oder vielleicht eine Bekanntschaft mit dem Bock oder Peitschen mit den Riemen – es ist keine Ehre bei ihnen zu gewinnen.«

»Desto schlimmer für mich,« sagte der Scharfrichter, »ich habe so gewiß geträumt, Eure Ehren würden mich adeln; – und dann der Fall meines Schwertes?«

»Nimm einen Schluck Wein und vergiß deine Prophezeihungen.«

»Mit Eurer Ehren Erlaubniß, nein,« sagte der Scharfrichter, »vor Mittag trinken, hieße die Festigkeit meiner Hand in Gefahr bringen.«

»Nun, so schweig' und denk' an dein Geschäft,« sagte der Hagenbacher.

Franz nahm sein entblößtes Schwert auf, wischte ehrerbietig den Staub davon ab, und legte es in eine Ecke des Zimmers, wo er stehen blieb und die Hände auf den Knopf seiner gefährlichen Waffe legte.

Fast unmittelbar darnach trat Kilian an der Spitze von fünf oder sechs Söldnern herein. Sie führten die beiden Philipson, deren Arme mit Stricken gebunden waren.

»Gib mir einen Stuhl her,« sagte der Statthalter, und nahm feierlich Platz an einem Tisch, auf dem Schreibgeräthe stand. »Wer sind diese Männer, Kilian, und warum sind sie gebunden?«

»Mit Eurem Wohlmeinen, gnädiger Herr,« sagte Kilian, tiefe Ehrfurcht im Betragen. Dasselbe war gänzlich verschieden von dem sich der Vertraulichkeit nähernden Tone, in welchem er mit seinem Herrn unter vier Augen verkehrte. »Wir hielten nicht für gut, diese beiden Fremden bewaffnet in Eurer huldreichen Gegenwart erscheinen zu lassen; und als wir von ihnen verlangten, sie sollten am Thore ihre Wehren abgeben, wie es Sitte der Besatzung ist, ließ sich der junge Mensch da beigehen, Widerstand zu leisten. Ich muß aber zugestehen, daß er seine Waffe auf Befehl seines Vaters auslieferte.«

»Das ist nicht wahr!« rief der junge Philipson; gehorchte aber alsbald, als ihm sein Vater ein Zeichen gab, stille zu sein.

»Edler Herr,« sagte der ältere Philipson, »wir sind Fremde, und nicht bekannt mit den Vorschriften in dieser Festung; wir sind Engländer, und nicht gewohnt, uns persönlicher Mißhandlung zu unterwerfen; wir hegen das Vertrauen, Ihr werdet uns deßhalb für entschuldigt halten, da wir uns ohne alle Angabe der Ursache, und ohne zu wissen von wem, auf grobe Weise angefallen sahen. Mein Sohn ist jung und unbesonnen, und zog seine Waffe theilweise heraus, ließ aber auf mein Geheiß davon ab. Er hatte sein Schwert nicht völlig entblößt, noch weniger einen Hieb geführt. Ich selbst bin ein Kaufmann, und gewohnt, mich den Gesetzen und Gebräuchen der Länder zu unterziehen, in welchen ich meinen Handel treibe; ich befinde mich auf dem Gebiet des Herzogs von Burgund, und weiß, daß seine Gesetze und Gebräuche gerecht und billig sein müssen. Er ist der mächtige und treue Verbündete von England, und ich fürchte nichts, so lange ich unter seiner Fahne bin.«

»Hem! Hem!« entgegnete von Hagenbach, etwas aus der Fassung gebracht durch des Engländers Ruhe. Vielleicht dachte er auch daran, daß Karl von Burgund, wenn seine Leidenschaften nicht geweckt wurden (wie es der Fall war, wenn er mit den von ihm verabscheuten Schweizern zu thun hatte), den Namen eines gerechten, wenn auch strengen Fürsten verdiente. – »Schöne Worte sind gut, geben aber schwerlich Ersatz für schlimme Handlungen. Ihr habt aufrührerisch das Schwert gezogen und Euch den Söldnern des Herzogs widersetzt, während sie die Befehle vollzogen, die ihnen in Bezug auf ihre Wachen gegeben sind.«

»Gewiß, Herr,« antwortete Philipson, »das ist eine strenge Deutung einer sehr natürlichen Handlung. Aber, mit einem Worte, wenn Ihr auch streng sein wollt, so könnt Ihr das bloße Zeigen des Schwertes oder den Versuch, es in einer Stadt mit einer Besatzung zu ziehen, nur mit einer Geldbuße belegen, und die müssen wir zahlen, wenn es Euer Wille ist.«

»Das ist ein einfältiges Schaf,« sagte Kilian zu dem Scharfrichter, neben den er sich etwas abseits von der Menge gestellt hatte, »das seine Wolle freiwillig dem Scheerer anbietet.«

»Es wird kaum hinreichen, seinen Hals zu lösen, Herr Knappe,« antwortete Franz Steinernherz; »denn, seht Ihr, ich träumte letzte Nacht, daß mich unser Herr zum Edelmann machte, und ich sah an dem Fallen meines Schwertes, daß dies der Mann ist, durch den ich adelig zu werden im Begriff bin. Ich werde noch heute mit meinem guten Schwert an ihm zu thun bekommen.«

»Was, du ehrgeiziger Narr,« sagte der Knappe, »das ist kein Edler, sondern ein Krämer von der Insel – ein bloßer englischer Bürger.«

»Du irrst dich,« sagte der Scharfrichter, »und hast nie Männer gesehen, wenn sie zu sterben im Begriff stehen.«

»Nicht?« sagte der Knappe. »Habe ich nicht fünf ordentliche Schlachten gesehen, außer unzähligen Scharmützeln und Hinterhalten?«

»Das ist keine Probe des Muthes,« entgegnete der Scharfrichter. »Alle Männer werden fechten, wenn sie einander gegenüber stehen, der elendeste Hund, – jeder Mistfink. Der aber tapfer ist und edel, kann das Schaffot und den Block ansehen, den Priester, der ihm die Absolution gibt, und den Henker und das gute Schwert, das ihn in seiner Kraft niedermähen soll, als blickte er auf gleichgültige Dinge; und ein Solcher ist der Mann, den wir eben vor uns haben.«

»Ja,« erwiderte Kilian; »aber dieser Mann schaut nicht auf solche Zurüstungen – er sieht blos unsern edlen Gönner, Herrn Archibald von Hagenbach.«

»Und wer Herrn Archibald sieht,« fuhr der Scharfrichter fort, »und ein Mensch von Gefühl und Verstand ist, wie der, welcher vor uns steht, gewißlich ist, sieht der nicht Schwert und Henker? Dieser Gefangene begreift das sicher nur zu wohl, und durch die Fassung, die er trotz einer solchen Ueberzeugung an den Tag legt, beweist er, daß er edles Blut in sich hat, oder ich will nimmermehr adelig werden.«

»Unser Herr wird sich mit ihm verständigen, denk' ich,« versetzte Kilian, »er sieht ihn lächelnd an.«

»Dann glaubt mir nie wieder etwas,« gab der Mann im Scharlach zur Antwort; »es liegt in Herrn Archibalds Auge ein Glanz, der Blut bedeutet, so gewiß, als der Hundsstern eine Pestilenz.«

Während die Untergebenen des Herrn Archibald von Hagenbach sich so beiseits unterhielten, hatte dieser die Gefangenen in eine lange Reihe verfänglicher Fragen verwickelt, die ihr Geschäft in der Schweiz, ihre Verbindung mit dem Landammann, und die Ursache ihrer Reise nach Burgund betrafen. Der ältere Philipson gab hierauf offene und bestimmte Antworten, bis auf die letzte. Er ginge, sagte er, nach Burgund wegen seines Handels – seine Waaren ständen zur Verfügung des Gouverneurs, und er möchte sie alle oder einen Theil derselben zurückbehalten, wie er das vor seinem Herrn verantworten könnte. Aber sein Geschäft mit dem Herzog wäre eine Privatsache, und betreffe einige besondere Handelsgegenstände, bei denen Andere so gut als er betheiligt seien. Dem Herzog allein, erklärte er, würde er die Sache mittheilen, und er stellte dem Gouverneur ernstlich vor, daß des Herzogs Mißfallen die unvermeidliche Folge sein würde, wenn er für seine eigene Person, oder wenn sein Sohn irgend welchen Schaden litte.

Hagenbach gerieth augenscheinlich in Verlegenheit durch den festen Ton seines Gefangenen, und er holte sich mehr als einmal Raths bei der Flasche, seinem nie fehlenden Orakel in sehr schwierigen Fällen. Philipson hatte dem Statthalter bereitwillig ein Verzeichniß seiner Waaren übergeben, und dieses war so einladend, daß Herr Archibald dasselbe mit den Augen völlig verschlang. Er blieb einige Zeit in tiefes Nachdenken versunken, dann hob er den Kopf und sprach:

»Ihr müsset wissen, Herr Kaufmann, wie es des Herzogs Wille ist, daß keine Waare aus der Schweiz durch sein Gebiet gehen soll. Dessen ungeachtet seid Ihr nach Eurer eigenen Erklärung einige Zeit in diesem Lande gewesen, und habt auch eine Anzahl von Männern begleitet, die sich die Schweizer Abgeordneten nennen. Ich bin deßhalb zu dem Glauben berechtigt, daß diese werthvollen Gegenstände eher das Eigenthum dieser Leute sind, als das einer einzelnen Person von so armseligem Aussehen, wie Ihr. Wenn ich eine Geldbuße forderte, so würden dreihundert Goldstücke keine übertriebene Strafe für eine so kecke Handlungsweise sein. Ihr mögt dann mit dem Ueberrest Eurer Waaren ziehen, wohin Ihr wollt, wenn Ihr sie nur nicht nach Burgund bringet.«

»Ich muß aber ausdrücklich nach Burgund, und vor den Herzog selbst,« sagte der Engländer. »Wenn ich nicht dahin komme, so ist meine Reise umsonst, und des Herzogs Mißfallen fällt sicher auf die, so mir dabei Hindernisse in den Weg legen. Denn ich thue Euer Edeln zu wissen, daß Euer gnädiger Fürst schon von meiner Reise in Kenntniß gesetzt ist, und strenge Nachforschungen anstellen wird, wo und von wem ich darin unterbrochen worden bin.«

Der Statthalter schwieg abermals, und suchte herauszufinden, wie er den Genuß seines Raubes am besten mit der Vorsorge für seine Sicherheit vereinigen könnte. Nach einem Bedenken von einigen Minuten wandte er sich wiederum an seinen Gefangenen.

»Du bist sehr bestimmt in deinen Angaben, mein guter Freund; aber meine Befehle sind es eben so sehr, und verbieten die Einfuhr von Waaren, die aus der Schweiz kommen. Was dann, wenn ich auf dein Maulthier und dein Gepäck Beschlag lege?«

»Ich kann Eure Herrlichkeit nicht hindern, zu thun, was Euch beliebt. In diesem Fall werde ich an den Stuhl des Herzogs gehen, und dort meinen Auftrag anbringen.«

»Ei, und den meinen auch,« antwortete der Statthalter. »Das heißt, du willst bei dem Herzog gegen den Gouverneur von La Ferrette Klage führen, weil er die Befehle seines Herrn zu pünktlich ausführte?«

»Bei meinem Leben und Ehrenwort,« entgegnete der Engländer, »ich werde keine Beschwerde erheben. Laßt mir nur mein baares Geld, denn ohne dieses kann ich kaum an des Herzogs Hof reisen, und dann will ich nach diesen Gütern und Waaren nicht mehr zurücksehen als der Hirsch nach dem Geweih, welches er das Jahr zuvor abgeworfen.«

Abermals blickte der Statthalter von La Ferrette bedenklich drein und schüttelte den Kopf.

»Leuten in solchen Umständen, wie die Eurigen,« sagte der Statthalter, »kann man nicht trauen, und es ist, die Wahrheit zu sagen, auch nicht vernünftig, wenn sie Vertrauen erwarten. In was bestehen die Waaren, die für den Fürsten insbesondere bestimmt sind?«

»Sie sind unter Siegel,« versetzte der Engländer.

»Sie sind also von seltenem Werthe, ohne Zweifel?« fuhr der Statthalter fort.

»Ich kann das nicht sagen,« erwiderte der ältere Philipson, »und weiß bloß, daß der Herzog einen hohen Werth darauf setzt. Aber Euer Edeln weiß, daß große Fürsten manchmal Kleinigkeiten hochschätzen.«

»Traget Ihr sie bei Euch?« sagte der Statthalter. »Seid auf Eurer Hut, was Ihr antwortet – blickt um Euch auf diese Werkzeuge. Sie können einen stummen Mann zum Reden bringen, und bedenkt, ich habe die Macht, sie anwenden zu lassen!«

»Und ich den Muth, ihre schlimmste Anwendung zu ertragen,« antwortete Philipson mit derselben undurchdringlichen Kälte, welche er während der ganzen Unterredung an den Tag gelegt.

»Erinnert Euch auch,« sagte Hagenbach, »daß ich Eure Person sowohl, als Eure Felleisen und Ranzen einer gründlichen Durchsuchung unterwerfen kann.«

»Ich erinnere mich daran, daß ich völlig in deiner Gewalt bin. Und um dir keine Entschuldigung dafür zu lassen, daß du an einem friedlichen Reisenden Gewalt übst, will ich gestehen,« entgegnete Philipson, »daß ich das Päckchen des Herzogs in der Brusttasche meines Wamses trage.«

»Thu' es heraus,« gab der Statthalter zur Antwort.

»Meine Hände sind gebunden, sowohl durch die Ehre, als im buchstäblichen Begriff,« sagte der Engländer.

»Reiß' es ihm aus dem Busen, Kilian,« sagte Herr Archibald, »laß uns das Zeug sehen, von dem er spricht.«

»Könnte ein Widerstand etwas nützen,« versetzte der standhafte Kaufmann, »so solltet Ihr mir zuerst das Herz ausreißen. Aber ich bitte alle Anwesenden zu beachten, daß jedes der Siegel in dem Augenblick, da es mir gewaltsamer Weise abgenommen wird, daran ganz und unverletzt ist.«

Als er dies sprach, blickte er auf die Söldner umher, deren Anwesenheit Hagenbach vielleicht vergessen hatte.

»Wie, Hund!« schrie Herr Archibald, und ließ seiner Leidenschaft den Lauf, »wollt Ihr meine Leute zur Meuterei aufreizen? Kilian, laß die Soldaten draußen warten!«

Während er dies sagte, steckte er das kleine, aber besonders wohl verwahrte Päckchen, welches Kilian dem Kaufmann abgenommen, hastig unter sein eigenes Gewand. Die Soldaten entfernten sich, wiewohl zögernd, indem sie rückwärts blickten, wie Kinder, die von einem Schauspiel vor dem völligen Schlusse desselben weggebracht werden.

»So, Kerl!« fing der Hagenbacher wieder an, »jetzt sind wir mehr unter uns. Willst du jetzt unter mehr angemessenen Verhältnissen mit mir handeln und mir sagen, was in diesem Päckchen ist und woher es kommt?«

»Und würde sich Eure ganze Besatzung in dieses Zimmer drängen, ich könnte blos antworten wie zuvor. – Den Inhalt kenne ich nicht genau – die Person, von welcher ich geschickt wurde, bin ich entschlossen, nicht zu nennen.«

»Vielleicht ist Euer Sohn gefälliger,« sagte der Statthalter.

»Er kann Euch nichts sagen, von dem er nichts weiß,« entgegnete der Kaufmann.

»Die Folter macht vielleicht, daß Ihr Eure Zungen findet; und wir wollen sie an dem jungen Burschen zuerst versuchen, Kilian. Du weißt, wir haben schon Männer vor dem Anblick der verrenkten Glieder ihrer Kinder zurückbeben sehen, die ihre eigenen alten Sehnen mit vieler Standhaftigkeit dem Streckeisen überlassen haben würden.«

»Ihr könnt den Versuch machen,« sagte Arthur, »der Himmel wird mir Stärke verleihen, es auszuhalten – –«

»Und mir Muth, es mit anzusehen,« fügte sein Vater hinzu.

Der Statthalter drehte die ganze Zeit das Päckchen in der Hand herum, und betrachtete jede Falte desselben sorgfältig. Ohne Zweifel bedauerte er heimlich, daß ein paar Stückchen Wachs, die unter einem Umschlag von karmoisinrothem Atlas angebracht waren und seidene Schnüre seine gierigen Augen abhielten, sich über die Beschaffenheit der Schätze zu vergewissern, welche sie ohne Zweifel verbargen. Zuletzt rief er die Soldaten wieder herein, überlieferte die zwei Gefangenen ihrer Verantwortlichkeit und befahl sie wohl und in abgesonderten Räumen zu verwahren, besonders aber den Vater mit größter Sorgsamkeit zu hüten.

»Ich nehme Alle, die hier sind, zu Zeugen,« rief der ältere Philipson, ohne die drohenden Geberden des Hagenbachers zu beachten, »daß der Statthalter mir ein Päckchen vorenthält, welches an seinen gnädigsten Herrn und Meister, den Herzog von Burgund, gerichtet ist.«

Die Wuth trieb dem Hagenbacher den Schaum vor den Mund.

»Und mußte ich es nicht zurückbehalten?« schrie er mit vor Zorn erstickter Stimme. »Kann nicht ein böser Anschlag gegen das Leben unseres gnädigsten Landesherrn, durch Gift oder auf andere Art, in diesem verdächtigen Päckchen stecken, da der, welcher es trägt, so sehr verdächtig ist? Haben wir nie von Giften gehört, welche durch die Geruchswerkzeuge ihre Wirkung thun? Und sollen wir, die wir, wie ich sagen möchte, das Thor zu Seiner Gnaden von Burgund Besitzungen inne haben, sollen wir das hereinlassen, was Europa des Stolzes der Ritterschaft, Burgund seines Fürsten und Flandern seines Vaters berauben könnte? Nein! Weg mit diesen schlechten Menschen, Soldaten – hinunter mit ihnen in die tiefsten Verließe, haltet sie gesondert und bewacht sie gut. Dieser verrätherische Anschlag ist mit Vorwissen von Bern und Solothurn gemacht worden.«

Also rasete Herr Archibald von Hagenbach mit erhobener Stimme und flammendem Gesicht, indem er seinen Eifer gleichsam selbst emporstachelte, bis die Tritte der Söldner und das Rasseln ihrer Waffen, die sich mit ihren Gefangenen entfernten, nicht mehr hörbar waren. Seine Farbe wurde, als diese aufhörten, blasser, als ihm natürlich war – seine Stirne zog sich in ängstliche Falten – und seine Stimme war leiser und schwankender als gewöhnlich, wie er sich zu seinem Knappen wandte und sagte: »Kilian, wir stehen auf einem schlüpfrigen Brett und ein wüthender Waldstrom ist unter uns. – Was ist zu thun?«

»Zum Henker! Vorwärts schreiten mit entschlossenem, aber vorsichtigem Schritt,« erwiderte der listige Kilian. »Es ist ungeschickt, daß all' die Bursche das Päckchen sehen und die Berufung jenes eisennervigen Krämers mit anhören mußten. Aber dieser Unfall hat uns nun betroffen, und da das Päckchen in Eurer Excellenz Händen gewesen ist, so wird man glauben, Ihr habet die Siegel erbrochen. Ja, wenn ihr sie so unverletzt lasset, wie sie in dem Augenblick waren, da sie aufgedrückt wurden, so wird man eben vermuthen, sie seien auf eine sinnreiche Art wieder ersetzt worden. Laßt uns sehen, was darin ist, ehe wir entscheiden, was damit anzufangen sei. Es muß einen seltenen Werth haben, da der grobe Kaufmann es zufrieden gewesen wäre, die ganze reiche Waarenladung seines Maulthiers dahinten zu lassen, sofern dieses kostbare Päckchen ununtersucht durchgelassen würde.«

»Es könnten Papiere über Staatsangelegenheiten sein. Viele solche und von hoher Wichtigkeit gehen im Geheimen zwischen Eduard von England und unserem kühnen Herzog hin und her,« war die Antwort des Hagenbachers.

»Wenn es Papiere sind von Bedeutung für den Herzog,« erwiderte Kilian, »so können wir sie nach Dijon befördern. – Oder sie könnten auch von der Art sein, daß Ludwig von Frankreich sie mit Gold aufwägen würde.«

»Schäme dich, Kilian,« versetzte der Ritter, »wolltest du, daß ich die Geheimnisse meines Herrn an den König von Frankreich verriethe? Eher wollte ich mein Haupt auf den Block legen.«

»Wirklich? Und doch trägt Eure Eminenz kein Bedenken – –«

Hier hielt der Knappe inne, augenscheinlich aus Furcht, etwas Beleidigendes zu sagen, wenn er von dem Treiben seines Gönners zu offen und verständlich redete.

»Den Herzog zu plündern, wolltest du sagen, du unverschämter Sklave. Und wenn du das gesagt hättest, so wärest du so dumm gewesen, als du gewöhnlich bist,« gab der Hagenbacher zur Antwort. »Ich nehme mir allerdings einen Antheil an dem Raub, welchen der Herzog den Ausländern abnimmt, und das mit gutem Grund. Gerade so bekommt der Jagdhund und der Falke seinen Antheil an dem Wild, was sie niederwerfen, und des Löwen Antheil noch dazu, wenn der Jäger oder Falkenier ihnen nicht zu nahe ist. Das sind die zufälligen Einkünfte meines Ranges; und der Herzog, der mich hierher setzte, um seinem Unwillen Genüge zu thun und mein Vermögen aufzubessern, mißgönnt sie einem getreuen Diener nicht. Und gewiß darf ich mich, so weit sich der Bezirk La Ferrette erstreckt, als des Herzogs völligen Stellvertreter betrachten, oder, wie man es auch heißen könnte, als sein anderes Ich – und demzufolge werde ich dieses Päckchen öffnen, welches an ihn und eben darum auch an mich gerichtet ist.«

Als er sich so gewissermaßen selbst zu einer hohen Vorstellung von seiner eigenen Würde hinaufgeredet, durchschnitt er die Schnüre des Päckchens, welches er die ganze Zeit in der Hand behalten hatte, nahm die äußeren Hüllen ab und brachte ein sehr kleines Kästchen von Sandelholz heraus.

»Der Inhalt,« sagte er, »muß nothwendigerweise kostbar sein, da er in einem so kleinen Raume liegt.«

Bei diesen Worten drückte er an die Feder, das Behältniß ging auf und zeigte ein Halsband von Diamanten, ausgezeichnet durch Glanz und Größe und augenscheinlich von außerordentlichem Werth. Die Augen des habsüchtigen Statthalters und seines nicht weniger raubgierigen Dieners wurden von dem ungewohnten Glanz so geblendet, daß sie eine Zeit lang nichts als Freude und Ueberraschung auszudrücken vermochten.

»Ei, der Teufel, Herr,« sagte Kilian. »Der halsstarrige alte Spitzbube hatte alle Ursache zu seiner Widerspenstigkeit. Ich hätte meine eigenen Glieder ein- oder zweimal recken lassen, ehe ich solche Funkler wie die da herausgegeben haben würde. – Und nun, Herr Archibald, darf Euch Euer getreuer Diener fragen, wie diese Beute zwischen dem Herzog und seinem Statthalter nach den in besetzten Städten üblichsten Regeln vertheilt werden soll?«

»Traun, wir wollen annehmen, die Stadt sei im Sturme genommen worden, Kilian, und bei einem Sturm, weißt du, nimmt der erste Finder Alles – immer mit schuldiger Rücksicht auf seine getreuen Begleiter.«

»Wie ich, zum Beispiel,« sagte Kilian.

»Ei, und ich, zum Beispiel,« erwiderte eine Stimme, die wie der Widerhall der Worte des Knappen aus dem entfernten Winkel des alten Gemachs hervorklang.

»Tod und Teufel! wir werden behorcht!« rief der Statthalter auffahrend und legte die Hand an den Dolch.

»Blos von einem getreuen Diener, wie der würdige Knappe bemerkt,« sprach der Scharfrichter, und trat langsam vorwärts.

»Schurke, was unterstehst du dich, mich zu belauern?« schrie ihn Herr Archibald von Hagenbach an.

»Laßt Euch das nicht kümmern, Herr,« sagte Kilian. »Der ehrliche Steinernherz hat keine Zunge zum Sprechen, kein Ohr zum Hören, als wenn Ihr es verlangt. Wir müssen ihn überdies in unsere Berathung aufnehmen, da die Männer aus der Welt geschafft werden müssen, und das ohne Verzug.«

»Wirklich!« sagte der Hagenbacher. »Ich hatte im Sinn, sie zu verschonen.«

»Damit sie dem Herzog von Burgund sagen, wie der Statthalter von La Ferrette seinem Schatzmeister von den Abgaben und Bußen bei seinem Zollhause Rechnung ablegt?« fragte Kilian.

»Es ist wahr,« sagte der Ritter; »die Todten haben weder Zähne noch Zungen; sie beißen nicht und erzählen nichts. Du wirst das in Ordnung bringen, Scharfrichter.«

»Ich werde es, gnädiger Herr,« gab der Nachrichter zur Antwort, »unter einer Bedingung thun. Nämlich, wenn die Hinrichtung im Verließ vor sich gehen soll, was ich das Kellerverfahren nenne, so soll mein Anspruch auf den Adel mir erhalten und sicher bleiben, und es soll erklärt werden, die Hinrichtung begründe meine Ansprüche ebenso gut als es der Fall sein würde, wenn der Streich am hellen Tageslicht und mit meinem ruhmreichen Richtschwert geführt worden wäre.«

Der Hagenbacher starrte den Henker an, als verstände er nicht, was er wolle. Kilian nahm daher Gelegenheit zu erklären, der Scharfrichter habe aus dem freien und unerschrockenen Betragen des älteren Gefangenen die feste Ueberzeugung erlangt, daß dieser ein Mann von edlem Blut sei, und er wolle aus der Enthauptung desselben alle die Vortheile ableiten, die einem Nachrichter zugesagt seien, wenn er sein Geschäft an neun Männern von erlauchter Geburt vollführt habe.

»Er mag Recht haben,« sagte Herr Archibald, »denn hier ist ein Pergamentstreifen, der den Ueberbringer des Halsgeschmeides dem Herzog empfiehlt und den Wunsch ausspricht, er möge dasselbe als ein sicheres Zeichen von Einem annehmen, den er wohl kenne, und dem Ueberbringer vollen Glauben in Allem schenken, was er im Namen derer sagen werde, die ihn schicken.«

»Von wem ist der Zettel unterzeichnet, wenn ich so frei sein darf, zu fragen?« fragte Kilian.

»Es ist kein Name da – man muß voraussetzen, daß der Herzog darauf aus den Edelsteinen oder vielleicht aus der Handschrift schließen werde.«

»Er wird wahrscheinlich noch nicht so bald Gelegenheit finden, an einem von beiden seine Geschicklichkeit zu zeigen,« sagte Kilian.

Der Hagenbacher blickte auf die Diamanten und lächelte finster. Der Scharfrichter, den die Vertraulichkeit ermuthigte, in welche er sich gewissermaßen selber eingedrängt hatte, kam wieder auf seine Forderung zurück und bestand darauf, der vermeinte Kaufmann sei ein Adeliger. Ein solches Vertrauen und ein solches unbeschränktes Beglaubigungsschreiben konnte, wie er behauptete, keinem Mann von niedriger Geburt gegeben werden Ludwig XI. war wohl der erste französische König, der bei der Wahl seiner Diener nicht auf die Geburt Rücksicht nahm. Er übertrug oft Leuten von geringer Herkunft die höchsten Stellen..

»Du irrst dich, du Narr,« entgegnete der Ritter. »Die Könige verwenden heutzutage die niedrigsten Werkzeuge zu ihren wichtigsten Geschäften. Ludwig hat zuerst angefangen, seinen Barbier und seine Kammerdiener zu Geschäften zu verwenden, mit denen früher Herzoge und Pairs betraut waren, und andere Monarchen fangen an, bei der Wahl ihrer Beamten und in wichtigen Angelegenheiten sich mehr darnach zu richten, wie es um eines Mannes Gehirn, als wie es um sein Blut steht. Und was den stolzen Blick und das kühne Betragen betrifft, welches jenen Burschen in Augen von Memmen wie du auszeichnet, so gehört das seinem Lande, nicht aber seinem Stande an. Du meinst, es sei in England wie in Flandern, wo ein Bürgerskind von Gent, Lüttich oder Ypern sich von einem Ritter aus dem Hennegau ebenso wohl unterscheidet, als ein flandrischer Karrengaul von einem spanischen Zelter. Aber du irrst dich. England besitzt manchen Kaufmann von so stolzem Herzen und so entschlossener Hand, als irgend ein edelgeborner Sohn des reichen Landes. Aber sei nicht niedergeschlagen, du närrischer Mann, und verrichte deine Pflicht gut an diesem Kaufmann. Wir werden gleich den Landammann von Unterwalden in die Hände bekommen und der ist, obgleich ein Bauer durch seine eigene Wahl, dennoch ein Edelmann von Geblüt. Er soll durch seinen wohlverdienten Tod dir dazu verhelfen, daß du den Bauernbalg los wirst, dessen du so müde bist.«

»Wäre es nicht besser, wenn Ihr, gnädiger Herr, den Tod dieses Mannes verschieben würdet,« sagte Kilian, »bis Ihr etwas von den Schweizergefangenen höret, die wir alsbald in unsere Gewalt bekommen werden?«

»Sei es wie du willst,« entgegnete Hagenbach und bewegte die Hände, als wenn er irgend ein unangenehmes Geschäft bei Seite wärfe. »Aber Alles muß fertig sein, ehe ich wieder davon höre.«

Die furchtbaren Trabanten nickten Gehorsam zu und der Blutrath brach auf. Ihr Anführer verwahrte sorgfältig die kostbaren Steine, welche er sich durch einen Verrath an dem Fürsten, in dessen Dienste er sich freiwillig begeben und durch das Blut zweier unschuldigen Menschen zu erwerben Willens war. Doch bebte er mit einer Schwäche des Geistes, wie sie bei großen Verbrechern nicht ungewöhnlich ist, vor dem Gedanken an seine eigene Niederträchtigkeit und Grausamkeit zurück, und bemühte sich, das Gefühl der Schande aus seiner Seele zu verbannen, indem er die unmittelbare Ausführung seiner Schurkerei auf seine Untergebenen abwälzte.



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