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Elftes Kapitel.

Rasch fliege durch die Wellen du,
Rasch fliege, kleines Boot,
Rasch fliege hin und bringe du
Für Weib und Kinder Brot!
Es fliegt das Boot, es fliegt das Boot,
Es fliegt das Boot so gut,
Und fröhlich lebe, wer darin
Hinsteuert durch die Fluth.

Altes Lied.

Wir müssen unsere Leser nun in das Innere der Fischerhütte führen, welche im elften Kapitel (des ersten Theils) dieser erbaulichen Geschichte erwähnt wurde. Ich wünschte sagen zu können, daß das Innere wohlgeordnet, anständig ausgestattet und erträglich sauber gewesen sei. Im Gegentheil aber bin ich genöthigt zu berichten, daß Unordnung darin war, überdies Verfall, und ein guter Vorrath von Schmutz. Bei alle dem herrschte bei den Bewohnern, Luckie Mucklebackit und seiner Familie ein Anstrich von Behagen, Fülle und Wohlbefinden, wodurch sie ihr altes Sprichwort zu bewähren schienen: »Je dreckichter, desto bequemer.« Auf dem Herde brannte, obwohl jetzt Sommer war, ein gewaltiges Feuer, welches Licht, Wärme und Mittel zum Kochen auf einmal bieten mußte. Der Fischfang war ergiebig gewesen, und daher hatte die Familie mit gewohnter Rücksichtslosigkeit, seitdem ausgeladen war, nicht abgelassen, den für den häuslichen Verbrauch bestimmten Theil zu braten und zu sieden; die Gräten und Ueberbleibsel lagen auf den hölzernen Tellern, untermischt mit Brodrinden und halbausgetrunkenen und halbzerbrochenen Bierkrügen. Die rüstige und athletische Gestalt Maggie's waltete geschäftig unter einer Schaar halberwachsener Mädchen und kleinerer Kinder, von denen sie das eine und andere bald hierhin, bald dorthin stieß, mit einem Ausrufe, wie etwa, »Geh' aus dem Wege, kleiner Wildfang!« Einen starken Gegensatz bildete das stille und halb starre Wesen und Benehmen der Mutter ihres Mannes; diese Frau hatte die höchste Stufe der menschlichen Lebensdauer erreicht; sie saß auf ihrem gewohnten Platze dicht am Feuer, dessen Wärme sie suchte, aber kaum zu fühlen schien, während sie leise mit sich selber sprach, oder gedankenlos den Kindern zulächelte, die an den Bändern ihrer engen Haube zupften, oder mit ihrer blaugewürfelten Schürze spielten. Mit dem Rocken am Busen und der Spindel in der Hand, spann sie langsam und mechanisch nach altschottischer Weise altschottisches Garn. Die jüngern Kinder, die am Fuße der Alten umherkrochen, beobachteten den Lauf der Spindel in der Großmutter Hand und suchten nur manchmal den Gang derselben zu unterbrechen, wenn sie auf den Dielen in jenen Kreisen umhertanzte, welche das regelmäßigere Spinnrad nun so allgemein verdrängt hat, daß selbst die verwünschte Prinzessin des Feenmärchens jetzt durch ganz Schottland gehen könnte, ohne Gefahr, sich mit einer Spindel die Hand zu verletzen und an der Wunde zu sterben. Obwohl es spät war (Mitternacht war längst vorüber), so war die ganze Familie doch noch auf den Füßen und schien auch sobald noch nicht zu Bett zu wollen; die Frau buk noch geschäftig Haferkuchen auf dem Bleche, und das ältere Mädchen, die schon anderswo erwähnte halbnackte Seejungfer, bereitete eine Menge mit grünem Holz geräucherter Häringe zu, um sie zugleich mit jenen andern Nebenessen zu genießen.

Während sie Alle so beschäftigt waren, hörte man an der Thür ein leises Klopfen, begleitet von der Frage »Seid ihr noch auf, Leute?«, die Antwort, »ja, ja – kommt nur herein,« bewirkte das Oeffnen der Thür und herein trat Jenny Rintherout, die weibliche Bedienung des Alterthümlers.

»O,« rief die Herrin des Hauses, – »ist es denn möglich, sind Sie's, Jenny? man bekommt Sie doch außerordentlich selten zu sehn.«

»Ach, Frau, des Capitain Hektor's Wunde hat uns so in Anspruch genommen, daß ich diese vierzehn Tage über wirklich keinen Fuß aus dem Hause setzen konnte; aber jetzt ist er besser, und der alte Caxon schläft in seinem Zimmer, wenn er ja etwas braucht. Wie nun unsre alten Leute zu Bett waren, macht' ich mir nur schnell den Kopf ein Bischen zurecht und klinkte die Hausthür nur zu, im Fall Jemand herein oder herauswollte, während ich nicht da bin, und so bin ich nun herab gekommen, um zu sehn, ob es was Neues hier gibt.«

»Ei, ei,« antwortete Luckie Mucklebackit, »wie ich sehe, haben Sie sich ordentlich in Glanz geworfen – Sie sehen sich nach Steenie um – aber der ist heut Nacht nicht zu Hause – und für Steenie passen Sie auch nicht, Mädchen – ein so schwächliches Geschöpf kann einen Mann nicht erhalten.«

»Steenie paßt nicht für mich« – erwiederte Jenny, und warf den Kopf zurück, wie sich's für ein vornehmeres Mädchen gepaßt hätte, – »ich muß einen Mann haben, der seine Frau erhalten kann.«

»Ach ja, Kind – auf euern Landgütern und in der Stadt sagt ihr so – Meiner Treu! die Fischerweiber wissen's besser – sie erhalten den Mann, erhalten das Haus und das Geld obendrein, Mädchen.«

»Ach, da seid ihr ja recht arme Geschöpfe,« antwortete die Landjungfer der Seejungfer. – »Sobald der Kiel des Bootes den Sand berührt, thut der faule Fischer nicht das Geringste mehr, aber die Weiber müssen ihre Röcke aufschürzen, in das Wasser waten und die Fische auf's Trockene bringen. Dann wirft der Mann den Kittel ab, um ihn zu trocknen, und setzt sich mit seiner Pfeife und seinem Branntweinglase an's Feuer, gleich einer alten Großmutter, und er rührt sich auch nicht eher, als bis das Boot wieder flott ist. – Das Weib aber muß die Butte auf den Rücken nehmen, mit den Fischen nach der nächsten Stadt gehen und da mit jedem Weibe streiten und zanken, das streiten und zanken will, bis Alles verkauft ist. Das ist der Lebenslauf der Fischerweiber, der armen sclavischen Geschöpfe.«

»Sclaven? Gehn Sie mir weg, Mädchen! – Sclaven zu nennen, die oben anstehen im Hause! Sie verstehn wenig davon, Mädchen. Nennen Sie mir doch das Wort, das mein Saunders reden darf, oder den Schritt, den er thun darf, außer was sein Essen, sein Trinken oder seinen Zeitvertreib betrifft? Er hat zu viel Verstand, als daß er sich um mehr bekümmern sollte, als was ihn selber angeht; ich regiere aber im Hause vom Giebel herab bis zum hölzernen Teller auf der Bank. Er weiß recht gut wer ihn kleidet, nährt, und Alles in Ordnung hält, wenn er in seinem Boote nach dem Firth fährt, der arme Schelm. Nein, nein, Mädchen – wer die Waare verkauft, führt den Beutel – wer den Beutel führt, regiert das Haus. Zeigen Sie mir einen von Ihren Pächtern, der seine Frau zu Markte ziehen und das Geld eintreiben ließe. Nein, nein!«

»Nun gut, gut, Maggie, jedes Land hat seine Weise. – Aber wo ist der Steenie heute Nacht, da doch das Tagewerk zu End' ist? Und wo ist Ihr Mann?«

»Meinen Mann hab' ich zu Bett' gehen lassen, denn er war gar zu müde; Steenie ist mit dem alten Bettler, dem Edie Ochiltree, in irgend eine Scheune gegangen – sie werden wohl bald hier sein, setzen Sie sich indessen nieder.«

»Wirklich, gute Frau,« (indem sie sich niedersetzte,) »viel Zeit hab' ich nicht, aber ich wollte nur etwas Neues erzählen, Sie werden doch von der Goldkiste gehört haben, die Sir Arthur unten bei St. Ruth fand? – Er wird nun vornehmer denn je werden – er wird den Kopf nicht einmal beim Niesen mehr niederbeugen, um nicht etwa seine Schuh zu sehen.«

»Ja, ja, das ganze Land spricht davon; aber der alte Edie meint, man mache es zehnmal größer, als es wirklich war, und er habe es doch selber finden sehn. Ja, es wird lange währen, eh' einmal ein Armer, der's braucht, so etwas findet.«

»Ja, das ist freilich wahr. – Und Sie haben doch auch gehört, daß die Gräfin von Glenallan gestorben und ausgestellt ist, und daß sie heut Nacht in St. Ruth begraben werden soll, bei Fackellicht; alle papistischen Diener und Ringan Aikwood, der auch Papist ist, werden dort sein, und so wird es der größte Leichenzug, der je gesehn worden.«

»Nun, gutes Kind,« antwortete die Nereide, »wenn sie Niemand anders als Papisten dazu lassen, dann wird es hier zu Lande kein großes Gepränge geben; denn die alte Hure, wie der würdige Mr. Blattergowl sie nennt, hat in diesem Winkel unsers guten Landes nur noch Wenige, die aus ihrem Zauberbecher trinken. – Aber weßhalb begraben sie den alten Drachen (ein böses Weib war sie,) in so später Nacht? – das wird unsre Mutter wohl wissen.«

Hier erhob sich ihre Stimme und rief zwei oder drei Mal: »Mutter! Mutter!« Aber, von Apathie des Alters und von Taubheit befangen, fuhr die bejahrte Sibylle, die sie anredete, fort ihre Spindel zu drehen, ohne den Ruf zu verstehn.

»Rede du doch mit deiner Großmutter, Jenny. Ich will lieber das Boot eine Viertelstunde weit anrufen, wenn mir der Nordwest gegen die Zähne pfeift.«

»Großmutter,« sagte die kleine Seejungfer mit einer Stimme, an welche die alte Frau besser gewöhnt war, »die Mutter will wissen, warum die Leute von Glenallan immer bei Kerzenlicht in den Ruinen von St. Ruth begraben?«

Die alte Frau hielt mit dem Drehen der Spindel inne, wandte sich um nach den Anwesenden, hob ihre welke, zitternde und erdfarbige Hand empor, ließ das aschenfarbige, runzelige Gesicht sehen, welches sich hauptsächlich durch zwei raschbewegte, lichtblaue Augen vom Antlitz eines Leichnams unterschied, und während sie gleichsam nach etwas haschte, was sie in Berührung mit der lebenden Welt bringen sollte, antwortete sie: »Warum die Familie Glenallan ihre Todten bei Fackellicht begräbt, fragt das Kind? – Ist jetzt ein Glenallan gestorben?«

»Wir könnten Alle gestorben und begraben sein,« sagte Maggie, »ohne daß du etwas davon wüßtest;« darauf erhob sie ihre Stimme noch mehr, um sich ihrer Schwiegermutter verständlich zu machen und setzte hinzu; »die alte Gräfin ist es, Mutter.«

»Und ist sie endlich heimgerufen worden?« sagte die alte Frau in einem Tone, welcher andeutete, daß sie von mehr Gefühl ergriffen sei, als sich von ihrem hohen Alter und ihrer stumpfsinnigen Gleichgiltigkeit erwarten ließ. »Sie ist also endlich abgerufen, um ihre letzte Rechnung abzulegen, nach einem langen Leben voll Stolz und Herrschsucht? – Gott vergeb' ihr!«

»Aber die Mutter wollte wissen,« begann die kleine Fragerin wieder, »warum die Familie Glenallan ihre Todten bei Fackellicht begräbt?«

»So haben sie immer gethan,« sagte die Großmutter, »seit der Zeit, als der große Graf in der blutigen Schlacht bei Harlaw fiel, wo der Todtengesang in einem Tage erschollen sein soll von der Mündung des Tay bis zum Ende des Crabrach, daß man keinen andern Laut hören konnte, als den der Klage um die großen Männer, die im Kampfe gegen Donald von den Inseln gefallen waren. – Aber des großen Grafen Mutter lebte noch, und die Weiber des Hauses Glenallan waren ein hochmüthiges und hartes Geschlecht, daher wollte sie keinen Todtengesang für ihren Sohn singen lassen, sondern ließ ihn im Schweigen der Mitternacht zu seiner letzten Ruhstatt legen, ohne das Leichenmal zu halten oder die Klage zu singen. – Sie sagte, er habe genug getödtet am Tage, da er starb, daß die Wittwen und Töchter der Hochländer, die er erschlagen, den Todtengesang für ihre Gestorbenen und für ihren Sohn zugleich anstimmen könnten; so legte sie ihn in das Grab mit trockenen Augen und ohne eine Klage hören zu lassen. Dies galt nun in der Familie für ein stolzes Wort und man hielt daran fest, besonders in den letzten Zeiten, weil sie bei Nacht mehr Freiheit zur Ausübung ihrer papistischen Gebräuche hatten, welche sie im Dunkeln und in der Stille ungestörter, als beim Tageslichte, verrichten konnten. Wenigstens war es zu meiner Zeit so. Am Tage wären sie durch's Gesetz und durch das Volk von Fairport gestört worden. Jetzt übersieht man ihr Thun und Treiben, wie ich hörte. Die Welt verändert sich. Manchmal weiß ich kaum, ob ich steh' oder sitze, todt oder lebendig bin.«

Sie blickte nach dem Feuer hin, wie wenn sie sich eben jetzt in dem zweifelhaften Zustande befände, worüber sie klagte; und alsdann begann die alte Elsbeth wieder ihre gewohnte und mechanische Beschäftigung mit der Spindel.

»Ach,« sagte Jenny Rintherout leise zu ihrer Gevatterin, »es ist grausig, Ihre Großmutter auf diese Weise reden zu hören. Es ist, als ob ein Todter mit den Lebendigen spräche.«

»Das ist wohl wahr, Mädchen; sie merkt nichts von dem, was den Tag über vorgeht; aber bringt man sie auf alte Geschichten, dann kann sie sprechen wie ein Buch. Sie weiß mehr von der Familie Glenallan, als die meisten andern Leute, denn ihr Mann war lange Zeit Fischer daselbst. Sie wissen ja, daß die Papisten viel auf Fische halten, und das ist kein schlechter Theil ihrer Religion, mag es mit dem Uebrigen sein, wie es will. Ich konnte immer die besten Fische zum besten Preis für der Gräfin eigne Tafel verkaufen – Gott habe sie selig! – vorzüglich Freitags. Aber seht nur, wie sich die Hände und Lippen unserer Mutter bewegen; jetzt arbeitet es in ihrem Kopfe wie Bierhefen – diese Nacht wird sie gewiß viel reden; manchmal spricht sie die ganze Woche kein Wort, außer etwa mit den Kindern.«

»Ach, Mrs. Mucklebackit, sie ist doch ein grausiges Weib!« antwortete Jenny. »Meinen Sie, daß es ganz richtig mit ihr steht? man sagt, sie gehe nicht in die Kirche, rede nicht mit dem Pfarrer, und sei einst Papistin gewesen; aber seit ihr Mann todt ist, weiß Niemand, was sie glaubt. Glauben Sie denn, daß sie nicht hexen kann?«

»Hexen, o Sie albernes Mädchen! eben so wenig, wie jedes andere alte Weib – die Alison Breck ausgenommen – ich möchte wirklich für die nicht schwören; ich hab' es gesehn, wie ihre Körbe immer voll Krebse waren, als« –

»Still, still, Maggie,« flüsterte Jenny, »die Großmutter will wieder sprechen.«

»Sagte nicht Jemand von euch,« fragte die alte Sibylle, »oder hab' ich's nur geträumt, oder ist mir's offenbart worden, daß Joscelinde, die Lady Glenallan, gestorben und diese Nacht begraben worden ist?«

»Ja, Mutter,« schrie ihr die Schwiegertochter zu, »genau so verhält sich's.«

»Und das ist recht gut,« sagte die alte Elsbeth; »sie hat bei ihrem Leben so manches Herz schwer gemacht – ja, selbst das ihres eignen Sohnes – lebt der noch?«

»Ja, er lebt noch; aber wie lang' er leben wird – Besinnst du dich noch, wie er im Frühling hieher kam und nach dir fragte, und Geld daließ?«

»Das kann wohl sein, Maggie – ich besinne mich nicht mehr drauf; aber ein hübscher Herr war er und sein Vater auch. Ach, hätte sein Vater länger gelebt, da hätten sie glückliche Leute sein können! – Aber er verschied und die Lady machte nun mit dem Sohne, was sie wollte, und ließ ihn Dinge glauben, die er nie hätte glauben sollen, und Dinge thun, die er sein Lebenlang bereut hat und noch bereuen wird, wär' auch sein Leben so lang, als mein eignes langes und mühseliges Leben.«

»Ach, was war das denn, Großmutter?« und, »was war es, Mütterchen?« und »was war's, Luckie Elsbeth?« fragten die Kinder, die Mutter und die Besucherin Alle auf einmal.

»Fragt mich nimmer, was es war,« antwortete die alte Sibylle, »aber bittet Gott, daß ihr nicht dem Stolze und der Willkühr eures eignen Herzens überlassen bleibt. Sie können in der Hütte so mächtig werden, wie in einem Schlosse. Davon kann ich trauriges Zeugniß geben. – O, diese schreckliche, furchtbare Nacht! will das nimmer aus meinem alten Kopfe gehen? – Ach, sie auf der Erde liegen zu sehen, mit dem langen Haar, das vom Seewasser triefte! – der Himmel wird das an Allen rächen, die dabei zu thun hatten. – Kinder, ist mein Sohn mit dem Boote draußen in dieser stürmischen Nacht?«

»Nein, nein, Mutter – kein Boot kann bei diesem Sturm auf der See sein. Er schläft in seinem Bett hinter der Wand dort.«

»Dann ist Steenie wohl draußen?«

»Nein, Großmutter. Steenie ist mit dem alten Edie Ochiltree, dem Bettler, gegangen. Sie wollten vielleicht das Begräbniß mit ansehn.«

»Das kann nicht sein,« sagte die Hausfrau, – »Wir erfuhren es ja erst, als Jock Rand herkam und uns erzählte, die Aikwoods wären aufgefordert worden, dabei zu sein; sie halten solche Sachen gern geheim und brachten die Leiche fünf Stunden weit vom Schlosse in der dunkeln Nacht her. Zehn Tage lang ist sie in Glenallan ausgestellt gewesen in einem großen Zimmer, ganz schwarz ausgeschlagen und mit Wachskerzen erleuchtet.«

»Gott sei ihr gnädig!« rief die alte Elsbeth, deren Kopf offenbar noch immer mit dem Tode der Gräfin beschäftigt war. »Sie war ein hartherziges Weib, aber ist dahin gegangen zur Rechenschaft und seine Gnade ist unendlich – möge sie Gott ihr schenken!« – Sie versank nun wieder in Schweigen, welches sie während des ganzen Abends nicht mehr brach.

»Ich begreife nicht, was der alte Bettelmann und unser Sohn in einer solchen Nacht vorhaben können,« sagte Maggie Mucklehackit; die Besucherin theilte ihre Verwunderung; »eins von euch, Kinderchen, kann hinaus nach der Höhe gehen und ihnen zurufen, vielleicht hören sie's. Die Kuchen werden mir noch zu Kohle verbrennen.«

Der kleine Bote ging, kam aber nach wenigen Minuten zurückgelaufen mit dem lauten Geschrei: »Ach, Mutter! ach! Großmutter! ein weißes Gespenst jagt zwei schwarze die Höhe herunter.«

Geräusch von Fußtritten folgte dieser seltsamen Anmeldung, und der junge Steenie Mucklebackit, begleitet von Edie Ochiltree, stürzte in die Hütte. Beide waren erhitzt und außer Athem. Das Erste, was Steenie that, war, nach dem Riegel der Thür zu sehen, der aber, wie ihn seine Mutter erinnerte, in dem harten Winter vor drei Jahren als Brennholz verbraucht worden war. Denn was hilft denn, sagte sie, Leuten wie uns solch ein Ding?

»Es jagt uns Niemand nach,« sagte der Bettler, nachdem er zu Athem gekommen war; »wir benahmen uns wie Bösewichter, die ausreißen, wenn sie auch Niemand verfolgt.«

»Wahrlich, es setzte uns Jemand nach,« sagte Steenie, »entweder ein Geist, oder etwas, das wenig besser ist.«

»Es war ein weiß gekleideter Mann zu Pferde,« sagte Edie; »der weiche Boden, der das Thier nicht tragen konnte, gab nach, ich weiß das recht gut; aber ich hätte nicht gedacht, daß mich meine alten Beine noch so schnell forttragen könnten; ich rannte fast so schnell, als wär' ich bei Prestonpans gewesen.«

»Ach, ihr elenden Wichte!« sagte Luckie Mucklebackit, »es wird einer von den Reitern beim gräflichen Begräbniß gewesen sein.«

»Was!« sagte Edie, »ist die alte Gräfin diese Nacht in St. Ruth begraben worden? – Ach, daher kamen die Lichter und der Lärm, der uns fortjagte; ich wollte, ich hätte das gewußt, dann würd' ich den Mann nicht dort liegen gelassen haben. Aber sie werden schon für ihn sorgen. Du schlugst zu derb drauf los, Steenie – ich glaubte fast, du würdest ihm den Rest geben.«

»Ganz und gar nicht,« sagte Steenie lachend; »er hat derbe breite Schultern, und ich habe nur das Maaß davon mit dem Stocke genommen. Teufel, wär' ich nicht flink hinter ihm her gewesen, er hätte dir dein altes Hirn ausgeschlagen, Freund.«

»Nun, wenn ich diesmal gut aus der Affaire komme,« sagte Edie, »dann will ich die Vorsehung nicht mehr versuchen. Aber ich kann nicht denken, daß es gesetzwidrig wäre, solch einem Landstreicher einen Possen zu spielen, der nur davon lebt, daß er bessern Leuten Possen spielt.«

»Aber was sollen wir damit anfangen?« sagte Steenie, eine Brieftasche hervorziehend.

»Ach, Gott steh' uns bei, Mensch,« sagte Edie in großer Unruhe, »wer Teufel hieß dich das Ding anrühren? Ein einzig Blatt aus dieser Brieftasche kann schon genug sein, uns beide an den Galgen zu bringen.«

»Das weiß ich nicht,« sagte Steenie; »das Buch war ihm aus der Tasche gefallen, glaub' ich, denn ich fand es unter meinen Beinen, als ich ihn wieder auf die Füße stellen wollte, und da steckt' ich es in meine Tasche, um es zu verwahren; darauf kam das Pferdegetrappel, du riefst, ›fort, fort,‹ und ich dachte nicht mehr an das Buch.«

»Wir müssen es dem Schuft auf die oder jene Weise wiedergeben; am besten wär' es wohl, wenn du es selber in aller Frühe zu Ringan Aikwood hinauf trügst. Ich möchte nicht um hundert Pfund, daß man's in unsern Händen fände.«

Steenie versprach, dem ertheilten Rathe zu folgen.

»Sie haben sich eine schöne Nacht bereitet, Mr. Steenie,« sagte Jenny Rintherout, die, unmuthig darüber, daß sie so lange unbemerkt blieb, sich nun dem jungen Fischer selbst vorstellte. »Eine schöne Nacht haben Sie zugebracht; laufen mit Bettlern herum und lassen sich von Währwölfen jagen, während Sie in Ihrem Bett' schlafen sollten, wie Ihr Vater, der brave Mann!«

Dieser Angriff entlockte dem jungen Fischer als Erwiederung einen passenden ländlichen Scherz. Ein zweiter Angriff aber ward sodann auf die Haferkuchen und geräucherten Fische unternommen, und sehr hartnäckig mit Hilfe einiger Krüge Dünnbiers und einer Flasche Branntweins fortgesetzt. Der Bettler zog sich sodann auf sein Strohlager in einem anstoßenden Schuppen zurück – die Kinder waren, eins nach dem andern, in ihr Nest gekrochen – die alte Großmutter hatte man in ihr Federbett gebracht – Steenie war, trotz der erlebten Anstrengung, so artig, Miß Rintherout nach ihrer Wohnung zu begleiten, und um welche Zeit er nach Hause kam, das sagt die Geschichte nicht – die Hausfrau aber ging, nachdem sie das Feuer auf dem Herde gedämpft und Alles ein Bischen in Ordnung gebracht hatte, zuletzt von Allen zur Ruhe.


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