Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Viertes Kapitel.

Hier war ein wilder Streit mit meinem Vetter,
Dem Hauptmann, und dem Krieger da; warum,
Das weiß ich nicht, – um nichts wahrscheinlich wohl;
Ansprüche, Rangstreit und was sonst bei Kriegern
Vorkommen mag! –

Ein guter Streit.

Die aufmerksamen Zuhörer zollten der schönen Schreiberin der vorstehenden Sage ihren Dank, wie es die Höflichkeit verlangte. Oldbuck allein rümpfte die Nase und bemerkte, daß Miß Wardour's Kunstfertigkeit jener der Alchymisten etwas gleiche, denn sie habe sich bemüht, eine gesunde und schätzbare Lehre aus einer albernen und lächerlichen Geschichte zu ziehen. »Es ist jetzt Mode, so viel ich höre, dergleichen übertriebene Erdichtungen zu bewundern, – was mich betrifft, –

– – ich trag' ein englisch Herz,
Nicht bange vor Gerippen und Gespenstern.«

»Mit Ihrer Erlaubniß, mein guter Mr. Oldenbuck,« sagte der Deutsche, »Miß Wardour hat die Geschichte, wie sie es mit Allem thut, was sie angreift, wirklich recht artig gewendet; aber die ganze Geschichte vom Harzgeist, wie er zwischen den einsamen Bergen mit einem großen Fichtenstamm als Wanderstab wandelt, und mit dem großen grünen Kranz um Kopf und Leib – das ist Alles so wahr, als ich ein ehrlicher Mann bin.«

»Um eine so gut verbürgte Meinung läßt sich nicht weiter streiten,« antwortete der Alterthümler trocken. Aber in diesem Augenblick nahte sich ein Fremder und unterbrach das Gespräch.

Der neue Ankömmling war ein junger hübscher Mann, etwa fünfundzwanzig Jahr alt, militärisch gekleidet, und in Miene und Benehmen viel von dem kriegerischen Beruf an den Tag legend, ja vielleicht sogar etwas mehr, als man von einem vollkommen gebildeten Manne erwarten darf, bei dem die Gewohnheiten des Berufs nie vorherrschen sollten. Er ward sogleich von dem größern Theile der Gesellschaft begrüßt. »Mein lieber Hektor,« sagte Miß M'Intyre, während sie aufstand und ihm die Hand reichte.

»Hektor, Priams Sohn, von wannen kommst du?« fragte der Alterthümler.

»Von Fife,« antwortete der junge Krieger, und fuhr fort, nachdem er die übrige Gesellschaft, besonders Sir Arthur und dessen Tochter, höflich gegrüßt hatte – »ich hört' es von einem der Diener, als ich nach Monkbarns zu ritt, um Ihnen meine Achtung zu beweisen, daß ich die gegenwärtige Gesellschaft an dieser Stelle finden würde, und ich ergriff gern die Gelegenheit, so viele Freunde auf einmal begrüßen zu können.«

»Und überdies einen neuen, mein wackrer Trojaner,« sagte Oldbuck. »Mr. Lovel, dies ist mein Neffe, Capitain M'Intyre – Hektor, ich empfehle Mr. Lovel deiner Bekanntschaft.«

Der junge Krieger heftete einen scharfen Blick auf Lovel, und grüßte ihn mehr zurückhaltend als herzlich; unser Bekannter aber glaubte in dieser Kälte fast etwas Verächtliches zu erkennen, und daher benahm auch er sich kalt und stolz, da er den Gruß nothwendig erwiedern mußte; so schien ein wechselseitiges Vorurtheil gleich beim Beginn ihrer Bekanntschaft bei ihnen zu entstehen.

Die Beobachtungen, welche Lovel während dem Verlauf dieser Lustpartie noch anstellte, waren nicht geeignet, ihn mit dem Zuwachs der Gesellschaft zu versöhnen. Capitain M'Intyre widmete sich mit all' der Artigkeit, die von seinem Alter und Stande zu erwarten war, dem Dienste der Miß Wardour, und erwies ihr bei jeder möglichen Gelegenheit die Zeichen der Aufmerksamkeit, die Lovel ihr um jeden Preis erwiesen haben würde, während er nun nur aus Furcht, ihr Mißfallen auf sich zu ziehen, davon zurückgeschreckt wurde. Bald mit hoffnungsloser Niedergeschlagenheit, bald mit gereizter Aufmerksamkeit sah Lovel, wie der hübsche junge Krieger all die Vorrechte eines Cavalier servant in Anspruch nahm und übte. Er trug Miß Wardour's Handschuh, half ihr beim Umlegen des Shawls, schloß sich an sie auf den Spaziergängen, war stets bereit, jedes Hinderniß im Pfade wegzuräumen und bot ihr stets den Arm, wo der Weg rauh oder unbequem war; seine Worte richtete er fast nur an sie, und wo es die Umstände erlaubten, ausschließlich an sie. Lovel wußte recht gut, daß dies Alles nur jene Art eitler Galanterie war, welche so manche junge Männer unserer Tage verleitet, sich das Ansehen zu geben, als wüßten sie die Aufmerksamkeit der hübschesten Frau in der Gesellschaft zu fesseln, gleich als ob alle andern nicht ihrer Beachtung werth wären. Aber er glaubte im Betragen des Capitain M'Intyre etwas von besonderer Zärtlichkeit zu bemerken, was ganz geeignet war, die Eifersucht eines Liebenden rege zu machen. Miß Wardour nahm auch seine Artigkeiten an; und obwohl er sich offen gestehen mußte, daß dieselben von einer Art waren, daß sie, ohne auffällig zu werden, nicht zurückgewiesen werden konnten, so that es ihm doch wehe, sehen zu müssen, daß sie dergleichen duldete.

Die Gemüthsaufregung, welche durch solche Betrachtungen veranlaßt wurde, machte ihn sehr gleichgiltig gegen die trockenen antiquarischen Vorträge, womit ihn Oldbuck, welcher fortfuhr, seine Aufmerksamkeit besonders in Anspruch zu nehmen, unablässig verfolgte; und er unterzog sich, mit Zeichen der Ungeduld, die fast unerträglich wurde, einer langen Vorlesung über die Mönchsbaukunst in all' ihren Gattungen, von dem plumpen sächsischen bis zum zierlichen gothischen Style, und von diesem bis zur gemischten und zusammengesetzten Architektur zu Jacob's I. Zeit, wo, nach Oldbuck's Meinung, alle Ordnungen vermengt wurden und Säulen ganz verschiedener Gattung sich nebeneinander erhoben, oder auch wohl übereinander gesetzt wurden, als hätte man die Symmetrie vergessen gehabt und die Grundregeln der Baukunst in das ursprüngliche Chaos aufgelöst. »Was kann einem mehr durch die Seele schneiden,« sagte Oldbuck, ganz vom Gegenstande ergriffen, »als Uebelstände betrachten zu müssen, während wir nicht im Stande sind, sie zu verbessern?« Lovel antwortete mit einem unwillkürlichen Seufzer. »Ich sehe, mein theurer junger Freund und gleichgestimmter Geist, daß Sie die ungeheuren Fehlgriffe fast so sehr empfinden wie ich. Sind Sie denselben je begegnet, ohne ein Verlangen zu fühlen, dasjenige zu zerreißen, zu zerstören, was so schändlich ist?«

»Schändlich?« wiederholte Lovel, »in welcher Hinsicht schändlich?«

»Ich meine schmachvoll für die Kunst.«

»Wo? wie?«

»Beim Porticus, z. B., am Universitätsgebäude zu Oxford, wo, mit unmäßigem Aufwand, der barbarische, phantastische und unwissende Architekt es unternommen hat, alle fünf Ordnungen der Baukunst an der Fronte eines Gebäudes anzuwenden.«

Durch dergleichen Angriffe zwang Oldbuck, ohne zu ahnen, welche Qual er bereitete, den jungen Lovel, ihm einige Aufmerksamkeit zu schenken, – wie etwa ein geschickter Angler, mittelst seiner Schnur, auf die verzweifeltsten Bewegungen seiner geängsteten Beute einen Einfluß ausübt.

Sie waren jetzt auf dem Rückwege nach dem Orte begriffen, wo sie die Wagen gelassen hatten. Und es ist unglaublich, wie oft auf diesem kurzen Wege Lovel, erschöpft durch das unaufhörliche Geschwätz seines würdigen Gefährten, im Innern all die Ordnungen und Unordnungen der Baukunst, welche man seit Salomon's Tempel bis auf den letzten Tag erfunden hatte, zum Teufel wünschte, oder zu jedem andern, der ihn von einem weitern Vortrag darüber befreien würde. Endlich fand ein kleiner Vorfall statt, welcher die Hitze seines Gemüthes ein wenig beruhigte.

Miß Wardour und ihr freiwilliger Ritter gingen etwas vor den Andern auf dem schmalen Pfade voraus, als die junge Dame zu wünschen schien, sich mit der übrigen Gesellschaft zu vereinen und ihr tête-à-tête mit dem jungen Officier zu enden, denn sie blieb stehen, bis Mr. Oldbuck hinzukam. »Ich wünschte, Ihnen eine Frage vorzulegen, Mr. Oldbuck, in Bezug auf das Alter jener interessanten Ruinen.«

Es hieße Miß Wardour's savoir faire Unrecht thun, wenn man annähme, sie habe nicht gewußt, daß eine solche Frage eine Antwort von unbegränzter Länge hervorrufen würde. Der Antiquar, stutzend wie ein Kavalleriepferd beim Schall der Trompete, stürzte sich in die Fluth der Gründe für und gegen das Jahr 1273, welches man für die Priorei St. Ruth in einer neuerdings erschienenen Schrift über schottische Alterthümer der Baukunst angenommen hatte. Er zählte die Namen aller Aebte auf, welche dem Kloster vorgestanden hatten, der Edeln, die ihm Ländereien vermacht hatten, und der Fürsten, welche in seinen dachlosen Räumen ihren letzten Schlaf hielten. Wie ein feuerfangender Schwefelfaden sicherlich auch einen andern entzünden wird, wofern einer in der Nähe ist, so erhaschte der Baronet den Namen eines seiner Vorfahren, welcher in Oldbuck's Abhandlung vorkam, und ließ sich in einen Bericht über dessen Kriege, Streitigkeiten und Siege ein; der würdige Mr. Blattergowl ließ sich verleiten, bei Erwähnung eines Geschenks von Ländereien, cum decimis inclusis tam vicariis quam garbalibus, et nunquam antea separatis, eine lange Erläuterung zu beginnen, betreffend eine vom Zehntgericht gegebene Auslegung in Betracht einer solchen Clausel, welche in einem Processe vorkam, den er zur Vermehrung seiner Einkünfte jüngst geführt hatte. Die Redner drängten, gleich Wettrennern, jeder für sich nach dem Ziele, ohne darauf zu achten, wie jeder seine Mitstrebenden aufhielt und durchkreuzte. Mr. Oldbuck docirte, der Baronet deklamirte und Mr. Blattergowl predigte über die Gesetze, während er die lateinischen Formeln der Lehensertheilungen mit dem Kauderwälsch der Wappenkunde und der noch barbarischern Phraseologie des Zehntgerichts von Schottland vermischte. »Er war,« rief Oldbuck, vom Prior Adhemar sprechend, »allerdings ein Muster von Prälaten; und von seiner Sittenstrenge, seinen harten Bußübungen, vereint mit der wohlthätigen Neigung seines Charakters und den Leiden, die er des hohen Alters und der ascetischen Lebensweise wegen erduldete« –

Hier unterbrach ihn ein Husten, und Sir Arthur fiel ein, oder fuhr vielmehr fort – »war er gemeinhin Höll-im-Harnisch genannt; er führte ein Schild, mit schwarzem Balken in rothem Felde, welches wir seitdem weggelassen haben, und ward in der Schlacht bei Vernoil in Frankreich getödtet, nachdem er vorher sechs Engländer mit eigner Hand« –

»Ein Certificationsdecret,« fuhr der Geistliche fort, in dem langgehaltenen, stetigen und gelassenen Tone, welcher zwar anfangs durch die andern übertäubt wurde, ihm aber doch im weitern Verlaufe den Sieg in diesem Erzählerwettstreite versprach; »ein Certificationsdecret erging nun, die Parteien wurden für geständig erklärt und der Beweis schien genügend zu sein; da trat aber ihr Anwalt auf und verlangte, daß man doch die vorhandenen Zeugen abhören solle, da sie doch immer gewohnt gewesen wären, ihre Lämmer auf zehentfreiem Lande weiden zu lassen; dies war nun eine bloße Ausflucht, denn« –

Aber jetzt hatten der Baronet und Mr. Oldbuck wieder Athem bekommen und fuhren in ihren respectiven Vorträgen fort, so daß die drei Stränge der Unterhaltung, um einen Seilerausdruck zu brauchen, sich wieder in ein unauflösbares Gewirr verwickelten.

Wie uninteressant dieses dreifache Kauderwälsch aber auch scheinen mochte, so hatte sich Miß Wardour doch vorgenommen, ihm lieber Aufmerksamkeit zu schenken, ehe sie dem Capitain M'Intyre auf's Neue Gelegenheit gäbe, die Privatunterhaltung wieder anzuknüpfen. Er wartete einige Zeit mit übelverstelltem Mißfallen in seinen stolzen Zügen, dann überließ er sie ihrem schlechten Geschmacke, nahm den Arm seiner Schwester und ging mit dieser etwas hinter der übrigen Gesellschaft.

»So seh' ich denn, Mary, daß deine Umgebungen während meiner Abwesenheit weder mehr lebhaft, noch minder gelehrt geworden sind.«

»Wir entbehrten deine Geduld und Weisheit, um uns zu unterrichten, Hektor.«

»Danke, meine liebe Schwester. Aber du hast eine weisere, wenn auch nicht so lebhafte Zugabe zu deiner Gesellschaft erhalten, als dein unwürdiger Bruder ist – Bitte, wer ist dieser Mr. Lovel, der bei unserm alten Oheim so hoch in Gunst steht? – Er ist für Fremde sonst nicht so zugänglich.«

»Mr. Lovel, Hektor, ist ein sehr anständiger junger Mann.«

»Ach, das soll heißen, er verbeugt sich, wenn er in ein Zimmer tritt, und trägt einen Rock, der am Ellbogen kein Loch hat.«

»Nein, Bruder; es bedeutet noch weit mehr. Es bedeutet, daß seine Manieren und Gespräche die Gesinnungen und die Erziehung eines höheren Standes bekunden.«

»Aber ich möchte wohl etwas von seiner Herkunft und seinem Rang in der Gesellschaft wissen; und was berechtigt ihn, sich in dem Kreise zu bewegen, in welchem ich ihn heimisch finde?«

»Wenn du meinst, wie er nach Monkbarns gekommen ist, so mußt du meinen Oheim fragen, welcher wahrscheinlich antworten wird, daß er solche Gesellschaft in sein Haus zu laden pflegt, die ihm gefällt; bezieht sich deine Frage aber auf Sir Arthur, so mußt du wissen, daß Mr. Lovel der Miß Wardour und ihm einen Dienst der wichtigsten Art geleistet hat.«

»Wie! diese romantische Geschichte ist also wahr? – und sag' mir, macht der tapfre Ritter nun, wie es sich bei solchen Gelegenheiten ziemt, Ansprüche auf die Hand der jungen Dame, die er aus der Gefahr errettete? – Das wäre ganz den Regeln des Romans angemessen, das weiß ich wohl, sie schien auch ungewöhnlich kalt gegen mich zu sein, als wir zusammen gingen, und von Zeit zu Zeit, so kam es mir vor, gab sie Achtung, ob sie ihrem tapfern Ritter kein Aergerniß gebe.«

»Lieber Hektor,« sagte seine Schwester, »wenn du wirklich noch einige Zuneigung zu Miß Wardour hast« –

»Wenn, Mary? – was war das für ein wenn!«

»– So muß ich gestehen, daß ich deine Beharrlichkeit für hoffnungslos halte.«

»Und warum hoffnungslos, meine kluge Schwester?« fragte Capitain M'Intyre; »Miß Wardour kann, bei den Vermögensumständen ihres Vaters, nicht auf Reichthum pochen; – und was ihre Familie betrifft, so denk' ich, M'Intyre steht ihr darin nicht nach.«

»Aber, Hektor,« fuhr seine Schwester fort, »Sir Arthur betrachtet uns immer als Mitglieder der Familie Monkbarns.«

»Sir Arthur mag nach Belieben seine Betrachtung haben,« antwortete der Hochländer höhnisch; »aber ein Jeder, der gesunden Menschenverstand hat, wird der Meinung sein, daß das Weib ihren Rang vom Gatten erhält, und daß meines Vaters Stammbaum von fünfzehn tadellosen Ahnen meine Mutter geadelt haben muß, und hätte sie Druckerschwärze in den Adern gehabt«

»Um Gottes willen, Hektor,« erwiederte die besorgte Schwester, »sieh' dich nur vor – ein einziger Ausdruck solcher Art, meinem Oheim durch einen böswilligen oder eigennützigen Lauscher hinterbracht, würde dir seine Gunst für immer entziehen und du dürftest nie hoffen, sein Vermögen zu erben.«

»Mag es sein,« antwortete der unbedachte junge Mann; »mein Beruf ist ein solcher, daß die Welt nie ohne ihn bestehen konnte, und ihn für das nächste halbe Jahrhundert gewiß am wenigsten wird entbehren können; mein guter alter Oheim mag sein hübsches Vermögen und seinen plebejischen Namen an dein Schürzenband binden, wenn er Lust hat, Mary, und du magst diesen seinen neuen Liebling heirathen, wenn du willst, und ihr mögt beide miteinander ruhig, friedlich und häuslich leben, wenn es der Himmel will. Mein Plan ist fertig – ich will keinem Manne einer Erbschaft wegen schmeicheln, die durch die Geburt mein sein sollte.«

Miß M'Intyre legte ihre Hand auf des Bruders Arm und bat ihn, seine Heftigkeit zu unterdrücken. »Wer,« sagte sie, »beleidigt, oder will dich beleidigen, als nur dein eigner hitziger Charakter? – Welchen Gefahren willst du trotzen, die du nicht selber heraufbeschworen hast? – Unser Oheim hat sich bisher nur freundlich und väterlich gegen uns betragen, und warum solltest du glauben, er werde künftig anders sein, als er es immer war, seit wir als Waisen seiner Fürsorge überlassen waren?«

»Er ist ein trefflicher alter Herr, das muß ich zugeben,« erwiederte M'Intyre, »und ich ärgere mich über mich selbst, wenn ich ihn beleidigen sollte; aber dann seine ewigen Reden über Dinge, die nicht den Funken eines Feuersteins werth sind – seine Untersuchungen über abgesetzte Töpfe, Tiegel und Tabackstopfer, die nichts mehr nützen – all' diese Dinge machen mich ungeduldig – ich habe etwas von Heißsporn in mir, Schwester, das muß ich gestehen.«

»Zuviel, nur allzuviel, mein lieber Bruder. In wie viele Gefahren, von denen einige, vergib mir, daß ich es sage, dir wenig Ehre bringen, hat dich deine absprechende und hitzige Weise schon gebracht! Laß solche Wolken nicht die Zeit verdunkeln, die du in unsrer Nähe jetzt zubringen wirst; laß unsern alten Wohlthäter den Verwandten sehen, wie er ist: edel, freundlich und lebhaft, aber nicht wild, trotzig und ungestüm.«

»Gut,« antwortete Capitain M'Intyre, »ich bin belehrt worden – ich will mich guter Sitten befleißigen! Eurem neuen Hausfreunde will ich recht höflich begegnen – ich will mich ein Bißchen mit diesem Mr. Lovel unterhalten.«

Mit diesem Entschlusse, den er für den Augenblick ganz aufrichtig meinte, ging er zur Gesellschaft, die vor ihnen her wandelte. Die dreifache Predigt war bereits vorüber, und Sir Arthur sprach über auswärtige Neuigkeiten, und über die politische und militärische Lage des Landes – Gegenstände, wo sich jeder berechtigt glaubt, seine Meinung abzugeben. Als man auf ein Treffen des vorigen Jahres zu sprechen kam, äußerte Lovel, der sich zufällig in die Unterhaltung gemischt hatte, eine Behauptung in Bezug darauf, von deren Wahrheit Capitain M'Intyre nicht überzeugt schien, wiewohl er seine Zweifel auf höfliche Weise äußerte.

»Du mußt selbst gestehen, daß du hier Unrecht hast, Hektor,« sagte sein Oheim, »obwohl ich weiß, daß kein Mensch so ungern etwas zugibt, als du. Aber du warst damals in England, während Mr. Lovel wahrscheinlich selbst bei der Affaire betheiligt war.«

»Ich spreche also mit einem Mann vom Militär,« sagte M'Intyre; »darf ich fragen, welchem Regimente Mr. Lovel angehört?« – Mr. Lovel nannte ihm die Nummer des Regiments. – »Es ist seltsam, daß wir früher nie einander begegnet sind, Mr. Lovel. Ich bin mit Ihrem Regiment sehr gut bekannt, und habe verschiedene Mal mit ihm gedient.«

Ein Erröthen überflog Lovel's Gesicht. »Ich bin in der letzten Zeit nicht bei meinem Regimente gewesen,« sagte er. »Im letzten Feldzuge diente ich im Stabe des Generals Sir – –.«

»Wirklich! dieser Umstand ist wunderbarer als der andre; denn obwohl ich nicht unter General Sir – – diente, so hatte ich doch Gelegenheit, die Namen der Officiere kennen zu lernen, die bei ihm angestellt waren, und des Namens Lovel kann ich mich nicht erinnern.«

Bei dieser Aeußerung erröthete Lovel auf's Neue so tief, daß er die Aufmerksamkeit der ganzen Gesellschaft auf sich zog, während ein spöttisches Lächeln Capitain M'Intyre's Triumph anzudeuten schien. »Etwas seltsames ist dabei,« sagte Oldbuck zu sich selbst, »aber ich will nicht vorschnell meinen Phönix aller Postwagengefährten aufgeben – All' seine Handlungen, seine Sprache, sein Betragen, alles gehört einem Gentleman an.«

Lovel hatte inzwischen seine Brieftasche zur Hand genommen und einen Brief herausgesucht, den er, nachdem er das Couvert abgezogen, M'Intyre einhändigte. »Sie kennen wahrscheinlich des Generals Hand – allerdings sollt' ich diese übertriebenen Ausdrücke seiner Achtung nicht vorzeigen.« Der Brief enthielt einige schmeichelhafte Complimente für einen Dienst, den der betreffende Officier kurz zuvor geleistet. Capitain M'Intyre konnte, als er den Brief überflog, nicht läugnen, daß er von des Generals Hand sei, bemerkte aber trocken, als er ihn zurückgab, daß die Adresse fehle. »Die Adresse, Capitain M'Intyre,« antwortete Lovel in gleichem Tone, »steht Ihnen zu Diensten, wenn Sie Lust haben, darnach zu fragen.«

»Ich werde nicht ermangeln, das zu thun,« erwiederte der Krieger.

»Ei, ei,« rief Oldbuck, »was soll das Alles bedeuten? – Laßt Eure Zänkerei, Ihr jungen Herrn. Seid Ihr aus dem Kriege gekommen, um häuslichen Zwist in unserm friedlichen Lande zu erregen? Gleicht Ihr nicht den Fleischerhunden, die, sobald der Ochse entfernt ist, übereinander selbst herfallen, sich gegenseitig würgen und ehrlichen Leuten, die dabei stehen, an die Beine fahren?«

Sir Arthur hoffte, wie er sagte, die jungen Herren würden sich nicht so weit vergessen, um sich über einen so geringen Gegenstand, als die Rückseite des Briefes ist, zu erhitzen.

Beide Gegner verläugneten jede derartige Absicht und versicherten mit erhitzten Wangen und flammenden Augen, sie wären nie in ihrem Leben kälter gewesen. Aber eine schwüle, unmuthige Stimmung herrschte in der ganzen Gesellschaft; man sprach in der Folge nur allzuviel, um den Regeln der Geselligkeit zu genügen, und Lovel, welcher sah, daß er der Gegenstand der kalten und argwöhnischen Blicke aller in der Gesellschaft sei, und zugleich fühlte, daß er durch seine ausweichenden Antworten ihnen die Erlaubniß gegeben habe, seltsame Meinungen hinsichtlich seiner zu unterhalten, faßte einen kräftigen Entschluß, das Vergnügen zu opfern, welches er sich versprochen hatte, indem er einen Tag in Knockwinnock zubrächte.

Er schützte daher ein heftiges Kopfweh vor, welches ihn in Folge der Hitze des Tages befallen habe, der er seit seinem Unwohlsein nicht ausgesetzt gewesen war, und damit entschuldigte er sich förmlich gegen Sir Arthur, welcher, mehr dem neuen Argwohn als der Dankbarkeit für frühere Dienste Gehör gebend, nicht mehr in ihn drang, seine Zusage zu halten, als es der gute Ton ausdrücklich erforderte.

Als Lovel von den Damen Abschied nahm, schien ihm Miß Wardour's Benehmen ängstlicher, als er es bisher an ihr bemerkt hatte. Sie deutete durch einen Blick auf Capitain M'Intyre, den jedoch nur Lovel bemerkte, die Ursache ihrer Unruhe an, und hoffte, mit viel leiserer Stimme, als ihr sonst eigen war, es werde keine minder angenehme Zusage sein, welche der Gesellschaft das Vergnügen der Gegenwart Mr. Lovel's raube. »Keine Zusage hat stattgefunden,« versicherte er; »es ist nur die Rückkehr eines Uebels, welches mich seit einiger Zeit dann und wann befallen hat.«

»Das beste Mittel in einem solchen Falle ist Klugheit, und ich – jeder Freund Mr. Lovel's wird erwarten, daß er dieselbe walten lassen werde.«

Lovel verbeugte sich und erröthete tief, und Miß Wardour, als fühlte sie, sie habe zu viel gesagt, wandte sich ab und stieg in den Wagen. Lovel hatte zunächst von Oldbuck Abschied zu nehmen, welcher in der Zwischenzeit mit Caxon's Beistande seine verletzte Perücke wieder geordnet und seinen Rock gebürstet hatte, welcher einige Spuren von dem rauhen Pfade zeigte, der von der Gesellschaft beschritten worden war. »Wie, Freund,« sagte Oldbuck, »Sie werden uns doch nicht verlassen wollen, nur des thörichten Hektor's unartiger Neugier und Heftigkeit wegen? – Ei, er ist ein unbedachter Knabe – ein trotziges Kind seitdem ihn die Amme trug – er warf mir schon damals sein Spielzeug an den Kopf, wenn ich ihm ein Stück Zucker versagte – und Sie haben zu viel Verstand, um auf einen so eigensinnigen Knaben zu achten – aequam servare mentem ist der Wahlspruch unsers Freundes Horaz. Ich will dem Hektor schon den Text lesen und Alles in Ordnung bringen.« Aber Lovel beharrte auf seinem Vorsatz, nach Fairport zurückzukehren.

Der Antiquar nahm nun einen ernstern Ton an. »Nehmen Sie sich mit Ihren jetzt an den Tag gelegten Gefühlen in Acht, junger Mann. Ihr Leben ist Ihnen für nützliche und schätzbare Zwecke gegeben, und sollte erhalten werden, um die Literatur Ihres Vaterlandes zu bereichern, wofern Sie nicht aufgefordert werden, es zu seiner Vertheidigung oder zur Rettung der Unschuld zu verwenden. Privatkampf, eine Sache, welche den civilisirten Alten gar nicht bekannt war, ist von all' den Albernheiten, welche die gothischen Stämme einführten, die gröbste, gottloseste und grausamste. Lassen Sie mich nichts mehr von so albernen Zwistigkeiten hören, und ich will Ihnen die Abhandlung über's Duell zeigen, die ich verfaßte, als der Stadtschreiber und Bürgermeister Mucklewhame sich das Vorrecht der Edelleute anmaßten und einander forderten. Ich gedachte meine Abhandlung, welche Pacificator unterzeichnet ist, drucken zu lassen; aber es machte sich nicht nöthig, da die Sache durch den Stadtrath in Ordnung gebracht wurde.«

»Aber wirklich, lieber Oheim, es ist nichts zwischen Capitain M'Intyre und mir vorgefallen, was eine so achtbare Vermittelung nothwendig machen könnte.«

»Sorgen Sie dafür, daß es so sei, denn außerdem werd' ich beiden Parteien sekundiren.«

So sagend ging der alte Mann in die Chaise, bei der Mary ihren Bruder aus demselben Grunde zurückgehalten hatte, der den Besitzer eines bissigen Hundes veranlaßt, diesen dicht an seiner Seite zu halten, damit er Niemand anfalle. Aber Hektor suchte ihrer Aufmerksamkeit zu entschlüpfen, denn da er zu Pferde war, so hielt er sich immer hinter dem Wagen, bis dieser um eine Ecke der Straße nach Knockwinnock zu lenkte, und hier wandte er sein Roß und trieb es eilig nach entgegengesetzter Richtung.

Wenige Minuten brachten ihn mit Lovel zusammen, welcher, die Absicht vielleicht ahnend, sein Pferd langsam hatte gehen lassen, als der rasche Hufschlag hinter ihm plötzlich den Capitain M'Intyre verkündigte. Der junge Krieger, dessen natürliche Hitze durch die schnelle Bewegung auf's Höchste getrieben war, hielt sein Pferd plötzlich und gewaltsam an Lovel's Seite an, und fragte, nachlässig an den Hut greifend, in sehr hochmüthigem Tone, »wie hab' ich es zu verstehen, Sir, wenn Sie sagten, Ihre Adresse stehe mir zu Dienst?«

»Sehr einfach, Sir,« erwiederte Lovel, »nämlich daß mein Name Lovel ist und daß ich, wie Sie aus dieser Karte ersehen, gegenwärtig in Fairport wohne.«

»Und dies ist Alles, was Sie geneigt sind, mir zu sagen?«

»Ich glaube nicht, daß Sie ein Recht haben, mehr zu verlangen.«

»Ich finde Sie, Sir, in der Gesellschaft meiner Schwester,« sagte der junge Krieger, »und ich habe ein Recht, zu wissen, wer in Miß M'Intyre's Gesellschaft Zutritt erhält.«

»Ich nehme mir die Freiheit, dieses Recht zu bestreiten,« erwiederte Lovel in eben so trotzigem Tone, als jener; »Sie finden mich in einer Gesellschaft, welche zufrieden mit der Nachricht über meine Verhältnisse ist, die ich mitzutheilen für gut fand, und Sie, nur ein Fremder, haben kein Recht, weiter zu fragen.«

»Mr. Lovel, wenn Sie gedient haben, wie Sie sagten« –

»Wenn!« fiel Lovel ein, – » wenn ich gedient habe, wie ich sagte, ich hätte?«

»Ja Sir, so lauten meine Worte – wenn Sie so gedient haben, so werden Sie wissen, daß Sie mir auf die oder jene Weise Genugthuung schuldig sind.«

»Wenn das Ihre Meinung ist, so werd' ich stolz sein, sie Ihnen zu geben, Capitain M'Intyre, und zwar in dem Sinne, den das Wort unter Männern von Stande stets hat.«

»Sehr gut, Sir,« sagte Hektor, wandte sein Pferd, und eilte, seine Gesellschaft einzuholen.

Seine Abwesenheit hatte bereits Unruhe erregt und seine Schwester streckte, nachdem der Wagen angehalten war, den Kopf weit aus dem Fenster, um sich nach ihm umzusehen.

»Was hast du wieder zu thun gehabt?« sagte der Alterthümler, »daß du, wie um die Wette, hin und her reitest – warum hältst du dich nicht beim Wagen?«

»Ich hatte meinen Handschuh vergessen, Sir,« sagte Hektor.

»Den Handschuh vergessen! – Ich vermuthe, du willst damit sagen, du habest ihn hingeworfen – aber ich will dich schon in Ordnung halten, mein guter Gentleman – du sollst mit mir diese Nacht nach Monkbarns zurückkehren.« Darauf befahl er dem Postknecht, weiter zu fahren.


 << zurück weiter >>