Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Fünfzehntes Kapitel

Monsieur Ermanns als Unterhändler

Es war um die Mittagszeit des andern Tages, als bei der Gräfin Henriette von Epaville in ihrer Wohnung im Gasthofe der Polizeibeamte eintrat.

»Nun, welche Nachrichten bringen Sie mir?« sagte, die kleine Gräfin, ihm in großer Spannung entgegeneilend, »ist der Mensch tot?«

»So ist es, Frau Gräfin,« antwortete Monsieur Ermanns. »Eben kommt der Brigadier der Gendarmerie, den ich nach ihm ausgesandt hatte, mit der Nachricht zurück, daß der Deserteur schon in der gestrigen Nacht gestorben ist. Der wandernde Musikant aber ist auf seine Aussagen heute morgen von mir eidlich vernommen worden, und über der ganzen Sache waltet jetzt kein Zweifel mehr. Nach allem, was Sie, Madame, mir gestern abend über eine aus einer frühern Begegnung zwischen Ihrem getöteten Gemahl und diesem Johannes Selke entstandene Feindschaft angegeben haben, muß die Untersuchung den Schluß ziehen, daß der letztere den Grafen aus eigenem Antriebe getötet hat. Die Angaben, welche Sibylle Ritterhausen mir über ihn gemacht hat und die mir wenig Glauben zu verdienen schienen, stellen sich dadurch als wahre heraus. – Aus dem, was man bei seinem ehemaligen Regimente über den Menschen weiß und was in den Musterrollen steht, erhellt wenig; es trifft aber insofern ganz mit Ihren Aussagen überein, als er zwar in Holland angeworben, doch nicht holländischen Ursprungs war, sondern kurz vorher aus Westfalen dahin ausgewandert.«

»Nun, Gott wird ihn richten,« sagte Madame d'Epaville, »und die Familie, welche in die Untersuchung verwickelt wurde...«

»Wird jetzt sofort außer Verfolgung gestellt, denn es liegen durchaus keine Tatsachen mehr gegen dieselbe vor. Die Demoiselle Ritterhausen hat zwar die Unbesonnenheit begangen, dem Deserteur ein Asyl in der Rheider Burg anzuweisen. Dies ist jedoch geschehen, bevor die Burg Ihres Gemahls Eigentum wurde. Es kann also nicht mit der Absicht geschehen sein, die Feindschaft des Selke wider dessen Opfer zu benutzen. Auch spricht nichts dafür, daß die Ritterhausen nachher, nachdem der Graf Eigentümer der Burg geworden, heimlich die Feindschaft des Deserteurs wider den Grafen auszubeuten gesucht hätten. Wir haben deshalb auch bereits die Überwachung des Rheider Hammers aufgehoben. Es lag freilich noch ein Verdacht aus älterer Zeit gegen den Herrn Ritterhausen vor. Aber es würde nichts fruchten, diese Geschichte aufzurühren; der Hauptzeuge, den wir haben würden, Richard von Huckarde, erklärt den Hammerbesitzer für unschuldig, und deshalb würde die Verfolgung vor den Geschworenen jedenfalls eine Niederlage erleiden. Was ist da also zu machen? Man legt es ad acta.

»Und damit, meine gnädigste Gräfin,« fuhr Monsieur Ermanns fort, »wäre diese Angelegenheit beendigt. Es bleibt mir nichts übrig, als Ihnen auszudrücken, daß ich sehr unglücklich bin, nur in einer für Sie so traurigen Sache zu Ihren Diensten gewesen zu sein. Kann ich irgendwie sonst Ihnen meine Ergebenheit beweisen, so darf ich hoffen, daß Sie über mich verfügen!«

»Sie könnten mir einen Rat geben, mein Herr,« versetzte die kleine Gräfin nach einer Pause und mit einer gewissen Zögerung.

»O, sprechen Sie rückhaltlos, meine Gnädigste, Sie glauben nicht, wie sehr es mein Wunsch ist, Ihnen zu dienen.«

»Der junge Mann, dessen Sie eben erwähnten ...«

»Richard von Huckarde?«

»Derselbe – er ist hierher gekommen, um zu versuchen, die Burg seiner Väter wiederzuerhalten –«

»Was ihm niemals gelingen kann,« fiel Ermanns ein. »Das Gut ist schon von der vorigen Regierung eingezogen, von dieser auf den Großherzog übergegangen, durch letztem an den Grafen Epaville verschenkt – das Gut gehört Ihnen, Frau Gräfin, und Ihrem kleinen Sohne, und niemand auf der Welt kann Ihnen diesen Besitz streitig machen. Hat Herr von Huckarde Ansprüche, so mag er sie bei der ehemaligen pfälzischen Regierung geltend machen – was ihm freilich, da diese nicht mehr existiert, schwer werden dürfte!«

»Ich glaube das,« versetzte die Gräfin, »auch der Großherzog hatte die Gnade, mich über meine Zukunft in dieser Beziehung zu beruhigen; aber sehen Sie, mein Herr, ich habe Mitleiden mit dem jungen Manne, ein tiefes aufrichtiges Mitgefühl – und,« fuhr sie fort, indem sie leicht errötend niederblickte »ich möchte dieser Teilnahme einen Ausdruck geben, ich möchte etwas tun, um seine Zukunft sicherzustellen. Vielleicht wäre ihm geholfen, wenn ich ihm die Verwaltung meines Gutes übertrüge. Wenn ich mich entschließen sollte, das Gut selbst zu bewohnen, bedarf ich ja auch bringend eines Geschäftsführers und Beirats; – aber Sie sehen ein, daß ich nicht diejenige sein kann, welche ihm mit solchen Anträgen entgegenkommt. Es wäre möglich, daß er sie zurückwiese; und solange er Hoffnungen hegt, das Gut wiederzuerhalten, würde er mein Wohlwollen ohne Zweifel zurückweisen.«

»Ich verstehe,« fiel Monsieur Ermanns ein, »es würde zunächst zum Heile dieses jungen Herrn dienen, wenn man ihm klar machte, daß er sich keinen Illusionen hingeben dürfe.«

»Und aus dem Munde eines bewährten Geschäftsmannes kommend, würden solche Versicherungen ihm einen tiefern Eindruck machen,« sagte die Gräfin.

»Deshalb wünschen Sie, Madame, daß ich ihm die Hoffnungslosigkeit seiner Lage auseinandersetzen soll.«

»Das ist es, was ich von Ihnen zu erbitten wage, Monsieur,« fiel Madame Henriette ein. »Aber wir wollen es nicht Hoffnungslosigkeit nennen, weil ich die besten Absichten für ihn habe. Es käme nur auf ihn an, ob er diese annehmen, ob er meine Hilfe nachsuchen würbe!«

Um Monsieur Ermanns Lippen spielte ein ironisches Lächeln. Er schwieg einen Augenblick – gerade so lange, um eine kleine Betrachtung über die Schwächen weiblicher Natur anzustellen und sich im stillen zu sagen, Madame Henriette sehne sich bereits nach einem Tröster in ihrer hilfebedürftigen Witwenschaft und drapiere diese leise Sehnsucht vor sich selbst und vor andern in das Gewand der rührendsten Güte und der uneigennützigsten Besorgnis um das Schicksal des jungen Mannes.

»Madame,« sagte er dann, »der junge Mann, von dem wir reden, müßte sehr verhärtet sein, wenn er nicht tief bewegt würde durch solche Gesinnungen, wie Sie sie eben aussprachen. Allein ob er annehmen würde was Ihre Güte ihm, bieten könnte, ist sehr die Frage. Denn was seine Hilflosigkeit angeht, so kann diese nicht groß sein, wie Sie voraussetzen. Er hat sich den Ritterhausen zum Opfer bringen wollen, und diese Leute, welche sehr wohlhabend sind, werden für einen solchen Heroismus dankbar sein ...«

»Nun ja,« versetzte die Gräfin, »sie könnten ihm eine Zuflucht bei sich bieten, ihm Geld zur Verfügung stellen; aber, wie ich ihn kenne, würde er solche Wohltaten anzunehmen Bedenken tragen. Er würde zu stolz dazu sein. Etwas anderes ist, was ich ihm zu gewähren bereit bin – es beweist ihm nicht allein ein Vertrauen, sondern es fordert auch Dienste, es nimmt seine Zeit und Tätigkeit in Anspruch und deshalb kann seine Ehre sich nicht davon verletzt fühlen!«

»Madame,« antwortete der Polizeibeamte, »ganz gewiß ist dies außerordentlich richtig bemerkt. Allein es walten hier besondere Umstände ob, welche mich glauben lassen, daß Richard von Huckarde mehr als geneigt ist, aus den Händen der Ritterhausen nicht nur eine Unterstützung, sondern alles, was sie besitzen, anzunehmen.«

»Wie verstehe ich das?«

»Nun, meine Gnädigste, was ich damit andeuten will, würde Ihnen nicht dunkel sein, wenn Sie, wie ich, Zeuge der Begegnung zwischen Herrn von Huckarde und Mademoiselle Sibylle Ritterhausen gewesen wären. Diese Begegnung nämlich war äußerst leidenschaftlicher Natur.«

»Sie lieben sich?« fragte die kleine Gräfin lebhaft auffahrend.

»Sie lagen einander in den Armen, Brust an Brust gepreßt,« ergänzte Ermanns.

Gräfin Henriette antwortete nicht auf diese Mitteilung, welche sie sehr zu überraschen schien. In ihren Mienen jedoch glaubte Monsieur Ermanns den Ausdruck einer außerordentlich großen und schmerzhaften Enttäuschung zu ertappen.

Arme Frau, dachte er dabei, nicht ohne einen Anflug innern Spottes – arme Frau – dir stürzt ein Luftschloß ein! Es war freilich etwas voreilig aufgebaut! Aber was soll man da machen? Dein Mann hat es nicht um dich verdient, daß du ihm lange nachtrauerst!

»Mein Gott,« sagte Madame Henriette seufzend nach einer langen Pause, »so bin ich wieder ratlos! Was soll ich nun mit meinem Gute machen! Wie soll ich es verwalten lassen, ohne daß man mich beraubt und bestiehlt! Ich bin unerfahren wie ein Kind in solchen Dingen!«

»Da Sie Ihr Gut doch wohl selbst bewohnen wollen, Madame,« versetzte Ermanns, »so werden Sie bald so viel Erfahrung gewinnen, um mit einem nur halbwegs treuen Verwalter an Ihrer Seite sich selbst helfen zu können. Das eigene Interesse ist ein gar guter Lehrmeister.«

»Ich sollte das Gut selbst bewohnen?« rief hier Madame Henriette aus. »In dem fremden garstigen, kalten Lande, wo ich niemand zum Freunde habe, niemand kenne, nicht einmal die Sprache der Menschen recht verstehe? Da soll ich das Haus beziehen, worin man meinen armen Mann soeben ermordet hat? Welche Voraussetzung, welche Zumutung, mein Herr!«

»Ihre Worte von vorhin ließen mich diese Voraussetzung machen. Es Ihnen zuzumuten, bin ich weit entfernt! Ich würde im Gegenteil mich sehr wundern, wenn Sie nicht den schönen sonnigen Süden, der Ihre Heimat ist, wieder aufsuchten!«

»O gewiß, gewiß, sobald es mir irgend möglich ist!«

»Sie müssen dann das Gut verkaufen,« sagte Ermanns.

»Wenn sich eine Gelegenheit bietet, will ich das in der Tat.«

»Eine Gelegenheit? Daran scheint es mir nicht zu fehlen.«

»Ohne daß ich die Hälfte des Werts einbüße?« fiel die Gräfin verdrießlich ein.

»Ohne daß Sie einbüßen. Ich müßte mich sehr täuschen, wenn ich Ihnen nicht einen Käufer noch heute beschaffte, der den ganzen Wert und noch etwas mehr dafür zahlt.«

»Und wer wäre das?«

»Ritterhausen.«

»Sie glauben?«

»Ich glaube nicht, ich bin dessen gewiß.«

»Aber warum?«

»Nun, weil man ihm die Alternative stellen kann: entweder du kaufst oder wir beginnen den Prozeß gegen dich, mit dem schon der Graf von Epaville dich bedrohte – wir vertreiben dich von deinem Hammer. Sie erinnern sich des Briefes, den der Graf an Ritterhausen schrieb und von dem ich Ihnen sprach ...«

»Ich erinnere mich sehr wohl – und Ihre Idee scheint mir gut. Wollen Sie die Vermittlung übernehmen?«

»Mit dem größten Vergnügen. Ich gehe, Ritterhausen die Niederschlagung der Untersuchung anzukündigen. Es wird ihn dies von vornherein in eine gute Stimmung versetzen. Zu gleicher Zeit werde ich ihm dann die ersten Eröffnungen machen – natürlich nicht geradezu, sondern mit diplomatischer Wendung – und ich bin überzeugt, ich werde das Glück haben, Ihre volle Zufriedenheit zu verdienen. Wenn Sie, meine Gnädigste, dagegen die Huld haben wollen, meine guten Dienste dem Großherzoge zu rühmen – ihm die Berücksichtigung meines Eifers in meiner Amtstätigkeit etwas ans Herz zu legen ...«

»O seien Sie dessen versichert ...«

»So fordere ich keinen weitern Lohn. Also ich habe Ihre Vollmacht?«

»Die haben Sie – d. h. vorläufig zur Unterhandlung!«

»Natürlich, – mehr bedarf es für jetzt noch nicht!«

Monsieur Ermanns stand auf und beurlaubte sich augenblicklich bei der Gräfin. Er eilte heimzukommen und sein Mittagsmahl einzunehmen; dann ließ er seinen Wagen vorfahren und begab sich nach dem Rheider Hammer.

Auf dem Hammer fand er Ritterhausen in so guter und heiterer Stimmung, wie der gichtleidende Mann sie wohl lange nicht gezeigt hatte. Man hatte die Verfolgung gegen ihn fallen lassen, das hatte er bereits aus dem Abzuge der Polizeiwächter, die sein Haus besetzt gehalten, schließen können; er hatte auch schon vernommen, daß Richard von Huckardes Selbstanklage am gestrigen Tage auf der Burg durch das Zeugnis der Gräfin von Epaville sich in Nichts aufgelöst hatte. Wie Sibyllens Herz um Zentnerlasten erleichtert war und freudig schlug, das brauchen wir nicht zu schildern. Sie schrieb eben einen von Dankbarkeit und Freude überströmenden Brief an Richard, als Monsieur Ermanns eintrat.

Der letztere zeigte etwas weniger von der gemütlichen Ruhe und Sicherheit, womit er sonst zu erscheinen pflegte. Er war nicht ganz beruhigt über den Empfang, den er finden würde.

»Ich komme, mein Herr Ritterhausen,« sagte er, »um Ihnen Glück zu wünschen. Es hat mich gedrängt, selbst und augenblicklich Ihnen die Mitteilung von dem Beschlusse des Untersuchungsgerichts, der Sie außer Verfolgung setzt, zu überbringen ...«

»Das ist um so dankenswerter,« erwiderte Ritterhausen spöttisch, »weil Sie durch diese Mitteilung selbst eingestehen, daß Sie durch einen ungerechten Verdacht ehrliche Leute schikaniert haben!«

»Nun, mein lieber Herr Ritterhausen, der Verdacht war ungerecht, und niemand ist froher darüber als ich – aber er war so natürlich, daß selbst ein so harmloser Mensch und schlechter Polizeibeamter wie ich ihn fassen mußte.«

»Streiten wir nicht darüber,« antwortete der Hammerbesitzer, »ob er natürlich war ... oder abscheulich, empörend! Wir wollen annehmen, daß Sie eben nur Ihre Pflicht getan, und nun erzählen Sie uns ...«

Der Beamte teilte sehr ausführlich und eifrig Ritterhausen und seiner Tochter mit, welche Wendung die Sache durch die Aussagen des Spielmanns und durch das, was die Gräfin zu ihrer Vervollständigung ausgesagt, genommen. »Ihre Unschuld ist also jetzt klar vor aller Augen,« fuhr er dann fort, »und, Herr Ritterhausen, ich hoffe, Sie sind jetzt auch billig genug, sich zu sagen: wäre Ermanns nicht gewesen, so wäre vielleicht ein anderer gekommen, der sehr viel weniger sich bestrebt hätte, in so freundschaftlicher Weise auszuführen, was ihm die Pflicht gebot.«

»Mag sein, Monsieur Ermanns, obgleich ich die Wölfe in Schafskleidern just nicht denen vorziehe, welche in ihrer echten und eigenen Haut kommen.«

»Sie drücken sich sehr unumwunden aus, Herr Ritterhausen. Allein was soll man da machen? Man muß Ihnen etwas nachsehen, denn Sie sind schwer getränkt worden – nicht von mir – nein, wahrhaftig nicht von mir, sondern von den Umständen und von dem, was diese Umstände gebieterisch von uns erheischten. Glauben Sie mir, es war mir eine traurige Pflicht, welche ich in Ihrem Hause zu erfüllen hatte.«

»Ich habe das nicht eben gemerkt,« fiel Ritterhausen ein, »im Gegenteil, Sie waren dabei stets in sehr gemütlicher Stimmung ...«

»Verstellung, lauter Verstellung, werter Herr!«

»Dem will ich allerdings nicht widersprechen,« bemerkte Ritterhausen bitter. »Sie sind ein Meister darin!«

»Nun, lassen wir die weitere Erörterung dessen, was einmal geschehen. Lassen wir die Sache tot und begraben sein wie den armen Grafen Epaville, den man am heutigen Morgen, wie ich höre, ja sehr feierlich, mit seinen Wappen und kriegerischen Ehren zur Erde bestattet hat.«

»Also wie der Spielmann es vorhergesehen hat!« sagte hier Sibylle halblaut, ohne daß die beiden Männer im Zimmer es beachteten.

»Ich wünschte Ihnen nur,« fuhr Ermanns fort, »daß auch der alte Streit zwischen der Burg und dem Hammer ebenso tot und begraben wäre! Aber leider droht Ihnen von dieser Seite noch eine große Unannehmlichkeit. Die Gemahlin des Ermordeten ist seine Erbin und da sie nichts anderes besitzt als eben die Rheider Burg, so wird sie, fürchte ich, ihre Rechte nicht weniger scharf und rücksichtslos verfolgen, als es ihr Mann zu tun im Begriff stand.«

»Wahrscheinlich!« bemerkte Ritterhausen tonlos.

»Was gedenken Sie zu tun?« fuhr Ermanns fort.

»Vorderhand abzuwarten, was die Gräfin tut.«

Ermanns schüttelte den Kopf. »Ich würde das nicht so machen,« sagte er. »Wenn Sie mich aufforderten, Ihnen einen Rat zu geben, so würde ich Ihnen diesen Rat nicht geben.«

»Und welchen Rat würden Sie erteilen?«

»Ich würde Ihnen raten, Herr Ritterhausen, durch einen energischen Entschluß der ganzen Sache ein für allemal ein Ende zu machen, auch wenn es Ihnen vielleicht ein Opfer kostete. Ich würde dies Opfer um der Ruhe willen und um einen Prozeß zu vermeiden, den Sie höchst wahrscheinlich verlieren würden, bringen. Sie sind ein wohlhabender Mann. Sie können es. Ich würde mir sagen: Was ist da nun zu machen? Nehmen wir die Gelegenheit wahr, wo wir den Hader für immer beendigen können und kaufen der Gräfin die ganze Burg ab.«

Ritterhausens Brauen zogen sich bei diesen Worten dunkel zusammen, als hätte Monsieur Ermanns etwas gesagt, was ihn beleidigte. Und doch war der Hammerbesitzer keineswegs beleidigt. Im Gegenteil, es war ihm außerordentlich erfreulich zu hören, was Ermanns sagte. Aber indem er mit seinen düstern Augen die Mienen des Polizeibeamten fixierte, glaubte er sichere Zeichen zu finden, daß die große Leichtigkeit, womit Ermanns seinen Gedanken als den Einfall des Augenblicks hinwarf, eine affektierte sei; zu gleicher Zeit wurde ihm auch der Grund des Erscheinens des würdigen Beamten klar, welches bis jetzt noch etwas Rätselhaftes für Ritterhausen gehabt hatte. Denn unmöglich konnte Monsieur Ermanns Vergnügen darin finden, einen Mann aufzusuchen, zu dem er solche Beziehungen wie zu ihm gehabt hatte. Ermanns mußte also seine besondern Absichten haben; Ritterhausen durchschaute sie jetzt. Sicherlich, man trug ihm den Kauf der Rheider Burg an. Und darum zog Ritterhausen so düster seine Brauen zusammen – er wollte die Genugtuung verbergen, welche er fühlte.

Sibylle hatte vielleicht ähnliche Betrachtungen angestellt wie ihr Vater. Sie dachte nicht daran, sich wie er zu verstellen. Ein Strahl zuckte über ihr Gesicht wie ein helles Freudenleuchten. Es paßte außerordentlich gut in Ritterhausens Pläne, daß Ermanns sich ihm zuwandte und die Züge des jungen Mädchens nicht beobachtete.

»Vor dem Prozesse fürcht' ich mich nicht sehr,« antwortete der Hammerbesitzer kaltblütig, »die Gräfin wird auch nicht so eifrig darauf aus sein wie Sie annehmen; Prozesse kosten Geld, und im Anfang namentlich dem, der beginnt!«

»Bei einem so guten Stande ihrer Sache wird die Gräfin die Vorschüsse nicht scheuen!«

»Nun, mag sie denn immerhin,« versetzte Ritterhausen mit demselben Gleichmut und schwieg eine Weile; dann sagte er: »Geben Sie mir lieber einen andern Rat, Monsieur Ermanns, da Sie doch die Gräfin kennen. Sehen Sie, ich sehne mich fort von hier, wo ich so schmerzliche Erfahrungen gemacht habe; wo ich nicht zum Fenster hinausblicken und die alte Burg da oben setzen kann, ohne daß eine Fülle bitterer und zorniger Gedanken über mich strömt. Ich will den Hammer der Gräfin friedlich und ohne Rechtsstreit lassen, wenn dieselbe so billig ist, mir eine ansehnliche runde Summe auszuzahlen, als Entschädigung für die namhaften und großen Verbesserungen, die ich an dem Hammer angebracht habe.«

Monsieur Ermanns horchte bei dieser Rede Ritterhausens hoch auf. Die Schlauheit des Hammerbesitzers brachte ihn vollständig aus dem Konzepte. Statt den letztern eifrig auf den hingeworfenen Gedanken eines Kaufs eingehen zu sehen, mußte er erleben, daß sich der Speer umkehrte – er mußte nun also förmlich den Kauf antragen, wenn er den Auftrag der Gräfin ausführen wollte.

»Nun möchte ich Sie um Ihren Rat bitten,« fuhr Ritterhausen fort, »auf welchem Wege ich am zweckmäßigsten meine Absichten der Gräfin kundtue.«

»Ich bin gern bereit, mit ihr darüber zu reden,« versetzte Ermanns etwas zögernd, »aber ich muß Ihnen gestehen, daß ich Ihren Plan nicht billige. Die Gräfin wird Ihnen nicht mehr Entschädigung geben, als sie gesetzlich verpflichtet ist, und ich fürchte, daß Sie dabei einen ganz enormen Schaden haben würden!«

»Auf Schaden bin ich gefaßt,« erwiderte Ritterhausen. »Ich will ihn tragen, wenn ich nur fortkomme von hier!«

»Auf einen Kauf also würden Sie nicht eingehen,« sagte Ermanns kleinlaut.

Der Hammerbesitzer zuckte die Achseln.

»Gewiß nur dann,« nahm hier Sibylle, die sich nicht mehr zurückhalten konnte, das Wort, »wenn der Kauf unter sehr günstigen Bedingungen geboten würde.«

»Was nennen Sie günstige Bedingungen?« fragte Ermanns, sich Sibyllen zuwendend. »Die Burg mit Inbegriff des Hammers ist 200 000 Frank wert.«

»Ich denke, die Summe ist nicht viel zu hoch gegriffen,« erwiderte Ritterhausen. »Allein, wenn die Gräfin das Ganze zum Verkauf aussetzen läßt, gibt niemand in der Welt 200 000 Frank für eine Besitzung, von der ein sehr bedeutender Bestandteil doch noch in den Händen Ritterhausens ist und erst durch einen mißlichen Prozeß ihm abgerungen werden müßte!«

»Ja, was ist da nun zu machen!« rief der Beamte aus, »Bieten Sie 200 000 und ich will der Gräfin sehr gern Mitteilung von Ihrem Antrage machen.«

»O, mißverstehen Sie mich nicht – es handelt sich durchaus nicht um einen Antrag der Art,« rief hier der Hammerbesitzer aus. »Mein Antrag lautet auf friedliche Einräumung des Hammers an die Gutsherrschaft, gegen eine Entschädigungssumme von etwa 30 000 Frank für aufgewendete Verbesserungen!«

Ermanns schüttelte den Kopf. »Ich will Ihnen sagen, welches die einzige Art ist, wie Sie eine solche Entschädigung erhalten werden,« sagte er mit seinem Lächeln. »Bieten Sie der Gräfin 200 000 Frank für ihre ganze Gutssubstanz; ziehen Sie davon Ihre 30 000 Frank ab und zahlen Sie ihr 170 000 Frank aus. Ich glaube, sie würde einwilligen!«

»Ich würde ihr schwerlich 150 000 Frank zahlen,« bemerkte Ritterhausen nach einer Pause.

»Ich kann der Gräfin zu einem solchen Handel nicht raten,« entgegnete Ermanns.

»Das verlange ich ja auch in keiner Weise,« fiel Ritterhausen lächelnd ein. »Raten Sie ihr zum Vergleich mit mir!«

»Ich will mich erst genauer bei Sachverständigen nach dem Werte der Besitzung erkundigen,« versetzte der Beamte, »und dann werden wir weiter davon reden; die Gräfin wird tun, was sie als Vormünderin ihres Sohnes nur irgend tun und verantworten kann!«

Ermanns erhob sich und nahm Abschied mit dem Versprechen, am folgenden Tage zurückzukehren. Als er fort war, sprang Sibylle auf und, Freudentränen im Auge, umarmte sie ihren Vater.

»O, nun wird alles, alles gut!« sagte sie.

»Ich hoffe es,« versetzte Ritterhausen mit zufriedenem Kopfnicken ... »ich hoffe, der Augenblick ist da, für den du seit Jahren dich bemüht, gesorgt, gespart und gesammelt hast ... der Augenblick, wo ... ich Herr werde auf dieser Rheider Burg!«

»Sie, Vater?« sagte Sibylle leis, ihr lockiges Haupt auf die Schulter Ritterhausens legend und ihm mit ihren feuchten Blicken ins Auge schauend.

»Nun ja, ich oder du, wie du willst,« versetzte Ritterhausen, sie freundlich anlächelnd ... »oder gar ein anderer ...«

Sie legte ihre beiden Hände an seine Schläfen, und so seinen Kopf erfassend küßte sie ihn auf die Stirn.

»Wir reden davon ein andermal,« sagte sie leise ... »wenn erst Ermann zurück ist, wenn die Burg erst unser ... wenn der Kaufbrief schwarz auf weiß vor mir liegt ... denn eher kann ich ja an mein Glück noch gar nicht glauben!«

»Das wird nicht lange dauern, mein Kind,« versetzte der Hammerbesitzer, »und dann tu', was du willst!«

Und es dauerte in der Tat nicht lange; am folgenden Tage kam Ermanns zurück, einen von der Gräfin unterschriebenen Entwurf des Kaufvertrags in der Tasche


 << zurück weiter >>