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Elftes Kapitel

Ein Geständnis

Nachdem Monsieur Ermanns mit seinen schärfsten und stechendsten Blicken den jungen Mann betrachtet hatte, sagte er: »Folgen Sie uns in das vordere Zimmer. Sie werden uns dort Rede stehen, wer Sie sind und wie Sie hierher kommen.«

»Ich kann Ihnen das mit wenig Worten erklären,« versetzte Richard, durch den befehlerischen Ton des Beamten verletzt und sich stolz aufrichtend, »wollen Sie es jedoch in dem andern Zimmer lieber hören als in diesem – mir ist das gleichgültig!«

Unterdes war Monsieur Ermanns vorausgeschritten in den vordern Raum, das Wohnzimmer des ermordeten Grafen, Richard folgte ihm und hinter diesem ging, ihn vorsichtig beobachtend, der Untersuchungsrichter, ein großer korpulenter Mann mit rötlichem Gesicht und starkem Unterkinn, eine Gestalt, deren Aeußeres im ganzen weit eher eine offene Gutmütigkeit verriet als irgend etwas anderes.

In dem vordern Zimmer ließen die beiden Herren sich an dem Schreibtisch des Grafen nieder; Ermanns legte sein Terzerol neben sich auf den Tisch. Nachdem sie Richard noch einmal eine Weile höchst finstern Blicks verwundert angesehen, begann Monsieur Ermanns: »Wer sind Sie?«

»Ich habe gerade nicht Lust, Ihnen das zu sagen,« versetzte Richard. »Ich glaube auch nicht, daß es zur Sache gehört. Wenn ich Ihnen erklärt habe, wie ich hierher gekommen und Sie aus dieser Erklärung die Beruhigung geschöpft haben werden, daß ich nicht etwa beabsichtige, den toten Mann dort drinnen zu berauben, so, denke ich, kann ich mich Ihnen empfehlen.«

»Und wie erklären Sie Ihre Anwesenheit hier?« fragte der Polizeibeamte.

»Der Zufall hat mich in die Nähe dieses Hauses geführt, das ehemals von einer Familie bewohnt wurde, welche der meinigen nahe stand – ich fühlte das Verlangen, einmal wieder das Innere dieser Räume zu sehen. Als ich dem Hausmeister den Wunsch äußerte, erwiderte er mir, daß ihm befohlen sei, niemand hinaufzulassen. Ich beruhigte ihn über die Folgen, wenn dies Verbot einmal übertreten werde, und ging ohne mich an ihn zu kehren. Als ich die ganze Zimmerreihe bis zu diesem Räume durchwandert hatte, hörte ich die Schritte Herankommender. Es waren Ihre Schritte, meine Herren. Ich war nicht eben in der Stimmung, worin man mit Fremden zusammenzustoßen liebt, und ich mußte zudem in hohem Grade wünschenswert finden, mich unsichtbar zu machen, um dem Hausmeister Verdruß zu ersparen. Darum schlüpfte ich in das Versteck, in welchem mich die Herren fanden. Das ist alles.«

»Und woher kannten Sie das Versteck?« fragte Monsieur Ermanns.

»Durch – nun, durch Richard von Huckarde, meinen Jugendfreund.«

»In der Tat,« versetzte der Polizeibeamte etwas spöttisch, »durch Richard von Huckarde!«

»Sie berufen sich auf einen sehr weit entfernten Zeugen, mein Herr!« fiel der Untersuchungsrichter ein.

»Ich wüßte nicht, daß ich nötig hätte, mich auf Zeugen zu berufen. Hoffentlich wird man keinen Zweifel gegen das, was ich sage, hegen!«

»Wer sind Sie? Wollen Sie uns das jetzt mitteilen?«

»Ich ziehe vor, mich nicht zu nennen,« erwiderte Richard trocken.

»Sie stehen vor Leuten, welche doch wohl das Recht haben zu fragen,« bemerkte hier mit ironischem Tone Monsieur Ermanns.

»Sie haben die Pflicht zu antworten – oder man wird Sie dazu zwingen!« setzte der Untersuchungsrichter hinzu, der alles tat, um seinem offenen Lebemanngesicht das Gepräge des strengen Inquirenten zu geben und in seinen Aeußerungen deshalb etwas Brutales annahm; während ganz im Gegenteil Monsieur Ermanns den Ernst seiner nicht gerade Vertrauen erweckenden Züge durch einen Ausdruck von unbekümmerter Heiterkeit zu überdecken bestrebt war, das heißt wenn er es nicht gerade für politisch hielt, mit dem, was er im stillen sein Adlerauge nannte, zu durchbohren.

»Nun beruhigen Sie sich, meine Herren,« antwortete Richard mit trübem Lächeln, »ich werde Ihnen den Gefallen tun, Ihnen meinen Namen zu nennen, wenn Sie es so sehr wünschen und es nicht zu umgehen ist. Ich bin der, den ich eben genannt habe.«

»Wie, Sie wären...?« fuhr der Untersuchungsrichter auf.

»Richard von Huckarde.«

Die beiden Beamten sahen sich an. Monsieur Ermann wünschte dann die Angabe des jungen Mannes durch Legitimationspapiere belegt zu sehen, Richard zog sein Portefeuille hervor und überreichte dem Polizeibeamten einen Paß, den er sich vom französischen Konsul in Neuyork hatte geben lassen.

»Und jetzt, hoffe ich, darf ich mich verabschieden,« sagte Richard dann, die Hand nach seinem Papiere ausstreckend, um es zurückzunehmen.

»Warten Sie doch,« entgegnete Monsieur Ermanns, »es tut uns leid, Ihre Zeit noch länger in Anspruch nehmen zu müssen. – Sie sind, wie es scheint, allerdings Richard von Huckarde, einst der Erbe dieses Gutes. Weshalb sind Sie zurückgekehrt aus der Fremde – Sie waren jawohl in die Welt gegangen, um Ihr Glück draußen zu suchen – in diesem Nordamerika, woher sie kommen? Ist es nicht so?«

»Ich war in Amerika,« antwortete Richard; »da ich aber dort keine Verhältnisse fand, welche mich fesselten, bin ich zurückgekommen, um mein Gut, das jetzt nicht mehr Lehngut ist, zurückzuerlangen, und durch Verkauf eines Teils desselben mich mit den Gläubigern meines Vaters abzufinden.«

»Und als Sie in Ihr Gut kamen, das Sie wieder zu erhalten hofften, fanden Sie es von einem fremden Herrn eingenommen?« fragte Ermanns.

»Nicht mehr. Ich kam erst heute, und der fremde Herr liegt seit gestern hier neben uns als Leiche.«

»Allerdings – er liegt hier als Leiche. Und wir sind beauftragt, den Mörder zu entdecken.« fuhr Monsieur Ermanns fort. »Bei dieser Untersuchung nun finden wir Sie hier versteckt – in dem Gemache, in welchem das Verbrechen begangen ist. Sie, der Sie ein so großes Interesse dabei hatten, einen fremden Herrn, wenn Sie ihn fanden, aus diesem Schlosse entfernt zu sehen; der nicht hoffen durfte, ihn auf gerichtlichem Wege zu entfernen – mit einem Wort, mein Herr, Sie müssen begreifen, daß Sie verdächtig erscheinen.«

Monsieur Ermanns ließ bei diesen Worten die konzentrierte Kraft seines Adlerauges ihre Wirkung tun.

»Ich, verdächtig? Doch nicht verdächtig, den Grafen ...«

»Allerdings, den Grafen ermordet zu haben,« fiel barsch und ohne weitere Umschweife der Untersuchungsrichter ein.

Richard von Huckarde sah die beiden Männer mit großen Augen und überaus verwundert an.

»Ich, den Grafen von Epaville ermordet zu haben?« wiederholte er.

»Was sagen Sie zu dieser Anschuldigung?« fragte Monsieur Ermanns.

»Kein Wort, keine Silbe,« erwiderte Richard heftig.

»Sie begreifen jedenfalls, daß Sie fürs erste in den Händen der Justiz bleiben,« fuhr der Polizeibeamte fort. »Folgen Sie uns nach unten, ich werde Sie nach Düsseldorf transportieren lassen.«

Damit erhob sich Monsieur Ermanns.

Richard blieb regungslos stehen, die Arme über der Brust verschränkt, das Auge starr auf den Boden geheftet.

»Folgen Sie uns!« wiederholte der Untersuchungsrichter, sich ebenfalls erhebend.

Richard folgte nicht. Er schien in Sinnen verloren, er schien für das, was um ihn vorging, keine Organe zu haben ... bis er plötzlich das Haupt aufrichtend, während eine dunkle Röte über seine Züge glitt, ausrief: »Und wenn ich zu Ihrer Anschuldigung Ja sage, wird man dann sofort die Untersuchung gegen andere Verdächtige fallen lassen, wird die törichte und unverantwortliche Verfolgung der Familie Ritterhausen eingestellt werden?«

»Vorausgesetzt, daß zwischen Ihnen und den Leuten, welche Sie nennen, keine Verbindung stattgefunden hat...«

»Das kann ich zur Not doch wohl beweisen,« fiel Richard ein.

»Nun wohl, wenn Sie sich zu der Tat bekennen, als alleiniger Urheber, so kann dieselbe nicht von den Ritterhausen ausgehen,« antwortete der Polizeibeamte. »Es ist auch nicht anzunehmen, daß Sie in Verbindung mit einem Manne stehen, der – der Todfeind Ihres Vaters war!«

»So bekenne ich mich zur Tat,« sagte Richard fest, sich stolz aufrichtend.

Die Wirkung dieses Bekenntnisses auf die beiden Herren war eine verschiedene. Während der Untersuchungsrichter mit einem Blick, der nur eine mit Abscheu gemischte Verwunderung ausdrückte, den jungen Mann ansah, drückte sich in den Augen, womit der Polizeibeamte den geständigen Missetäter betrachtete, etwas ganz anderes aus. War es der Gedanke, daß alle seine Schlauheit bei der Vernehmung und Ausforschung der Verdächtigen auf dem Rheider Hammer umsonst aufgewendet sei, und daß er sie jetzt bei dem Bericht, den er dem Großherzog machen mußte, nicht werde in rechtes Licht setzen können, oder war es ein Zweifel, den er in die Richtigkeit und Wahrheit des Geständnisses setzte: kurz, er sah den bekennenden Verbrecher an mit einer Miene, die eher Mißvergnügen ausdrückte als alles andere. Vielleicht ärgerte ihn auch ein solch rasches Geständnis, welches, alle seine Inquisitionslist überflüssig machte und die cause célèbre, in der er glänzen zu können hoffte, sehr abkürzte.

»Es scheint,« hub er nach einer stummen Pause, die auf Richards rasch ausgestoßene Worte folgte, wieder an, »es scheint nach den Aeußerungen, welche Sie eben fallen ließen, Ihnen am Herzen zu liegen, daß der Untersuchung gegen die Ritterhausen, Vater und Tochter, kein weiterer Verfolg gegeben werde?«

»Weil Sie unschuldig sind,« antwortete Richard fest und bestimmt.

»Es ruht auf dem Hammerbesitzer noch ein älterer Verdacht,« fuhr Ermanns fort, »ist Ihnen der bekannt?«

Richard antwortete nicht gleich.

»Welchen Verdacht meinen Sie?« sagte er dann. »Ich weiß von keinem, der so ernstlich wäre, daß die Justiz sich mit ihm beschäftigen könnte; müßiges Gerede zu berücksichtigen ist doch wohl unter der Würde derselben.«

»Darüber wird die Justiz nun wohl selber zu entscheiden haben, was unter ihrer Würde ist, was nicht. Beantworten Sie meine Frage.«

»Ich glaube, daß ich das bereits tat.«

»Sie halten den Verdacht, von dem ich rede, den Verdacht, der auf Ritterhausen infolge des unglücklichen Endes Ihres Vaters gefallen ist, für ein müßiges Gerede?«

»Ja.«

»Teilen Sie uns Näheres über jenes Ereignis mit. Sie waren zugegen, als Ritterhausen Ihren Vater zum letztenmal – wir wollen annehmen, es sei das letzte Mal gewesen – gesprochen hat.«

»Mein Vater,« entgegnete Richard, »war in einer höchst unglücklichen und bedrängten Lage. Je mehr aber die Sorge seinen Geist niederbeugte, desto mehr suchte er sich aufrecht zu erhalten an seinem aristokratischen Standesbewußtsein, an seiner ungebeugten ritterlichen Ehre. Der Hammerbesitzer Ritterhausen hatte durch die Art, wie er seinen Prozeß geführt, meinen Vater tief gekränkt. Dieser hielt es für ein Gebot seiner Ehre, den Mann nicht länger auf seinem Grund und Boden zu lassen und alle Beziehungen mit ihm abzubrechen. Ritterhausen aber kam und zeigte meinem Vater, daß letzterer nicht imstande sei, diese Beziehungen zu lösen. Ritterhausen hatte Schuldforderungen gegen meinen Vater an sich gebracht; er drohte ihm, diese aufs strengste geltend zu machen, meinem Vater sein letztes Gut, sein Haus sequestrieren lassen zu wollen, wenn er ihm den Besitz des Hammers kündige. Mein Vater, ohnehin gebeugt genug durch seine Lage, vereinsamt, menschenscheu, ohne Freundestrost, wurde so erschüttert durch diese neue Verwicklung seiner Verhältnisse, durch den Gedanken, daß er nicht ausführen könne, was er laut und wiederholt bei seiner Ehre gelobt – sich selbst sowie jedem, der es hören wollte – mein Vater, sage ich, gab sich der Verzweiflung hin und machte seinem sorgenvollen Leben ein Ende. Ritterhausen hat an diesem traurigen Schicksal meines Vaters keinen andern Teil. Er hat sein Recht gebraucht. Vielleicht rücksichtsloser und schroffer als er sollte. Sein Ton in seiner letzten Unterredung mit meinem Vater war triumphierend und fast höhnisch. Er verwundete meinen Vater bis ins Herz. Er ist ein ehrlicher, tüchtiger, aber ein rauher, kalter Mann. Wenigstens war er es damals. Mein Vater war nicht gemacht, mit einer solchen Natur zu streiten. Es war ein Unglück, daß das Schicksal sie zusammenführte. Aber ein Verbrechen ist nicht geschehen, und der Verdacht, von welchem Sie reden, ist eine Torheit.«

»Und doch,« bemerkte hier der Untersuchungsrichter, »trug die Leiche Ihres Vaters eine große, vielleicht tödliche Wunde am Hinterhaupt, als man sie im Flusse fand. Und doch war Ritterhausen, zu ganz ungewöhnlicher Stunde, in der Zeit, wo Ihr Vater seinen Untergang fand, von seiner Wohnung entfernt.«

»Um des Hammerbesitzers Gänge und Verbleib in jener Nacht habe ich mich nicht bekümmert,« versetzte Richard von Huckarde, »und doch glaube ich, daß er durch das Zeugnis eines Geschäftsfreundes, den er an jenem Abend besuchte, gerechtfertigt ist ... Was die Wunde angeht, so glaube ich, man braucht kein Arzt zu sein, um zu erkennen, daß sie durch das Aufschlagen des Kopfes auf eine scharfe Kante des Gesteins, eine felsige Ecke im Flußbette, entstanden.«

»Was ist da nun zu machen?« rief Ermanns nachdenklich aus.

»Aber wollen Sie nicht alle diese Aussagen doch summarisch sofort protokollieren?« sagte er dann zum Untersuchungsrichter gewendet.

»Ich denke, daß es das Beste sein wird,« versetzte der letztere. »Schreibzeug ist ja hier zur Hand!«

Und während nun der Untersuchungsrichter am Schreibtisch des ermordeten Grafen zu protokollieren begann, ging Monsieur Ermanns nachdenklich im Gemache auf und ab, zuweilen nur einen plötzlichen Seitenblick über seine Brille hin auf Richard werfend, der seinerseits sich ruhig auf einen der umstehenden Sessel gesetzt hatte und den Kopf auf den Arm stützend zu Boden blickte.

So verging beinahe eine Viertelstunde, während welcher die Feder des Untersuchungsrichters kritzelnd über das Papier flog. Dieser sah dann auf, legte die Feder fort und fragte: »Sie gestehen also, der Mörder des Grafen Antoine von Epaville zu sein?«

Richard antwortete bloß durch ein Nicken des Hauptes.

»So geben Sie uns jetzt eine Erzählung des Hergangs der Tat.«

»Sie würden mich verpflichten, wenn Sie mir das heute erließen,« erwiderte Richard. »Es wird, hoffe ich, vorderhand genug sein, daß ich Ihnen das Geständnis abgelegt habe.«

»Seit wann haben Sie Amerika verlassen?« fragte Ermanns dazwischen.

»Seit sechs Wochen. Ich hielt mich einige Tage in England auf.«

»Und kamen hier an?«

»Nun, am Abend vorher.«

»Vor der Tat?«

»Ja.«

»Ließ der Hausmeister Sie in die Burg ein?«

»Nein, ich sah und sprach niemand. Ich fand die hintere Haustür offen.«

»Und Sie suchten gleich das Versteck auf?«

»Mit der Absicht, den jetzigen Eigentümer des Guts von dort aus zu überfallen und meuchlerisch zu ermorden?«

Richard schwieg.

»Sagten Sie nicht vorhin, Sie seien erst soeben hierher gekommen und hätten den Hausmeister verführt, Sie trotz des Verbots einzulassen?«

»Ich sagte so.«

»Sie taten das, um Ihre frühere Anwesenheit zu verdecken?«

»Ohne Zweifel!« entgegnete Richard.

»Der Hausmeister wußte also nicht, daß Sie schon seit zwei Tagen im Schlosse waren, als Sie heute vor ihm erschienen?«

»Nein.«

»Und bloß um Ihre Tat zu maskieren, um den Unschuldigen, eben Angekommenen, zu spielen, kehrten Sie zurück?«

»Sie bemerkten das eben schon.«

»Weshalb flohen Sie nicht? Den Verbrecher pflegt es doch sonst von der Stätte des Verbrechens fortzutreiben.«

»Weil – nun, weil ich nicht wußte, wohin fliehen.«

»Das ist mir keine genügende Antwort, mein Herr von Huckarde. Der Mörder flieht den Anblick seiner Tat, nur um zu fliehen; er rettet sich ins Weite, in die Welt; sich tagelang, sich stille Nächte hindurch in einem einsamen Gebäude neben der Leiche seines Opfers aufzuhalten – das ist etwas, was die Nerven eines Mannes von Bildung, eines Mannes, wie Sie mir scheinen, schwerlich aushalten.«

»Ich bin gekommen, mein väterliches Haus wieder zu erlangen: Wie hätte ich es wieder verlassen sollen, nachdem ich es endlich nach so langer Reise erreicht!«

»Wovon lebten Sie die zwei Tage Ihres Verborgenseins hindurch?« fragte Ermanns kopfschüttelnd weiter.

»Ich habe Sie schon einmal gebeten, meine Herren, Ihr weiteres Verhör auf einen andern Tag zu verschieben. Ich werde Ihnen jetzt keine Antwort mehr geben,« versetzte Richard.

Der Polizeibeamte schwieg auf diese sehr entschlossen ausgesprochene Aeußerung seines Inquisiten. Er ging wieder auf und ab. Der Untersuchungsrichter protokollierte.

Nach einer Pause hub Monsieur Ermanns wieder an: »Ich würde Sie vorläufig mit allen weitern Fragen verschonen können, wenn Sie mir noch eine einzige Frage beantworten wollen.«

»Fragen Sie!«

»Als Sie erfuhren, daß der Graf von Epaville der jetzige Eigentümer Ihres ehemaligen Guts sei, faßten Sie da sofort den Entschluß, ihn durch Mord aus dem Wege zu schaffen, um nach seinem Tode leichter Ihre Besitzrechte erlangen zu können?«

Richard, der die Stirn in die Hand gestützt, wie in träumerisches Sinnen verloren, immer noch dasaß, antwortete ein kaum verständliches, hingemurmeltes: »Schreiben Sie nur so!«

»Aber welche Vorstellung machten Sie sich denn eigentlich von dem Vorteil, welchen Ihnen ein schreckliches Verbrechen bringen werde?« fuhr Ermanns fort. »Ihr Stammgut war früher in den Händen des Domänenfiskus, jetzt in denen des Grafen. Ob jener oder dieser es in Besitz hatte – was verschlug es Ihnen eigentlich? Hatten Sie Anrechte, konnten Sie sie gegen den einen wie den andern Gegner geltend machen?«

»Nun,« warf Richard mürrisch hin, »haben Sie nicht vorher selbst gesagt, ich durfte nicht hoffen, einen Prozeß gegen einen Günstling des Großherzogs zu gewinnen?«

»Wollen Sie mir in die Schuhe schieben, ich hätte die Justizverwaltung in den Staaten des Großherzogs parteiisch genannt?« sagte Monsieur Ermanns verweisend.

Richard antwortete nicht.

Der Untersuchungsrichter begann nach einer stummen Pause das Protokoll vorzulesen. Richard schien kaum zuzuhören.

»Unterzeichnen Sie jetzt,« sagte der Untersuchungsrichter, als er zu Ende war. Richard erhob sich und hatte die Feder bereits ergriffen, um die verhängnisvolle Namensunterschrift zu geben – als er plötzlich die Papiere zurückstieß und sagte: »Ich werde nicht eher unterzeichnen, als bis die Herren mir eine Bedingung erfüllt haben.«

»Sie haben keine Bedingungen vorzuschreiben!« fuhr der Untersuchungsrichter auf. »Unterschreiben Sie!«

»Was machen Sie denn für eine Bedingung?« fragte Monsieur Ermanns desto sanfter und gemütlicher.

»Ich verlange, daß man mir erlaube, zum Rheider Hammer hinabzugehen und den Bewohnern desselben anzukündigen, daß sie frei sind, weil der wahre Schuldige ja jetzt in mir gefunden ist!«

Der Untersuchungsrichter schüttelte höchst energisch verneinend den Kopf; da sich aber Richards Rede an den Polizeibeamten gewandt hatte, so überließ er diesem zu antworten.

Zu seiner Verwunderung antwortete der Polizeibeamte ganz anders, als er erwartet hatte.

»Ich werde, wenn der Herr Untersuchungsrichter einwilligt, Sie auf den Hammer begleiten, Herr von Huckarde,« sagte Monsieur Ermanns. »Sie mögen dort den Ritterhausen Mitteilungen machen, doch muß ich zugegen sein.«

»So kommen Sie!« sagte Richard lebhaft.

Richard schritt voraus, der Tür zu, Ermanns folgte ihm. Der Untersuchungsrichter blieb auf den Wunsch des Polizeibeamten zurück.

»Ich werde Ihnen den Hausmeister herauf senden,« sagte Ermanns. »Vernehmen Sie ihn zu Protokoll in Beziehung auf Richard von Huckarde. Erwarten Sie uns hier zurück.«

Damit verschwand auch Monsieur Ermanns rasch aus dem Gemache, um Richard nicht aus den Augen zu lassen. Unten im Hausgang hatten zwei Gendarmen, die als Begleitung der untersuchenden Herren gekommen, Posto gefaßt. Ermanns gab ihnen einen Wink – sie nahmen Richard in die Mitte.

»Ist das nötig?« wandte sich dieser an den Polizeibeamten zurück.

»Leider, Herr von Huckarde!«

Richard zuckte die Achseln und schritt weiter; Ermanns folgte in der Entfernung von etwa zehn Schritt.

So bewegte sich der kleine Zug draußen um das Gebäude herum und schlug den Pfad ein, der an der Bergseite hinab nach dem Hammer führte. Richard schritt sehr rasch vorauf. Ermanns folgte, den Kopf gesenkt, augenscheinlich sehr lebhaft von seinen Gedanken in Anspruch genommen, denn die Gesichtsmuskeln des blassen Antlitzes zuckten und die Augen blinzelten fortwährend.

Als man dem Hammer nahe gekommen war, eilte Ermanns den Voranschreitenden zur Seite zu gelangen und sagte zu Richard: »Herr von Huckarde, Sie werden eine Weile im Garten des Hammers zurückbleiben. Ich werde mir erlauben, die Hausbewohner erst auf Ihr Erscheinen vorzubereiten.«

»Sie sind außerordentlich gütig!« versetzte Richard bitter, da ihm diese Anordnung durchaus nicht angenehm war; aber er mußte sich unterwerfen.

Ermanns überschritt zuerst die Brücke über den Fluß, trat durch das kleine Hintertor in den Garten und fand hier einen Gerichtsdiener, welcher aufgestellt war, diese Seite des Hauses zu bewachen. Das Haus war auf diese Weise überall bewacht, bis die Abführung der Verdächtigen nach Düsseldorf vorgenommen werden konnte. Man hatte sie wegen Ritterhausens Gichtleiden, das heute sehr heftig war, noch aufgeschoben. Ermanns trat dann durch die aus dem Garten führende Glastür in das Wohnzimmer ein, wie jemand, der zum Hause gehört und keine Umstände zu machen braucht.

Ritterhausen lag wie gewöhnlich in seinem Sorgen- und Leidensstuhl ausgestreckt – nur war heute sein Blick noch düsterer, seine Stirn noch tiefer gefaltet als gewöhnlich, und den eintretenden Polizeibeamten begrüßte er bloß mit einem zornigen Funkeln seiner Augen; dann wandte er den Kopf ab und betrachtete durch das Fenster ohne große Teilnahme die drei Personen, die im Garten zurückgeblieben waren, Richard und die Gendarmen.

»Wo ist Ihre Tochter, Herr Ritterhausen?« fragte Ermanns.

Der Hammerbesitzer antwortete nicht. Er hielt sich um so mehr berechtigt, kein Wort an den Beamten zu verschwenden, weil Sibylle ohnehin eben aus ihrem Zimmer in den kleinen Gartensaal trat.

»Mademoiselle Sibylle,« wandte sich Monsieur Ermanns an diese mit sehr ernstem, fast väterlich klingendem Ton, »so hartnäckig auch Sie und Ihr Vater sich gegen Ihr wahres Beste, wenn ich es Ihnen riet, verstockt gezeigt haben, so komme ich doch einmal als Ihr Freund zu Ihnen, um von Ihnen abzulenken, was über Sie ergehen wird, wenn Sie dabei bleiben, mir ein Geständnis zu weigern.«

»Was wollen Sie von mir?« fragte Sibylle tonlos.

»Blicken Sie durch das Fenster in den Garten. Ueberzeugen Sie sich mit Ihren eigenen Augen, daß der Deserteur, welcher Ihr Werkzeug war, in den Händen des Gesetzes ist. Dieser Mensch hat alles gestanden. Er hat offen gestanden, sage ich Ihnen. Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort darauf, daß er gestanden hat ... das Ehrenwort eines Mannes, der es wohl mit Ihnen meint. Ritterhausen, wollen Sie jetzt länger leugnen? Jetzt, wo Sie sehen, daß es nichts mehr fruchtet?«

Ermanns beobachtete, während er so sprach, aufs gespannteste die Züge von Vater und Tochter.

»Ich kenne den Menschen nicht,« sprudelte Ritterhausen zornig hervor. »Er kann gestehen, was er will!«

Sibylle hatte unterdessen ihr bleiches von Gram gezeichnetes Gesicht der Gestalt des im Garten stehenden Richard zugewendet.

»Der Deserteur?« sagte sie halblaut, »der Deserteur ist das nicht – Herr des Himmels!« schrie sie dann laut auf, »das ist ja Richard, Richard von Huckarde.«

»Wer, Richard?« rief Ritterhausen und machte eine Bewegung, als wolle er aufspringen, sank aber von einem plötzlichen, seinen Fuß durchzuckenden Schmerz an seinen Zustand gemahnt, ächzend zurück.

Unterdes war Sibylle der Glastür zugestürzt und mit dem lauten Rufe: Richard! einem markerschütterndem Rufe, in dem alle Angst und alle Not ihrer Seele zu zittern schien, wollte sie zu ihm in den Garten, ihm entgegeneilen, als Ermanns zwischen sie und die Tür sprang und sie zurückhielt.

Sibylle wandte sich ab und sank auf das Kanapee, die Hand aufs Herz gedrückt, totenbleich, die Augen schließend, wie von einer Ohnmacht befangen.

»Richard zurück?« sagte Ritterhausen – »und er, sagen Sie, habe bekannt, diesen Epaville ermordet zu haben?«

»Aus freien Stücken hat er es gestanden,« versetzte Ermanns.

Ritterhausen schüttelte den Kopf.

»Ich muß aus seinem eigenen Munde hören, um es zu glauben.«

»Es tut mir leid, Ihnen diesen Wunsch nicht erfüllen zu können, Herr Ritterhausen,« antwortete der Polizeibeamte, der während dieser ganzen Szene Ritterhausen über seine Brille her verstohlen, aber sehr aufmerksam beobachtete.

»Freilich,« sagte der Hammerbesitzer, »wir haben ja ebenfalls den Grafen ermorden lassen, durch einen Deserteur, wie Sie sagen! Nach Ihrer Ansicht ist er jetzt also doppelt ermordet!«

Ritterhausen sprach dies mit dem bittersten Hohne.

»Halten Sie etwa den Herrn von Huckarde der Tat nicht fähig?« fragte Monsieur Ermanns in seiner ganzen Gelassenheit bleibend.

»Nein!« antwortete Ritterhausen trocken. »Ebensowenig wie dazu, daß er etwas ausgesagt hätte, was uns beschwerte.«

»Das ist in der Tat auch nicht der Fall,« bemerkte Monsieur Ermanns. »Ich kann Ihnen darüber jetzt, nachdem, was ich sehe, die beruhigendsten Versicherungen geben. Ueberhaupt, mein Herr Ritterhausen,« setzte der Polizeibeamte mit einem tiefen Seufzer hinzu, »überhaupt hoffe ich, daß Sie inne werden, wie meine Art die Sachen anzugreifen nicht so gar schlimm ist, als Sie glauben. Sehen Sie, lieber Herr, Sie nennen mich im stillen einen hinterlistigen Schleicher, einen Falschen, einen Verräter, einen Nichtswürdigen, der sich durch harmloses Schwatzen in das Vertrauen der Leute stiehlt und sie dann zu verderben sucht mit dem, was sie ihm gutmütig anvertraut haben. Ich weiß das, Sie nennen mich so – leugnen Sie es nicht ...«

Herr Ritterhausen machte keine Miene, als ob er es leugnen wollte.

»Ich habe,« fuhr Ermanns fort, »allerdings die Politik, mich zunächst mit denen, gegen welche ein Verdacht vorliegt, auf einen freundschaftlichen Fuß zu setzen. Man bringt sie dann zum Plaudern, und wenn sie sich auch nicht verraten, so hört man doch, wes Geistes Kind sie sind. Es ist eben mein Metier, Ritterhausen; was soll man da machen! Daß meine Manier aber nicht so übel ist, sollen Sie jetzt mir einräumen. Denn sehen Sie, ein anderer hätte bei Ihnen immer stramm und geradeaus weiter inquiriert und dann den Geschworenen überlassen, über Ihre Schuld oder Unschuld zu entscheiden. Ich habe anders gehandelt. Ich habe Huckarde hierher bringen lassen zunächst, um meinen Zweifel zu beseitigen, ob dieser Mensch am Ende vielleicht nicht der oft besprochene Deserteur sei. Ich habe aus Ihren Aeußerungen gesehen, daß er es nicht ist. Es ist in der Tat Richard von Huckarde. Ihr oder vielmehr Ihrer Tochter Betragen hat es mir bewiesen. Und da er die Ermordung eingesteht, so haben wir bloß noch einige Nachforschungen anzustellen, welche uns hoffentlich beweisen werden, daß er mit Ihnen in keiner Verbindung war, seit und nachdem er aus der Fremde zurückkam. Hoffentlich! Nach Ihrem Benehmen bei dem Anblick des jungen Mannes und nach dem Benehmen Ihrer Tochter halte ich Sie jetzt für unschuldig, Herr Ritterhausen. Sehen Sie, das sage ich Ihnen jetzt gleich offen heraus. Hätte ein anderer Inquirent Ihnen das so unumwunden gestanden? Er hätte es nicht getan. Er hätte den Dingen ihren Lauf gelassen. Er hätte sich den Henker darum geschert, ob Ihr Gemüt noch wochenlang länger unter dem entsetzlichen Drucke leide. Ich bin anders, Herr Ritterhausen. Demoiselle Sibylle, schütteln Sie den Schmerz und den Ausdruck von Verzweiflung ab, der auf Ihrem schönen Gesicht liegt. Hören Sie, was ich eben Ihrem Vater sage: ich halte Sie nach dem, was ich beobachtete, für unschuldig. Für vollständig ohne Teil an dem begangenen Verbrechen. Jener Mensch dort« – er deutete auf Richard von Huckarde, der von seinen Gendarmen bewacht in der Mitte des Gartenpfades stand und seine Blicke wie suchend auf die Glastür und das Fenster der Wohnstube gerichtet hielt – »jener Mensch ist der Tat geständig. Er hat den Mord begangen. Sie haben keine Gemeinschaft mit ihm. Sie wußten nicht einmal, daß er nach diesem Lande zurückgekommen ... sehen Sie, das alles durchschaue ich, indem ich auf meine Weise die Dinge angreife; indem ich Mienen, die sich unbelauscht wähnen, belausche; indem ich harmlos plaudere, als sei ich der aufrichtigste Mensch von der Welt. Was haben Sie nun noch gegen diese Weise, Herr Ritterhausen,« schloß Monsieur Ermanns seine Rede, indem er in ein gezwungenes Gelächter ausbrach, »was haben Sie dagegen, wenn ich damit zu dem Ergebnis komme, daß Sie unschuldig sind?«

»Nichts weiter,« antwortete Ritterhausen, ohne über diese Ehrenerklärung in großen Jubel auszubrechen, doch freilich mit offenbar erleichterter Brust, »nichts weiter, als daß es mir lieber gewesen wäre, Sie hätten mich von vornherein für unschuldig gehalten und hätten mich mit jeder Untersuchung verschont, sei sie nun eine nach der strengen alten Inquisitionsmanier vorgenommene oder nach Ihrer Belauscher- und Belauerweise geführte.«

Monsieur Ermanns wollte antworten,, als seine Aufmerksamkeit plötzlich von Ritterhausen ab- und Sibylle zugezogen wurde. Sibylle nämlich war hinter seinem Rücken, während er sich dem Hammerbesitzer zuwandte, aufgesprungen, hatte mit einer raschen Bewegung die Glastür aufgerissen, war die paar Stufen in den Garten hinabgeflogen und lag, ehe sich jemand dessen versah, in den ihr entgegeneilenden Richards Armen.

»Richard – du – du hier – o mein Gott, welch ein Wiedersehen!« stammelte sie, und ihrer selbst nicht mächtig, barg sie ihr von Tränen überströmendes Gesicht an seiner Brust.

»Sibylle!« sagte er, sie sanft an sich drückend. »So finde ich dich wieder! Sei getrost – fasse dich ... du bist frei. Da diese Menschen das Opfer eines Unschuldigen verlangen, habe ich ihnen mein Leben zum Opfer dargeboten, Es war ohnehin dem Untergang geweiht, mein armseliges Leben. Ich werfe es gern von mir, da ich dir damit den Frieden und die Freiheit erkaufen kann! Sei getrost ...«

»Und das soll mich trösten, Richard?« schluchzte Sibylle, »ob dein, ob mein Leben ...«

Hier wurde die kurze Unterredung unterbrochen – Monsieur Ermanns, der in Hast Sibyllen nachgestürzt war, fuhr gewaltsam dazwischen und trennte die beiden jungen Leute, indem er die Hand auf Sibyllens Arm legte und den Gendarmen einen Wink gab, Richard fortzuführen. Sibylle wollte sich an den Geliebten anklammern, aber Richard drückte einen flüchtigen Kuß auf ihre Stirn und wandte sich dann, um einer Szene mit seinen Wächtern zuvorzukommen, von ihr ab und schritt dem Ausgang des Gartens zu.

Monsieur Ermanns bot Sibyllen zuvorkommend den Arm, um sie ins Haus zurückzugeleiten. Sibylle achtete nicht darauf, sie blickte mit strömenden Augen dem Dahinschreitenden nach.

Der Polizeibeamte machte ihr deshalb eine stumme, ebensowenig beachtete Verbeugung und eilte dem von den Gendarmen fortgeführten Richard nach.

Er schüttelte dabei, während er mit gesenktem Kopf, die Hände auf dem Rücken, dahinschlenderte, nachdenklich sein ergrauendes Haupt.

Ich fürchte, ich fürchte – so lauteten ungefähr in Worte übersetzt seine Gedanken – wir sind der Aufklärung dieser vermaledeiten Geschichte noch um keinen Schritt näher gekommen. Keine List verfängt bei den Ritterhausen. All meine rührende Gemütlichkeit hat ihnen nicht ein Wort, nicht einen Laut, nicht ein Zucken einer Miene abgelockt, bei dem ich hätte sagen können: jetzt hab' ich dich! Alle meine Freundschaftsergüsse haben sie in keine Schlinge gezogen ... Ich glaube wirklich, sie haben keinen Teil an der Sache. Ja, sie sind unschuldig, wenn ich mich nur soviel wie ein Dorfgerichtsschreiber auf die Worte und Mienen verstehe, wodurch sich Schuld oder Unschuld verrät. Wären sie schuldig, wir hätten ganz andere Reden gehört. Sie hätten mit beiden Händen zugegriffen, als Ihnen Gelegenheit geboten wurde, die Schuld auf einen andern, diesen Herrn von Huckarde zu schieben. Mein Herr Ritterhausen würde Gründe genug zu finden gewußt haben, weshalb es gerade niemand anders getan haben könne als Richard von Huckarde. Er würde hundert kleine Züge und Tatsachen gewußt haben, woraus hervorgegangen, daß dieser Mensch schon in seinem zartesten Knabenalter, ja in der Wiege ein blutdürstiger Bösewicht gewesen! Nein, es ist nichts mit der ganzen Untersuchung gegen diese Leute. Sie sind der Tat fremd. Ganz fremd. Was ist da nun zu machen? Soll man ein Brett vor den Kopf nehmen und kurzweg in diesem Menschen da den Täter sehen? In diesem Richard von Huckarde? Ist er der Täter? Ist dieser Mensch mit dem ruhigen Blick, mit der stillen Entschlossenheit und dem trotzigen Selbstbewußtsein ein Verbrecher? Nun, er sagt's ja selber; wir können Seiner großherzoglichen Hoheit wenigstens mit einer Antwort aufwarten, wenn wir gefragt werden, was wir geleistet haben.


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