Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

14.

Derweil saß der Tobies noch allweg beim Kühwolfen. Man hatte ihm Speise und Trank vorgestellt, auf daß er sich nach solcher Zeit und solchem Gewaltritt erhole und stärke, und zwischen Essen und Trinken hindurch erzählte er noch dies und jenes von den Hussengreueln, wie er sie selbst erlebt und gesehen, oder wie sie in der Stadt vor und während der Belagerung erzählt worden.

Ein Fliegen- und ein Menschenleben gälte diesen Unmenschen völlig gleich; nur würde die Fliege gleich totgemacht, so man sie erwischt, der Mensch aber zuerst noch geschunden und gequält. Raubgeviehet fräße den Menschen nur, diese Menschenteufel aber wären noch weit ärger ... noch weit ärger. Pfaffen und Nunnen ließen sie überhaupt keines leben, weil man ihren Hus verbrennet, und ... wie die Marder halt, die in einen Taubenschlag brächen ...

Frau Eva Kühwolf war vor Entsetzen beinahe schon mehr tot als lebendig und starrte kreidebleichen Gesichtes und mit weitaufgerissenen Augen und halbgeöffnetem Munde den Unglücksboten an. Herr Egyd Kühwolf knirschte in unmächtiger Wut mit den Zähnen, und der Wolf lehnte in einer Fensternische und stierte vor sich hin wie völlig ein Irrer ... Schier alles niedergemetzelt, die Pfaffen, das ganze Nunnenkloster ... Mehr hatte er aus dem ganzen Unheilsberichte kaum herausgehört. Im Nunnenkloster sollte seine Christel gewesen sein, und wenn alles niedergemetzelt worden ... Jedes Äderchen in seinem Leibe fieberte und zitterte, vor seinen Augen wechselten alle Farben, und zeitweise setzte sogar der Herzschlag aus ... Wäre traurig genug, wenn es hätte sein müssen, wenn ... es das Unglück so geschickt hätte; aber so wäre es nicht notwendig gewesen. Wenn dieser alte Wicht sie nicht ...

Alle daumlang wurde ihm, als müßte er vom Flecke wegrennen und im Hause des Hillebrandt wüten wie selber ein Husse ... Die Christel, seine Christel! Alles aus und zu Ende, sein ganzes Glück und Glückessehnen in tausend Scherben, und jedes Hoffen ertötet ...! Ja, wie selber ein Husse könnt' er wüten in seinem Grimme.

»Haltet Euch daheim bei Eurem Bruder, auf daß wir Euch jederzeit finden, wenn wir eine Frage haben oder eine Zeugenschaft brauchen!« deutete der Magister dem Tobiesen von weitem herum an, daß er nun gehen könne. »Wenn diese Unholde schon auf halbem Wege herzu sind, muß jeder Augenblick genutzt werden.«

Da hob sich der todmüde Tobies wieder und trottete heimzu.

Der Magister aber rüttelte den Wolfen auf. »Jungherr Wolf! Jetzt heißt es: Kopf hoch und kalt! Ich ahne Euer Leid, aber das muß jetzt zurückstehen. Von der Stunde an seid Ihr Stadthauptmann, und aller Geschick liegt in Eurer Hand und Führung. Dagegen verschwindet des einzelnen Leid und Not ...«

»Umbringen könnt' ich ihn,« knirschte der und raffte sich mit aller Mühe und Gewalt auf. »Und wie er mir in die Hände fällt ...«

»Nicht!« wehrte auch Herr Egyd. »Nur keine Torheit! Jetzt ins Stadthaus, alle Ratsherren aufgeboten und ... die Zügel in eine feste Hand genommen!«

»Zuerst waschet Euch den Kopf mit frischem Bronnen und mühet Euer Leid zurück! Wenn alle treu zusammenstehen und jeglicher sich wehret auf Leben und Tod, kann nicht viel fehlen.« So wieder der Magister.

Also wusch sich Wolf Kühwolf den Kopf mit kaltem Wasser und mühte an seinem Leide, soviel er vermochte. War aber nicht so zu verscheuchen wie ein Flug Sperlinge vom Gartenbeete. Doch bis sie ins Stadthaus kamen und bis die ersten Ratsherren anrückten, war das Allerärgste vorüber, und der Verstand kriegte mählich die Überwage.

Was tun, oder was zuerst tun? Einer wie der andere fragte das, und jeglicher riet etwas anderes, jeglicher nach seinem Verstande oder auch Unverstande. In Zeiten, die so sachte und ruhig dahinglitten von Tag zu Tag wie die Wasser eines Bächleins in ebenem Wiesengrunde, redete gar mancher ein schwer und gewichtig Wort, und in Sachen, die der Stadtschreiber schon bis ins kleinste vorgearbeitet, war jederzeit leicht zu raten. Auch wußte jeder, wo der Vorteil der Stadtgewaltigen lag und zu finden war. Nun blutiger Ernst Hand in Hand mit harter Zeit dräuend vor den Toren stand, versagte der althergebrachte Ratsherrenverstand und wich gefürchtiger Unüberlegtheit.

»Jetzt, wenn wir etliche Donnerbüchsen hätten!« wünschte der Gerber.

»Waren euch allweg zu teuer,« hielt ihm der alte Kühwolf entgegen. »War euch allerwegen leid um die paar Pfunde.«

»Nun ja ... man hat halt gemeint ...«

»Daß ich solche Zeit noch erleben muß!« jammerte der Stadtschreiber und trippelte in seiner Aufregung ziel- und zwecklos hin und wider. »Der Greuel der Verwüstung, wie er in der Schrift steht. Alles so schön nach Sache und Zeit geordnet in den Schriftentruhen und Kästen, und wenn diese Unholde kommen und alles verwüsten ...! Und noch dazu alles niedermetzeln ...«

»Keine unnötige Angst, Herr Mathes!« beruhigte der Magister. »Noch sind alle Stadtschriften in bester Ordnung, und noch ist kein Mensch niedergemetzelt.«

»Wird aber ... wird aber ... Wenn sogar die feste Stadt erstürmet worden ...«

»Das muß man erst sehen.«

»Von jetzt ab ist mein Wolf Stadthauptmann,« stellte Herr Egyd Kühwolf fest. »Wär' eh' kein Verlassen auf den Hillebrandt ... führt also das Stadtfähnlein und alle Stadtgeschäfte wie der Stadtrichter, weil es so beraten worden ist.«

»Bis auf den letzten Blutstropfen,« gelobte Wolf Kühwolf feierlich.

Einer um den anderen atmete schier erleichtert auf. Die Not wurde deswegen wohl nicht kleiner und die Gefahr auch nicht geringer, doch die Verantwortung war auf einen andern übergewälzt, und der vorderste war allerwegen dem Hiebe am nächsten.

»Ist so beraten worden,« nickte der Metzger. »Nur alles fest bei den Hörnern fassen! Etwa geht es doch gut aus.«

»Ich meine halt ...« wollte der Bräu etwas einwenden, kam aber mit der Rede nicht viel weiter. »Und so könnten wir wieder heimgehen. Meine Fässer und Kannen und meine Bretter sind noch draußen auf dem Stadtanger.«

»Jetzt muß schon beraten werden, und wenn es darüber früh wird,« bestand Wolf Kühwolf. »Erstlich ... Magister, wie haben wir uns alles schon zurechtberaten? Ihr müsset schon ein wenig aushelfen; im Augenblicke habe ich noch nicht alle meine Gedanken auf einem Häuflein beisammen.«

»Den Buben hat es gar hart getroffen,« erklärte Herr Egyd Kühwolf zur Entschuldigung. »Das Nunnenkloster soll auch niedergemetzelt worden sein, sagt der Tobies, und in dem soll sich des Hillebrandten Christel für ein Zeitlein aufgehalten haben, wie es heißt. Wisset ja, daß diese zwei ... Und so etwas packt jeden hart an.«

»Etwa doch nicht ganz,« suchte der Stadtmüller zu vertrösten. »Ist der Tobies ausgekommen ... wer weiß?«

»Erstlich von heute weg Schlagbrücken und Tore allzeit gesperret,« redete der Magister. »Nachher das ganze Stadtfähnlein allweg unter Waffen und auf den Mauern. Nachher die Feuerwache Tag und Nacht bereit. Nachher von den Bauernleuten im Umbezirk und im Weichbilde so viel herein als herein wollten, all ihr Vieh, Getreide und Gewaffen, falls die Belagerung länger währen sollte. Nachher ein scharfes Auge auf alle Kelchner, die wir schon im Städtel haben. Alle einreihen unter sichere Leute, so daß sie sich nicht rühren können. Nachher ...«

Da schnaubte der Pali, Herrn Hillebrandts Handelsgesell, schier atemlos herein.

»Der Magister! Wo ist der Magister? Haben gesagt, er wäre ...«

»Was gibt's?« meldete sich dieser.

»Geschwind! Sogleich! Die Frau Susel ... Umgefallen vor Schrecken wie ein Trumm Holz, wie sie erfahren, daß alle Nunnen niedergemetzelt worden ... Rührt sich nimmer, regt sich nimmer. Und der Herr Hillebrandt will sich aufhängen ...«

»Hätt' er das ehevor getan,« knurrte Herr Egyd Kühwolf.

»Kommt aber dann wieder her!« bat Wolf Kühwolf schier.

»Gleich, wie ich dort abkommen kann,« versprach der Magister und rüstete sich in aller Hast zum Gange. »Ratet halt derweil weiter und schickt gleich um Büttel und alle Stadtknechte! Soll alles gutgehen, muß Zahn in Zahn greifen.«

»Wie bei den Mühlrädern«, nickte der Stadtmüller bedeutsam.

»Wenn das Unheil einmal etwo einreißt, nimmt es kein Ende nimmer,« klagte der Gesell Pali unterwegs. »Mit dieser Unglücksfahrt hat es angefangen und jetzt ... zum Grausen, wie es in dem Hause ausschaut. Weiß nicht, ob Ihr sie wieder zum Leben bringen könnet.«

Das Städtlein glich nun einem aufgestörten Ameisenhaufen. Alles rannte und schrie durcheinander, und dazwischen hörte man hier und dorten Weinen und Jammern.

In aller Hast trieben die Säumer ihre vollbepackten Rosse dem Tore zu.

»Wünsch' euch Glück! Wünsch' euch Glück!« winkte der Liendl dem und jenem zu.

»Wicht!« knurrte ein Alter unter einer Haustüre. »Wünsche lieber, daß sie nicht herkommen! Das wäre das größte Glück.«

Wie in einem aufgestörten und zerworfenen Ameisenhaufen ...! Den Magister ging schier selbst ein Zagen und Verzagen an. Wenn sich diese Hasenfüße nicht anders hielten wie sie sich jetzt zeigten, war jeder Widerstand umsonst, und es mochte gerade so ein Ende nehmen wie in der Stadt und wie überall, wo diese Unmenschen hinkamen. War aber im Grunde genommen auch gar nicht zu wundern. Wenn selbst die vom Reiche wider die Hussen ausgesandten Kreuzheere, viel tausend Reisiger und kampfgeübter Landsknechte schändlich und schmählich flohen, wenn diese wider sie anrückten, konnte man es einem Häuflein friedlicher Stadtbürger nicht so arg verdenken, wenn es Furcht und Zagheit anging. Aber mit solchen errang man keinen Sieg, und eine Niederlage bedeutete dasselbe Ende wie in der Stadt drunten im Flachlande.

»Lieber alles Gewaffen hervorsuchen und dazu ein wenig Mannesmut!« riet er im Vorübergehen etlichen maulwerkenden und ein schlimmes Ende vorhersagenden Leuten. Doch diese höhnten ihm noch böse Worte nach ... Wenn er so viel Mut hätte, wäre er nicht in Klattau vor den Tschechen davongelaufen ...

Im Hause des Stadtrichters war wirklich das Unheil eingerissen. Die Märe, daß der Badertobies geritten gekommen wäre und die Schreckensbotschaft gebracht, die Hussen hätten die Stadt erstürmt und verwüstet, hatte Klein-Hänslein schon vom Stadtanger her ins Haus getragen und damit dem Schrecken Tür und Herzen geöffnet. Aber man hatte noch gezweifelt und die Sache für einen bösen Scherz angesehen. Trotzdem war Herr Hillebrandt sogleich ins Baderhäusel hinüber, um nachzufragen. Dort wußte man weder vom Tobiesen etwas noch von solcher Schaudermär. Zu ihnen wäre kein Mensch gekommen, und wenn der Tobies die Botschaft gebracht hätte, wäre er damit schon zu allererst heimgerannt. Der Schrecken war daher wieder von ihm gewichen, doch auf dem Heimwege schon hatten es ihm die flüchtenden Leute wieder in die Ohren geschrien.

Lauter Lug und Schelmengewäsche! Geradewegs käme er vom Baderhäusel, und dorten wüßte man gar nichts vom Tobiesen.

Kann eh' sein. Weil man ihn gleich zum Kühwolfen geführt hätte, auf daß er alles erzähle.

Zum ... Kühwolfen? Wenn doch er der Stadtrichter war ...! Was dahinter stecken mochte, hatte er im Augenblicke nicht ersinnen können, aber zum Kühwolfen ging er nicht ins Fragen, um keinen Preis der Welt. Würde schon wieder herauskommen, wenn er hineingeführt worden. Daher hatte er vorerst den Bescheid aus dem Baderhäusel heimgetragen und war nachher wieder gegangen, den Tobies zu suchen, wenn ... der wirklich um die Wege und im Städtel war. Vorm Kühwolfenhause hatte ihm etwer gesagt, gerade vorhin wäre er herausgekommen und heimzu. Also war er nochmals ins Baderhäusel gegangen.

Dort war er nun wirklich gewesen, der Tobies, und was er erzählt, hatte ihm schier das Blut in den Adern erstarren gemacht ... Die Stadt erstürmt, alles niedergemetzelt, insonderheit die Pfaffen und das Nunnenkloster. Wären auch schon auf halbem Wege herzu.

Dieses letztere hatte Herr Hillebrandt nicht mehr gehört. Wie auf gebrochenen Füßen war er heimzu gewankt und wie ein Halbtoter auf den Schragen gesunken.

»Wie er sagt, ist es nicht anders.«

»Und unsere Christel ...?« hatte Frau Susel aufgekirrt in ihrem Wehleide. »Unser Kind ...?«

Doch er hatte nur die Schultern zu schupfen vermocht.

Das war der sonst allweg so kerngesunden Frauen Tod gewesen ... Ist es nicht anders ...! Das Kind also tot, von den Hussen niedergemetzelt, nachdem ... es der eigene Vater aus dem Hause und ihnen in den Weg gebracht ... Wie ein Baum, dem man alle Wurzeln und allen Halt abgehauen, war sie zu Boden gesunken und hatte nur mehr eine Weile geröchelt.

Als der Magister hinkam war auch das vorbei.

»Tot ... Herzschlag ...« Mehr konnte der auch nimmer tun, als das zu sagen. »Vielleicht der jähe Schrecken.«

Herr Hillebrandt lehnte am Tische wie selber vom Schlage gelähmt und starrte den Menschen mit glasigen Augen an. Dann aber schnellte er plötzlich mit jähem Rucke empor und torkelte der Türe zu.

»Herr Hillebrandt, was ...?«

»Ich hänge mich auf,« kreißte der heiser. »Ich muß mich aufhängen. Wenn einer ... wißt Ihr, wenn einer ...«

»Herr Hillebrandt! Was ist oder was gewesen ist, geht mich nichts an ...«

»Keinen Menschen.«

»Aber wenn die Hussen im Anritte sind, braucht das Städtel Leut' und Hände, und Euer Bub braucht den Vater. Wollt Ihr, der Stadtrichter, schmählich aus dem Leben fliehen und ... alles im Stiche lassen? Die Leute haben Euch ehzeit gewählt, auf daß Ihr ...«

Das traf neben Leid und Selbstvorwürfen vorbei den Ehrgeiz des Mannes ... Die Leute hatten ihn ehzeit gewählt, und jetzt brauchte das Städtel Leut' und Hände. Hängte er sich auf, schimpften und lästerten ihm die Leute nur nach.

»Ist wahr,« stieß er nach einigem Überlegen heraus. »Leut' und Hände. Aber ... aber ...« pfauchte er gleich nachher wieder wie völlig vom Verstande. »Magister, ich sage Euch: wenn sich so etwas auf einen legt ...«

»Ich glaub' es Euch; aber des einen Not muß zurücktreten bei der Not aller. Seid ein Mann und stellet Euren Mann!«

»Stell' ihn, Magister. Stell' ihn. Werdet es sehen ...«

Also war auch vorläufig noch ärgeres Übel abgewendet. Ein Zeitlein noch redete er Trost und Zuspruch und ging nachher wieder ins Stadthaus.

Dort wurde bis weit über Mitternacht hinaus beraten und erwogen, und dieselbe Nacht schon lagen etliche zwanzig Stadtknechte und die Jungmannen des Stadtfähnleins auf den Wehrgängen der Mauern, und Stund' um Stunde wechselte man die Wachen. Doch außerhalb der Mauern war und blieb die ganze Nacht alles so ruhig und stille wie vor und ehe, und nur hin und wieder juchzte eine jagende Nachteul' ...

*

Im Sägfeilerhäusel aber, im Gäßlein an der Stadtmauer, lachte der Honso, der Zwiebelböhm, zu der Hussenfurcht der Leute.

»Narren, was fürchten sich. Hussen sind auch Leut' wie andere Leut', und wer sich nicht widersetzet, dem tun sie nichts ... gar nichts. Weitaus nicht so grausam wie Kaiserliche und Bayern.«

»Möchte es nicht darauf ankommen lassen,« meinte einer der Nachbarn. »Was der Tobies alles erzählt, ist ganz scheusam. Nicht zum Weitererzählen.«

»Werden halt gezeigt haben Trutz und Widerstand, die Städter. Da freilich. Wie schreit man in Wald hinein, so schreit heraus,« radebrechte er weiter. »Wenn schreit einer gut und schön ... Wenn ist Stadtrichter auf eure Seiten, soll reißen alle Tore auf, wenn sie kommen: Sein wir selbst Kelchner. Nichts geschieht euch, nicht Haar wird einem krumm gemacht. Einrichten werden sie alles, wie taugt es für arme Leut' ...«

Trotz des Radebrechens, das häufig mit ihm durchging, redete er mehr als ein Ölmann. So und so wäre es allenthalben, und so und so würde es sein, wenn die neue Lehre, die eigentlich die uralte wäre, überall verbreitet würde ... Wie es war, wie es der Adel mit den leibeigenen Bauern und wie es wiederum die Geldwucherer mit dem Adel und den Bürgern trieben, wußte ohnehin jeder, und wie es werden müßte, wenn es recht werden wollte, reimte sich auch bald einer zusammen; dieses aber sah dem so gleich wie ein Ei dem anderen. Nur war das viel größer, das der Zwiebelhändler zeigte und anpries. Keine Herren und keine Knechte und Leibeigene, keine Aussauger und keine Ausgesaugten, keine Obrigkeit und keine Untertanen; ja sogar keine Pfaffen mehr, weil es früher auch keine solchen gegeben hätte und niemand einen Fürsprech brauchte beim Herrn Gott. Die Welt wäre Eigentum aller Leute, und daher dürfte von Rechts wegen auch keiner soundsoviel davon erwerben oder gar besitzen; es gäbe kein eigentliches Eigentum mehr. Auch das Weib würde nimmer Eigentum des einen Mannes sein, weil alles allen gehörte, und daher würde es auch keine Ehe mehr geben ...

Das aber ging des Sägfeilers Weibe doch über alle ... Wünsche.

»Da dank' ich fleißig ... da danket ich,« prustete sie darein. »Da ... Das wäre ja gerade wie beim Gewilde des Waldes.«

»Wie halt einer halten wollte ...« lenkte der Honso darauf ein.

»Wie derselbe, der dem Landfried eine Kuh zum Kaufe anfeilte,« scherzte ein Riemenschneider trotz all der harten Not des Tages. »Eine Kuh, gerade wie sie einer wünschte und haben wollte. Wenn er wollte, wäre sie trächtig, wenn er wollte, auch nicht.«

»Käme so heraus ...« So ein anderer.

Nur davon sagte der Honso nichts, daß auch mit den Deutschen aufgeräumt werden würde, wenn das Fürhaben der Hussen gelang.

Viele zweifelten daran, daß die Hussen gar keinen Schaden stiften würden, wenn man ihnen die Tore öffnete und sich ohne jeglichen Widerstand ergab, die meisten aber hofften es in ihrem Zagfürchten und rieten, daß wohl auch der Stadtrichter dieser Meinung sein würde; alle aber sehnten sich nach den Zeiten, die der Zwiebelhändler so lockend zu schildern vermochte, und von denen sie selbst manchmal träumten wie von einem holden Schlaraffenmärlein.

»Reden könnte man ja mit ihm,« riet auf dem Heimwege ein struppiger Maurer. »Wenn es halt doch in gutem abginge! Und wenn er gleich saget, daß wir selber Kelchner wären, wenn wir es sein könnten ...«

»Heut und morgen wird nichts zu reden sein mit ihm,« erinnerte ein anderer. »Die Frau tot, das ganze Haus voll Not und Elend und ... Man kann sich ja denken, wie einem da zumute sein muß.«

»Derweil sind sie etwa schon da ...«

»Selber ...?« Zagschüchtern kam einem diese Frage aus dem Munde.

»Wenn man wüßte ...! Könnte gelingen und auch nicht.«

»Nachher hätten halt wir den längeren Stiel in der Hand, und die hochmögenden Herren hätten ausgespielt. Wie beim Knöcheln: wenn der Wurf gelänge! Nachher könnten wir es uns schon richten, wie es recht wäre.«

»Aber ... wie ... wie die Sägfeilerin gesagt hat ...« Nicht einmal der Name für diese Menschenunwürdigkeit wollte dem Manne über die Lippen. »Wie beim Gewild im Walde. Wäre nicht anders ...«

*

Am anderen Morgen blieben die Tore des Städtleins geschlossen. Nur die Törlein öffneten sich, so einer hinaus oder herein wollte. Wer aber herein wollte, dem sahen die Wärtel geierscharf ins Gesicht, so sie ihn nicht kannten, und fragten erst des langen und breiten hin und wider, bis sie die Luke öffneten.

Boten hasteten hinaus in die Bauernhöfe der Umgegend und sagten den Leuten, sie könnten Unterschlupf suchen und finden im Städtel, so sie Vieh und Getreide mitbrächten, und manche Bauerleute kamen selber und baten darum. Manche aber gaben sich schon flüchtig und zogen mit Kind und Kegel, mit Vieh und Gespanne in wirrem Durcheinander jammernd, weinend und fluchend den Waldbergen zu.

Um halben Vormittag herum mußte aber der Amschel, der Wärtel am Wassertore, doch die Schlagbrücke niederlassen und die knarrenden Torflügel aufreißen. Der Badertobies und noch zwei andere Gesellen kamen beritten unters Tor und wollten hinaus. Hätten den Auftrag, sagten sie, auf Kundschaft und Spähe zu reiten, ob die Hussenhaufen wirklich den Weg herzu nähmen oder sich zu guter Letzt noch abseits schlügen.

»Gäb's Gott!« wünschte der alte Amschel und ließ sie durch.

In gleicher Sommerpracht standen die Fluren und Gefilde wie vor und ehe um diese Zeit, und mit gleichem Glast und gleicher Wärme strahlte die Sonne darauf hernieder. In Busch und Strauche sangen und jubelten die Sommervögel, als ob es auf Erden weder Hussen noch Elendzeiten gäbe, und sorglos gaukelten die Feifalter durch die wasserhellen Lüfte. Aus allen Häusern und Hütten aber scholl Weinen und Schreien, und auf allen Wegen zogen Flüchtende entweder dem Städtel oder den Bergen zu. Über der ganzen weiten Gotteswelt lag der Frieden des Himmels, nur die armselige Menschheit war in todängstlicher Unruhe und im Aufruhre. Menschen desselben Menschengeschlechtes, Geschöpfe und Ebenbilder desselben Gottes waren dem Gerüfte nach im Anzuge mit Mord und Brand, störten die Friedlichen aus ihren friedumfreiteten Heimstätten und dräuten Martern und Morden, ärger als das Raubgeviehe der Wüsten und Wildnisse.

»Daß der Herrgott solch Schandtreiben duldet!« sann einer der Gesellen in währendem Ritte.

»Kennst dich nimmer aus«, knurrte der Tobies. »Du sollst nicht ... du sollst nicht ... heißt es ein Stücker zehn, fünfzehn Male in den Geboten, und ... gibt keinen Richter, gibt keinen, der unter die Schelme führe mit der Strafgerte.«

Des ganzen Weges her zogen, heulten und schrien Flüchtende von weit her, vielleicht gar schon aus der Landeben' herauf, und suchten Wald, Wildnisse und Waldberge als Zuflucht und Unterschlupf zu gewinnen, und bald kündete ihnen aufsteigendes, brandbraunes Rauchgewölke, daß diese Unchristen schon in der Nähe sein mußten. Ein halbes Stündlein scharfen, aber fürsichtigen Rittes zeigten sich ihnen aus der Weite schon die ersten des Weges daherziehenden Haufen.

Da gab es also weder Zweifel mehr noch ein Hoffen, daß diese Höllenscharen einen anderen Weg nehmen möchten.

Sie wendeten kurz und ritten heimzu. In währendem Ritte jedoch meinte der Tobies einmal: »Jetzund wenn ich so ein Stücker hundert oder zweihundert Reitersknecht' hätte, wie ein Bätzlein Salz zerriebe ich sie. Einen Haufen um den andern über den Weg rennen und niederhauen! Könnten ihrer gar nicht so viele nachkommen in dem Trubel als hin wären.«

»Etwa tun sie es, die Unseren.«

»Den Rat gebe ich ihnen ...«

Und er gab ihn auch, kaum daß er dem Wolf Kühwolfen Bescheid gegeben über die Erkundung.

»Wäre wohl das rechte,« nickte der. »Aber hundert oder zweihundert Reitersknechte haben!«

»Etwa täten es sogar ihrer weniger.«

Wenn die Bärnsteiner mittäten! Die Gelegenheit wäre wohl so günstig wie nachher kaum mehr, und auch die stellenweise turmtiefen Schluchten, durch die sich Bach und Weg zwängten, wären solchem Fürnehmen hold, aber ... zu wenig Leute eben.

Daraufhin setzte sich der Magister sogleich zu Rosse und jagte auf den Bärnstein. Die Hussen wären also wirklich im Anritte und könnten schon vor nachts oder längstens morgen früh anrücken. Wenn man nun nicht erst wartete, bis sie selber angriffen, sondern sie auf dem Zuge meuchlings überfiel und niedermachte oder vertrieb, wäre der ganze Handel für diesmal geschlichtet. Dazu aber reichten die Stadtknechte und das Stadtfähnlein nicht. Wenn er, der Herr Gangolf, einen Haufen seiner Troßknechte mitschickte ...

»Der Höllebrand soll dareinfahren!« fluchte der grimmwütig. »Vieh und Getreide meiner Bauern schleppt ihr mir in euer Nest, die Gründe werden nachher verwüstet und verstampft, so daß überhaupt kein solcher Schelm mehr zinsen und zehnten kann; und jetzt wollet ihr auch noch meine Troßknechte? Etwas ... pfeifen werde ich euch,« gehieß er sackgrob.

»Deswegen wollten wir ja den Feind schon unterwegs anfallen, auf daß er nimmer herzukäme und die Gründe verwüstete,« erinnerte der Magister.

Auch Herr Meinrad, der Amtmann, nickte billigend und riet dazu, doch Herr Gangolf hatte einen schlechten Tag und war nicht weiterzubringen.

»Etwa gelingt euer Fürhaben doch noch,« versprach Herr Meinrad dann unter dem Tore, da der Magister wieder unverrichteter Dinge abzog. »Alle auf einmal können sie nicht anrücken. Wenn man dann sähe ... Ich lasse nicht ab vom Reden an ihm, und ... wenn es gerade wäre, fragte ich ihn gar nicht einmal.«

»Wenn wieder ein Bote von uns kommt, lasset ihn nicht wieder langmächtig vor der Brücke stehen und warten!« mahnte der Magister den Wärtel. »Zu solcher Zeit ist jeder Augenblick zu brauchen, und wenn es nicht sein muß, kommt ohnehin keiner.«

»Wenn aber ... ein Husse ...« wandte der ein.

»Leicht zu kennen; bei Tage am Gesicht und zur Nachtzeit am Rufe. Sagen wir: Amtmann.«

Unterdessen war Herr Simon, der Ungelteinnehmer, ins Stadthaus gepoltert ... Was da wäre, daß man werkte und waltete, als ob es gar keinen Richter mehr gäbe im Städtel und keine Obrigkeit? Wer solches unternommen, und wer ... und was ...?

Man gab ihm so glimpflich Bescheid, als man es tun konnte, und selbst Wolf Kühwolf verlor nicht eine unnötig harte Silbe wider den Stadtrichter, der zur Stunde weitaus geschlagener dastand als er, der Wolf, den er hatte treffen wollen. So und so wär' es Ratsbeschluß, und daran müßte man sich halten.

Müßte? Er, der kaiserliche Ungelteinnehmer, der kaiserliche Beamte im Städtel, wäre eigentlich der Oberste im Städtel, und dieweil man dem Stadtrichter jetzt und in seiner Not nicht zumuten könnte, daß er den ganzen Rummel der Verteidigung leite und alle Zügel fest und sicher in die Hand nähme, täte er, der kaiserliche Beamte, es.

Doch Wolf Kühwolf schupfte nur die Schultern. Ratsbeschluß wäre Ratsbeschluß; dawider gäbe es nichts. Doch wenn er schon etwas nach Kräften tun wollte, könnt' er Feuerwach' und Büttelwesen unter seine Aufsicht nehmen.

Darauf hatte Herr Simon ein ohngefähr so kiesgrob Geheiße gegeben wie auf dem Bärnsteine oben Herr Gangolf und war auf und davon ...

Als der Magister mit dem Bescheide der Bärnsteiner zurückkam, stand man wieder dort, wo man vorher gestanden. Die Ratsherren saßen wie hilflose Greise am Ratstische, und keinem fiel etwas ein. Sie atmeten beinahe auf, als der Tuchscherer mit etlichen daherkam.

»Wir meinen halt: in gutem, ... in Frieden!« riet der nach dem Fürhaben der geheimen und heimlichen Anhänger der Kelchner. »Einer allein kann niemals raufen, und wenn sich kein anderer wehret wider ihn ... Wenn wir uns willig ergeben, werden sie uns kein Haar krümmen. Soll schon öfters vorgekommen sein.«

Die Ratsherren nickten leichtlich. Nur der alte Kühwolf schlug mit der Faust auf den Tisch, daß es nur so hallte.

»Pfui Dunner!« pfauchte er grimmig. »Wäre ein Rat! Wäre ein Mannesrat! Schämt Ihr Euch nicht, daß Ihr Hosen traget statt eines Altweiberkittels?«

»Ich?« verwahrte sich der mit gefügiger Rede. »Geht um alle, Kühwolf; geht nicht allein um mich und um uns. Geht um euch gerade so und um all eure Sache. Wem soll man es verdenken, wenn er sich sorgt um seine Leut' und um seine Habe?«

»Wahr ist es ja«, billigte der Bräu.

»Und wer kann bürgen, daß diese Unmenschen Leben und Gut schonen, wenn wir die Tore freiwillig und ergeben öffnen?« So der junge Kühwolf.

»Bürgen! Sie haben anderswo auch nicht verwüstet, hört man, wo sich die Leute willig ergeben und zu ihrem Glauben bekennet.«

»Ja so? Also: da wollt Ihr hinaus, Tuchscherer?« lachte nun Wolf Kühwolf grimmig auf. »Den Glauben verraten, die Stadt verraten ...«

»Um alle Deutschen geht es,« warf der Magister ein. »Ich weiß es schon.«

»Mannl, ich auch,« mischte sich der Tobies drein. »Ich habe gesehen und gehört genug. Wie die Raubtiere, wie gar keine Menschen nimmer. Wehre sich etwer, wenn sie einmal im Städtel sind, so oder so!«

»Wie ich halt gesagt habe,« bestand der Tuchscherer. »Aber das sage ich auch: aufs Gewissen möget ihr alles nehmen, was geschieht. Wenn ihr's ertraget ...! Gesagt ist es euch worden.«

Wolf Kühwolf starrte eine Weile zum Fenster hinaus ... Gewissen auf der einen Seite, die Pflicht auf der andern ... dies oder jenes! Einen Mittelweg gab es nicht. Pflicht war es eines jeden, insonderheit eines, der eigens dafür aufgestellt worden, Stadt und Bürger zu schirmen bis zum letzten Blutstropfen, weil sich sogar jedes unvernünftige Vieh um sein Nest und um seine Jungen wehrt, und ein Fehlschlagen mochte dieselben Grausamkeiten und Unmenschlichkeiten zur Folge haben wie in der Stadt und anderswo, an vielleicht zwanzig und hundert Orten. Wer aber bürgte dafür, daß die Unmenschen nicht genau so hausten im Städtel, wenn ihnen die Tore aus freien Stücken geöffnet wurden? Dörfer und Marktflecken hatten weder Mauern noch Tore, noch Verteidiger, und doch brannten sie sie nieder und mordeten und schlachteten die Leute dahin.

Das hielt er nun auch dem Tuchscherer vor, und darauf fanden weder der noch seine Genossen einen Widerspruch oder gar ein Entschulden.

»Nun also: was bleibt sonst übrig als sich wehren, solang es geht? So wehren wir uns.«

»Wie ich gesagt habe,« bestand der Tuchscherer trotz all dieser Vorhalte.

Da aber riß dem Wolfen alle Geduld, und Schwanken und Besinnen versanken wie in bodenlosen Abgrund.

»So habt Ihr es halt gesagt,« bot er steinhart dawider. »Ich aber sage Euch und allen, die Wank, Untreue und Verrat fürhaben und zetten wollen: lieber in Ehren sterben, als in Unehre zugrunde gehen. Ich sage euch allen aber auch: jeder, der bei Verrat oder untreuem Handeln ertappt wird, hängt etliche Augenblicke nachher schon am Balken vor dem Tore. So, das saget allen, die euch geschickt haben.«

»Ist eine Rede«, nickte der Tobies.

»Kann einer nicht anders reden«, billigte Herr Egyd vaterstolz. »Aufs Leere ist nicht zu bauen und so Schelmen ist nicht zu trauen, die auch wehrlose Dörfer niederbrennen. Gibt kein ander Mittel, als sich der Haut zu wehren in Gottes Namen.«

»Der tut's, daß er etliche hinaushängen lässt,« knurrte im Davongehen einer der Kelchneranhänger. »Und wer will der erste und zweite sein? Ich nicht.«

»Da hat man den Rechten erkoren.« So der Tuchscherer. »Auf daß ihnen ja die Macht nicht unter den Händen weggezogen wird. Aber ... wer weiß ...?«

»Wahr ist es ja: wenn sie wehrlose Dörfer und Marktflecken niederbrennen und die Leute abmetzeln ... Wäre kein sicher Verlassen.« So ein dritter.

»Wenn wir die Schelme doch überraschen könnten, ehe sie sich vor die Mauern und Tore legen!« riet drinnen im Ratssaale der Magister. »Alle auf einmal können sie nicht anrücken, besonders nicht auf dem Wege, den sie herbeiziehen. Da hat der Amtmann recht. Wenn der erste Haufen nicht zu groß und zu bewältigen wäre, so daß er auf der Flucht auch einen Rummel unter die Nachziehenden brächte ...! Müßte halt doch noch einmal auf den Bärnstein gerannt werden ...«

»Wenn ...«

»Werden ja sehen. Wir müssen uns für alle Fälle und beizeiten rüsten. Derweilen haben wir beraten, aber derweilen ist das ganze Städtel noch wie eine Hühnerherde. Jeder soll wissen, wo er hingehört und auf wen er zu hören hat. Das ist die Grundfeste einer Wehr und Verteidigung. Wider jeden Hau Nach den alten Fechtausdrücken = Hieb. muß ich den Gegenhau Parade, Gegenhieb, Wehrhieb. in der Hand haben, sonst ziehe ich den kürzeren Halm. Also ist es in der Fechtkunst, und so ist es auch da. Gleich alles Mannsvolk ansammeln und jedem seinen Platz zuweisen. Die gemeinsame Not und Gefahr wird sie eh' aneinanderstricken.«

Also wurden Trummler ausgeschickt in alle Gassen, damit sie ausriefen, alles Mannsvolk hätte sich auf dem Platze am Brunnen zu sammeln. Das Trummeln weckte wohl wieder heillos Geschrei und Gejammer; denn alles vermeinte, die Hussen rückten schon vor Mauern und Tore, aber es brachte auch alles Mannsvolk herbei. Stadtknechte und Stadtfähnlein stellten sich mit Schilden und Gewaffen wie eine Mauer in Reihen. Stak schon Zucht und Leben darinnen.

Wolf Kühwolf stieg auf den Brunnen und sprach zu ihnen. So und so stünden die Dinge, und alle Augenblicke schon könnten die ersten Feindeshaufen anlangen. Ein wehrlos Ergeben wär' eine zweifelhafte Sache, da diese Unmenschen auch wehrlose Dörfer und Marktflecken niederbrannten und deren Bewohner hinschlachteten. So könnten sie es auch da machen. Und wenn schon gestorben sein müsste, nachher doch in Ehren. Daher solle jeglicher das Seine tun und dabei auf Gott vertrauen. Verräter aber und Meintäter würden unnachsichtlich an den Balken vor ein Tor gehängt.

»In Gottes Namen!« gelobten die Stadtknechte und die Leute des Stadtfähnleins, und auch alle anderen entschlossen sich so. Wenn es sein mußte: in Gottes Namen, aber wehren bis zum letzten Atemzuge. Gnade und Erbarmen hatte niemand zu hoffen.

Nun wurde alles Mannsvolk in Rotten verteilt und jeder Rotte der Führer zugewiesen. Nur bei der Brandwache wollte es sich spießen. Wenn etwas ausbräche, müßte halt doch jeder zuerst nach seinem Dache sehen. Erst harte Drohung mit Aufhängen wegen Meintat und Verrat brachte auch da Gefügigkeit und Ordnung unter die Leute. Selbst der Schneiderdavidl muckte nimmer, daß seine Kräfte nicht reichten zu solcher Arbeit. Als Anführer wurde der alte Waffenschmied bestellt, der bekannt war als verständiger, aber kiesgrober Gesell. Der würde nicht lange drohen mit dem Stricke.

Zum Schlusse wurden noch alle Rosse gezählt und jeglichem Eigner aufgetragen, die Vieher ständig im Futter zu halten und Sattel und Zaum daneben zu hängen. So man sie brauchte, müßten sie im Augenblicke zu haben sein. Mehr könnte derweilen nicht gesagt und nicht getan werden.


 << zurück weiter >>