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7.

Der braune Mirt, der Geselle des Gerbers Heini, dem am Pfingsttage der Dienst aufgesagt worden, rannte nun von einem Zunftgenossen zum anderen, sie möchten sich dafür einsetzen, daß ihm die Stadträte ein eigen Geschäft im Weichbilde des Städtleins bewilligten. Zur Zunft gehörten alle Meister, die Leder herstellten oder verarbeiteten. Meister war er, der Mirt oder Mirtl, wie er auch genannt wurde, selbst. Er hatte seinen Meisterbrief, und kein Mensch hätte ihn hindern können, sein Geschäft zu betreiben; doch die Herren Stadträte hatten damals allerhand Bedenken wider die Anlage einer zweiten Gerberei im Städtlein vorgebracht und daraufhin die Bewilligung nicht gegeben. Die Herren Stadträte aber waren heute noch beinahe dieselben wie ehemals, und es stand derselbe abschlägige Bescheid zu erhoffen.

Das wußte er selber, und das sagte ihm auch jeder Meister. Wenn es nicht gelang, einen Teil der Stadtväter für die Sache zu gewinnen, war alles Rennen und Mühen umsonst. Der Sattler Wenz aber zeigte und deutete ihm noch auf ein ander Hindernis, das er sich selbst in den Weg gewälzt: mit seiner unüberlegten Rede hätte er alle die Herren wider sich aufgebracht, und schon aus diesem Grunde würden sie schwer oder kaum zu gewinnen sein.

Etliche Male schlug er sich darob selbst vor den Kopf und gab sich allerhand ungute Namen; aber dann wagte er einmal den Gang zum Stadtrichter.

Herr Hillebrandt war gut aufgelegt. Herr Rothlöw, der Großkaufmann im stark drei Stunden entfernten Marktflecken, hatte seinen ganzen Salzvorrat bis auf einige Säcke, die er selber zurückhalten mußte, aufgekauft und aufgeladen und noch dazu einen Wagen voll anderer Waren, deren Preis er nach Belieben berechnen konnte, und der Gewinn dieses Tages war daher ein bedeutender. Das machte ihn froh und heiter, und das wirkte es auch, daß er den Gerbergesellen nicht so kurzgeschürzt und so von hoch oben herab anließ, wie es ansonsten sein Brauch war.

Eine eigene Gerberei anfangen! Das wäre wohl löblich von ihm, und das müßten die Herren Stadtväter nun doch einmal zu schätzen wissen. Dazumal? Nun ja: heute hätte man diesen Sinn und morgen jenen, und wer weiß, was sie heute dazu sagten, wenn darüber beraten würde. Doch gehörte zu solchem Handwerke Geld. Der Schneider brauchte lediglich Nadel, Zwirn, Schere und Plätteisen, der Schuster Ahlen, Hammer und etliche Leisten, und die Arbeit könnte begonnen werden; ein Gerber aber ...? Werkstatt und ein Grundstück, Häute in soundso langem Vorrat, und was wüßte er, was noch alles.

Es würde sich wohl ergehen, meinte er, der Mirt. Erstlich hätte er selber schon Jahre her gespart und von seinem Lohne hübsch etliche Pfunde zur sicheren Seite gebracht, und dann wollte er der alten Torwagnerin einzige Tochter heiraten, die ihm Haus und Werkstatt und ein Grundstück vor dem Wassertor zubrächte. Da erginge es sich wohl.

So! So! Der Torwagnerin Tochter! Nun ja: er würde schon trachten und sein möglichstes tun, die Herren Stadträte umzustimmen, falls die noch dawider wären. Auch Leder würde er später bei ihm kaufen, wenn er ihm einen handsamen Preis machen könnte.

Der Mirt hätte schier aufjauchzen können, als er wieder auf der Gasse stand. Wie es sich zeigte, schon halb gewonnen. Wenn sich der fast allmächtige Stadtrichter für ihn einsetzte, brauchte er nimmer viel zu bangen.

Herr Hillebrandt aber nickte auch vor sich hin ... Lag nichts daran, wenn man dem Schelme das Geschäft willfahrte. Der Heini wurde mit seinen Preisen ohnehin schon zu grauslich, so daß sich nimmer viel verdienen ließ an seiner Ware. Der Neue würde billiger anbieten müssen, um sich einen Absatz zu schaffen, und ihm, dem Hillebrandt, etwa noch ein wenig billiger, weil er ihm zu dem Geschäfte verholfen oder ... scheinbar verholfen. Wie sich's eben leicht erginge. In Feindschaft setzte er sich seinetwegen nicht mit dem Heini.

Er nickte noch ein paar Male vor sich hin und schickte nachher zum Wolfhart, auf daß sich dieser gleich auf den Weg richte ins Gäuland hinaus und dem Säumer Liendl Botschaft brächte. Der solle sich eilends mit vierzig, fünfzig Säcken Salz auf den Saumweg machen.

Hernach zog er sich zum Gange aufs Bärnsteiner Schloß an.

Bei Gründung des Städtleins hatten die Bärnsteiner Herren dem Stadtrate nur die niedere Gerichtsbarkeit und die Eigenverwaltung übertragen, die höhere Gerichtsbarkeit aber vorbehalten. Die pflog der jeweilige Amtmann im Bärnsteiner Schlosse. Und zu diesem wollte er nun.

Der Pfarrherr hatte geklagt, daß im Städtel Anhänger der ketzerischen Kelchner auftauchten und sogar auf offenem Kirchenplatze das Abendmahl in beiderlei Gestalten forderten, und einige Stadtväter und Bürger hatten geklagt, daß Aufwiegeleien auftauchten und lautmärig würden, die auf die verrufene Gütergemeinschaft der Hussen hinauslaufen wollten, wie der Magister erklärt. Beiden Teilen hatte er versprochen, diese Neuerer mit eiserner Faust zu unterdrücken. Doch wußte er nicht, wie er die Faust ballen sollte wider diese Schelme, auf daß sie eisern würde und die Missetäter sie zu fühlen bekämen.

Ihretwegen also wollte er zum Amtmann und diesen wider sie hetzen und hussen. Wenn etliche geschreckt würden, mochten sich die anderen solchen Fürwitz überlegen, und wenn der Bärnsteiner Amtmann wider die Schelme fuhr, war er, der Stadtrichter, aus dem Spiel und hatte keines Nachtrag und Rachgier zu sorgen.

An den Toren arbeiteten noch etliche Handwerker an Brücken und Ketten; sonst war der größte Rummel schon vorüber. Ein Zeitlein sah er ihnen zu, dann schlenderte er weiter. Auf den Feldern arbeiteten und fronten die Leute, und Singen oder Fluchen hallte in die sonnige Zeit. Des Weges und ihm entgegen kam niemand; also störte ihn auch keines auf aus seinem Rechnen und Sinnen ... Das trug soviel, und jenes mußte soviel Gewinn bringen; im nächsten Frühjahre mußte der Umbau des Wieshofes angegangen werden, und wenn dann der allweg gelddürftige Kaiser ein Darlehen brauchte, von ihm nahm und dafür den Herrenbrief gab ... Hans der Hillebrandt vom Wieshof oder so ähnlich und etwa noch schöner ...! Dann vielleicht zog er auf sein Herrenschloß hinaus und sah nur ab und zu nach dem Geschäfte in der Stadt. Aufgeben? Nein. Ohne Geschäft kein Gewinn und ohne Gewinn ein leidiger Wicht wie alle die anderen Herren, die entweder vom Stegreif oder vom Borgen lebten. Wäre wie ein Steinwurf eines spielenden Buben. Solange die Armeskraft vorhält, steigt der Stein, läßt diese nach, sinkt er zurück zur Erde. Ohne Geschäft könnte sein Hänslein, sicher aber sein Enkel schier wieder in denselben Schuhen stehen, in denen sein Vater, der Höllebrandt-Peter, gegangen. Das Geschäft mußte also bleiben, aber man konnte sich das Leben so einrichten, daß es zum Herrenstande taugte, und wenn dieses so fortging wie bisher und sonderlich in der letzten Zeit, konnte vielleicht auf dem Bärnsteine einmal ein Hillebrandt sitzen. Die Bärnsteiner wirtschafteten ab, mußten abwirtschaften, da sie mehr brauchten, als was sie einnahmen. Stück um Stück des Besitzes mußte verkauft und zu Gelde gemacht werden, und wer kaufte es? Wer konnte es kaufen? Nur ein Hillebrandt.

Da würde der Vater, der alte Peter, schauen, wenn er aus dem Grabe steigen könnte! Heute schon, und gar erst nach fünfzig, hundert Jahren. Und diese leidigen Neidsäcke ...

Es war gut, daß sich zum Zwiste mit den Kühwolfen so ein billiger Anlaß geboten. Nachdem die Sache unverhofft diesen Lauf genommen, hätte die Heirat ja sowieso aus Leim und Fugen gehen müssen. Die lachten sich die Haut voll, wenn sie des Hillebrandten mühsam zusammengescharrten Gelder einsacken und mit ihnen seinem Geschäfte den Vorsprung auflaufen könnten. Klein-Hänslein wäre dann ein armer Wicht, wenn er nimmer lebte. Und sogar er würde diesen Wettbewerb schon zu spüren bekommen haben. Nein, es war so das beste. Die Christel hat noch Zeit zur Heirat, noch lange Zeit, und derweilen ... Unter Herren und Grafen schier könnte sie nachher wählen, und dann kam kein Pfennig in die Tasche eines mißgünstigen Wettwerbers im Geschäfte ...

So sann und grübelte er dahin, bis er vor dem Graben des Bärnsteines stand.

Während er den Wärtel rief, kam ihm wieder in den Sinn: wenn einmal Hillebrandten in diesem Geierneste horsteten! Da wären die Geldtruhen sicher geborgen vor Dieben und Räubern, und da ...

Der Wärtel steckte seinen wildbärtigen Kopf ein paar Augenblicke durch die Luke, und nachher begann die Brücke zu knarren.

»Ist nicht daheim, der Herr«, bedeutete er, als Herr Hillebrandt zum Törlein kam. »Wohl etliche Tage nicht daheim.«

»Brauche ihn auch nicht. Habe nur mit dem Amtmanne zu reden und zu raten.«

»Wird in der Amtsstube sein oder in seiner Herberg'.«

War aber in der Amtsstube und merklich verdrossen. Seine Eheliebste machte ihm schon etliche Zeit das Leben sauer. Wollte mit aller Unholden Gewalt erzwingen, daß er einen ebensolchen Tischgradel schaffe, wie ihn die Herrin bekommen, und wollte noch dazu für das Pfingstfest einen neuen Samtmantel haben. Was aber nicht ging, das ließ sich nicht ermachen, und daher gab es oftmals böse Reden.

»Was ist Euer Begehren?« ließ er den Stadtrichter kurz an, der sich aber gleich einen Stuhl zurecht und an den Tisch rückte. Dem Amtmanne gegenüber brauchte er, der reiche Handelsherr, der Stadtrichter und nunmehr auch Eigner eines Herrengutes, nicht viel Umstände zu machen.

Das und jenes. Etliche Aufwiegler hätten sich das und jenes erkühnt und noch dazu in einer Zeit, wo man keinen Augenblick sicher wäre, die gefürchteten Hussen vor Tor und Mauern zu sehen, und diese, die Aufwiegler, müßten zu abschreckendem Beispiele mit eiserner Faust niedergehalten werden.

Dem Amtmanne riß es den schnauzbärtigen Kopf ein paarmal hin und wider.

»Lasset mich mit den criminibus in Ruhe, Herr Stadtrichter!« knurrte er dann. »Ist ohnehin so viel Unruhe und Ärger im Amte, daß einem das Leben gallbitter wird ... Zinsungen, die nicht gegeben werden, Fronen und Scharwerk und dies und jenes ... Wer kann dem Ochsen das Maul so verbinden, daß er nicht murret, wenn ihm zuviel auf den Wagen geladen wird? Schlägt man ihn, so brüllt er auch noch wegen des Schlagens.«

Herr Hillebrandt starrte den Mann eine Weile völlig sprachlos an ... In Ruhe lassen! Ja, wozu war er denn nachher der Amtmann? Was sollte dann er, der Stadtrichter, tun? Auch diese Wichte in Ruhe lassen, die den Hussen in die Hände arbeiten wollten, wie der Magister sagte?

»Ja, was ...?«

»Nichts, Herr Stadtrichter, gar nichts. Gibt Übel, die schlimmer werden, wenn man darantappt. Druck reizt gemeiniglich zu Trutze, und dann wird es ärger. Die Schelme vorrufen lassen und ihnen mit Verstand sagen, daß sie irren und daß es so sein müsse, wie es ist. Gibt einen Unterschied zwischen Bosheit und Torheit. So einer böslich etwas tut, das den anderen schadet, der gehört gestraft und gebüßet; so einer aber aus Unverstand fehlet, dem soll man erstlich des verweisen und ihn zu Rechten weisen, das ander Mal gelinde büßen. Das nicht wegen der Torheit, sondern wegen der Hartnäckigkeit. Auch in juribus gilt: allzu scharf macht schartig.«

Nun begann Herr Hillebrandt mit dem Kopfe zu wackeln ... Bosheit und Torheit! In dem Falle war wohl beides in ein und demselben Häfen beisammen. Das mochte Torheit sein, was diese Leute vom Abendmahle unter beider Gestalten forderten, nachdem die Kirche sich dagegen entschieden, aber das war gewiß Bosheit, daß sie wider Gut und Besitz murrten und alle Blutsauger schalten, die es zu etwas gebracht und die strebten, solches zu erhalten und zu mehren.

»Wenn aber die Hussen anrücken, und wir haben selbst Hussen innerhalb der Mauern und Tore«, stellte er vor. »Es muß etwas geschehen, diese Leute zu schrecken.«

Hussen vor den Mauern und Hussen innerhalb derselben! Das rüttelte den Amtmann doch auf aus seinem Gleichmute wider alles, was außerhalb seiner fehdereichen Herberge lag.

»Also schicket mir die Schelme einmal!« forderte er daraufhin. »Ich werde ihnen die Faust vor die Nase halten ...«

Aufs Bärnsteiner Amt schicken! Das war wenigstens etwas, das jeden schrecken konnte. Kam er auch das erstemal heil über die Brücke zurück, wußte er nicht, ob er das andere Mal nicht in den Turm kollerte.

Er bedankte sich für den guten Willen und ging wieder. Morgen oder übermorgen sollten die Missetäter gebracht werden.

Dann stieg er den Steilhang hinab und nahm den Weg zu seinem Wieshofe. Ging ihm ja selber so wie seiner Susel: so schön und friedsam, die Ställe voll Vieh; eine Freude, wohin eines den Blick wandte. Ein, zwei Jährlein noch, dann ... Wozu hatte man etwas, wenn man es nicht genießen konnte? ...

*

Jungfer Christel war gleich nach Mittag hinausgegangen in den Wieshof, hatte die Schar Hühner gefüttert, die sich im Hofe und auf der Dungstätte herumtrieb, den Kühen im Stalle die wirrhaarigen Köpfe gekraut und einigen Kälblein die Zottelfelle beinahe glänzend gestriegelt. Dann hatte sie Nesseln gesammelt und klein geschnitten und der goldgelben, unbehilflich dahinwatschelnden Gänsebrut zum Leckerbissen vorgestreut und sich an allem und an jeder Kleinigkeit gefreut wie ein Kind, das einen ganzen Korb voll Spielzeug erhalten. Daß der Vater dieses schöne Gut zu erwerben vermocht und auch gekauft, rechnete sie ihm höher an, als wenn er ein Königreich gewonnen hätte, und das löschte und tilgte auch jeden heimlichen Ärger und Groll wider ihn aus ihrem Herzen und Sinnen, die sich für ein Zeitlein dort eingenistet, als er den Wolfen so böslich und schändlich aus dem Hause gewiesen. Wie ein kleines Himmelreich kam ihr der Hof vor, an dessen Gemarkung Engel die Wache hielten, daß kein Lärm und kein Unfrieden hereinkonnten. Und wohin sie sah und schaute, Freude und eitel Freude. Immer und allerwegen heraußen sein zu können, dünkte sie ihr höchstes Glück und war ihr stetiges Sehnen, und darüber wuchs alle daumlang das Wünschen hinaus, einstmals hier als Hausfrau in all dieser Schöne und Herrlichkeit schalten und schaffen zu können. Hänslein würde ja wohl das Geschäft im Städtel bekommen und bekommen müssen, da sonst kein Bub mehr da war, und wem sollte nachher der Wieshof bleiben, wenn nicht ihr? Die Gunde war ohnehin schon ausgeheiratet und hatte als Ehefrau des kaiserlichen Ungelteinnehmers das schönste Leben. Und ... fremden Leuten etwa ...?

Ein Zeitlein hatte sie mit des Hofvogtes Kindern und deren zwei Zicklein gespielt, und nachher war sie zu den Leuten hinausgegangen aufs Feld, die Kraut- und Rübenpflanzen steckten.

Einen anderen Weg hatte Wolf Kühwolf aus dem Städtel genommen, doch der trug ihn auch zum Wieshofe, wo er die Christel wußte. Über des Steffelgangerls Gehöfte kam er des Weges herüber, und ... wenn ihn etwer Unrechter sah, mußte er eben vorbeigehen. Ein Weg steht ja männiglich offen, und ... wo man zu tun hatte, von dorten muß man kommen.

Sah ihn aber niemand Unrechter; sah ihn nur die Christel von weitem daherschlendern, und sie verließ alsbald Krautfeld und Arbeitsleute und schlenderte neben wispelndem und wogendem Kornfelde auf blütenstrotzendem Anger hinüber.

»In Geschäften unterwegs?« lachte sie dem Wolfen entgegen.

»Für andere Leute: ja, für Euch: nein. Ich habe Euch nach Mittag des Weges herausgehen gesehen, und habe richtig geraten, daß Ihr da seid.«

»Wie gefällt es Euch da? Märchenschön, nicht wahr?«

»Wirklich zauberschön ...«

»Und noch habt Ihr den Hof nicht gesehen. Das schöne Haus, die Ställe voll Vieh, Bäume, ein kleiner Weiher.«

»Vor Jahren bin ich einmal dort gewesen, als wir Wolle gekauft haben vom Vogte. Aber da schaut man nicht so viel herum.«

»Nein, man kennt erst, wie schön etwas ist, wenn man es zu eigen hat.«

»Bei manchen Leuten soll das anders sein. Sie finden nur schön, was sie ersehnen; sobald sie es zu eigen haben, denken sie anders.«

»Ihr ... auch?« Ihre Augen hefteten sich forschend an sein hitzerotes Gesicht.

»Ich? Nein. Was Ware ist, darüber denke ich wie jeder Kaufmann. Die Ware gehört nicht mein, nur der Gewinn. Was anders ist als Ware ... Und aufrichtig gesagt, Jungfer Christel, auch wenn mir der Wieshof vor Jahren schon gefallen hätte, was hätte es genutzt? Wir hätten ihn nicht bekommen. Solche Händel kann nur Euer Vater machen.«

»Das habe ich mir auch schon gedacht. Dazu hat er Geschick. Wißt Ihr, schuldig war uns halt der Bärnsteiner, und Geld hat er auch wieder gebraucht. So hat er den Wieshof verkauft.«

»Würde aber trotzdem keinem andern geglückt haben.«

»Gerade vorhin habe ich mir vorgenommen, den Hof einmal den Eltern abzubetteln als Erbe. Hänslein wird eh' das Geschäft kriegen ...«

»Ja ... ich habe gemeint ...«, dehnte Wolf Kühwolf beinahe stotternd heraus, und sein Gesicht wurde noch ein wenig dunkler.

Sie erriet, was er sagen wollte, und lachte hell auf. »Deswegen könnt Ihr allzeit meinen. Erstlich sind die Eltern noch all' beide rüstig und haben selbst mächtig Freude an dem Gute, und dann ... Wenn unsere Eltern Freude daran haben, könnten es wir wohl auch. Ich meinte, wenn ich den Hof einmal erbettelt hätte ...«

»Nein, Jungfer Christel, tut es nicht! Meinetwegen nicht, wenn Euer Wille fest ist und Ihr nicht anders sinnet. Ich will nur Euch und sonst nichts. Und wenn ich Euch sogar das Brautgewand kaufen müßte, ich tät es, und ich könnte es tun. Wir haben Geld genug. So viel etwa nicht wie ihr und heute, nachdem ihr auch den Herrenhof noch habt, schon gar nicht, aber immerhin so viel, daß jedes etwas bekommen hätte, wenn alle Geschwister gelebt hätten. Und ich möchte mich nicht gerne darum anschauen lassen, als freite ich Euch Eurer Sache wegen. Da bin ich anders gesonnen als mancher andere. Und dann täte ich es auch Euretwegen schon nicht, Ihr wisset ja, wie die Leute sind: der freit die Jungfer Christel und ihre Sache meint er. Nein: nicht!«

»Wenn ich aber gar nichts kriegte ...?« scherzte und neckte sie leichthin.

»Hab' es schon gesagt. Ich bin und werde nicht anders.«

»Wird ja wohl recht werden«, lenkte sie dann beinahe kosend ein. »Wie es wird, so werden wir es nehmen. Nicht wahr? Trachtet nur, mit dem Vater bald wieder übereins zu kommen! Kein Zwist dauert ewig. Und ich – um Eure Rede zu brauchen – hab' es auch schon gesagt.«

»Ich habe nicht gezweifelt an Eurer Rede und an Eurem Sinne, aber den Herrenhof schlaget Euch aus dem Sinne! Ich möchte keine Nachrede haben. Wenn Ihr so viel Gefallen findet an einem Bauernhofe, ich kaufe uns selber einen, wenn er auch minder groß und schön ist.«

»Auch ... Aber jetzt kommet mit und sehet Euch den Hof von innen an und ringsum.«

»Wenn aber jemand ...«

»Niemand hier sonst wie ich ...«

Sie schlenderten den Weg dahin und gegen den Hof hinein, und ... die Hänge herunter kam Herr Hillebrandt.

Alles Blut in seinen Adern stockte für ein, zwei Augenblicke, als er ihrer gewahr wurde, und sogar der Herzschlag setzte einige Pocher aus, um dann mit ungestümer Wucht wider die Rippen zu hämmern ... So schaute diese Gespunst aus? Der Kühwolf! Derselbe ... Leimsieder, dem er vor unlanger Zeit erst die Türe gewiesen! Ein anderer schämte sich, der nicht. Wie der Iltis um den Taubenschlag schleicht er um den Wieshof herum, da ihm im Hillebrandthause die Türe gewiesen worden, und mit aller Unholden Gewalt scheint er seine Beute erjagen zu wollen. Jetzt vielleicht mehr denn sonst; aber ... jetzt noch weniger denn sonst. Solche Schandreden anhören müssen in offener Schankstube und nachher die Tochter in diese Sippschaft geben? Ein anderer vielleicht; er, der Hillebrandt, nicht und um Himmel oder Hölle auch nicht. Schlagen tut er ihn, wenn er hinzukommt, daß er kaum mehr heimgehen kann. Wo Reden nichts nutzen, muß der Stecken wirken.

Wie siedendes Wasser den Kessel oder den Topf rüttelt, in dem es ist, so rüttelte ihn auch Zorn und Wut, als ob ihn ein Fieber befallen. Doch nur zwei, drei Vaterunser Länge. Da bekam wieder der kühl rechnende und sorglich überlegende Kaufmannsverstand die Übermacht. Mit Ärger gewinnt einer nicht viel, und so man mit Trümmern dreinschlägt, werden wieder Trümmer. In diesem Falle entstünden auch noch Schwatz und Gerede und weiß Gott, was noch alles ... Muß alles nicht sein, und gilt hüben wie drüben dieselbe Münze, denselben Schnedderling Kleinste und schlechteste Münze.. Sein, wie andere Leute sind: sich weder das noch jenes anmerken lassen! Dabei kann einer allweg nach seinem Willen sinnen und trachten und so und anders tun.

Hätte also gar keinen Wert, mit dem Stecken dreinzufahren, weil es auf andere Weise auch zu richten sein wird, daß es ... taugt.

Seine Schritte wurden länger und länger, und am Hofgadem traf er mit den beiden zusammen.

Jungfer Christel wurde wachsfahl und Wolf Kühwolf glührot. Er aber zwang sich mit aller Gewalt zu einem sauersüßen Grinsen und bot vorweg die Tageszeit.

»Auch über Land, Herr Kühwolf?«

Christel wollte den eigenen Ohren kaum trauen. Hörte sie recht, oder wollte sich der böse Zwist doch allmählich wieder geben und ausebnen? Wenn ihr Vater so strebte, fehlte auf der anderen Seite sicherlich nichts.

»Habe beim Steffelgangerl zu tun gehabt, und im Herübergehen traf ich Jungfer Christel im Felde. Wir wunderten über die Schönheit des Wieshofes. Wahrhaftig ein Herrengut, Herr Hillebrandt.« So der Wolf.

»Nicht wahr?« lächelte der, aber das Lächeln klang etwas gezwungen und hölzern. »Das sagt ein jedes. Hat aber auch einen gewichtigen Sack Geldes gekostet.«

»Läßt sich denken. Wie gesagt, ein Herrengut.«

»Da müßt Ihr den Hof erst einmal von innen ansehen! Heut habe ich keine Zeit; aber es wird sich schon einmal schicken. Und weil Ihr mir schon so gelegen in den Weg laufet: Sagt Eurem Vater, morgen zu gewöhnlicher Vormittagszeit müßten wir in dringlicher Sache eine Ratsversammlung halten ...«

»Etwas ... vorgefallen?«

»Nichts Sonderliches, aber doch dringlich ... Da brauche ich also Herrn Kühwolf nimmer eigens andingen zu lassen?«

»Nein. Ich richte die Botschaft schon aus.«

Ein kurzes, freundliches Grüßen hüben und drüben, und dann schlenderte Wolf Kühwolf seines Weges weiter. Auf dem Anger draußen pfiff er vor Freude ein paar fröhliche Weisentrümmer vor sich hin. Das Wetter schien sich also wieder völlig verzogen zu haben wie ein wirkliches Wetter, hinter dem der Sonnenschein wieder über die noch regennassen Fluren lacht. Und die paar Tage trüber Weile waren leichtlich zu verschmerzen, wenn es so blieb.

»Ganz von ohngefähr sind wir auf dem Wege zusammengekommen«, beteuerte Jungfer Christel, da sie mit dem Vater durchs Hoftor schritt.

»Sagt auch niemand etwas dawider«, knurrte der beruhigend. »Der Weg ist für jeden frei, und ... den Wieshof kann auch jeder anschauen. Ist für jeden des Anschauens wert ...«

Eine kleine Umschau noch im Hofe, und dann machten sich alle beide wieder auf den Heimweg. Herr Hillebrandt jedoch ging ins Stadthaus und trug dem Büttel auf, den Ratsherren für morgen Vormittag eine Versammlung in dringlicher Sache anzudingen. Herr Kühwolf aber wüßte schon darum.

»Der Husse vielleicht schon ...?« sorgte der.

»Ei wohl, nein. Gibt andere Ursachen genug zu heutiger Zeit ...«

Denselben Abend noch ließ er im Hause kein Wort verlauten was er beim Wieshofe draußen wahrgenommen und was ihm den Jähzorn in den Leib gejagt. Solche Sache mußte erst gründlich überdacht sein; denn Frau Susel hatte oftmals eine ganz andere Meinung als er und verstand zumeist, diese durchzusetzen. In diesem Falle aber durfte keine andere Meinung der seinen über den Kopf wachsen.

Daher sann und überdachte er schier die halbe Nacht, welchen Weges er die Sache drängen sollte. Daß die zwei Leutchen, die Christel und dieser ... Leimsieder, aneinander hingen wie Kletten, wußte er seit langem, weil diese Absicht ehezeit in beiden Sippen ganz offen bestand und selbst in der Stadt überall lautmärig war. Solche Gespunst zerreißt auch nicht so leicht, selbst wenn man einem nachher die Türe weist. Und daß dieser ... Leimsieder trotz des Hinauswurfes jetzt hartnäckiger denn je zuvor sich an diese Gespunst klammerte, fand er begreiflich. Jeglicher im allgemeinen und so einer im besonderen trachtet möglichst viel zu erheiraten, auch wenn dieses einer ... mit allerlei Listen erworben, dessen Vater noch mit Schuhriemen und mit Pfaidknöpflein von Tür zu Türe gehandelt. Daß die Christel von dieser Gespunst umfangen und umsponnen war, so daß sie nicht lassen wollte von ihm, wunderte ihn ebensowenig. Wäre ja ihre Mutter auch für und um ihn, den Hans Hillebrandt, den Buben des Höllebrandt-Peter, der ... mit Schuhriemen und Pfaidknöpflein gehandelt, durch Feuer und Wasser gelaufen. Doch er hatte sich nun einmal vorgenommen, keinen Schnedderling, geschweige denn erst einen guten Pfennig seines Geldes in diese Sippschaft gelangen zu lassen, in der man so über ihn und die Seinen dachte, und der er damit nur über seinen Dachfirst hinaushelfe, und er wollte solches auch durchsetzen, unnachsichtig durchsetzen. Zu dem End' und Ziele hatte er den Wieshof nicht gekauft, um diesem Schelme ein handsam Stelldichein zu bieten, nachdem ihm daheim die Türe gewiesen worden, und da solches nicht immer zu verhindern war, mußte die ... Gespunst gewaltsam zerrissen werden ... Den Leimsieder konnte er nicht so ohne weiteres aus dem Wege räumen, daher wird müssen die Christel fort ... für eine Weile fort, bis etwas Gras über die Geschichte gewachsen, bis eine andere Zeit kommt, ein anderer Stand etwa, und sie selber einsieht, daß eine Christel Hillebrandt von Wieshof oder so ähnlich nicht einen gewöhnlichen ... Kühwolfen heiraten könne ... Wohin aber?

Das fragte er am anderen Morgen auch seine Eheliebste, nachdem er ihr auf weiten Umwegen und mit vielgewundenen Reden seine Wahrnehmung und seine Meinung verraten. Verwandte hatte man keine, vermögliche schon gar nicht; wohin also mit der Christel, auf daß sie besseren Sinnes würde?

Frau Susel aber schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Die Christel fort? Das Kind fort, nachdem sie es endlich so weit gebracht, in ihren alternden Tagen etwen zu Hilfe und Beistand im Hauswesen zu haben? Das Kind fort, unter wildfremde Leute vielleicht, denen es Magd und Wischhader machen mußte? Das Kind des Stadtrichters Hans Hillebrandt? ... Nein, aus solchem Sinnen würde nichts, und wenn sie um das Kind raufen müßte wie eine Bärin um ihr Junges. Lieber hängte sie sich auf oder ginge ins Wasser, ehevor sie zu solchem ihr Jawort gäbe. Wenn er, der Rabenvater, nicht mehr ...

Herr Hillebrandt hörte darauf nimmer, wessen er, der Rabenvater, mehr haben sollte. In aller Hast rüstete er zum Gange aufs Rathaus und schlug nachher die Türe polternd hinter sich zu.

*

Herr Meinrad Sündel, der Amtmann auf dem Bärnsteiner Schlosse, hatte einen der übelsten Tage.

Kaum hatte sein hold Ehegemahl erfahren, daß Herr Hillebrandt auf dem Schlosse gewesen, war das Getue von wegen des begehrten Tischgradels von neuem losgebrochen ... Warum er nicht deswegen geredet hätte mit ihm, oder warum er nicht zumindest sie hinzugerufen hätte, auf daß sie darüber reden gekonnt? Und als er daraufhin die lässigen Zinsungen und den kargen Lohn erwähnt, hatte sie ihm in überwallendem Wüten Lieb und Gott weiß was noch alles aufgesagt und ihm angedroht, sie liefe davon, stürbe vor Enttäuschung und Vergrämung oder stürze sich gar über die Mauern in die schwindelnden Tiefen und in den Tod. Nachher ...

Herr Meinrad hatte die Jura gründlich studiert, aber weder im Justinian noch in den Juribus, so in deutschen Landen gebräuchlich, fand sich ein Beispiel, wie solche Quälerei einer wehrlosen Mannsperson zu ahnden wäre, insonderheit wenn sotane Missetäterin freiwillig in den Tod gehen und solchermaßen das Übel noch größer machen wollte.

Daher war er zu Herrn Hillebrandt hinuntergegangen und hatte nach einem Stücke Tischgradel gefragt, wie ihn ihre Gnaden, die Schloßherrin, gekauft. Doch der hatte keinen ... hatte in seiner ganzen Kramstatt keinen. Er, der Amtmann, hatte das geglaubt, weil jeder Handelsmann gerne verkauft, was er hat, um den Gewinn einzustreichen; aber sein hold Ehegemahl hatte es nicht geglaubt und die bösesten Zweifel in seinen ehrlichen Willen sowie seine Mannesrede gesetzt ... Er wollte sie nur belügen und täuschen, um nicht mit den leidigen Schnedderlingen herausrücken zu müssen, und dies und jenes. Und zum Ende hatte sie ihm noch ein halbvoll Häfen an den Leib geworfen und sich nachher in ihrer Kammer versperrt.

Solches kann den gutmütigsten Menschen aus dem gewohnten Gleichmute bringen und ihm den sonnigsten Tag verleiden.

An diesem arg verleideten Tage brachte ihm der Büttel des Städtleins die Wichte in die Amtsstube, die sich vermessen hatten, vom Pfarrer das Abendmahl in beiderlei Gestalt zu fordern und wider Blutsauger und Hörigkeit zu murren: den Tuchscherer, den Hafnergürgen, den Baderweber, den Sägfeiler, einen rußbärtigen Schmiedegesellen, den braunen Mirt und noch etliche.

»Da habt Ihr sie«, meldete ihm der Büttel.

Herrn Meinrads Geschau war so nicht das freundlichste, aber er tat noch ein übriges und zwang sich die grimmwütigste Miene auf.

»So, da sind sie?« polterte und prustete er heraus. »Glaubensstörer, Aufwiegler, geheime Hussen und ... und ... lauter Bösewichte halt ...«

»Herr Gnaden,« ersuchte der Tuchscherer zu verteidigen, »wir haben keinem seinen Glauben gestört. Wir haben nur gefragt, ob er könnte, der Pfarrherr ...«

»Was: könnte ...?« schrie ihn Herr Meinrad an, daß er schier zurücktaumelte. »Nichts kann er ... als was er kann und darf«, setzte er verbessernd hinzu. »Wie es die Kirche lehrt, so muß es recht sein, und sie wird wissen, warum das so ist und nicht anders sein darf. Verstanden? Ist euch eh' nur um den Suff Wein zu tun, ihr Saufhänse. Könnt euch am Biere nicht genug saufen. Und dann klagen und zetern über schlechte Zeiten und über ... Blutsauger! Aufruhr anzetteln wollen, Zwist unter die Leute tragen, jetzt, wo die Hussen überall hausen wie das Raubgetier des Waldes. Vielleicht noch denen in die Hände spielen wollen ... Ruhig, sage ich. Jetzt rede ich ... Also: den Hussen sogar in die Hände spielen wollen in eurer Torheit! Wisset ihr, was euch gebührete zur Zeit, wo der Feind im Umritte ist? Drei Wochen bestrickt in den Turm legen bei Wasser und Brot oder gar in den Bock gespannt und dann aufhängen ... putzweg aufhängen. Das sollte ich euch widerfahren lassen nach Fug und Rechte, und ... ich tu es auch ... so ihr mir in gleicher Anklage nochmals dahergebracht werdet. Ich tu's auch. Für heute rechne ich es noch eurer Dummheit zugute, und für heute schenke ich euch den Schilling Stockschläge, die ihr trotz dieser schon verdient hättet ...«

Eines wie des anderen dieser Missetäter Gesicht war erklecklich fahler geworden, als der Gewaltige herausgepoltert: ... »aufhängen ... ich tu es auch ...« Mit so einem Menschen war nicht zu scherzen, insonderheit wenn er noch dazu Feindeszeit vorzuschützen vermochte, und die meisten hatten etwen, der sie noch brauchte und der ihnen nachgetrauert hätte. Als die Strafrede aber diese Wendung nahm, wurde jedwedem, als fühlte er Stein und Ketten von sich fallen.

»Versprechet ihr, daß ihr fürderhin keine solche Torheit mehr anfangen wollet? Gesagt habe ich euch, was dann geschieht.«

Was blieb da übrig, als Urfehde zu geloben und Landfrieden? Einer wie der andere versprach, und dann schrie er sie an, sie sollten sich nun zum Dunner trollen. Doch unter der Türe schon rief er sie nochmals zurück.

»Wer von euch ist dieser ... Baderweber?«

Doch schon am Erblassen dieses Menschen merkte er, wen er getroffen.

»Kannst du Tischgradel wirken Weben.?« Er mußte aber nochmals fragen, bis der schreckschlotternde Weber Bescheid geben konnte. »So einen, wie ihn ihre Gnaden, die Schloßherrin, vom Hillebrandten gekauft? Ist das ganze Eßzeug eingewirket und Vögel mit Blumenkränzen ...«

»Die ... Schloßherrin ...?« stotterte der Dikel.

»Ja.«

»Wenn er von Herrn Hillebrandt gekauft worden, ist der Gradel eh' von mir.«

»Eh' von dir? Hast noch einen?«

»Im Augenblicke nicht, aber wenn es sein müßte ... sein sollte ...«

»Ich brauch' einen. Und was kostet die Ellen?«

»Dreißig Pfennige hat mir der Herr Hillebrandt gegeben. Aber das ist zu wenig. Der Herr Kühwolf hat mir dritthalb Schillinge geboten ...«

»Was?« dehnte Herr Meinrad nun klafterlang heraus und starrte den Menschen an wie einen, den seine vorige Strafrede um jeglichen Verstand gebracht. »Ein Schilling? ... Dritthalb Schillinge? ... Und ihrer Gnaden, der Schloßherrin, verkauft dieser ... Gauch die Elle um ... zwei Pfund Pfennige! Da soll doch ...«

Das brachte dem Tuchscherer seinen sonstigen Wagemut zurück, und baumfest stellte er sich vor den Amtsgewaltigen hin.

»Herr Gnaden! Gerade vorhin habt Ihr uns Turm, Bock und Aufhängen angedroht, weil wir auch über Blutsauger gemaulet. Wenn aber einer ...«

»Ruhig!« herrschte ihn Herr Meinrad an und wies gleich darauf nach der Türe. »Hinaus! Hinaus! Und wie ich gesagt habe.«

In aller Hast stolperten sie nun über die Schwelle, und hinter ihnen her polterte der Büttel. Drinnen aber in der Amtsstube sumste ein schwerer Schlag auf den ungefügen Tisch, und die Stimme des Amtmannes zeterte: »So ein Gauch! Solche Schelme! ...«

Die Missetäter mochten vielleicht noch nicht über der Zugbrücke draußen gewesen sein, stand Herr Meinrad schon wieder vor der versperrten Kemenatentüre seines holden Ehegemahls.

»Kriegst den Tischgradel, kriegst ihn«, versprach er. »Hab' es soeben erfahren ... Der Baderweber macht so Zeug ... Hat auch der Schloßherrin ihren gewirkt. Hat aber im Augenblicke keinen ... Macht einen. Dritthalb Schillinge die Elle. Kriegst bald einen ...«

»Der ... Gauch!« börstete sich über dem Burggraben drüben nun auch der Baderweber, der Dikel. »Mir zahlt er mit Hundschanden einen Schilling für die Elle, und verkaufen tut er sie um zwei Pfunde. Da sollt' einer nicht Blutsauger sagen dürfen?«

Beim Sternwirt im Städtel unten trommelte ein Stündlein später der Tuchscherer mit all' beiden Fäusten auf den Tisch.

»Da sollt' einer nicht Blutsauger sagen dürfen? Da sollt' einer noch aufgehangen werden für so eine Rede ...?«


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