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Kleinbergs Geständnis

Das Unkraut, merk' ich, rottet man nicht aus,
Glückauf, wächst nur der Weizen etwas drüber.

Grillparzer in Bettelheim.

Bettelheim würde die beiden Briefe Kleinbergs, die er in seiner Broschüre abdruckt, wohl nicht gebracht haben, hätte er die nunmehrige Veröffentlichung meines Materials geahnt. Man beachte die Windungen und Drehungen, die Kleinberg bei diesen seinen Rechtfertigungsversuchen macht und was er dabei alles zugestehen muß: daß er z. B. nachträglich sich bereit erklärt, »nicht glatt beweisbare« Schmähungen zu streichen, ja, daß er sogar so gütig ist, die Erklärung des Rechtsanwalts Dr. Gerlach, May habe tatsächlich die Aushändigung seiner Münchmeyer-Manuskripte nicht erreicht, anzuerkennen. O weiser Richter, o gerechter Richter!

Selbst wenn Kleinberg wirklich im guten Glauben gewesen sein sollte, so ist es doch wahrhaftig ein starkes Stück, einem Toten im »Nekrolog«, der die »Summe seiner Existenz« ehrlich, sachlich und unter Berücksichtigung des Für und Wider abwägen soll, Niedrigkeiten nachzusagen, die man nachträglich als »nicht glatt beweisbar«, ja sogar als der urkundlichen Wahrheit widersprechend zurücknehmen muß.

Die von ihm hereingezogenen Namen der beleidigten Künstler Sascha Schneider und Selmar Werner »gehören ja wirklich recht wenig zur Sache«, schreibt der »Kritiker« Kleinberg. Ja, weshalb hatte er sie dann in seinem »Nekrolog« eingefügt? Waren die beiden Herren und waren ebenso wir anderen, die wir dagegen Stellung nahmen, also nicht vielleicht doch berechtigt, die Streichung dieser »nicht hineingehörenden« Namen zu verlangen?!

Daß er Avenarius, den ärgsten aller May-Gegner, der niemals auch nur ein einziges May-Werk sachlich besprochen, und der May niemals auch nur eine einzige Lichtseite zugebilligt hat, als »verläßlichen Dritten« bezeichnet, als seinen »Gewährsmann«, von dem er das »Material« entlehne, wäre eigentlich spaßhaft, wenn es sich nicht um die Ehre eines wehrlosen Toten handelte.

»Ich bin zeitlebens wahr gewesen«, sagt Kleinberg mit Würde, um gleich darauf die Behauptung zu wagen, die »May-Leute« (also doch wohl ich und meine Mitarbeiter) seien »in hundert Prozessen geschult«. Diese große, von ihm selbst betonte Wahrheitsliebe des Nekrologschreibers wirkt charakteristisch, wenn ich feststelle, daß der seit seiner Gründung von mir geleitete Karl-May-Verlag bisher noch nicht einen einzigen Prozeß geführt hat. Selbst wenn aber Kleinberg die Behauptung so drehen wollte, daß er damit nicht mich und meinen Vertag, sondern den toten Karl May gemeint habe, dann haben die von ihm erdichteten hundert Prozesse noch immer die gleiche Übertreibungsziffer wie die sechs Millionen Mark seines zuverlässigen Gewährsmannes Avenarius.

Endlich sei das Geständnis Kleinbergs festgenagelt, daß er wirklich von den fünf anonymen Romanen, die er – im Gegensatz zu den zahlreichen anderen Schriften Mays – mit liebevoller Genauigkeit, mit ausdrücklicher Angabe der Titel und Entstehungsjahre aufführt, nicht einen einzigen gelesen hatte. Kleinberg hat sonach, wie wir ja schon selbst in unserem oben abgedruckten Brief vom 13. November 1917 ohne weiteres festzustellen vermochten, mehr als 15 000 Druckseiten mit dem von ihm selbst geprägten, nicht etwa zitierten Schmähwort »unsäglich schmutzig« benamst, ohne eine Zeile davon zu kennen, ja sogar, ohne auch nur den Versuch gemacht zu haben, Einblick in diese Werke zu bekommen. Wie man aus dem Karl-May-Jahrbuch 1919 ersehen kann, haben wir die Rechte an diesen vielumstrittenen und nachgewiesenermaßen von dritter Seite veränderten Romanen am 16. Februar 1914 erworben, um den Zankapfel (nämlich die verfälschte Fassung) dauernd zu beseitigen. Man liest dort ferner, daß der Verlag Münchmeyer die Werke noch volle drei Jahre, d. h. bis zum 16. Februar 1917, ausverkaufen durfte. Kleinberg hätte sie zu der Zeit, da er seinen »Nekrolog« schrieb, also Anfang 1916, nicht nur bei Münchmeyer, sondern auch bei zahlreichen anderen Buchhändlern beziehen können, wie sie ja begreiflicherweise selbst jetzt noch im Antiquariatsbuchhandel und in Leihbüchereien zu haben sein werden.

Auch Kleinbergs Behauptung, die »Urschrift sei gar nicht mehr zugänglich« gewesen, gehört in den Bereich seiner »Wahrheitsliebe«, denn ich muß ihm erwidern, daß die Firma Münchmeyer nicht nur die zweite Fassung, sondern gleichzeitig die ganzen Jahre hindurch auch noch den Urtext gedruckt und verbreitet hat. Für seine unerhörte Behandlung dieses Teiles von Mays Vergangenheit will Kleinberg nun sogar noch den May-Verlag verantwortlich machen, weil dieser ihm das »Material«, nämlich »Abdrucke der Kolportage-Romane« nicht unaufgefordert übermittelte. Kleinberg will damit also beanspruchen, daß ihm der May-Verlag zu seiner Schmähschrift nicht nur die eigenen autorisierten Verlagswerke in größtem Umfang und unentgeltlich überlasse; nein, dieser gleiche May-Verlag sollte ihm auch noch anonyme Werke kaufen, die längst von Mays Namen losgelöst und in einem fremden Verlag zu erwerben waren, und zwar in einem Verlag, mit dem May jahrelang wegen Beseitigung eben dieser Schriften prozessierte! Hätte Kleinberg sich wegen der von uns ebensowenig wie von May anerkannten Ausgaben an uns gewandt, so hätten wir ihm sicherlich nicht nur wahrheitsgetreue Aufklärungen gegeben, sondern ihm auch Einblick in diese Bücher zu verschaffen gesucht. Daß wir aber einem Rezensenten, der von uns »May-Bände« verlangt, ohne sich nur mit einem Wort auf die Pseudoschriften zu beziehen, auch diese »zur Besprechung« schenken sollen, scheint uns denn doch reichlich viel verlangt! Er schreibt, eine Einsichtnahme habe er für »technisch unmöglich« gehalten. Eine solch oberflächliche Behandlung dieser Angelegenheit nennt er »freie unabhängige Forschung«. Wie sein Geständnis zeigt, war seine Forschung »frei« von Sachkenntnis und »unabhängig« vom behandelten Stoff.


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