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Die ersten Verhandlungen

Beleidigen ist leicht, doch schwer versöhnen.

Grillparzer.

Ich stelle fest, daß nach einstimmiger Äußerung aller Sachverständigen, denen wir Kleinbergs Artikel zur Einsichtnahme vorlegten, diese »Kritik« die schlimmste und häßlichste Schmähschrift bildete, die je wider Karl May verfaßt wurde; schon in der Tonart übertraf sie alles jemals Dagewesene, und das will nach der beispiellosen früheren Hetze gegen May viel heißen.

Aber nicht diese Tonart und auch nicht die Häufung von Vorwürfen ohne jeden Milderungsversuch, die hier Kleinberg sorgsam Satz für Satz zusammentrug, war der Grund, weshalb wir ohne jedes Zaudern die Notwendigkeit für gegeben hielten, gerichtlich oder außergerichtlich die Überarbeitung des Artikels zu fordern und durchzusetzen. Denn wie man aus dem im folgenden abgedruckten Briefwechsel ersehen wird, hat Kleinberg in seinem »Nekrolog« überdies glatte Unwahrheiten über den toten Dichter in die Welt gesetzt, Unwahrheiten, die teilweise sogar den gerichtlichen und urkundlichen Tatsachen Hohn sprechen. Den größten Teil seiner üblen Nachreden hatte er einem gerichtlich verbotenen Werk eines früheren Prozeßgegners des Verstorbenen (Lebius) entnommen, das er auch im Schluß seiner »Biographie« mit anführt. Hätten wir diese Unwahrheiten bestehen lassen, so wären sie, da es sich um ein so einflußreiches Literatur- und Nachschlagewerk handelte, dauernd in die Literaturgeschichte hinübergenommen worden, genau so, wie schon die früheren unwahren Äußerungen über May, z. B. das eingangs erwähnte Sechs-Millionen-Märchen, genugsam von unkritischen Nachschreibern aufgegriffen wurden und dauernd Schaden stifteten.

Da der Verfasser Kleinberg im Ausland wohnt, wären gerichtliche Schritte gegen ihn sehr erschwert gewesen, obwohl wir uns von Anfang an mit der Frage eines derartigen Vorgehens gegen ihn beschäftigten. Der Herausgeber Bettelheim wohnt gleichfalls in Österreich, und außerdem waren wir, da er sich während des Schwebens und bis zur völligen Beendigung der Angelegenheit immer nur hinter den Kulissen bewegte, der Meinung, er stehe der Nachprüfung unbefangen und vorurteilsfrei gegenüber. In dieser Meinung wurden wir durch den einzigen Brief, den er den diesseitigen Parteien jemals zugehen ließ und den ich unten auf Seite 25 wiedergebe, bestärkt.

Mein Bestreben, in einer solchen für alle Beteiligten peinlichen Sache, und noch dazu mitten im Waffenklirren des Weltkriegs, im Kampf um die nationale Existenz des deutschen Volkes, durch außergerichtliche Vereinbarung die andernfalls unvermeidlichen Prozesse auszuschalten, wird jeder begreifen, der sich sine ira et studio in diese meine Abwehrschrift vertieft. Zum mindesten mußte ich schon aus kollegialen Rücksichten dem im deutschen Buchhandel hochangesehenen Verlag Georg Reimer-Berlin die Möglichkeit bieten, selbst zu entscheiden, ob er dieses Pamphlet gegen einen deutschen Dichter mit seinem Verlegernamen und mit seiner Unbescholtenheit vor Gericht decken wolle oder nicht. Aus diesen Beweggründen entwickelte sich der im folgenden abgedruckte Briefwechsel mit dem Inhaber dieses Verlags, Dr. Walter de Gruyter.

Zur Bestätigung meiner Einwände gegen Kleinbergs Behauptungen wandte ich mich zunächst an Rechtsanwalt Dr. Oskar Gerlach-Dresden, aber nicht etwa, wie es Kleinberg und Bettelheim hinzustellen suchen, in der Absicht eines geschickten Schachzugs. Dr. Gerlach war während des 12 Jahre dauernden Prozesses Karl May gegen Pauline Münchmeyer der Anwalt der Beklagten gewesen und hat deshalb weit mehr Einblick in die Rechtsverhältnisse wie jeder andere; er war ohne weiteres in der Lage, als Zeuge mehrere Unwahrheiten Kleinbergs zu widerlegen. Geschäftliche Erwägungen sprechen hier in keiner Weise mit. Dr. Gerlach war auch nicht etwa ausersehen, die in Aussicht stehenden Klagen für uns zu führen. Von dem ursprünglichen Gedanken, ihm den einen oder anderen der Abwehrprozesse zu übertragen, waren wir schon nach wenigen Tagen abgekommen, weil wir es für richtiger hielten, ihn als Zeugen laden zu lassen. Welcher Art im übrigen die Beziehungen Dr. Gerlachs zu Karl May und zu meinem Verlag sind, darüber kann man Genaueres im Karl May-Jahrbuch 1919 lesen.

Als weitere Persönlichkeit tritt in dem nachstehenden Briefwechsel Dr. jur. Rudolf Beissel hervor. Er ist einer der beiden Herausgeber des Karl-May-Jahrbuchs und hatte mir dessen Plan schon im Jahre 1914 zum Verlag angeboten; ich lehnte die Veröffentlichung für den May-Verlag selbst lediglich deshalb ab, damit nicht das Werk und seine Mitarbeiter den billigen und altgewohnten Verdächtigungen der May-Gegner ausgesetzt wären. Alsbald aber nahm der Verleger Grunow-Leipzig das Verlagsangebot an und beabsichtigte, den ersten Jahrgang für das Jahr 1915 erscheinen zu lassen; der Weltkrieg vereitelte das Vorhaben, da Grunow wenige Monate später vor dem Feinde fiel. Auch die beiden Herausgeber mußten ins Feld, und als Dr. Beissel 2 Jahre später als Kriegsbeschädigter wieder in der Heimat weilte, griff er den Plan aufs neue auf und fand die Schlesische Verlagsanstalt-Breslau zur Verlagsübernahme bereit. Um Mays Nachlaß sorgfältig zu studieren und sich selbst ins Verlagswesen einzulernen, war Dr. Beissel vorübergehend als literarischer Mitarbeiter im May-Verlag tätig.

Dr. Schmid an Dr. de Gruyter:

Radebeul, 8. November 1917.

Eine überaus peinliche Angelegenheit veranlaßte heute meinen Verlag, dem Ihrigen die nachfolgend bestätigte Drahtung zu senden:

»Dringendes Ersuchen Karl May Deutscher Nekrolog nicht drucken Eilbriefe folgen Mayverlag«

Herr Dr. Alfred Kleinberg in Teschen erbat sich von uns im Januar 1916 mehrere May-Romane für Vorarbeiten zu einem Aufsatz über Karl May, den er für Ihr »Biographisches Jahrbuch und Deutschen Nekrolog« abzufassen hatte. Bereitwillig haben wir ihm diese und alles sonst gewünschte Material zur Verfügung gestellt, desgleichen angeboten, jede Frage über May in vollständiger Aufrichtigkeit zu beantworten. Ohne daß Herr Dr. Kleinberg uns solche zur Klärung sicherlich notwendige Fragen überhaupt vorlegte, mußten wir aus dem kurzen Briefwechsel mit Bedauern ersehen, daß er sich durch Anwürfe und teils unbewiesene, teils unbeweisbare Behauptungen auffällig beeinflussen ließ, die von fanatischen May-Gegnern einseitig in den bekannten furchtbaren May-Prozessen verbreitet worden waren. Der Gesichtspunkt, daß May gerade die Hauptprozesse in allen Instanzen gewann, wurde anscheinend von Herrn Dr. Kleinberg gar nicht beachtet. Wenngleich wir schon dadurch erkannten, daß eine Wandlung in diesem harten Urteil nicht eintreten würde, so hätten wir dennoch nicht das Geringste eingewendet, wenn der jetzige Aufsatz sich in annähernd dem gleichen Rahmen und der gleichen Tonart bewegen würde, wie die an uns gerichteten abfälligen Briefe des Verfassers, die Ihnen auf Wunsch zur Einsichtnahme zur Verfügung stehen.

Zu unserer größten Bestürzung erhielten wir gestern den Druckbogen Ihres Jahrbuchs für 1913, der auf Seite 265-268 die endgültige Fassung von Dr. Kleinberg wiedergibt. Gegen diesen Abdruck und gegen die Verbreitung muß ich leider Stellung nehmen, und bitte Sie und Ihre Mitarbeiter, die Fassung ohne jede Voreingenommenheit für oder gegen den Toten zu prüfen. Ich weiß nicht, inwieweit Sie May und seine Schriften kennen, ob Sie sich überhaupt ein Urteil für oder gegen bildeten, darf aber in beiden Fällen annehmen, daß auch Sie eine solche »Kritik« eines Toten nicht billigen. Ich verweise auf die beiden anliegenden eidesstattlichen Versicherungen und auf das Ihnen außerdem zugehende Material, das wichtige Urteile bedeutender Männer zugunsten Mays enthält, die wir verhundertfachen können.

Wir waren gezwungen, Herrn Rechtsanwalt Dr. Oskar Gerlach, Dresden, Gerokstr. 25, mit der Wahrung unserer Interessen zu betrauen, und es wird Ihnen auch von dieser Seite ein entsprechendes Schreiben zugehen. Mir, der ich May liebe und verehre, und der ich schließlich seine sämtlichen furchtbaren und vieljährigen Prozesse unter den unglaublichsten Schwierigkeiten und Mühen zum Ende brachte, wäre es schrecklich, wenn sich nun neue Prozesse entspinnen würden, doch müssen Sie sich selbst sagen, daß ich an einer solchen für alle Zukunft bedeutungsvoll bleibenden Veröffentlichung in Ihrem allbekannten »Deutschen Nekrolog« nicht ohne Einspruch vorbeigehen kann.

Auch wenn man von den groben Unwahrheiten, die der Artikel enthält, absieht, bleibt noch die von jedermann wahrnehmbare Tatsache zurück, daß jeder Satz dieser drei Seiten eine Verneinung und eine Herabsetzung bringt, die ihren Gipfelpunkt erreichen in der ungeheuerlichen Verdächtigung, May habe möglicherweise sogar dadurch, daß er sein ganzes Vermögen einer wohltätigen Stiftung vermachte, eine »grandiose Reklame« für die Zeit nach seinem Tod bezweckt. Sehr geehrter Herr Kollege, wenn das der Fall ist, dann darf überhaupt kein Mensch mehr eine mildtätige Stiftung machen, selbst nicht von Todes wegen, ohne in den schmutzigsten Verdacht zu kommen. Vergleichen Sie übrigens bitte gerade zu diesem Punkt die Seiten 538-41 und 584-88 des Ihnen heute zugehenden Nachlaßbandes seiner Gesammelten Werke (Bd. 34 »Ich«). Die letzte Bemerkung in dem Artikel, ich hätte durch eigene Unterstützung zu dieser Herabwürdigung meines Dichters beigetragen, mutet unter solchen Umständen wie Hohn an.

Sollte Ihnen eine persönliche Besprechung zweckdienlich erscheinen, so stehe ich hier in Radebeul oder auch (24 Stunden nach Eintreffen einer diesbezüglichen Mitteilung) in Leipzig zur Verfügung. Ich hoffe, daß es Ihnen möglich sein wird, dem Unheil noch rasch zu steuern; sollten aber wirklich Prozesse zwischen meinem und Ihrem Verlag entstehen müssen, so werde ich meinerseits bestrebt sein, diese in einem möglichst vornehmen und leidenschaftslosen Rahmen und ohne Beiseitesetzung der kollegialen und persönlichen Hochachtung durchzuführen.

Eidesstattliche Versicherung.

Radebeul, 8. November 1917.

Der unterzeichnete Leiter und Mitinhaber des Karl-May-Verlags versichert hiermit aus eigener Sachkenntnis an Eidesstatt, daß die Behauptung Dr. Alfred Kleinbergs über Karl May, der Dichter habe die Herausgabe seiner Kolportagemanuskripte »erzwungen« und sie der Einsichtnahme dritter Personen dadurch entzogen, tatsächlich unwahr ist. Des weiteren versichere ich hiermit gleichfalls an Eidesstatt, daß die in demselben Artikel ausgesprochene Bewertung der Romane »Waldröschen«, »Deutsche Herzen und Helden«, »Der verlorene Sohn«, »Die Liebe des Ulanen«, »Der Weg zum Glück« als »unsäglich schmutzig« unter keinen Umständen zutrifft, und daß ich als sachverständiger Zeuge vor dem Amtsgericht in Stuttgart unterm 13. Dezember 1912 eidlich bekunden konnte, diese Romane seien selbst in der gedruckten, von dritter Seite verfälschten Fassung nicht unsittlich; ich stelle fest, daß dieses eidliche Gutachten von mir abgegeben wurde zu einer Zeit, als ich mich noch lediglich literarisch mit May beschäftigte, und ohne persönliches Interesse an der erst später erfolgten Gründung und mir übertragenen Leitung des Verlags war.

Ich bin davon überzeugt, daß Herr Dr. Kleinberg diese anonymen Romane, die wegen der darin enthaltenen Verfälschungen von dritter Seite, laut Gerichtsvergleich vom Oktober 1907, nicht mehr unter Mays Namen gedruckt und verbreitet werden dürfen, überhaupt nicht besitzt oder gelesen hat, denn er wird z. B. in dem fünfbändigen und über 2500 Seiten starken Roman »Die Liebe des Ulanen« nicht einmal eine einzige Stelle nachzuweisen vermögen, die selbst nur die Bezeichnung »lüstern« verdienen könnte. Ich fordere Herrn Dr. Kleinberg auf, die Szenen, Seiten und Wortbildungen in diesem Roman zu nennen, auf die eine Bezeichnung wie »unsäglich schmutzig« zutrifft!

Dr. E. Schmid.

Eidesstattliche Versicherung.

Radebeul, 8. November 1917.

Ich, Dr. jur. Rudolf Beissel, literarischer Mitarbeiter im Karl-May-Verlag, schließe mich der unter dem gleichen Datum abgegangenen eidesstattlichen Versicherung des Herrn Dr. jur. E. Schmid ausdrücklich und vollinhaltlich an. Auf Grund jahrelanger persönlicher Kenntnisse der May-Prozesse und der Romane »Waldröschen«, »Deutsche Herzen und Helden«, »Der verlorene Sohn«, »Die Liebe des Ulanen« und »Der Weg zum Glück« erkläre ich, daß diese Werke, die übrigens von dritter Seite erwiesenermaßen verfälscht wurden, selbst in der verfälschten Fassung keine Szenen bringen, die man als »unsäglich schmutzig« bezeichnen darf. Des weiteren ist die Behauptung des Herrn Dr. Alfred Kleinberg, May habe die Herausgabe der Originalmanuskripte von Münchmeyer »erzwungen« und dadurch der Nachprüfung entzogen, unwahr, denn, wenngleich der Dichter auf Herausgabe klagte, waren die Manuskripte nicht mehr aufzufinden.

Gegen die im Artikel Dr. Kleinbergs enthaltenen, den Dichter ohne Notwendigkeit herabwürdigenden Ausdrücke, sowie gegen die ebenfalls darin untergebrachten unbeweisbaren Verdächtigungen, lege ich hiermit, unter Hinweis auf den Ruf des Verstorbenen, den ich trotz vieler Verfehlungen für einen Ehrenmann halte, schärfste Verwahrung ein. Mit dieser Verwahrung spreche ich zugleich im Namen zahlreicher literarisch erprobter und mir teilweise persönlich bekannter Freunde und Anhänger Karl Mays, deren Verständigung in der kurzen Spanne seit Einsichtnahme des Artikels mir noch nicht möglich wurde.

Auch unabhängig von diesen Ausführungen halte ich übrigens persönlich den Artikel des Herrn Dr. Kleinberg selbst für unsachlich, irreführend und jeglicher literarischer Berechtigung ermangelnd. In Anbetracht dessen, daß der »Deutsche Nekrolog« für alle späteren wissenschaftlichen Studien über May mit als Grundlage dienen wird, lehne ich mich gegen eine derartige Brandmarkung der Persönlichkeit des Toten mit aller Entschiedenheit auf.

Dr. R. Beissel.

Verlag Georg Reimer an May-Verlag:

Berlin, 8. November 1917.

Auf Ihre mir soeben zugehende Depesche heutigentags:

»Ersuchen Karl May Deutscher Nekrolog nicht drucken. Eilbriefe folgen«, erwidere ich höflichst, daß der Band XVIII, der einen Nekrolog über Karl May auf den Seiten 265-268 enthält, im Monat Oktober d. J. ausgegeben worden ist.

Rechtsanwalt Dr. Gerlach an Verlag Georg Reimer:

Dresden, 8. November 1917.

Der Karl-May-Verlag, Radebeul, gibt mir Kenntnis von einem gestern bei ihm eingegangenen Druckbogen, aus dem bei Ihnen erscheinenden »Biographischen Jahrbuch 1913«, über den verstorbenen Schriftsteller Karl May. Ich bemerke voraus, daß ich, als Prozeßbevollmächtigter der Frau verw. Münchmeyer in dem vom verstorbenen Karl May gegen diese viele Jahre hindurch geführten Rechtsstreit auf Schadenersatz und auf Manuskriptherausgabe, genaue Kenntnis über zahlreiche in diesem Artikel behandelten Fragen habe.

Ich habe dem Karl-May-Verlag vorgeschlagen, das Erscheinen des Artikels durch einstweilige Verfügung zu verhüten, weil er teils unzutreffende Tatsachen behauptet, teils aber im allgemeinen meines Erachtens von einer Einseitigkeit und Übertreibung getragen ist, die einer wissenschaftlichen Kritik nicht ansteht, und die mir persönlich, obwohl langjährigem Prozeßgegner Mays, bei einer Veröffentlichung in einem so gelesenen und kulturwichtigen Werk, wie Ihr »Deutscher Nekrolog«, weh tun würde.

In beiden Richtungen darf ich, soweit es bei der Kürze der Zeit möglich ist, auf folgendes hinweisen:

In erster Hinsicht ist von den tatsächlichen Behauptungen unhaltbar:

a) daß die fünf im Verlag meiner früheren Auftraggeberin H. G. Münchmeyer erschienenen vielbändigen Kolportageromane »unsäglich schmutzig« seien. Teils ist in den mir erinnerlichen, von mir seinerzeit gelesenen Gruppen der Bände manches nicht einwandfrei und insbesondere künstlerisch wertlos; aber doch ist keine einzige »unsäglich schmutzige« Stelle in dem Sinn, wie man diese Kritik verstehen muß, nämlich in sinnlicher Hinsicht, enthalten. Nebenbei bemerkt, würde andernfalls auch die Staatsanwaltschaft in den ungefähr 25 Jahren ihrer öffentlichen Verbreitung eingeschritten sein, was aber niemals auch nur in Erwägung stand!

b) Ferner trifft nicht zu, daß Karl May die Herausgabe der Manuskripte von meiner Klientin »erzwungen« und deren Einsichtnahme dadurch verhindert hätte. Richtig ist nur, daß er im erwähnten Prozeß auf Herausgabe seiner Kolportagemanuskripte erfolglos geklagt hatte.

In zweiter Hinsicht bewege ich mich allerdings vielleicht nach Ihrer Ansicht auf einem Gebiet, dessen es zur Begründung der einstweiligen Verfügung weniger bedarf, das mir aber immerhin am Herzen liegt, und dessen Beurteilung durch mich, als früheren Gegenanwalt, Ihnen doch wohl wertvoll sein könnte. Ich habe den Eindruck, daß der Artikel beispielsweise ganz unnötig den Vater des Schriftstellers, um dessen literarische Bewertung allein es sich doch handelt, herabsetzt. Ich habe ferner den Eindruck, daß es unnötig und unzulässig ist, der bloßen Vermutung Ausdruck zu geben, daß der Verstorbene außer den festgestellten Straftaten auch noch »Einbrüche und Raubanfälle begangen haben dürfte«. Nicht minder scheint mir fraglich, ob die gleichfalls wenigstens unbeweisbare Ansicht als Tatsache hingestellt werden darf, daß die am Fuß des Artikels erwähnten Verteidigungsschriften zum großen Teil von May selbst verfaßt seien. Ebenso gehört meines Erachtens zu einer wissenschaftlichen Kritik keinesfalls die für die Leser nichts anderes als eine Verdächtigung darstellende Suggestivfrage, ob die in Mays schlichtem Testament angeordnete und vom Sächsischen Kultusministerium genehmigte und verwaltete Stiftung nur eine »grandiose Reklame« darstellen sollte.

Darf ich der Hoffnung Ausdruck geben, daß vorstehende Andeutungen genügen, dem Karl-May-Verlag ein gerichtliches Vorgehen zu ersparen? In diesem Sinne bitte ich Sie höflichst um telegraphische Rückäußerung.

May-Verlag an Verlag Georg Reimer:

Radebeul, 9. November 1917.

Ihr gestriges Schreiben, das heute eintrifft, kreuzte sich mit den Eilbriefen unseres Verlags und unseres Rechtsanwalts.

Wir möchten, wenn möglich und wenn Sie einer außergerichtlichen Verständigung nicht grundsätzlich abgeneigt sind, die einstweilige Verfügung vermeiden, doch wäre dies nur möglich, wenn spätestens morgen (Sonnabendabend) bei uns oder bei unserem Rechtsanwalt ein Telegramm Ihrerseits eintrifft, worin Sie uns ausdrücklich zugestehen, daß Sie ohne jeden Verzug die Auslieferung des in Betracht kommenden neuen Bandes Ihres »Deutschen Nekrologs« (XVIII) sperren. Ein besonderer Schaden könnte Ihnen unseres Erachtens durch eine solche Maßnahme, die eine weitere Verbindlichkeit für Sie noch nicht bedeutet, kaum entstehen, denn eine spätere Auslieferung kann Ihren Absatz nicht oder wenigstens nicht wesentlich beeinträchtigen. Der Hinweis auf die Schwierigkeiten in der Herstellung und besonders bei den Buchbindereien dürfte die Verzögerung nach außenhin genügend decken.

Mit dem heutigen Ersuchen glauben wir den äußersten Vermittlungsschritt getan zu haben, der unter den obwaltenden Umständen möglich ist.

Wir bitten Sie zugleich um Mitteilung, ob Sie schon an die öffentlichen Bibliotheken ausgeliefert haben.

Dr. de Gruyter an Dr. Schmid:

Berlin, 10. November 1917.

Auf Ihre mich soeben erreichende vorgestrige Zuschrift muß ich zu meinem Leide zunächst noch einmal bestätigen, was ich vorgestern Ihnen, gestern Herrn Rechtsanwalt Dr. Oskar Gerlach schrieb, daß der Band XVIII des »Biographischen Jahrbuchs«, worin auf den Seiten 265-268 der Nekrolog von Karl May enthalten ist, bereits am 12. Oktober ausgegeben wurde. Wäre dies nicht geschehen, so würde ich selbstverständlich nicht unterlassen haben, in Gedankenaustausch mit dem Herrn Herausgeber, Professor Dr. Anton Bettelheim in Wien, und dem Verfasser, Herrn Dr. Kleinberg, den ich nicht kenne, Ihren Wunsch auf Zurückziehung jenes Nekrologs zu prüfen.

Ebenso wie ich gestern Herrn Dr. Bettelheim durch Übersendung einer wortgetreuen Abschrift von dem Briefe des Herrn Dr. Gerlach in Kenntnis gesetzt habe, werde ich dies auch mit Ihrer gestrigen Zuschrift und deren beiden Anlagen tun. Zur Stunde möchte ich nur noch sagen, daß ich von jenem Artikel zum ersten Male Kenntnis nahm, als Ihr Telegramm vorgestern bei mir eintraf, daß es auch mir sehr unerwünscht wäre, wenn diese Angelegenheit zu einem Rechtsstreite führte, und daß es mir sehr leid wäre, wenn in jenem Beitrage Dinge behauptet sein sollten, die der Wirklichkeit nicht entsprechen. – –

Nach Niederschrift des obigen Briefes erhielt ich Ihren gestrigen Eilbrief und drahtete Ihnen darauf soeben: »Werde Auslieferung Band 18 Biographisches Jahrbuch vorläufig einstellen.«

May-Verlag an Dr. Kleinberg:

Radebeul, 13. November 1917.

Wie Sie durch den Verlag Georg Reimer, Berlin, erfahren werden, sind wir gezwungen, gegen Ihre für das »Biographische Jahrbuch« verfaßte Lebensbeschreibung Mays einzuschreiten. Heute haben wir vorläufig noch folgendes festzustellen:

I. Das Buch »Die Zeugen Karl May und Klara May«, dessen Inhalt Sie sich zu eigen machen, ist, wie allgemein bekannt und in der Presse vielfach erörtert, wegen der darin enthaltenen Beleidigungen und Entstellungen durch gerichtliche Verfügung vom 13. Dezember 1910 verboten, und zwar bei einer fiskalischen Strafe von je 1000 Mark für jeden Einzelfall einer Verbreitung.

II. Mit welchen Unwahrheiten und Übertreibungen dieses Buch arbeitet, ersehen Sie am besten aus folgendem Musterbeispiel: Auf Seite 263 wird behauptet, May habe sich »von 2 hervorragenden Bildhauern 2 Marmorbüsten im Preis von 50 000 M. (fünfzigtausend Mark) herstellen lassen«. In Wahrheit kostete die von Professor Selmar Werner angefertigte Büste Mays nur 800 M. (achthundert Mark), und die von Professor Sascha Schneider angefertigte war ein Geschenk an May! Sie aber benützen anscheinend diese unwahre Behauptung des gelben Buches, um daraus Ihre Herabwürdigung von Schneiders und Werners Kunst und Charakter zu schmieden. Beiden Künstlern geben wir heute von Ihren Anwürfen Kenntnis; ausdrücklich bemerken wir, daß May zwar tatsächlich eine Reihe unbemittelter Talente reichlich unterstützte, daß aber gerade diese hier genannten Herren uneigennützige Freunde des Dichters waren und niemals seine Unterstützung benötigten oder erhielten.

III. Sie schreiben, die früher im Verlag Münchmeyer erschienenen Werke – deren Rechte inzwischen von uns gekauft wurden und die später in der ursprünglichen einwandfreien Fassung in unsere sittenreine Sammlung aufgenommen werden –, seien »unsäglich schmutzig«, woraus wir ersehen, daß Sie diese Werke gar nicht kennen.

Es gab zwei Ausgaben davon, nämlich eine erste, aber von Münchmeyers Angestelltem Walther gleich im Manuskript veränderte Fassung (1882-1887) und dann die von dem heute noch lebenden Schriftsteller Staberow abermals überarbeitete Form (1901-1904). Diese anonymen Werke sind bei Münchmeyer längst vergriffen und im Buchhandel nicht mehr leicht erhältlich, doch hätten wir sie Ihnen vor ihrer Besprechung auf Wunsch gern kostenlos verschafft. Sollten Sie ihrer jetzt noch nachträglich bedürfen, so erklären wir uns bereit, Ihnen die sämtlichen Bände der 2. Ausgabe zum früheren Durchschnittspreis von je 5 M. für den Band aus den von uns übernommenen Restbeständen zu liefern.

Von der Urausgabe besitzen wir selbst nur noch jenes einzige Exemplar, das in dem von May in allen Instanzen gewonnenen Münchmeyer-Prozeß bei den Gerichtsakten lag. Auch diese Bände stehen Ihnen oder Ihrem Bevollmächtigten zur Verfügung, doch lediglich leihweise hier in Radebeul, und zwar in der Bibliothek der Villa Shatterhand.

Professor Sascha Schneider an Verlag Georg Reimer:

Loschwitz, 13. November 1917.

Zu meiner Verwunderung lese ich im »Deutschen Nekrolog« die Ausführungen über Karl May. Ist mir schon der Ton, der alles andere, als ein » de mortibus nil nisi bene« bedeutet, über einen Verstorbenen befremdend, so muß ich mich über den Zusammenhang meines Namens mit Karl May vollends betroffen fühlen.

Ich muß bemerken, daß ich mit Karl May eng befreundet war und aus dieser Freundschaft heraus Zeichnungen zu seinen Werken, die weit mehr als phantastische Abenteuer in sich bergen, angefertigt habe. Von einem Verhältnis von Gönner zu Schützling kann keine Rede sein, ebenso nicht von Unterstützung, da ich sie nicht nötig hatte. Meine Honorare waren freundschaftlich und dementsprechend niedriger bemessen, als ich sie anderswo forderte.

In Karl May verehre ich einen Menschen, der mit eigenster Kraft (und im besten Sinne des Wortes) sich emporgearbeitet hatte; ich kann nicht anders als mit vollendeter Hochachtung und größter Schätzung von diesem schwer geprüften und schließlich zu Tode gehetzten Manne reden. Sein Andenken halte ich immer in Ehren.

Mir ist bekannt, daß Karl May eine ganze Reihe armer Talente mit größter Freigebigkeit jahrelang unterstützte, und ich verurteile deshalb die in dieser Hinsicht im Nekrolog ausgesprochene Verdächtigung und insbesondere die unerhörte Herabwürdigung der Karl-May-Stiftung aufs schärfste.

Ich fordere Sie zur sofortigen Rücknahme des Artikels auf und sehe Ihrer Rückäußerung in kürzester Zeit entgegen.

May-Verlag an Verlag Georg Reimer:

Radebeul, 14. November 1917.

Wir danken Ihnen verbindlichst für Ihre briefliche Zusicherung vom 10. c., der bereits Ihr Telegramm pünktlich vorausgegangen war. Unter diesen Umständen können wir selbst bis zur weiteren Klärung der Angelegenheit von gerichtlichen Schritten absehen.

Wenn wir aber dennoch zu Prozessen gezwungen sein sollten, so würden wir Ihnen vorschlagen, daß wir unsere Klagen nicht gegen Sie, sondern unmittelbar gegen Herrn Dr. Kleinberg richten, der ja auch hauptsächlich wegen des Schadenersatzes in Anspruch genommen werden muß. Sie müßten sich in diesem Fall nur verpflichten, sich den praktischen Folgen einer Verurteilung des Genannten in Sachen des Jahrbuches anzupassen.

An Herrn Dr. Kleinberg haben wir mittlerweile das in Abschrift mitfolgende Einschreiben gerichtet.

Professor Selmar Werner an Dr. Anton Bettelheim:

Dresden, 17. November 1917.

Wie mir der Karl-May-Verlag mitteilt, ist in einem Artikel des »Deutschen Nekrolog« mein Name in engem Zusammenhang gebracht mit Karl Mays Wohltätigkeit, ich bin da als sein »Schützling« bezeichnet worden, den er »vor seinen Ruhmeswagen spannte«. Diese Angaben sind unwahr.

Sachlich habe ich dazu folgendes zu bemerken:

Ich bin allerdings mit Karl May befreundet gewesen und ich bewahre der Freundschaft dieses Mannes, den ich hoch verehre, schönste Erinnerungen; es ist mir daher doppelt peinlich und ich fühle mich aufs äußerste gekränkt, meine Beziehungen zu Karl May in dieser üblen, häßlichen Form an die Öffentlichkeit gezerrt zu sehen.

Karl May hat wohl junge strebsame Talente in freigebigster Weise unterstützt, ich selbst habe solche Unterstützungen nie erhalten, ich hatte solche nicht nötig, und die künstlerischen Arbeiten, die mit dem Namen Karl May in Verbindungen gekommen sind (Grabmal), sind mir von Frau Plöhn honoriert worden, lange vor der Zeit, eh sie die Gattin Karl Mays wurde.

Die Angaben jenes Artikels beruhen also auf vollkommen irrigen Voraussetzungen und ich muß Sie daher auffordern, die sofortige Zurücknahme des Artikels zu veranlassen.

Dr. Anton Bettelheim an Professor Selmar Werner:

Wien, 21. November 1917.

Ihren Brief vom 17.11. sende ich dem Verfasser des May-Nekrologes zur sachlichen Beantwortung, da ich als Herausgeber nur für den wissenschaftlichen Beruf der Mitarbeiter, nicht aber für jedes einzelne von ihnen zu vertretende Faktum einzutreten habe. Nur das eine sei von vornherein festgestellt: 1. daß Sie den Artikel nach Ihrem eigenen Wort nicht selbst gelesen, sondern nur durch Hörensagen, durch eine Mitteilung des Karl-May-Verlages kennen gelernt haben Diese Behauptung Bettelheims ist frei erfunden! In Wahrheit hatte Dr. Beissel den Originalaufsatz Kleinbergs am 13. November 1917 Professor Sascha Schneider in Loschwitz und am 14. November 1917 Professor Selmar Werner in Dresden persönlich vorgelegt; beide Herren lasen die Schmähschrift vor Absendung ihres Einspruchs Zeile für Zeile mehrfach und unter dem Ausdruck schärfster Entrüstung., und daß Sie 2. äußerstenfalls die Berichtigung einer Sie betreffenden Tatsache, nicht aber die sofortige Zurückziehung eines Sie fast nicht betreffenden Artikels verlangen können.

Verlag Georg Reimer an May-Verlag:

Berlin, 24. November 1917.

Mein letzter Brief an Sie wurde am 10. November geschrieben. Darin habe ich gesagt, daß ich mich wegen Ihrer Beschwerden über den Karl-May-Nekrolog im »Biographischen Jahrbuch«, Band XVIII, mit dem Herausgeber, Herrn Professor Dr. Bettelheim, ins Einvernehmen setzen würde, und hatte meinem Willen, die Angelegenheit ernst zu prüfen, auch dadurch Ausdruck gegeben, daß ich mich bereit erklärte, die Auslieferung jenes Bandes »vorläufig« einzustellen, was denn auch geschehen ist.

Als Ergebnis meines sehr eingehenden brieflichen Gedankenaustausches mit dem Herausgeber, Herrn Professor Bettelheim, gebe ich heute in seinem Namen die Erklärung ab, daß der Genannte nach bestem Wissen und Gewissen auf Grund eingehender Prüfung von Mays Selbstbekenntnissen lediglich im Dienst der Erforschung der geschichtlichen Wahrheit seiner Redaktionspflicht genügt hat.

Von mir aus aber füge ich hinzu, daß, soweit Material und Zeit, die mir bis zur Stunde zur Verfügung standen, ausreichten, mein daraus gewonnenes Urteil jener Erklärung nur beitreten kann. Ich werde jedoch die beiden nächsten Wochen dazu benützen, mein Urteil auf noch sichereren eigenen Boden zu stellen, und, sofern es sich gegenüber der Gegenwart nicht merklich ändert, den XVIII. Band wieder zur Auslieferung bringen.

Mit Ihrem noch unbeantworteten Brief vom 14. November schlagen Sie mir vor, Ihre etwaige Klage nicht gegen mich, sondern unmittelbar gegen Herrn Dr. Kleinberg zu richten. In dieser Beziehung habe ich weder einen Wunsch, noch ein Wunschrecht, sondern stelle die Bestimmung darüber ganz in Ihr Ermessen.


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