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Die Leichenrede des Antonius

But Brutus says, he was ambitious,
And Brutus is a honourable man;
So are they all, all honourable men.

Shakespeare.

Was ich einleitend in dieser meiner Abwehrschrift betont habe, wird jeder als richtig erkennen, der den wiedergegebenen Briefwechsel verfolgte: mein Verlag war gezwungen, darauf hinzuwirken, daß aus Kleinbergs Aufsatz wenigstens die glatten Unwahrheiten entfernt würden, damit nicht die spätere Kritik seine Falschmeldungen als bare Münze nehmen und dauernd in die Literaturgeschichte forterben würde.

Trotz Bettelheims Einspruch wäre nunmehr die Angelegenheit erledigt und allen Parteien viel Ärger und Sorge erspart gewesen, wenn er sich nicht mit einem »Offenen Brief« an die Öffentlichkeit gewagt hätte. Dieser »offene Brief« ist durch de Gruyters gleichfalls veröffentlichte Antwort so ausgiebig widerlegt, daß ich nichts besseres tun kann, als jedermann das Studium beider Schriften zu empfehlen; das gleiche gilt von dem nochmaligen offenen Brief Bettelheims, den er als »Postskriptum zum offenen Brief« bezeichnet. Seine beiden Ergüsse hat der Wiener Literarhistoriker dann wiederum zusammengefaßt und vermehrt in der Broschüre »Eine Abrechnung mit dem Karl May-Verlag«, über die ich in einem späteren Abschnitt noch genauer spreche. Zunächst handelt es sich hier um diejenigen Angriffe, deren Abwehr de Gruyter in seinem Antwortsbrief vornahm.

Der Verleger des »Biographischen Jahrbuchs« faßt darin den Eindruck, den die Urfassung des Nekrologs beim ersten Lesen auf ihn gemacht hatte, in dem Urteil zusammen, daß Kleinberg »sicherlich die Tongrenzen des ›Biographischen Jahrbuchs‹, wahrscheinlich diejenigen der Achtungsschuld gegenüber der Wehrlosigkeit des Todes, vielleicht auch diejenigen der Wahrheit überschritten habe«. Er bestätigt ferner, daß meine Einwände »in der Form einer von aller Rücksicht begleiteten Bitte« vorgebracht wurden. »Der Verfasser war zu so wesentlichen Änderungen bereit, daß dem Verlangen von Herrn Schmid mindestens zum Teil Genüge geschehen wäre.« Im Gegensatz zu Kleinberg war aber Bettelheim nicht mit der Abänderung einverstanden, worauf de Gruyter »nach gewissenhafter Prüfung der zu Gebote stehenden Quellen« erklärte, »daß und warum ihm die Kleinbergsche Arbeit jetzt noch angreifbarer als zuvor« erschien. Die Behauptung Bettelheims, er würde ihm die gerichtliche Verantwortung für den Aufsatz abnehmen, widerlegt de Gruyter durch die Entgegnung, »daß der im Ausland lebende Herausgeber den Verleger von der Verantwortung gegenüber dem Strafrecht und dem Zivilrecht nicht befreien könne«. Er schließt diesen Teil seiner Abwehr mit folgenden Worten:

Ich habe keinen Vorwurf laut werden lassen, als mich der Herausgeber des »Biographischen Jahrbuches« in dem Falle Kleinberg-May durch eine menschlich entschuldbare Unbedachtsamkeit in schwerste Verdrießlichkeiten verstrickt hat. Aber nun soll ich, damit auf das Phantom seiner durch ihn selbst in Gefahr gebrachten »redaktionellen Ehre« nicht der Schatten eines auch nur läßlichen Verschuldens falle, gegen meine bessere Überzeugung meine bürgerliche Unbescholtenheit und meinen guten Namen aufs Spiel sehen! Verbrämen Sie den gleichen Brief, worin Sie mir diese Rolle zumuten, oben und unten mit Freundschaftsbezeugungen, so habe ich dafür nur ein Trommelfell, aber kein Ohr. Wer den Verleger Walter de Gruyter so tief kränken konnte, darf sich an den Menschen Walter de Gruyter nicht mehr drängen wollen.

Indem ich in de Gruyters Äußerungen weiterblättere, fällt mir besonders ein verblüffender Fall Bettelheimscher »Ausdruckskultur« ins Auge. Dieser hat am 18. November 1917, also zu der Zeit, wo wir in ernster und »von aller Rücksicht begleiteten« Art auf die wesentlichen Unwahrheiten des Nekrologs aufmerksam gemacht hatten, seinem Verleger gegenüber die Möglichkeit erörtert, im folgenden Jahrgang des Biographischen Jahrbuchs Richtigstellungen zu bringen; diese Möglichkeit aber schränkte er durch nachstehenden Satz ein:

Doch täten wir besser, dem May-Verlag einen solchen Ausweg gar nicht zu zeigen; mit diesem Pack ist's am besten, sich gar nicht zu bemengen.

Als Bettelheim und Kleinberg die Schar von May-Bänden, die wir auf Ersuchen unentgeltlich für die Vorarbeit des Nekrologs geliefert haben, benötigten, da war dem » Pack« gegenüber die » vorzüglichste Hochachtung« angebracht. Als aber dann der May-Verlag sich gezwungen sah, gegen die Angriffe auf den toten Dichter sachlich Stellung zu nehmen, da hielten es die Angreifer für besser, »sich mit dem Pack nicht zu bemengen« und sogar die von ihnen selbst als begründet erkannte Richtigstellung zu hintertreiben!

Die Änderungen, die Kleinberg an seinem Aufsatz nachträglich vorgenommen und an den Verlag Georg Reimer eingesandt hatte, sind in einem späteren Abschnitt dieser Broschüre genau niedergelegt. Bettelheim sucht diese Tatsache in seinem »Offenen Brief« abzuschwächen:

… Ein Versuch, Professor Kleinberg zur Abänderung des Textes zu bestimmen, schlug fehl. Wie mir der Genannte unaufgefordert am 1. Januar mitteilte, schrieb er Georg Reimer: ›Indem ich Sie bitte, meine seinerzeit gemachten Vorschläge betreffs kleiner stilistischer Änderungen als nicht geschehen zu betrachten, stelle ich es Ihnen völlig frei, einen Artikel aus anderer Feder an Stelle des meinigen zu setzen …‹. Allein ganz geheuer war und ist es dem May-Verlag bei der kleinen Kapitulation des Verlages Georg Reimer, von der sich mit schärfstem Einspruch der Herausgeber wie der Verfasser jenes May-Nekrologes von vornherein ausgeschlossen haben, nicht geworden …

de Gruyter antwortet:

Die hier abgedruckten Sätze sind leider Nester von falschen Feststellungen. Die Wahrheit ist, daß Professor Kleinberg im ersten Stadium der Angelegenheit zur Abänderung des Textes nicht nur bereit war, sondern sie vollzogen hatte; daß er den so abgeänderten Text am 25. November 1917 an Professor Bettelheim, dieser ihn an den Verlag sandte … Mit diesen Änderungen war denen, die das Gedächtnis von Karl May wahrzunehmen hatten und mir gegenüber vertraten, sowie seiner Witwe und zwei sehr namhaften Künstlern, die sich durch den Nekrolog um ihrer selbst willen beleidigt fühlten, so wesentlich Genüge geschehen, daß damit alle Einsprüche wahrscheinlich zum Schweigen gekommen wären. Am 7. Januar war Professor Kleinberg aber wiederum anderen Sinnes, er widerrief zum anderen Male. Wenn er in diesem stillen Briefe an den Verleger seine Änderungen aus dem November zu »kleinen stilistischen Änderungen« beschönigend umdeutete, so ist solches Leugnen, besonders in seiner späteren Wiederholung gegenüber dem Herausgeber, gewiß weder tapfer noch redlich, aber es wird, da es aus der Scham stammt, die Nachsicht auf sich ziehen. Wenn aber Professor Bettelheim, dem der so seiner Härten entkleidete Wortlaut zur Prüfung vorgelegen hatte, und der ihn am 19. Januar 1918 aus der Hand des Verlegers wiederum zu seinen Akten zurückempfing, sich nun vor der Öffentlichkeit jene Begriffsbeugung »kleine stilistische Änderungen« zu eigen und sie zum Beweisstück seiner gegen den Verleger gerichteten Beschuldigung macht; wenn er dazu noch behauptet, Professor Kleinberg habe sich von der »kleinen Kapitulation des Verlages mit schärfstem Einspruch von vornherein ausgeschlossen«, dann hat »der Wahrheitsucher« Anton Bettelheim dem Rechthaber Anton Bettelheim ein unreines Opfer gebracht. Ein mannhafter Rechtssinn hätte ihm aber noch ein Weiteres sagen müssen, daß nämlich der Verleger die an den beanstandeten Kernstücken vom Verfasser vorgenommene Reinigung seines Artikels nur als ein Zugeständnis der Übereilung oder Überschärfe deuten, und daß dieser Umstand nicht ohne Einwirkung auf die Entschließung des Verlegers bleiben durfte.

Hierauf tritt Bettelheim in seinem »Postskriptum« einen schwächlichen Rückzug an:

Dr. de Gruyter wirft mir vor, ich hätte mir Kleinbergs angebliche Begriffsbeugung »kleine stilistische Änderungen« zu eigen gemacht. Seit wann identifiziert man sich denn mit einem nur wortwörtlich wiederholten Zitat?

Endlich sei hier noch der Schlußteil von de Gruyters offenem Brief gebracht:

Gewiß, es wäre möglich gewesen, daß man auch gegen mich keine Klage erhoben, oder daß eine erhobene Klage zur Freisprechung geführt hätte. Aber wie darf ein Herausgeber von seinem Verleger, oder gar der Freund vom Freunde fordern, daß er sich dieser bangen Möglichkeit in einer Sache aussetzt, in der nach seinem Urteil Herausgeber und Verfasser vom Wege des Rechtes abgeirrt sind. Daß dies aber von Beginn an meine Besorgnis, vom 26. November an meine Überzeugung war, das habe ich freilich, um meiner Freundschaft willen, Dr. Schmid niemals erkennen lassen, in meinen Briefen an Professor Bettelheim aber wieder und wieder mildesten Tones ausgesprochen. Hätte Professor Bettelheim meiner damit verbundenen Bitte entsprochen, seine »Herausgeberehre« wäre so wenig angetastet worden, wie »die Freiheit der Forschung«. Erspart aber wären uns beiden hundert böse Stunden; erspart der Todeskeim dem »Biographischen Jahrbuch und Deutschen Nekrolog«; erspart die nicht von mir gesuchte Auseinandersetzung zwischen Herausgeber und Verleger vor der Öffentlichkeit, in deren Verlauf ich in der Abwehr gegen Professor Bettelheim den Vorwurf erheben und erweisen mußte, daß in seinem »offenen Briefe« sein Gedächtnis und seine Feder nicht überall den Weg der Treue gegangen sind.


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