Friedrich Schiller
Wallenstein
Friedrich Schiller

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Fünfter Aufzug.

Buttlers Zimmer.

Erster Auftritt.

Buttler. Major Geraldin.

Buttler.
Zwölf rüstige Dragoner sucht Ihr aus,
Bewaffnet sie mit Piken, denn kein Schuß
Darf fallen – An dem Eßsaal nebenbei
Versteht Ihr sie, und wenn der Nachtisch auf-
Gesetzt dringt ihr herein und ruft: Wer ist
Gut kaiserlich? – Ich will den Tisch umstürzen –
Dann werft ihr euch auf Beide, stoßt sie nieder.
Das Schloß wird wohl verriegelt und bewacht,
Daß kein Gerücht davon zum Fürsten dringe.
Geh jetzt – Habt Ihr nach Hauptmann Deveroux
Und Macdonald geschickt?

Geraldin.                                   Gleich sind sie hier.
    (Geht ab.)

Buttler.
Kein Aufschub ist zu wagen. Auch die Bürger
Erklären sich für ihn, ich weiß nicht, welch
Ein Schwindelgeist die ganze Stadt ergriffen.
Sie sehn im Herzog einen Friedensfürsten
Und einen Stifter neuer goldner Zeit.
Der Rath hat Waffen ausgetheilt; schon haben
Sich ihrer Hundert angeboten, Wache
Bei ihm zu thun. Drum gilt es, schnell zu sein,
Denn Feinde drohn von außen und von innen.

Zweiter Auftritt.

Buttler. Hauptmann Deveroux und Macdonald.

Macdonald.
Da sind wir, General.

Deveroux.                         Was ist die Losung?

Buttler.
Es lebe der Kaiser!

Beide (treten zurück).       Wie?

Buttler.                                   Haus Oestreich lebe!

Deveroux.
Ist's nicht der Friedland, dem wir Treu geschworen?

Macdonald.
Sind wir nicht hergeführt, ihn zu beschützen?

Buttler.
Wir einen Reichsfeind und Verräther schützen?

Deveroux.
Nun ja, du nahmst uns ja für ihn in Pflicht.

Macdonald.
Und bist ihm ja hieher gefolgt nach Eger.

Buttler.
Ich that's, ihn desto sichrer zu verderben.

Deveroux.
Ja so!

Macdonald. Das ist was anders.

Buttler (zu Deveroux).                   Elender!
So leicht entweichst du von der Pflicht und Fahne?

Deveroux.
Zum Teufel, Herr! Ich folgte deinem Beispiel.
Kann Der ein Schelm sein, dacht' ich, kannst du's auch.

Macdonald.
Wir denken nicht nach. Das ist deine Sache!
Du bist der General und kommandierst,
Wir folgen dir, und wenn's zur Hölle ginge.

Buttler (besänftigt).
Nun gut! Wir kennen einander.

Macdonald.                                     Ja, das denk' ich.

Deveroux.
Wir sind Soldaten der Fortuna, wer
Das Meiste bietet, hat uns.

Macdonald.                             Ja, so ist's.

Buttler.
Jetzt sollt ihr ehrliche Soldaten bleiben.

Deveroux.
Das sind wir gerne.

Buttler.                         Und Fortüne machen.

Macdonald.
Das ist noch besser.

Buttler.                           Höret an.

Beide.                                             Wir hören.

Buttler.
Es ist des Kaisers Will' und Ordonnanz,
Den Friedland lebend oder todt zu fahen.

Deveroux.
So steht's im Brief.

Macdonald.                   Ja, lebend oder todt.

Buttler.
Und stattliche Belohnung wartet Dessen,
An Geld und Gütern, der die That vollführt.

Deveroux.
Das klingt ganz gut. Das Wort klingt immer gut
Von dorten her. Ja, ja! Wir wissen schon!
So eine guldne Gnadenkett' etwa,
Ein krummes Roß, ein Pergament und so was.
– Der Fürst zahlt besser.

Macdonald.                           Ja, Der ist splendid.

Buttler.
Mit Dem ist's aus. Sein Glücksstern ist gefallen.

Macdonald.
Ist das gewiß?

Buttler.                   Ich sag's euch.

Deveroux.                                       Ist's vorbei
Mit seinem Glück?

Buttler.                         Vorbei auf immerdar.
Er ist so arm wie wir.

Macdonald.                     So arm wie wir?

Deveroux.
Ja, Macdonald, da muß man ihn verlassen!

Buttler.
Verlassen ist er schon von Zwanzigtausend.
Wir müssen mehr thun, Landsmann. Kurz und gut!
– Wir müssen ihn tödten.   (Beide fahren zurück.)

Beide.                                     Tödten?

Buttler.                                                 Tödten, sag' ich.
– Und dazu hab' ich euch erlesen.

Beide.                                                 Uns?

Buttler.
Euch, Hauptmann Deveroux und Macdonald.

Deveroux (nach einer Pause).
Wählt einen Andern.

Macdonald.                     Ja, wählt einen Andern.

Buttler (zu Deveroux).
Erschreckt's dich, feige Memme? Wie? Du hast
Schon deine dreißig Seelen auf dir liegen –

Deveroux.
Hand an den Feldherrn legen – das bedenk'!

Macdonald.
Dem wir das Jurament geleistet haben!

Buttler.
Das Jurament ist null mit seiner Treu.

Deveroux.
Hör', General! Das dünkt mir doch zu gräßlich.

Macdonald.
Ja, das ist wahr! Man hat auch ein Gewissen.

Deveroux.
Wenn's nur der Chef nicht wär', der uns so lang
Gekommandiert hat und Respect gefordert.

Buttler.
Ist das der Anstoß?

Deveroux.                     Ja! Hör'! Wen du sonst willst!
Dem eignen Sohn, wenn's Kaisers Dienst verlangt,
Will ich das Schwert ins Eingeweide bohren –
Doch sieh, wir sind Soldaten, und den Feldherrn
Ermorden
, das ist eine Sünd' und Frevel,
Davon kein Beichtmönch absolvieren kann.

Buttler.
Ich bin dein Papst und absolviere dich.
Entschließt euch schnell.

Deveroux (steht bedenklich).     Es geht nicht.

Macdonald.                                               Nein, es geht nicht.

Buttler.
Nun denn, so geht – und – schickt mir Pestalutzen.

Deveroux (stutzt).
Den Pestalutz – Hum!

Macdonald.                       Was willst du mit Diesem?

Buttler.
Wenn ihr's verschmäht, es finden sich genug –

Deveroux.
Nein, wenn er fallen muß, so können wir
Den Preis so gut verdienen als ein Andrer.
– Was denkst du, Bruder Macdonald?

Macdonald.                                               Ja, wenn
Er fallen muß und soll, und 's ist nicht anders,
So mag ich's diesem Pestalutz nicht gönnen.

Deveroux (nach einigem Besinnen).
Wann soll er fallen?

Buttler.                           Heut, in dieser Nacht,
Denn morgen stehn die Schweden vor den Thoren.

Deveroux.
Stehst du mir für die Folgen, General?

Buttler.
Ich steh' für Alles.

Deveroux.                   Ist's des Kaisers Will'?
Sein netter, runder Will'? Man hat Exempel,
Daß man den Mord liebt und den Mörder straft.

Buttler.
Das Manifest sagt: lebend oder todt.
Und lebend ist's nicht möglich, seht ihr selbst –

Deveroux.
Todt also! Todt – Wie aber kommt man an ihn?
Die Stadt ist angefüllt mit Terzkyschen.

Macdonald.
Und dann ist noch der Terzky und der Illo –

Buttler.
Mit diesen Beiden fängt man an, versteht sich.

Deveroux.
Was? Sollen Die auch fallen?

Buttler.                                         Die zuerst.

Macdonald.
Hör', Deveroux – das wird ein blut'ger Abend.

Deveroux.
Hast du schon deinen Mann dazu? Trag's mir auf.

Buttler.
Dem Major Geraldin ist's übergeben.
Es ist heut Faßnacht, und ein Essen wird
Gegeben auf dem Schloß; dort wird man sie
Bei Tafel überfallen, niederstoßen –
Der Pestalutz, der Leßley sind dabei –

Deveroux.
Hör', General! Dir kann es nichts verschlagen.
Hör', – laß mich tauschen mit dem Geraldin.

Buttler.
Die kleinere Gefahr ist bei dem Herzog.

Deveroux.
Gefahr! Was, Teufel! denkst du von mir, Herr?
Des Herzogs Auf, nicht seinen Degen fürcht' ich.

Buttler.
Was kann sein Aug' dir schaden?

Deveroux.                                         Alle Teufel!
Du kennst mich, daß ich keine Memme bin.
Doch sieh, es sind noch nicht acht Tag, daß mir
Der Herzog zwanzig Goldstück reichen lassen
Zu diesem warmen Rock, den ich hier anhab' –
Und wenn er mich nun mit der Pike sieht
Dastehn, mit auf den Rock sieht – sieh – so – so –
Der Teufel hol mich! Ich bin keine Memme.

Buttler.
Der Herzog gab dir diesen warmen Rock,
Und du, ein armer Wicht, bedenkst dich, ihm
Dafür den Degen durch den Leib zu rennen.
Und einen Rock, der noch viel wärmer hält,
Hing ihm der Kaiser um, den Fürstenmantel.
Wie dankt er's ihm? Mit Aufruhr und Verrath.

Deveroux.
Das ist auch wahr. Den Danker hol der Teufel!
Ich – bring' ihn um.

Buttler.                         Und willst du dein Gewissen
Beruhigen, darfst du den Rock nur ausziehn,
So kannst du's frisch und wohlgemuth vollbringen.

Macdonald.
Ja, da ist aber noch was zu bedenken –

Buttler.
Was gibt's noch zu bedenken, Macdonald?

Macdonald.
Was hilft uns Wehr und Waffe wider Den?
Er ist nicht zu verwunden, er ist fest.

Buttler (fährt auf).
Was wird er –

Macdonald.             Gegen Schuß und Hieb! Er ist
Gefroren, mit der Teufelskunst behaftet,
Sein Leib ist undurchdringlich, sag' ich dir.

Deveroux.
Ja, ja! In Ingolstadt war auch so Einer,
Dem war die Haut so fest wie Stahl, man mußt' ihn
Zuletzt mit Flintenkolben niederschlagen.

Macdonald.
Hört, was ich thun will!

Deveroux.                           Sprich!

Macdonald.                                     Ich kenne hier
Im Kloster einen Bruder Dominikaner
Aus unsrer Landsmannschaft, der soll mir Schwert
Und Pike tauchen in geweihtes Wasser
Und einen kräft'gen Segen drüber sprechen,
Das ist bewährt, hilft gegen jeden Bann.

Buttler.
Das thue, Macdonald. Jetzt aber geht.
Wählt aus dem Regimente zwanzig, dreißig
Handfeste Kerls, laßt sie dem Kaiser schwören –
Wenn's Eilf geschlagen – wenn die ersten Runden
Passiert sind, führt ihr sie in aller Stille
Dem Hause zu – Ich werde selbst nicht weit sein.

Deveroux.
Wie kommen wir durch die Hartschiers und Garden,
Die in dem innern Hofraum Wache stehn?

Buttler.
Ich hab' des Orts Gelegenheit erkundigt.
Durch eine hintre Pforte führ' ich euch,
Die nur durch einen Mann vertheidigt wird.
Mir gibt mein Rang und Amt zu jeder Stunde
Einlaß beim Herzog. Ich will euch vorangehn,
Und schnell mit einem Dolchstoß in die Kehle
Durchbohr' ich den Hartschier und mach' euch Bahn.

Deveroux.
Und sind wir oben, wie erreichen wir
Das Schlafgemach des Fürsten, ohne daß
Das Hofgesind' erwacht und Lärmen ruft?
Denn er ist hier mit großem Comitat.

Buttler.
Die Dienerschaft ist auf dem rechten Flügel,
Er haßt Geräusch, wohnt auf dem linken ganz allein.

Deveroux.
Wär's nur vorüber, Macdonald – Mir ist
Seltsam dabei zu Muthe, weiß der Teufel.

Macdonald.
Mir auch. Es ist ein gar zu großes Haupt.
Man wird uns für zwei Bösewichter halten.

Buttler.
In Glanz und Ehr' und Ueberfluß könnt ihr
Der Menschen Urtheil und Gered' verlachen.

Deveroux.
Wenn's mit der Ehr' nur auch so recht gewiß ist.

Buttler.
Seid unbesorgt. Ihr rettet Kron' und Reich
Dem Ferdinand. Der Lohn kann nicht gering sein.

Deveroux.
So ist's sein Zweck, den Kaiser zu entthronen?

Buttler.
Das ist er! Kron' und Leben ihm zu rauben!

Deveroux.
So müßt' er fallen durch des Henkers Hand,
Wenn wir nach Wien lebendig ihn geliefert?

Buttler.
Dies Schicksal könnt' er nimmermehr vermeiden.

Deveroux.
Komm, Macdonald! Er soll als Feldherr enden
Und ehrlich fallen von Soldatenhänden.

(Sie gehen ab.)

Dritter Auftritt.

Ein Saal, aus dem man in eine Galerie gelangt, die sich weit nach hinten verliert.

Wallenstein sitzt an einem Tisch. Der schwedische Hauptmann steht vor ihm. Bald darauf Gräfin Terzky.

Wallenstein.
Empfehlt mich Eurem Herrn. Ich nehme Theil
An seinem guten Glück, und wenn Ihr mich
So viele Freude nicht bezeigen seht,
Als diese Siegespost verdienen mag,
So glaubt, es ist nicht Mangel guten Willens,
Denn unser Glück ist nunmehr eins. Lebt wohl!
Nehmt meinen Dank für Eure Müh. Die Festung
Soll sich Euch aufthun morgen, wenn ihr kommt.

(Schwedischer Hauptmann geht ab. Wallenstein sitzt in tiefen
Gedanken, starr vor sich hinsehend, den Kopf in die Hand
gesenkt. Gräfin Terzky tritt herein und steht eine Zeit lang
vor ihm unbemerkt; endlich macht er eine rasche Bewegung,
erblickt sie und faß sich schnell.)

Kommst du von ihr? Erholt sie sich? Was macht sie?

Gräfin.
Sie soll gefaßter sein nach dem Gespräch,
Sagt mir die Schwester – Jetzt ist sie zu Bette.

Wallenstein.
Ihr Schmerz wird sanfter werden. Sie wird weinen.

Gräfin.
Auch dich, mein Bruder, find' ich nicht wie sonst.
Nach einem Sieg erwartet' ich dich heitrer.
O, bleibe stark! Erhalte du uns aufrecht,
Denn du bist unser Licht und unsre Sonne.

Wallenstein.
Sei ruhig. Mir ist nichts – Wo ist dein Mann?

Gräfin.
Zu einem Gastmahl sind sie, er und Illo.

Wallenstein (steht auf und macht einige Schritte durch den Saal).
Es ist schon finstre Nacht – Geh auf dein Zimmer.

Gräfin.
Heiß mich nicht gehn, o laß mich um dich bleiben.

Wallenstein (ist ans Fenster getreten).
Am Himmel ist geschäftige Bewegung,
Des Thurmes Fahne jagt der Wind, schnell geht
Der Wolken Zug, die Mondessichel wankt,
Und durch die Nacht zuckt ungewisse Helle.
– Kein Sternbild ist zu sehn! Der matte Schein dort,
Der einzelne, ist aus der Kassiopeia,
Und dahin steht der Jupiter – Doch jetzt
Deckt ihn die Schwärze des Gewitterhimmels!
    (Er versinkt in Tiefsinn und sieht starr hinaus.)

Gräfin (die ihm traurig zusieht, faßt ihn bei der Hand).
Was sinnst du?

Wallenstein.
Mir däucht, wenn ich ihn sähe, wär' mir wohl.
Es ist der Stern, der meinem Leben strahlt,
Und wunderbar oft stärkte mich sein Anblick.

(Pause.)

Gräfin.
Du wirst ihn wieder sehn.

Wallenstein (ist wieder in eine tiefe Zerstreuung gefallen, er
    ermuntert sich und wendet sich schnell zur Gräfin).

Ihn wiedersehn? – O niemals wieder!

Gräfin.                                                     Wie?

Wallenstein.
Er ist dahin – ist Staub!

Gräfin.                                 Wen meinst du denn?

Wallenstein.
Er ist der Glückliche. Er hat vollendet.
Für ihn ist keine Zukunft mehr, ihm spinnt
Das Schicksal keine Tücke mehr – sein Leben
Liegt faltenlos und leuchtend ausgebreitet,
Kein dunkler Flecken blieb darin zurück,
Und unglückbringend pocht ihm keine Stunde.
Weg ist er über Wunsch und Furcht, gehört
Nicht mehr den trüglich wankenden Planeten –
O, ihm ist wohl! Wer aber weiß, was uns
Die nächste Stunde schwarz verschleiert bringt!

Gräfin.
Du sprichst von Piccolomini. Wie starb er?
Der Bote ging just von dir, als ich kam.

(Wallenstein bedeutet sie mit der Hand, zu schweigen.)

O wende deine Blicke nicht zurück!
Vorwärts in hellre Tage laß uns schauen.
Freu' dich des Siegs, vergiß, was er dir kostet.
Nicht heute erst ward dir der Freund geraubt;
Als er sich von dir schied, da starb er dir.

Wallenstein.
Verschmerzen werd' ich diesen Schlag, das weiß ich;
Denn was verschmerzte nicht der Mensch! Vom Höchsten
Wie vom Gemeinsten lernt er sich entwöhnen,
Denn ihn besiegen die gewalt'gen Stunden.
Doch fühl' ich's wohl, was ich in ihm verlor.
Die Blume ist hinweg aus meinem Leben,
Und kalt und farblos seh' ich's vor mir liegen.
Denn er stand neben mir, wie meine Jugend,
Er machte mir das Wirkliche zum Traum,
Um die gemeine Deutlichkeit der Dinge
Den goldnen Duft der Morgenröthe webend –
Im Feuer seines liebenden Gefühls
Erhoben sich, mir selber zum Erstaunen,
Des Lebens flach alltägliche Gestalten.
– Was ich mir ferner auch erstreben mag,
Das Schöne ist doch weg, das kommt nicht wieder,
Denn über alles Glück geht doch der Freund,
Der's fühlend erst erschafft, der's theilend mehrt.

Gräfin.
Verzag' nicht an der eignen Kraft. Dein Herz
Ist reich genug, sich selber zu beleben.
Du liebst und preisest Tugenden an ihm,
Die du in ihm gepflanzt, in ihm entfaltet.

Wallenstein (an die Thüre gehend).
Wer stört uns noch in später Nacht? – Es ist
Der Kommendant. Er bringt die Festungsschlüssel.
Verlaß uns, Schwester! Mitternacht ist da.

Gräfin.
O, mir wird heut so schwer, von dir zu gehn,
Und bange Furcht bewegt mich.

Wallenstein.                                     Furcht? Wovor?

Gräfin.
Du möchtest schnell wegreisen diese Nacht,
Und beim Erwachen fänden wir dich nimmer.

Wallenstein.
Einbildungen!

Gräfin.                   O, meine Seele wird
Schon lang von trüben Ahnungen geängstigt,
Und wenn ich wachend sie bekämpft, sie fallen
Mein banges Herz in düstern Träumen an.
– Ich sah dich gestern Nacht mit deiner ersten
Gemahlin, reich geputzt, zu Tische sitzen –

Wallenstein.
Das ist ein Traum erwünschter Vorbedeutung,
Denn jene Heirath stiftete mir Glück.

Gräfin.
Und heute träumte mir, ich suchte dich
In deinem Zimmer auf – Wie ich hineintrat,
So war's dein Zimmer nicht mehr, die Karthause
Zu Gitschin war's, die du gestiftet hast,
Und wo du willst, daß man dich hin begrabe.

Wallenstein.
Dein Geist ist nun einmal damit beschäftigt.

Gräfin.
Wie? Glaubst du nicht, daß eine Warnungsstimme
In Träumen vorbedeutend zu uns spricht?

Wallenstein.
Dergleichen Stimmen gibt's – Es ist kein Zweifel!
Doch Warnungsstimmen möcht' ich sie nicht nennen,
Die nur das Unvermeidliche verkünden.
Wie sich der Sonne Scheinbild in dem Dunstkreis
Malt, eh sie kommt, so schreiten auch den großen
Geschicken ihre Geister schon voran,
Und in dem Heute wandelt schon das Morgen.
Es machte mir stets eigene Gedanken,
Was man vom Tod des vierten Heinrichs liest.
Der König fühlte das Gespenst des Messers
Lang vorher in der Brust, eh sich der Mörder
Ravaillac damit waffnete. Ihn floh
Die Ruh', es jagt' ihn auf in seinem Louvre,
Ins Freie trieb es ihn; wie Leichenfeier
Klang ihm der Gattin Krönungsfest, er hörte
Im ahnungsvollen Ohr der Füße Tritt,
Die durch die Gassen von Paris ihn suchten –

Gräfin.
Sagt dir die innre Ahnungsstimme nichts?

Wallenstein.
Nichts. Sei ganz ruhig!

Gräfin (in düsteres Nachsinnen verloren). Und ein ander Mal,
Als ich dir eilend nachging, liefst du vor mir
Durch einen langen Gang, durch weite Säle,
Es wollte gar nicht enden – Thüren schlugen
Zusammen, krachend – keuchend folgt' ich, konnte
Dich nicht erreichen – plötzlich fühlt' ich mich
Von hinten angefaßt mit kalter Hand,
Du warst's und küßtest mich, und über uns
Schien eine rothe Decke sich zu legen –

Wallenstein.
Das ist der rothe Teppich meines Zimmers.

Gräfin (ihn betrachtend).
Wenn's dahin sollte kommen – Wenn ich dich,
Der jetzt in Lebensfülle vor mir steht –
    (Sie sinkt ihm weinend an die Brust.)

Wallenstein.
Des Kaisers Achtsbrief ängstigt dich. Buchstaben
Verwunden nicht, er findet keine Hände.

Gräfin.
Fänd' er sie aber, dann ist mein Entschluß
Gefaßt – ich führe bei mir, was mich tröstet.
    (Geht ab.)


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