Friedrich Schiller
Wallenstein
Friedrich Schiller

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Siebenter Auftritt.

Vorige. Ein Rekrut. Ein Bürger. Dragoner.

Rekrut (tritt aus dem Zelt, eine Blechhaube auf dem Kopfe,
    eine Weinflasche in der Hand).

Grüßt den Vater und Vaters Brüder!
Bin Soldat, komme nimmer wieder.

Erster Jäger.
Sieh, da bringen sie einen Neuen!

Bürger.
O, gibt Acht, Franz! es wird dich reuen.

Rekrut (singt).
    Trommeln und Pfeifen,
    Kriegrischer Klang!
    Wandern und streifen
    Die Welt entlang,
    Rosse gelenkt,
    Muthig geschwenkt,
    Schwert an der Seite,
    Frisch in die Weite,
    Flüchtig und flink,
    Frei, wie der Fink
    Auf Sträuchern und Bäumen
    In Himmels Räumen!
    Heisa! ich folge des Friedländers Fahn!

Zweiter Jäger.
Seht mir, das ist ein wackrer Kumpan!

(Sie begrüßen ihn.)

Bürger.
O, laßt ihn! er ist guter Leute Kind.

Erster Jäger.
Wir auch nicht auf der Straße gefunden sind.

Bürger.
Ich sag' euch, er hat Vermögen und Mittel.
Fühlt her, das feine Tüchlein am Kittel!

Trompeter.
Des Kaisers Rock ist der höchste Titel.

Bürger.
Er erbt eine kleine Mützenfabrik.

Zweiter Jäger.
Des Menschen Wille, das ist sein Glück.

Bürger.
Von der Großmutter einen Kram und Laden.

Erster Jäger.
Pfui, wer handelt mit Schwefelfaden!

Bürger.
Einen Weinschank dazu von seiner Pathen,
Ein Gewölbe mit zwanzig Stückfaß Wein.

Trompeter.
Den theilt er mit seinen Kameraden.

Zweiter Jäger.
Hör du! wir müssen Zeltbrüder sein.

Bürger.
Eine Braut läßt er sitzen in Thränen und Schmerz.

Erster Jäger.
Recht so, da zeigt er ein eisernes Herz.

Bürger.
Die Großmutter wird für Kummer sterben.

Zweiter Jäger.
Desto besser, so kann er sie gleich beerben.

Wachtmeister (tritt gravitätisch herzu, dem Rekruten
    die Hand auf die Blechhaube legend).

Sieht Er! Das hat Er wohl erwogen.
Einen neuen Menschen hat er angezogen;
Mit dem Helm da und Wehrgehäng
Schließt Er sich an eine würdige Meng.
Muß ein fürnehmer Geist jetzt in Ihn fahren –

Erster Jäger.
Muß besonders das Geld nicht sparen.

Wachtmeister.
Auf der Fortuna ihrem Schiff
Ist er zu segeln im Begriff;
Die Weltkugel liegt vor Ihm offen,
Wer nichts waget, der darf nichts hoffen.
Es treibt sich der Bürgersmann, träg und dumm,
Wie des Färbers Gaul, nur im Ring herum.
Aus dem Soldaten kann Alles werden,
Denn Krieg ist jetzt die Losung auf Erden.
Seh' Er mal mich an! In diesem Rock
Führ' ich, sieht Er, des Kaisers Stock.
Alles Weltregiment, muß Er wissen,
Von dem Stock hat ausgehen müssen;
Und das Szepter in Königs Hand
Ist ein Stock nur, das ist bekannt.
Und wer's zum Korporal erst hat gebracht,
Der steht auf der Leiter zur höchsten Macht,
Und so weit kann Er's auch noch treiben.

Erster Jäger.
Wenn Er nur lesen kann und schreiben.

Wachtmeister.
Da will ich Ihm gleich ein Exempel geben;
Ich thät's vor Kurzem selbst erleben.
Da ist der Schef vom Dragonercorps,
Heißt Buttler, wir standen als Gemeine
Noch vor dreißig Jahren bei Köln am Rheine,
Jetzt nennt man ihn Generalmajor.
Das macht, er thät sich baß hervor,
Thät die Welt mit seinem Kriegsruhm füllen;
Doch meine Verdienste, die blieben im Stillen.
Ja, und der Friedländer selbst, sieht Er,
Unser Hauptmann und hochgebietender Herr,
Der jetzt Alles vermag und kann,
War erst nur ein schlichter Edelmann,
Und weil er der Kriegsgöttin sich vertraut,
Hat er sich diese Größ' erbaut,
Ist nach dem Kaiser der nächste Mann,
Und wer weiß, was er noch erreicht und ermißt,
(pfiffig) Denn noch nicht aller Tage Abend ist.

Erster Jäger.
Ja, er fing's klein an und ist jetzt so groß.
Denn zu Altorf im Studentenkragen,
Trieb er's, mit Permiß zu sagen,
Ein wenig locker und burschikos,
Hätte seinen Famulus bald erschlagen.
Wollten ihn drauf die Nürnberger Herren
Mir nichts, dir nichts ins Carcer sperren;
's war just ein neugebautes Nest,
Der erste Bewohner sollt' es taufen.
Aber wie fängt er's an? Er läßt
Weislich den Pudel voran erst laufen.
Nach dem Hunde nennt sich's bis diesen Tag;
Ein rechter Kerl sich dran spiegeln mag.
Unter des Herrn großen Thaten allen
Hat mir das Stückchen besonders gefallen.

(Das Mädchen hat unterdessen aufgewartet; der
zweite Jäger schäkert mit ihr.)

Dragoner (tritt dazwischen).
Kamerad, laß Er das unterwegen!

Zweiter Jäger.
Wer Henker! hat sich da drein zu legen!

Dragoner.
Ich will's Ihm nur sagen, die Dirn' ist mein.

Erster Jäger.
Der will ein Schätzchen für sich allein!
Dragoner, ist er bei Troste? sag' Er!

Zweiter Jäger.
Will was Apartes haben im Lager.
Einer Dirne schön Gesicht
Muß allgemein sein, wie's Sonnenlicht! (Küßt sie.)

Dragoner (reißt sie weg).
Ich sag's noch einmal, das leid' ich nicht.

Erster Jäger.
Lustig, lustig! da kommen die Prager!

Zweiter Jäger.
Sucht Er Händel? Ich bin dabei.

Wachtmeister.
Fried', ihr Herren! Ein Kuß ist frei!

Achter Auftritt.

Bergknappen treten auf und spielen einen Walzer, erst langsam und dann immer geschwinder. Der erste Jäger tanzt mit der Aufwärterin, die Marketenderin mit dem Rekruten; das Mädchen entspringt, der Jäger hinter ihr her und bekommt den Kapuziner zu fassen, der eben hereintritt.

Kapuziner.
Heisa! Juchheia! Dudeldumdei!
Das geht ja hoch her. Bin auch dabei!
Ist das eine Armee von Christen?
Sind wir Türken? sind wir Antibaptisten?
Treibt man so mit dem Sonntag Spott,
Als hätte der allmächtige Gott
Das Chiragra, könnte nicht drein schlagen?
Ist's jetzt Zeit zu Saufgelagen,
Zu Banketten und Feiertagen?
Quid hic statis otiosi?
Was steht ihr und legt die Hände in Schooß?
Die Kriegsfuri ist an der Donau los,
Das Bollwerk des Bayerlands ist gefallen,
Regensburg ist in des Feindes Krallen,
Und die Armee liegt hier in Böhmen,
Pflegt den Bauch, läßt sich's wenig grämen,
Kümmert sich mehr um den Krug als den Krieg,
Wetzt lieber den Schnabel als den Sabel,
Hetzt sich lieber herum mit der Dirn,
Frißt den Ochsen lieber als den Oxenstirn.
Die Christenheit trauert in Sack und Asche,
Der Soldat füllt sich nur die Tasche.
Es ist eine Zeit der Thränen und Noth,
Am Himmel geschehen Zeichen und Wunder,
Und aus den Wolken, blutigroth,
Hängt der Herrgott den Kriegsmantel 'runter.
Den Kometen steckt er, wie eine Ruthe,
Drohend am Himmelsfenster aus,
Die ganze Welt ist ein Klagehaus,
Die Arche der Kirche schwimmt im Blute,
Und das römische Reich – daß Gott erbarm!
Sollte jetzt heißen römisch Arm;
Der Rheinstrom ist worden zu einem Peinstrom,
Die Klöster sind ausgenommene Nester,
Die Bisthümer sind verwandelt in Wüstthümer,
Die Abteien und die Stifter
Sind nun Raubteien und Diebesklüfter,
Und alle die gesegneten deutschen Länder
Sind verkehrt worden in Elender
Woher kommt das? Das will ich euch verkünden:
Das schreibt sich her von euern Lastern und Sünden,
Von dem Gräuel und Heidenleben,
Dem sich Officier und Soldaten ergeben.
Denn die Sünd' ist der Magnetenstein,
Der das Eisen ziehet ins Land herein.
Auf das Unrecht, da folgt das Uebel,
Wie die Thrän' auf den herben Zwiebel,
Hinter dem U kommt gleich das Weh,
Das ist die Ordnung im A B C.
    Ubi erit victoriae spes,
Si offenditur Deus
? Wie soll man siegen,
Wenn man die Predigt schwänzt und die Meß,
Nichts thut, als in den Weinhäusern liegen?
Die Frau in dem Evangelium
Fand den verlornen Groschen wieder,
Der Saul seines Vaters Esel wieder,
Der Joseph seine saubern Brüder;
Aber wer bei den Soldaten sucht
Die Furcht Gottes und die gute Zucht
Und die Scham, der wird nicht viel finden,
Thät' er auch hundert Laternen anzünden.
Zu dem Prediger in der Wüsten,
Wie wir lesen im Evangelisten,
Kamen auch die Soldaten gelaufen,
Thaten Buß und ließen sich taufen,
Fragten ihn: Quid faciemus nos?
Wie machen wir's, daß wir kommen in Abrahams Schooß?
Et ait illis, und er sagt:
Neminem concutiatis,
Wenn ihr Niemanden schindet und plackt.
Neque calumniam faciatis,
Niemand verlästert, auf Niemand lügt.
Contenti estote, euch begnügt,
Stipendiis vestris, mit eurer Löhnung,
Und verflucht jede böse Angewöhnung.
Es ist ein Gebot: Du sollt den Namen
Deines Herrgotts nicht eitel auskramen!
Und wo hört man mehr blasphemieren,
Als hier in den Friedländischen Kriegsquartieren?
Wenn man für jeden Donner und Blitz,
Den ihr losbrennt mit eurer Zungenspitz,
Die Glocken müßt' läuten im Land umher,
Es wär' bald kein Meßner zu finden mehr.
Und wenn euch für jedes böse Gebet,
Das aus eurem ungewaschnen Munde geht,
Ein Härlein ausging aus eurem Schopf,
Ueber Nacht wär' er geschoren glatt,
Und wär' er so dick wie Absalons Zopf.
Der Josua war doch auch ein Soldat,
König David erschlug den Goliath,
Und wo steht denn geschrieben zu lesen,
Daß sie solche Fluchmäuler sind gewesen?
Muß man den Mund doch, ich sollte meinen,
Nicht weiter aufmachen zu einem Helf Gott!
Als zu einem Kreuz Sackerlot!
Aber wessen das Gefäß ist gefüllt,
Davon es sprudelt und überquillt.
    Wieder ein Gebot ist: Du sollt nicht stehlen.
Ja, das befolgt ihr nach dem Wort,
Denn ihr tragt Alles offen fort.
Vor euren Klauen und Geiersgriffen,
Vor euren Praktiken und bösen Kniffen
Ist das Geld nicht geborgen in der Truh,
Das Kalb nicht sicher in der Kuh,
Ihr nehmt das Ei und das Huhn dazu.
Was sagt der Prediger? Contenti estote,
Begnügt euch mit eurem Commißbrote.
Aber wie soll man die Knechte loben,
Kömmt doch das Aergerniß von oben!
Wie die Glieder, so auch das Haupt!
Weiß doch Niemand, an wen Der glaubt!

Erster Jäger.
Herr Pfaff! uns Soldaten mag Er schimpfen,
Den Feldherrn soll Er uns nicht verunglimpfen.

Kapuziner.
Ne custodias gregem meam!
Das ist so ein Ahab und Jerobeam,
Der die Völker von der wahren Lehren
Zu falschen Göttern thut verkehren.

Trompeter und Rekrut.
Laß Er uns das nicht zweimal hören!

Kapuziner.
So ein Bramarbas und Eisenfresser,
Will einnehmen alle festen Schlösser.
Rühmte sich mit seinem gottlosen Mund,
Er müsse haben die Stadt Stralsund,
Und wär' sie mit Ketten an den Himmel geschlossen.
Hat aber sein Pulver umsonst verschossen!

Trompeter.
Stopft ihm Keiner sein Lästermaul?

Kapuziner.
So ein Teufelsbeschwörer und König Saul.
So ein Jehu und Holofern,
Verleugnet, wie Petrus, seinen Meister und Herrn,
Drum kann er den Hahn nicht hören krähn –

Beide Jäger.
Pfaffe! Jetzt ist's um dich geschehn!

Kapuziner.
So ein listiger Fuchs Herodes –

Trompeter (und) beide Jäger (auf ihn eindringend)
Schweig stille! Du bist des Todes!

Kroaten (legen sich drein).
Bleib da, Pfäfflein, fürcht dich nit,
Sag dein Sprüchel und theil's uns mit.

Kapuziner (schreit lauter).
So ein hochmüthiger Nebucadnezer,
So ein Sündenvater und muffiger Ketzer,
Läßt sich nennen den Wallenstein;
Ja freilich ist er uns allen ein Stein
Des Anstoßes und Aergernisses,
Und so lang der Kaiser diesen Friedeland
Läßt walten, so wird nicht Fried' im Land.

(Er hat nach und nach bei den letzten Worten,
die er mit erhobener Stimme spricht, seinen Rückzug
genommen, indem die Kroaten die übrigen Soldaten
von ihm abwehren.)

Neunter Auftritt.

Vorige, ohne den Kapuziner.

Erster Jäger (zum Wachtmeister).
Sagt mir, was meint' er mit dem Göckelhahn,
Den der Feldherr nicht krähen hören kann?
Es war wohl nur so gesagt ihm zum Schimpf und Hohne?

Wachtmeister.
Da will ich Euch dienen. Es ist nicht ganz ohne.
Der Feldherr ist wundersam geboren,
Besonders hat er gar kitzlichte Ohren.
Kann die Katze nicht hören mauen,
Und wenn der Hahn kräht, so macht's ihm Grauen.

Erster Jäger.
Das hat er mit dem Löwen gemein.

Wachtmeister.
Muß Alles mausstill um ihn sein.
Den Befehl haben alle Wachen,
Denn er denkt gar zu tiefe Sachen.

Stimmen (im Zelt; Auflauf).
Greift ihn, den Schelm! Schlagt zu! Schlagt zu!

Des Bauern Stimme.
Hilfe! Barmherzigkeit!

Andre Stimmen.                 Friede! Ruh!

Erster Jäger.
Hol mich der Teufel! Da setzt's Hiebe.

Zweiter Jäger.
Da muß ich dabei sein! (Laufen ins Zelt.)

Marketenderin (kommt heraus.) Schelmen und Diebe!

Trompeter.
Frau Wirthin, was setzt Euch so in Eifer?

Marketenderin.
Der Lump! der Spitzbub! der Straßenläufer!
Das muß mir in meinem Zelt passieren!
es beschimpft mich bei allen Herrn Officieren.

Wachtmeister.
Bäschen, was gibt's denn?

Marketenderin.                       Was wird's geben?
Da erwischten sie einen Bauer eben,
Der falsche Würfel thät bei sich haben.

Trompeter.
Sie bringen ihn hier mit seinem Knaben.

Zehnter Auftritt.

Soldaten bringen den Bauern geschleppt.

Erster Jäger.
Der muß baumeln!

Scharfschütz und Dragoner.
                            Zum Profoß! Zum Profoß!

Wachtmeister.
Das Mandat ist noch kürzlich ausgegangen.

Marketenderin.
In einer Stunde seh' ich ihn hangen!

Wachtmeister.
Böses Gewerbe bringt bösen Lohn.

Erster Arkebusier (zum andern).
Das kommt von der Desperation.
Denn seht, erst thut man sie ruinieren,
Das heißt sie zum Stehlen selbst verführen.

Trompeter.
Was? Was? Ihr red't ihm das Wort noch gar?
Dem Hunde! Thut Euch der Teufel plagen?

Erster Arkebusier.
Der Bauer ist auch ein Mensch – so zu sagen.

Erster Jäger (zum Trompeter).
Laß sie gehen! sind Tiefenbacher,
Gevatter Schneider und Handschuhmacher!
Lagen in Garnison zu Brieg,
Wissen viel, was der Brauch ist im Krieg.


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