Friedrich Schiller
Wallenstein
Friedrich Schiller

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Erster Aufzug.

Ein Zimmer, zu astrologischen Arbeiten eingerichtet und mit Sphären, Karten, Quadranten und anderm astronomischem Geräthe versehen. Der Vorhang von einer Rotunde ist aufgezogen, in welcher die sieben Planetenbilder, jedes in einer Nische, seltsam beleuchtet, zu sehen sind. Seni beobachtet die Sterne, Wallenstein steht vor einer großen, schwarzen Tafel, auf welcher der Planetenaspect gezeichnet ist.

Erster Auftritt.

Wallenstein. Seni.

Wallenstein.
Laß es jetzt gut sein, Seni. Komm herab.
Der Tag bricht an, und Mars regiert die Stunde.
Es ist nicht gut mehr operieren. Komm!
Wir wissen gnug.

Seni.                           Nur noch die Venus laß mich
Betrachten, Hoheit. Eben geht sie auf.
Wie eine Sonne glänzt sie in dem Osten.

Wallenstein.
Ja, sie ist jetzt in ihrer Erdennäh'
Und wirkt herab mit allen ihren Stärken.
    (Die Figur auf der Tafel betrachtend.)
Glückseliger Aspect! So stellt sich endlich
Die große Drei verhängnißvoll zusammen,
Die beiden Segenssterne, Jupiter
Und Venus, nehmen den verderblichen,
Den tück'schen Mars in ihre Mitte, zwingen
Den alten Schadenstifter, mir zu dienen.
Denn lange war er feindlich mir gesinnt
Und schoß mit senkrecht – oder schräger Strahlung,
Bald im Gevierten, bald im Doppelschein,
Die rothen Blitze meinen Sternen zu
Und störte ihre segenvollen Kräfte.
Jetzt haben sie den alten Feind besiegt
Und bringen ihn am Himmel mir gefangen.

Seni.
Und beide große Lumina von keinem
Malefico beleidigt! Der Saturn
Unschädlich, machtlos, in cadente domo.

Wallenstein.
Saturnus' Reich ist aus, der die geheime
Geburt der Dinge in dem Erdenschooß
Und in den Tiefen des Gemüths beherrscht
Und über Allem, was das Licht scheut, waltet.
Nicht Zeit ist's mehr, zu brüten und zu sinnen,
Denn Jupiter, der glänzende, regiert
Und zieht das dunkel zubereitete Werk
Gewaltig in das Reich des Lichts – Jetzt muß
Gehandelt werden, schleunig, eh die Glücks-
Gestalt mir wieder wegflieht überm Haupt,
Denn stets in Wandlung ist der Himmelsbogen.

(Es geschehen Schläge an die Thür.)

Man pocht. Sieh, wer es ist.

Terzky (draußen).                         Laß öffnen!

Wallenstein.                                                 Es ist Terzky.
Was gibt's so Dringendes? Wir sind beschäftigt.

Terzky (draußen).
Lag' Alles jetzt bei Seit', ich bitte dich.
Es leidet keinen Aufschub.

Wallenstein.                             Oeffne, Seni.

(Indem Jener dem Terzky aufmacht, zieht
Wallenstein den Vorhang vor die Bilder.)

Zweiter Auftritt.

Wallenstein. Graf Terzky.

Terzky (tritt ein).
Vernahmst du's schon? Er ist gefangen, ist
Vom Gallas schon dem Kaiser ausgeliefert!

Wallenstein (zu Terzky).
Wer ist gefangen? Wer ist ausgeliefert?

Terzky.
Wer unser ganz Geheimniß weiß, um jede
Verhandlung mit den Schweden weiß und Sachsen,
Durch dessen Hände Alles ist gegangen –

Wallenstein (zurückfahrend).
Sesin doch nicht? Sag' Nein, ich bitte dich!

Terzky.
Grad' auf dem Weg nach Regensburg zum Schweden
Ergriffen ihn des Gallas Abgeschickte,
Der ihm schon lang die Fährte abgelauert.
Mein ganz Paket an Kinsky, Matthes Thurn,
An Oxenstirn, an Arnheim führt er bei sich!
Das alles ist in ihrer Hand, sie haben
Die Einsicht nun in Alles, was geschehn.

Dritter Auftritt.

Vorige. Illo kommt.

Illo (zu Terzky).
Weiß er's?

Terzky.             Er weiß es.

Illo (zu Wallenstein).                 Denkst du deinen Frieden
Nun noch zu machen mit dem Kaiser, sein
Vertraun zurückzurufen? Wär' es auch,
Du wolltest allen Planen jetzt entsagen.
Man weiß, was du gewollt hast. Vorwärts mußt du,
Denn rückwärts kannst du nun nicht mehr.

Terzky.
Sie haben Documente gegen uns
In Händen, die unwidersprechlich zeugen –

Wallenstein.
Von meiner Handschrift nichts. Dich straf' ich Lügen.

Illo.
So? Glaubt du wohl, was Dieser da, dein Schwager,
In deinem Namen unterhandelt hat,
Das werde man nicht dir auf Rechnung setzen?
Dem Schweden soll sein Wort für deines gelten,
Und deinen Wiener Feinden nicht!

Terzky.
Du gabst nichts Schriftliches – Besinn' dich aber,
Wie weit du mündlich gingst mit dem Sesin.
Und wird er schweigen? Wenn er sich mit deinem
Geheimniß retten kann, wird er's bewahren?

Illo.
Das fällt dir selbst nicht ein! Und da sie nun
Berichtet sind, wie weit du schon gegangen,
Sprich, was erwartest du? Bewahren kannst du
Nicht länger dein Kommando, ohne Rettung
Bist du verloren, wenn du's niederlegst.

Wallenstein.
Das Heer ist meine Sicherheit. Das Heer
Verläßt mich nicht. Was sie auch wissen mögen,
Die Macht ist mein, sie müssen's niederschlucken;
– Und stell' ich Kaution für meine Treu',
So müssen sie sich ganz zufrieden geben.

Illo.
Das Heer ist dein; jetzt für den Augenblick
Ist's dein; doch zittre vor der langsamen,
Der stillen Macht der Zeit. Vor offenbarer
Gewalt beschützt dich heute noch und morgen
Der Truppen Gunst; doch gönnst du ihnen Frist,
Sie werden unvermerkt die gute Meinung,
Worauf du jetzo fußest, untergraben,
Dir Einen um den Andern listig stehlen –
Bis, wenn der große Erdstoß nun geschieht,
Der treulos mürbe Bau zusammenbricht.

Wallenstein.
Es ist ein böser Zufall!

Illo.
O! einen glücklichen will ich ihn nennen,
Hat er auf dich die Wirkung, die er soll,
Treibt dich zu schneller That – Der schwed'sche Oberst –

Wallenstein.
Er ist gekommen? Weißt du, was er bringt?

Illo.
Er will nur dir allein sich anvertraun.

Wallenstein.
Ein böser, böser Zufall – Freilich! freilich!
Sesina weiß zu viel und wird nicht schweigen.

Terzky.
Er ist ein böhmischer Rebell und Flüchtling,
Sein Hals ist ihm verwirkt; kann er sich retten
Auf deine Kosten, wird er Anstand nehmen?
Und wenn sie auf der Folter ihn befragen,
Wird er, der Weichling, Stärke gnug besitzen? –

Wallenstein (in Nachsinnen verloren).
Nicht herzustellen mehr ist das Vertraun,
Und mag ich handeln, wie ich will, ich werde
Ein Landsverräther ihnen sein und bleiben;
Und kehr' ich noch so ehrlich auch zurück
Zu meiner Pflicht, es wird mir nichts mehr helfen –

Illo.
Verderben wird es dich. Nicht deiner Treu',
Der Ohnmacht nur wird's zugeschrieben werden.

Wallenstein (in heftiger Bewegung auf- und abgehend).
Wie? Wollt' ich's nun im Ernst erfüllen müssen,
Weil ich zu frei gescherzt mit dem Gedanken?
Verflucht, wer mit dem Teufel spielt! –

Illo.
Wenn's nur ein Spiel gewesen, glaube mir,
Du wirst's in schwerem Ernst büßen müssen.

Wallenstein.
Und müßt' ich's in Erfüllung bringen, jetzt,
Jetzt, da die Macht noch mein ist, müßt's geschehn –

Illo.
Wo möglich, eh sie von dem Schlage sich
In Wien besinnen und zuvor dir kommen –

Wallenstein (die Unterschriften betrachtend).
Das Wort der Generale hab' ich schriftlich –
Max Piccolomini steht nicht hier. Warum nicht?

Terzky.
Es war – er meinte –

Illo.                                   Bloßer Eigendünkel!
Es brauche das nicht zwischen dir und ihm.

Wallenstein.
Es braucht das nicht, er hat ganz Recht –
Die Regimenter wollen nicht nach Flandern,
Sie haben eine Schrift mir übersandt
Und widersetzen laut sich dem Befehl.
Der erste Schritt zum Aufruhr ist geschehn.

Illo.
Glaub' mir, du wirst sie leichter zu dem Feind,
Als zu dem Spanier hinüber führen.

Wallenstein.
Ich will doch hören, was der Schwede mir
Zu sagen hat.

Illo (pressiert).         Wollt Ihr ihn rufen, Terzky?
Er steht schon draußen.

Wallenstein.                         Warte noch ein wenig.
Es hat mich überrascht – Es kam zu schnell –
Ich bin es nicht gewohnt, daß mich der Zufall
Blind waltend, finster herrschend mit sich führe.

Illo.
Hör' ihn fürs erste nur, erwäg's nachher.

(Sie gehen).

Vierter Auftritt.

Wallenstein, mit sich selbst redend.

Wär's möglich? Könnt' ich nicht mehr, wie ich wollte?
Nicht mehr zurück, wie mir's beliebt? Ich müßte
Die That vollbringen, weil ich sie gedacht,
Nicht die Versuchung von mir wies – das Herz
Genährt mit diesem Traum, auf ungewisse
Erfüllung hin die Mittel mir gespart,
Die Wege bloß mir offen hab' gehalten? –
Beim großen Gott des Himmels! Es war nicht
Mein Ernst, beschloßne Sache war es nie.
In dem Gedanken bloß gefiel e mir;
Die Freiheit reizte mich und das Vermögen.
War's Unrecht, an dem Gaukelbilde mich
Der königlichen Hoffnung zu ergötzen?
Blieb in der Brust mir nicht der Wille frei,
Und sah ich nicht den guten Weg zur Seite,
Der mir die Rückkehr offen stets bewahrte?
Wohin denn seh' ich plötzlich mich geführt?
Bahnlos liegt's hinter mir, und eine Mauer
Aus meinen eignen Werken baut sich auf,
Die mir die Umkehr thürmend hemmt!
    (Er bleibt tiefsinnig stehen.)
Strafbar erschein' ich, und ich kann die Schuld,
Wie ich's versuchen mag, nicht von mir wälzen;
Denn mich verklagt der Doppelsinn des Lebens,
Und – selbst der frommen Quelle reine That
Wird der Verdacht, schlimmdeutend, mir vergiften.
War ich, wofür ich gelte, der Verräther,
Ich hätte mir den guten Schein gespart,
Die Hülle hätt' ich dicht um mich gezogen,
Dem Unmuth Stimme nie geliehn. Der Unschuld,
Des unverführten Willens mir bewußt,
Gab ich der Laune Raum, der Leidenschaft –
Kühn war das Wort, weil es die That nicht war.
Jetzt werden sie, was planlos ist geschehn,
Weitsehend, planvoll mir zusammenknüpfen,
Und was der Zorn und was der frohe Muth
Mich sprechen ließ im Ueberfluß des Herzens,
Zu künstlichem Gewebe mir vereinen
Und eine Klage furchtbar draus bereiten,
Dagegen ich verstummen muß. So hab' ich
Mit eignem Netz verderblich mich umstrickt,
Und nur Gewaltthat kann es reißend lösen.
    (Wiederum still stehend.)
Wie anders! da des Muthes freier Trieb
Zur kühnen That mich zog, die rauh gebietend
Die Noth jetzt, die Erhaltung von mir heischt.
Ernst ist der Anblick der Nothwendigkeit.
Nicht ohne Schauder greift des Menschen Hand
In des Geschicks geheimnißvolle Urne.
In meiner Brust war meine That noch mein;
Einmal entlassen aus dem sichern Winkel
Des Herzens, ihrem mütterlichen Boden,
Hinausgegeben in des Lebens Fremde,
Gehört sie jenen tück'schen Mächten an,
Die keines Menschen Kunst vertraulich macht.
    (Er macht heftige Schritte durchs Zimmer, dann bleibt
    er wieder sinnend stehen.)

Und was ist dein Beginnen? Hast du dir's
Auch redlich selbst bekannt? Du willst die Macht,
Die ruhig, sicher thronende, erschüttern,
Die in verjährt geheiligtem Besitz,
In der Gewohnheit festgegründet ruht,
Die an der Völker frommem Kinderglauben
Mit tausend zähen Wurzeln sich befestigt.
Das wird kein Kampf der Kraft sein mit der Kraft,
Den fürcht' ich nicht. Mit jedem Gegner war' ich's,
Den ich kann sehen und ins Auge fassen,
Der, selbst voll Muth, auch mir den Muth entflammt.
Ein unsichtbarer Feind ist's, den ich fürchte,
Der in der Menschen Brust mir widersteht,
Durch feige Furcht allein mir fürchterlich –
Nicht, was lebendig, kraftvoll sich verkündigt,
Ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz
Gemeine ist's, das ewig Gestrige,
Was immer war und immer wiederkehrt
Und morgen gilt, weil's heute hat gegolten!
Denn aus Gemeinem ist der Mensch gemacht,
Und die Gewohnheit nennt er seine Amme.
Weh Dem, der an den würdig alten Hausrath
Ihm rührt, das theure Erbstück seiner Ahnen!
Das Jahr übt eine heiligende Kraft;
Was grau für Alter ist, das ist ihm göttlich.
Sei im Besitze, und du wohnst im Recht,
Und heilig wird's die Menge dir bewahren.
    (Zu dem Pagen, der hereintritt.)
Der schwed'sche Oberst? Ist er's? Nun, er komme.

(Page geht. Wallenstein hat den Blick nachdenkend auf
die Thüre geheftet.)

Noch ist sie rein – noch! Das Verbrechen kam
Nicht über diese Schwelle noch – So schmal ist
Die Grenze, die zwei Lebenspfade scheidet!

Fünfter Auftritt.

Wallenstein und Wrangel.

Wallenstein (nachdem er einen forschenden Blick auf ihn geheftet).
Ihr nennt Euch Wrangel?

Wrangel.                               Gustav Wrangel, Oberst
Vom blauen Regimente Südermannland.

Wallenstein.
Ein Wrangel war's, der vor Stralsund viel Böses
Mir zugefügt, durch tapfre Gegenwehr
Schuld war, daß mir die Seestadt widerstanden.

Wrangel.
Das Werk des Elements, mit dem Sie kämpften,
Nicht mein Verdienst, Herr Herzog! Seine Freiheit
Vertheidigte mit Sturmes Macht der Belt,
Es sollte Meer und Land nicht Einem dienen.

Wallenstein.
Den Admiralshut rißt Ihr mir vom Haupt.

Wrangel.
Ich komme, eine Krone drauf zu setzen.

Wallenstein (winkt ihm, Platz zu nehmen, setzt sich).
Euer Kreditiv. Kommt Ihr mit ganzer Vollmacht?

Wrangel (bedenklich).
Es sind so manche Zweifel noch zu lösen –

Wallenstein (nachdem er gelesen).
Der Brief hat Händ' und Füß'. Es ist ein klug
Verständig Haupt, Herr Wrangel, dem Ihr dienet.
Es schreibt der Kanzler, er vollziehe nur
Den eignen Einfall des verstorbnen Königs,
Indem er mir zur böhm'schen Kron' verhelfe.

Wrangel.
Er sagt, was wahr ist. Der Hochselige
Hat immer groß gedacht von Euer Gnaden
Fürtrefflichem Verstand und Feldherrngaben,
Und stets der Herrschverständigste, beliebt' ihm
Zu sagen, sollte Herrscher sein und König.

Wallenstein.
Er durft' es sagen.   (Seine Hand vertraulich fassend.)
Aufrichtig, Oberst Wrangel – Ich war stets
Im Herzen auch gut schwedisch – Ei, das habt ihr
In Schlesien erfahren und bei Nürnberg.
Ich hatt' euch oft in meiner Macht und ließ
Durch eine Hinterthür euch stets entwischen.
Das ist's, was sie in Wien mir nicht verzeihn,
Was jetzt zu diesem Schritt mich treibt – Und weil
Nun unser Vortheil so zusammengeht,
So laßt uns zu einander auch ein recht
Vertrauen fassen.

Wrangel.                     Das Vertrau'n wird kommen,
Hat Jeder nur erst seine Sicherheit.

Wallenstein.
Der Kanzler, merk' ich, traut mir noch nicht recht.
Ja, ich gesteh's – Es liegt das Spiel nicht ganz
Zu meinem Vortheil. Seine Würden meint,
Wenn ich dem Kaiser, der mein Herr ist, so
Mitspielen kann, ich könn' das Gleiche thun
Am Feinde, und das Eine wäre mir
Noch eher zu verzeihen, als das Andre.
Ist das nicht Eure Meinung auch, Herr Wrangel?

Wrangel.
Ich hab' hier bloß ein Amt und keine Meinung.

Wallenstein.
Der Kaiser hat mich bis zum Aeußersten
Gebracht. Ich kann ihm nicht mehr ehrlich dienen.
In meiner Sicherheit, aus Nothwehr thu' ich
Den harten Schritt, den mein Bewußtsein tadelt.

Wrangel.
Ich glaub's. So weit geht Niemand, der nicht muß.
    (Nach einer Pause.)
Was Eure Fürstlichkeit bewegen mag,
Also zu thun an Ihrem Herrn und Kaiser,
Gebührt nicht uns zu richten und zu deuten.
Der Schwede ficht für seine gute Sach'
Mit seinem guten Degen und Gewissen.
Die Concurrenz ist, die Gelegenheit
Zu unsrer Gunst, im Krieg gilt jeder Vortheil,
Wir nehmen unbedenklich, was sich bietet;
Und wenn sich Alles richtig so verhält –

Wallenstein.
Woran denn zweifelt man? An meinem Willen?
An meinen Kräften? Ich versprach dem Kanzler,
Wenn er mir sechzehntausend Mann vertraut,
Mit achtzehntausend von des Kaisers Heer
Dazu zu stoßen –

Wrangel.                     Euer Gnaden sind
Bekannt für einen hohen Kriegesfürsten,
Für einen zweiten Attila und Pyrrhus.
Noch mit Erstaunen redet man davon,
Wie Sie vor Jahren, gegen Menschendenken,
Ein Heer wie aus dem Nichts hervorgerufen.
Jedennoch –

Wallenstein.         Dennoch?

Wrangel.                               Seine Würden meint,
Ein leichter Ding doch möcht' es sein, mit Nichts
Ins Feld zu stellen sechzigtausend Krieger,
Als nur ein Sechzigtheil davon – (Er hält inne.)

Wallenstein.                                     Nun was?
Nur frei heraus!

Wrangel.                 Zum Treubruch zu verleiten.

Wallenstein.
Mein er? Er urtheilt wie ein Schwed' und wie
Ein Protestant. Ihr Lutherischen fechtet
Für eure Bibel; euch ist's um die Sach';
Mit eurem Herzen folgt ihr eurer Fahne. –
Wer zu dem Feinde läuft von euch, der hat
Mit zweien Herrn zugleich den Bund gebrochen.
Von all Dem ist die Rede nicht bei uns –

Wrangel.
Herr Gott im Himmel! Hat man hier zu Lande
Denn keine Heimath, keinen Herd und Kirche?

Wallenstein.
Ich will euch sagen, wie das zugeht. – Ja,
Der Oesterreicher hat ein Vaterland
Und liebt's und hat auch Ursach, es zu lieben.
Doch dieses Heer, das kaiserlich sich nennt,
Das hier in Böheim hauset, das hat keins;
Das ist der Auswurf fremdere Länder, ist
Der aufgegebne Theil des Volks, dem nichts
Gehöret, als die allgemeine Sonne.
Und dieses böhm'sche Land, um das wir fechten,
Das hat kein Herz für seinen Herrn, den ihm
Der Waffen Glück, nicht eigne Wahl gegeben.
Mit Murren trägt's des Glaubens Tyrannei,
Die Macht hat's eingeschreckt, beruhigt nicht.
Ein glühend, rachvoll Angedenken lebt
Der Gräuel, die geschahn auf diesem Boden.
Und kann's der Sohn vergessen, daß er Vater
Mit Hunden in die Messe ward gehetzt?
Ein Volk, dem das geboten wird, ist schrecklich,
Es räche oder dulde die Behandlung.

Wrangel.
Der Adel aber und die Officiere?
Solche eine Flucht und Felonie, Herr Fürst,
Ist ohne Beispiel in der Welt Geschichten.

Wallenstein.
Sie sind auf jegliche Bedingung mein.
Nicht mir, den eignen Augen mögt Ihr glauben.

(Er gibt ihm die Eidesformel. Wrangel durchliest sie und
legt sie, nachdem er gelesen, schweigend auf den Tisch.)

Wie ist's? Begreift Ihr nun?

Wrangel.                                   Begreif's, wer's kann!
Herr Fürst! Ich lass' die Maske fallen – Ja!
Ich habe Vollmacht, Alles abzuschließen.
Es steht der Rheingraf nur vier Tagesmärsche
Von hier mit fünfzehntausend Mann; er wartet
Auf Ordre nur, zu Ihrem Heer zu stoßen.
Die Ordre stell' ich aus, sobald wir einig.

Wallenstein.
Was ist des Kanzlers Forderung?

Wrangel (bedenklich).
Zwölf Regimenter gilt es, schwedisch Volk.
Mein Kopf muß dafür haften. Alles könnte
Zuletzt nur falsches Spiel –

Wallenstein (fährt auf).               Herr Schwede!

Wrangel (ruhig fortfahrend).                                 Muß demnach
Darauf bestehn, daß Herzog Friedland förmlich,
Unwiderruflich breche mit dem Kaiser,
Sonst ihm kein schwedisch Volk vertrauet wird.

Wallenstein.
Was ist die Forderung? Sagt's kurz und gut.

Wrangel.
Die span'schen Regimenter, die dem Kaiser
Ergeben, zu entwaffnen, Prag zu nehmen
Und diese Stadt, wie auch das Grenzschloß Eger,
Den Schweden einzuräumen.

Wallenstein.                                 Viel gefordert!
Prag! Sei's um Eger! Aber Prag? Geht nicht.
Ich leist' euch jede Sicherheit, die ihr
Vernünft'gerweise von mir fordern möget.
Prag aber – Böhmen – kann ich selbst beschützen.

Wrangel.
Man zweifelt nicht daran. Es ist uns auch
Nicht um's Beschützen bloß. Wir wollen Menschen
Und Geld umsonst nicht aufgewendet haben.

Wallenstein.
Wie billig.

Wrangel.         Und so lang, bis wir entschädigt,
Bleibt Prag verpfändet.

Wallenstein.                       Traut ihr uns so wenig?

Wrangel (steht auf).
Der Schwede muß sich vorsehn mit dem Deutschen.
Man hat uns übers Ostmeer hergerufen;
Gerettet haben wir vom Untergang
Das Reich – mit unserm Blut des Glaubens Freiheit,
Die heil'ge Lehr' des Evangeliums
Versiegelt – Aber jetzt schon fühlet man
Nicht mehr die Wohlthat, nur die Last, erblickt
Mit schelem Aug die Fremdlinge im Reiche
Und schickte gern mit einer Handvoll Geld
Uns heim in unsre Wälder. Nein! wir haben
Um Judas' Lohn, um klingend Gold und Silber,
Den König auf der Walstatt nicht gelassen!
So vieler Schweden adeliges Blut,
Es ist um Gold und Silber nicht geflossen!
Und nicht mit magerm Lorbeer wollen wir
Zum Vaterland die Wimpel wieder lüften;
Wir wollen Bürger bleiben auf dem Boden,
Den unser König fallend sich erobert.

Wallenstein.
Helft den gemeinen Feind mir niederhalten,
Das schöne Grenzland kann euch nicht entgehn.

Wrangel.
Und liegt zu Boden der gemeine Feind,
Wer knüpft die neue Freundschaft dann zusammen?
Uns ist bekannt, Herr Fürst – wenn gleich der Schwede
Nichts davon merken soll – daß Ihr mit Sachsen
Geheime Unterhandlung pflegt. Wer bürgt uns
Dafür, daß wir nicht Opfer der Beschlüsse sind,
Die man vor uns zu hehlen nöthig achtet?

Wallenstein.
Wohl wählte sich der Kanzler seinen Mann,
Er hätt' mir keinen zähern schicken können.
    (Aufstehend.)
Besinnt Euch eines Bessern, Gustav Wrangel.
Von Prag nichts mehr.

Wrangel.                           Hier endigt meine Vollmacht.

Wallenstein.
Euch meine Hauptstadt räumen! Lieber tret' ich
Zurück – zu meinem Kaiser.

Wrangel.                                     Wenn's noch Zeit ist.

Wallenstein.
Das steht bei mir, noch jetzt, zu jeder Stunde.

Wrangel.
Vielleicht vor wenig Tagen noch. Heut nicht mehr.
– Seit der Sesin gefangen sitzt, nicht mehr.
    (Wie Wallenstein betroffen schweigt.)
Herr Fürst! wir glauben, daß Sie's ehrlich meinen;
Seit gestern sind wir deß gewiß – Und nun
Dies Blatt uns für die Truppen bürgt, ist nichts,
Was dem Vertrauen noch im Wege stünde.
Prag soll uns nicht entzweien. Mein Herr Kanzler
Begnügt sich mit der Altstadt, Euer Gnaden
Läßt er den Ratschin und die kleine Seite.
Doch Eger muß vor Allem sich uns öffnen,
Eh an Conjunction zu denken ist.

Wallenstein.
Euch also soll ich trauen, ihr nicht mir?
Ich will den Vorschlag in Erwägung ziehn.

Wrangel.
In keine gar zu lange, muß ich bitten.
Ins zweite Jahr schon schleicht die Unterhandlung;
Erfolgt auch diesmal nichts, so will der Kanzler
Auf immer sie für abgebrochen halten.

Wallenstein.
Ihr drängt mich sehr. Ein solcher Schritt will wohl
Bedacht sein.

Wrangel.               Eh man überhaupt dran denkt,
Herr Fürst! Durch rasche That nur kann er glücken.
    (Er geht ab.)


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