Friedrich Schiller
Wallenstein
Friedrich Schiller

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Sechster Auftritt.

Wallenstein. Terzky und Illo kommen zurück.

Illo.
Ist's richtig?

Terzky.               Seid ihr einig?

Illo.                                             Dieser Schwede
Ging ganz zufrieden fort. Ja, ihr seid einig.

Wallenstein.
Hört! Noch ist nichts geschehn, und – wohl erwogen,
Ich will es lieber doch nicht thun.

Terzky.                                             Wie? Was ist das?

Wallenstein.
Von dieser Schweden Gnade leben,
Der Uebermüthigen? Ich trüg' es nicht.

Illo.
Kommst du als Flüchtling, ihre Hilf' erbettelnd?
Du bringest ihnen mehr, als du empfängst.

Wallenstein.
Wie war's mit jenem königlichen Bourbon,
Der seines Volkes Feinde sich verkaufte
Und Wunden schlug dem eignen Vaterland?
Fluch war sein Lohn, der Menschen Abscheu rächte
Die unnatürlich frevelhafte That.

Illo.
Ist das dein Fall?

Wallenstein               Die Treue, sag' ich euch,
Ist jedem Menschen, wie der nächste Blutsfreund,
Als ihren Rächer fühlt er sich geboren.
Der Secten Feindschaft, der Parteien Wuth,
Der alte Neid, die Eifersucht macht Friede,
Was noch so wüthend ringt, sich zu zerstören,
Verträgt, vergleicht sich, den gemeinen Feind
Der Menschlichkeit, das wilde Thier zu jagen,
Das mordend einbricht in die sichre Hürde,
Worin der Mensch geborgen wohnt – denn ganz
Kann ihn die eigne Klugheit nicht beschirmen.
Nur an die Stirne setzt' ihm die Natur
Das Licht der Augen, fromme Treue soll
Den bloßgegebnen Rücken ihm beschützen.

Terzky.
Denk' von dir selbst nicht schlimmer, als der Feind,
Der zu der That die Hände freudig bietet.
So zärtlich dachte jener Karl auch nicht,
Der Oehm und Ahnherr dieses Kaiserhauses,
Der nahm den Bourbon auf mit offnen Armen,
Denn nur vom Nutzen wird die Welt regiert.

Siebenter Auftritt.

Gräfin Terzky zu den Vorigen.

Wallenstein.
Wer ruft Euch? Hier ist kein Geschäft für Weiber.

Gräfin.
Ich komme, meinen Glückwunsch abzulegen.
– Komm' ich zu früh etwa? Ich will nicht hoffen.

Wallenstein.
Gebrauch' dein Ansehn, Terzky. Heiß sie gehn.

Gräfin.
Ich gab den Böhmen einen König schon.

Wallenstein.
Er war danach.

Gräfin (zu den Andern). Nun, woran liegt es? Sprecht!

Terzky.
Der Herzog will nicht.

Gräfin.                             Will nicht, was er muß?

Illo.
An Euch ist's jetzt. Versucht's, denn ich bin fertig,
Spricht man von Treue mir und von Gewissen.

Gräfin.
Wie? da noch Alles lag in weiter Ferne,
Der Weg sich noch unendlich vor dir dehnte,
Da hattest du Entschluß und Muth – und jetzt,
Da aus dem Traume Wahrheit werden will,
Da die Vollbringung nahe, der Erfolg
Versichert ist, da fängst du an zu zagen?
Nur in Entwürfen bist du tapfer, feig
In Thaten? Gut! Gibt deinen Feinden Recht!
Da eben ist es, wo sie dich erwarten.
Den Vorsatz glauben sie dir gern; sie sicher,
Daß sie's mit Brief und Siegel dir belegen!
Doch an die Möglichkeit der That glaubt Keiner,
Da müßten sie dich fürchten und dich achten.
Ist's möglich? Da du so weit bist gegangen,
Da man das Schlimmste weiß, da dir die That
Schon als begangen zugerechnet wird,
Willst du zurückziehn und die Frucht verlieren?
Entworfen bloß, ist's ein gemeiner Frevel,
Vollführt, ist's ein unsterblich Unternehmen;
Und wenn es glückt, so ist es auch verziehn,
Denn aller Ausgang ist ein Gottes Urthel.

Kammerdiener (tritt herein).
Der Oberst Piccolomini.

Gräfin (schnell).                       Soll warten.

Wallenstein.
Ich kann ihn jetzt nicht sehn. Ein andermal.

Kammerdiener.
Nur um zwei Augenblicke bittet er,
Er hab' ein dringendes Geschäft –

Wallenstein.
Wer weiß, was er uns bringt. Ich will doch hören.

Gräfin (lacht).
Wohl mag's ihm dringend sein. Du kannst's erwarten.

Wallenstein.
Was ist's?

Gräfin.             Du sollst es nachher wissen.
Jetzt denke dran, den Wrangel abzufert'gen.

(Kammerdiener geht.)

Wallenstein.
Wenn eine Wahl noch wäre – noch ein milderer
Ausweg sich fände – jetzt noch will ich ihn
Erwählen und das Aeußerste vermeiden.

Gräfin.
Verlangst du weiter nichts, ein solcher Weg
Liegt nah vor dir. Schick' diesen Wrangel fort!
Vergiß die alten Hoffnungen, wirf dein
Vergangnes Leben weg, entschließe dich
Ein neues anzufangen. Auch die Tugend
Hat ihre Helden, wie der Ruhm, das Glück.
Reis' hin nach Wien zum Kaiser stehndes Fußes,
Nimm eine volle Kasse mit, erklär',
Du hab'st der Diener Treue nur erproben,
Den Schweden bloß zum Besten haben wollen.

Illo.
Auch damit ist's zu spät. Man weiß zu viel.
Er würde nur das Haupt zum Todesblocke tragen.

Gräfin.
Das fürcht' ich nicht. Gesetzlich ihn zu richten,
Fehlt's an Beweisen; Willkür meiden sie.
Man wird den Herzog ruhig lassen ziehn.
Ich seh', wie Alles kommen wird. Der König
Von Ungarn wird erscheinen, und es wird sich
Von selbst verstehen, daß er Herzog geht;
Nicht der Erklärung wird das erst bedürfen.
Der König wird die Truppen lassen schwören,
Und Alles wird in seiner Ordnung bleiben.
An einem Morgen ist der Herzog fort.
Auf seinen Schlössern wird es nun lebendig,
Dort wird er jagen, baun, Gestüte halten,
Sich eine Hofstatt gründen, goldne Schlüssel
Austheilen, gastfrei große Tafel geben,
Und kurz, ein großer König sein – im Kleinen!
Und weil er klug sich zu bescheiden weiß,
Nichts wirklich mehr zu gelten, zu bedeuten,
Läßt man ihn scheinen, was er mag; er wird
Ein großer Prinz bis an sein Ende scheinen.
Ei nun! der Herzog ist dann eben auch
Der neuen Menschen einer, die der Krieg
Emporgebracht, ein übernächtiges
Geschöpf der Hofgunst, die mit gleichem Aufwand
Freiherrn und Fürsten macht.

Wallenstein (steht auf, heftig bewegt).
Zeigt einen Weg mir an aus diesem Drang,
Hilfreiche Mächte! einen solchen zeigt mir,
Den ich vermag zu gehn – Ich kann mich nicht,
Wie so ein Wortheld, so ein Tugendschwätzer,
An meinem Willen wärmen und Gedanken –
Nicht zu dem Glück, das mir den Rücken kehrt,
Großthuend sagen: Geh! ich brauch dich nicht!
Wenn ich nicht wirke mehr, bin ich vernichtet.
Nicht Opfer, nicht Gefahren will ich scheun,
Den letzten Schritt, den äußersten, zu meiden;
Doch eh ich sinke in die Nichtigkeit,
So klein aufhöre, der so groß begonnen,
Eh mich die Welt mit jenen Elenden
Verwechselt, die der Tag erschafft und stürzt,
Eh spreche Welt und Nachwelt meinen Namen
Mit Abscheu aus, und Friedland sei die Losung
Für jede fluchenswerthe That.

Gräfin.
Was ist denn hier so wider die Natur?
Ich kann' nicht finden, sage mir's – o, laß
Des Aberglaubens nächtliche Gespenster
Nicht deines hellen Geistes Meister werden!
Du bist des Hochverraths verklagt; ob mit,
– Ob ohne Recht, ist jetzo nicht die Frage –
Du bist verloren, wenn du dich nicht schnell der Macht
Bedienst, die du besitzest – Ei! wo lebt denn
Das friedsame Geschöpf, das seines Lebens
Sich nicht mit allen Lebenskräften wehrt?
Was ist so kühn, das Nothwehr nicht entschuldigt?

Wallenstein.
Einst war mir dieser Ferdinand so huldreich;
Er liebte mich, er hielt mich werth, ich stand
Der Nächste seinem Herzen. Welchen Fürsten
Hat er geehrt, wie mich – Und so zu enden!

Gräfin.
So treu bewahrst du jede kleine Gunst,
Und für die Kränkung hast du kein Gedächtniß?
Muß ich dich dran erinnern, wie man dir
Zu Regensburg die treuen Dienste lohnte?
Du hattest jeden Stand im Reich beleidigt;
Ihn groß zu machen, hattest du den Haß;
Den Fluch der ganzen Welt auf dich geladen;
Im ganzen Deutschland lebte dir kein Freund,
Weil du allein gelebt für deinen Kaiser.
An ihn bloß hieltest du bei jenem Sturme
Dich fest, der auf dem Regensburger Tag
Sich gegen dich zusammenzog – Da ließ er
Dich fallen! ließ dich fallen! dich dem Bayern,
Dem Uebermüthigen, zum Opfer fallen!
Sag' nicht, daß die zurückgegebne Würde
Das erste, schwere Unrecht ausgesöhnt.
Nicht wahrlich guter Wille stellte dich,
Dich stellte das Gesetz der herben Noth
An diesen Platz, den man dir gern verweigert.

Wallenstein.
Nicht ihrem guten Willen, das ist wahr!
Noch seiner Neigung dank' ich dieses Amt.
Mißbrauch' ich's, so mißbraucht' ich kein Vertrauen.

Gräfin.
Vertrauen? Neigung? – Man bedurfte deiner!
Die ungestüme Presserin, die Noth,
Der nicht mit hohlen Namen, Figuranten
Gedient ist, die die That will, nicht das Zeichen,
Den Größten immer aufsucht und den Besten,
Ihn an das Ruder stellt, und müßte sie ihn
Aufgreifen aus dem Pöbel selbst – die setzte dich
In dieses Amt und schrieb dir die Bestallung.
Denn lange, bis es nicht mehr kann, behilft
Sich dies Geschlecht mit feilen Sklavenseelen
Und mit den Drahtmaschinen seiner Kunst –
Doch wenn das Aeußerste ihm nahe tritt,
Der hohle Schein es nicht mehr thut, da fällt
Es in die starken Hände der Natur,
Des Riesengeistes, der nur sich gehorcht,
Nichts von Verträgen weiß und nur auf ihre
Bedingung, nicht auf seine, mit ihm handelt.

Wallenstein.
Wahr ist's! Sie sahn mich immer, wie ich bin,
Ich hab' sie in dem Kaufe nicht betrogen,
Denn nie hielt ich's der Mühe werth, die kühn
Umgreifende Gemüthsart zu verbergen.

Gräfin.
Vielmehr – du hast dich furchtbar stets gezeigt.
Nicht du, der stets sich selber treu geblieben,
Die haben Unrecht, dir dich fürchteten,
Und doch die Macht dir in die Hände gaben.
Denn Recht hat jeder eigene Charakter,
Der übereinstimmt mit sich selbst; es gibt
Kein andres Unrecht, als den Widerspruch.
Warst du ein Andrer, als du vor acht Jahren
Mit Feuer und Schwert durch Deutschlands Kreise zogst,
Die Geißel schwangest über alle Länder,
Hohn sprachest allen Ordnungen des Reichs,
Der Stärke fürchterliches Recht nur übtest
Und jede Landeshoheit niedertratst,
Um deines Sultans Herrschaft auszubreiten?
Da war es Zeit, den stolzen Willen dir
Zu brechen, dich zur Ordnung zu verweisen!
Doch wohl gefiel dem Kaiser, was ihm nützte,
Und schweigend drückt' er diesen Frevelthaten
Sein kaiserliches Siegel auf. Was damals
Gerecht war, weil du's für ihn thatst, ist's heute
Auf einmal schändlich, weil es gegen ihn
Gerichtet wird?

Wallenstein (aufstehend).
                        Von dieser Seite sah ich's nie – Ja! Dem
Ist wirklich so. Es übte dieser Kaiser
Durch meinen Arm im Reiche Thaten aus,
Die nach der Ordnung nie geschehen sollten.
Und selbst den Fürstenmantel, den ich trage,
Verdank' ich Diensten, die Verbrechen sind.

Gräfin.
Gestehe denn, daß zwischen dir und ihm
Die Rede nicht kann sein von Pflicht und Recht,
Nur von der Macht und der Gelegenheit!
Der Augenblick ist da, wo du die Summe
Der großen Lebensrechnung ziehen sollst,
Die Zeichen stehen sieghaft über dir,
Glück winken die Planeten dir herunter
Und rufen: Es ist an der Zeit! Hast du
Dein Lebenlang umsonst der Sterne Lauf
Gemessen? – den Quadranten und den Zirkel
Geführt? – den Zodiak, die Himmelskugel
Auf diesen Wänden nachgeahmt, um dich herum
Gestellt in stummen, ahnungsvollen Zeichen
Die sieben Herrscher des Geschicks,
Nur um ein eitles Spiel damit zu treiben?
Führt alle diese Zurüstung zu nichts,
Und ist kein Mark in dieser hohlen Kunst,
Daß sie dir selbst nichts gilt, nichts über dich
Vermag im Augenblicke der Entscheidung?

Wallenstein (ist während dieser letzten Rede mit heftig arbeitendem
    Gemüth auf- und abgegangen und steht jetzt plötzlich still, die
    Gräfin unterbrechend).

Ruft mir den Wrangel, und es sollen gleich
Drei Boten satteln.

Illo.                               Nun, gelobt sei Gott!
    (Eilt hinaus.)

Wallenstein.
Es ist sein böser Geist und meiner. Ihn
Straft er durch mich, das Werkzeug seiner Herrschsucht,
Und ich erwart' es, daß der Rache Stahl
Auch schon für meine Brust geschliffen ist.
Nicht hoffe, wer des Drachen Zähne sä't,
Erfreuliches zu ernten. Jede Unthat
Trägt ihren eignen Rache-Engel schon,
Die böse Hoffnung, unter ihrem Herzen.
    Er kann mir nicht mehr traun, – so kann ich auch
Nicht mehr zurück. Geschehe denn, was muß.
Recht stets behält das Schicksal, denn das Herz
In uns ist sein gebietrischer Vollzieher.
    (Zu Terzky.)
Bring mir den Wrangel in mein Kabinet,
Die Boten will ich selber sprechen. Schickt
Nach dem Octavio!
    (Zu der Gräfin, welche eine triumphierende Miene macht.)
                                Frohlocke nicht!
Denn eifersüchtig sind des Schicksals Mächte.
Voreilig Jauchzen greift in ihre Rechte.
Den Samen legen wir in ihre Hände,
Ob Glück, ob Unglück aufgeht, lehrt das Ende.

(Indem er abgeht, fällt der Vorhang.)


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