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Über Stil im Schreiben

Stil ist Einheit des Gesetzmässigen. Das Gesetzmässige aber entspricht einem Innerlichen, das sich, wie die Seele, nicht irgendwo fassen und halten lässt, sondern sich nur bestätigt als wirklich, als ein Ens, – wobei auch der Hinweis auf das schon im Sprachlichen sich kennzeichnende »Innen«tum des »Ens« nicht versäumt werden soll. Stil ist sich bestätigendes Gesetz. Was am Stillosen beunruhigt, peinigt, ist das unbegründet Willkürliche, das Zusammenhang-, gleichsam Kern- und Keimlose, das ist Grundlose des irgendwo Beginnenden, irgendwo Endenden. Stil endigt nicht, Stil ist in sich selbst beschlossen. Stil ist nicht Ausdruck für irgend etwas, sondern Äusserung, die nur Eindruck ist.

Stil ist auch nicht Persönlichkeit. Persönlichkeit muss sich im Stil äussern. Stil ist nicht denkbar ohne Persönlichkeit. Aber Stil ist nicht ein Schlüssel zu irgendeinem bestimmten Schlüsselloch. Es gibt persönlichen Stil. Aber das Wesentliche des Stils ist nicht die Persönlichkeit. Sie ist nur seine Farbe. Wie die Farben der Fontaine lumineuse zwar das Wasser zeigen, aber nicht das Wasser sind. Stil ist Wasser, das Elementare des Wassers, nicht seine so oder so durch Röhren geleitete und sich in einer Form flüchtig zeigende Gegenwart, sondern sein Sein. Es ist Stil denkbar auch im Dunkeln, auch verschlossen, noch nicht aus der Röhre in die Form fliessend. Eines ist sicher: Stil erscheint nur in der Form. Stil ist wohl immer da, sobald er nur möglich ist; aber wenn er wirklich wird, erscheint, ist er auch bloss Form, und wenn man will, auch Farbe. Denn ohne Farbe – das ist Licht – wäre er gar nicht sichtbar. Aber »denkbar« ist Stil auch im Chaos des Elementaren, in seinem eignen Dunkel, »über sich allein«.

Das Geheimnis des Stils ist Selbstverständlichkeit. Alles Selbstverständliche hat, erscheinend, Form. Denn Form ist nichts als gesetzmässige Äusserung, Aus-sich-selbst-Herauskommen. Aus »sich«, das heisst aus dem mathematischen Mittelpunkt, der aller Wirklichkeit Träger, Anfang und Ende ist, das ist ebenso Anfangs- und Endlosigkeit.

Stil ist Unendlichkeit im Durchgang durch die Form. Und da wir nur die Form erfassen, das Unendliche bloss fühlen (wissen, dass es da sei), so ist Stil etwas sich selbst immer wieder Formendes, sich selbst Verwirklichendes. Ja, Stil verwirklicht sich immer wieder selbst, wie Wasser sich immer wieder selbst verwirklicht und eigentlich nur in seiner Idee wahrhaftig – transzendental – existiert. Stil ist die einzig gerechte Art der Verwirklichung des Gesetzes. Es gibt keinen annähernden Stil. Stil ist vollkommen. Es gibt kein Beinahe. Vom Beinahe leben die Literaten. Es ist das Verächtliche an Literaten, dass sie immer nur beinahe, eben noch und schon vorbei sind, nie wirklich im Sinne der Sicherheit. Ich möchte es so ausdrücken: Stil ist seiner so gewiss, dass er sich nicht erst zu manifestieren braucht. Wie Wasser, das auch nicht erst aufgegraben und in Röhren geleitet werden muss, um da zu sein. Wo Wasser ist, noch so verborgen, ist Wasserfühlenden gewiss. Wo Stil ist, ist Stilempfindenden gewiss. Äusserung ist eigentlich schon eine Demonstration. Ganz grosser Stil verschmäht sogar, entdeckt zu werden. Er beruht in sich, wie Gott in sich beruht und es verschmäht, entdeckt zu werden. Freilich, wer Gott hat, weiss nichts mehr davon, dass er ihn einmal entdeckt hat.

Stil im Schreiben. Ich fasse es kaum, was heute überhaupt als Stil gilt. Fast alles, was heute, zumal im Deutschen, geschrieben wird, ist stillos. Wie Adam nach dem Sündenfall um das Beste gebracht war, was ihm Gott gegeben hatte, die Unbewusstheit. Alles, was heute sogenannten Urteilern Stil dünkt, ist armseliges Surrogat, Versuch. Stil ist nie Versuch, sondern Sicherheit. Stil ist nicht etwa bloss Naivität, Gegenwart. Er ist die Gnadenwirkung der Ahnung.


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