Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
So etwas hatten die draußen Harrenden noch nie gesehen. Wenn einer der bisher üblichen Luftballons von den ihn am Erdboden haltenden Mannschaften freigegeben war, stieg er – so las man nachher im Reporterstil in den Zeitungen – wie ein Pfeil in die Luft. O, jämmerliche Übertreibung! Ihrer wurde sich erst bewußt, wer jetzt die Auffahrt der »Pax« mitbeobachtete.
Langsam schob sich der massive Körper des Luftschiffes aus den oberen Konturen des Schlosses heraus, stieg bis auf die doppelte Höhe der Kuppel und von dort – das erschreckte Auge vermochte kaum zu folgen – flog, nein, schoß er so schnell in die Höhe, daß nur ein senkrechter, schattenhafter Strich nach den Wolken zu sehen war. Immer schwächer, immer feiner, bis er sich zuletzt wieder zu einem Punkte verdichtete; einem Punkte, der nach Augenblickes Dauer, die er dem angestrengten Blicke gestattete, auf ihm zu ruhen, nach Westen zu den Äther durchfurchte.
»Was war das?« fragte jeder. »War's eine Flucht?« – Fritz Rusart umkränzte die Borde der »Pax« mit Posten. In doppelter Stärke am Bug. Er behielt die erstiegene Höhe von fünftausend Metern bei. Sie gab ihm einen Gesichtskreis, dessen Radius 260 Kilometer betrug, dessen Peripherie also über Lübeck und Rügen, im Osten über Breslau, im Süden über Prag und Hof in Bayern lief, um sich über Eisenach, Hannover, Hamburg zu schließen.
Und Fritz Rusart stellte eine für alle Zukunft wichtige Tatsache fest: Ob es Freund oder Feind war, den man später im Luftmeer würde suchen wollen, man würde, um ihn überhaupt erst zu sichten, niemals eine bedeutende Höhe einnehmen dürfen.
Der in der Theorie so verführerische Gedanke, durch Erweiterung des Horizontes einen möglichst großen Raum mit dem Fernrohr zu beherrschen, hielt vor der unerbittlichen Praxis nicht stand. Das erste Erfordernis, das zum Finden eines Gegenstandes erfüllt werden muß, ist, daß er sich von seiner Umgebung abzeichnet. Nun steigt der Flächenhorizont genau so hoch wie sein Beobachter. Der Rand des Sichtkreises, den Fritz Rusart beherrschte, war, wie sein eigener Standpunkt, überall fünftausend Meter hoch.
Das sächsische Erzgebirge war nicht im stande, die im Rohr verhältnismäßig deutlich erkennbaren Türme von Prag zu verdecken, und der breite Streifen der Ostsee, der noch hinter der kreidigen Masse Rügens erschien, hatte in der Horizonthöhe keinen ausfälligen Unterschied mit dem Inselsberge in Thüringen. Der Harz verdrängte den geraden Verlauf der Rundsicht nur in lahmen Linien.
Vorausgesetzt, daß der »Robur« sich noch in diesem ungeheuren Kessel befand, – denn etwas anderes war es nicht, als ein Kessel von 520 Kilometer Durchmesser, dessen Innenwände in den verschiedenartigsten, verwirrenden Schattierungen schimmerten, und dessen hochgehende Ränder einen matten verschleierten Übergang zum Luftmeer zeigten, – war das Finden bei der Kleinheit des Objektes nur Sache eines außerordentlich glücklichen Zufalles. Groß-Berlin zeigte sich beispielsweise nur als wenig bemerkbare zerfaserte Stelle in diesem Farbenteppich.
Und der »Robur« mußte in ihm vollständig verschwinden.
Etwas anderes war es, wenn sich das geraubte Fahrzeug in einer gleichen oder wesentlich höheren Luftschicht befand als der Suchende. Dann war nicht mehr die Umgebung oder der Hintergrund, sondern das Unzulängliche der Sicht- oder Vergrößerungsmittel ein Hindernis oder eine besondere Erschwerung.
So würde man in gleichen Fällen für alle Zukunft auf das Peinlichste damit rechnen müssen, daß der Erdhorizont durch die Höhe, der Lufthorizont durch die Tiefe bestimmt wurde. Und bei Aufklärungsfahrten, die allem galten, was sich in der Luft befand, würde ein für alle Male das Operationsfeld tiefer als das Sichtfeld liegen müssen. – Ohne daß man zum Haften an der Erdfläche verdammt wäre, würde es Sache eines strategischen Gefühles sein, den passendsten Schwimmpunkt zu wählen. Aber immer in der Tiefe!
Fritz Rusart strich sich über die Stirn. Die Schweißtropfen standen ihm in Perlen bis herab zu den Augenbrauen. Ein wehes Gefühl stieg in ihm auf. Was war seinem lieben Kameraden passiert?
Nun, wo man jeden Tag sicherer wurde, wo endlich die Stunde nahte, in der er das schmerzhafte Gefühl los werden konnte, daß sich ein braver Mann immer zu seinem Schutze vorschob und jeden Angriff bewußt auf sich lenkte, ein Gefühl, das ihm innerliche Opfer auferlegte so schwerer Natur, daß er sich nur der großen Sache wegen hatte bezwingen können, sie zu bringen, – nun war man durch einen Halunkenstreich Herr über jenen geworden. – Nutzen konnte es den anderen gar nichts. – Denn obwohl Schwind in jeder Ausdehnung Wissender war, – sagen würde er ihnen doch nichts. – Aber wie würde man ihm mitspielen! –
Fritz Rusart ballte die Faust. Und ohne daß er sich ein Bild des hinterlistigen Handstreiches machen konnte, dämmerte in ihm eine Ahnung auf, als ob der deutsche Kaiser recht haben könnte! Wer weiß, ob nicht Hamburg schon zur Arena ausersehen gewesen war.
Er trat vom Bordrand zurück und befahl, die »Pax« langsam auf tausend Meter zu senken. Er hatte es für praktischer gehalten, kein Glas zu benutzen. Das freie Auge drang nicht entfernt so weit, wie das Rohr; es konnte aber, was im ganzen Gesichtskreise lag, besser übersehen. Und das Herumschweifen war leichter als das Verschieben der umrandeten Linsen.
Das Lotvisier ergab Briest, an den Havelseen; und bei der schräg abwärts gehenden Fahrt senkte sich die »Pax« nach dem südlich von Genthin gelegenen Fiehner Bruch. Fritz Rusart hatte seine Leute von dem Schicksal des »Robur« in Kenntnis gesetzt, und aus jedem Auge hatte ihm unverhüllte Wut über den Streich entgegengeblitzt.
Der Mann an der vordersten Spitze hielt die Faust hoch und schrie: »Hierher! – Ich glaube …«
Alle Rohre richteten sich nach seinem Fingerzeige. Fritz Rusart hob das lange Glas auch vor das Auge. Aber in seinem Gesichtsfelde tanzten grüne Flecke, wie Wälder, und braunschattierte, wie Weideflächen, durcheinander. Dazwischen ein zuckender Blitz, wie Sonnenstrahlen, die von Kirchenfenstern zurückgeworfen werden, oder gelbe Streifen, Chausseen, die das Gelände durchzogen.
Er mußte das Glas sinken lassen. Sein Arm zitterte zu sehr.
»Ich schätze fünfzig Kilometer von hier!« sagte der Mann. »Wie hoch sind wir, Herr?«
»3400 Meter!« klang Frau Franziskas Stimme aus der Kommandokammer.
Die übrigen hatten den Punkt auch fixiert.
»Wenn der Herr noch sinken lassen wollte!« sagte einer. Die scharf geübte und gern gehaltene Disziplin ließ die Leute ihre Wünsche, trotzdem sie von der Empörung getragen wurden, nur zaghaft aussprechen.
»Wir sinken schon!« antwortete Fritz Rusart mit zusammengebissenen Zähnen. »Ohne Fahrt!« schrie er dann hinüber nach der Kommandokammer.
Die Propellerflügel standen still. Das Vibrieren hörte auf. Die »Pax« fiel nur noch.
»Woran wollen Sie es erkannt haben?« fragte Fritz Rusart den Posten.
»Alles sank, Herr! – Mit uns! – Die ganze Landschaft. Nur der Punkt blieb stehen. – Ich will mal einstellen!« Er schob ein Stativ vor und klemmte das ausgeschobene Rohr hinein. »Wenn er's gewesen ist, finde ich ihn auch wieder!«
Nach einer Weile richtete er sich auf. »Hier ist er! Er schiebt sich durch die Linse hoch. Weil wir sinken!«
Fritz Rusart sah hindurch. Dann trat er zurück. Ein tiefer Atemzug hob seine Brust. »Wir haben ihn!« Er löste die Klemmen und sah außen am Rohr entlang, um sich die Richtung einzuprägen. »Er schwimmt unter dem Horizont, also tiefer als 3000 Meter! – Sichten Sie weiter!«
Und rückwärtsgehend, immer den Visierpunkt im Auge behaltend, trat er außen an die Kommandokammer. »Backbord – achtel Kraft!« Die »Pax« drehte langsam nach Steuerbord. »Halt! Kurs einstellen! Wie hoch?«
»2730 Meter!«
»Volle Kraft vorwärts!«
Die großen Flügel wurden unsichtbar und das feine Zittern ging wieder durch die »Pax«. Die Luft fing an zu pfeifen; bald ging das Pfeifen in ein Heulen über.
»Verstehen kann ich es nicht, – wenn nicht etwas in Unordnung ist!« sagte Frau Franziska leise. »Sie konnten doch fast die Nordsee erreicht haben!«
»Um so besser!« erwiderte Fritz Rusart.
»Aber Schwind!«
»Ja – Attila! – Unser Attila! – Wir sind ja bald heran!«
Nach zwanzig Minuten war der »Robur« mit bloßen Augen zu sichten. In einer Entfernung von drei Kilometern hing er in gleicher Höhe mit der »Pax« in der Luft.
»Wie ein toter Klotz!« sagte Fritz Rusart. »Langsam auf dreihundert Meter heran! – Fünfzig Meter höher als er! Keine Stirn über Bord!«
Alles ließ sich sofort auf den Beobachtungsplätzen nieder. »Die Breitseite hin!«
Das Kommando wurde ausgeführt und der »Robur« in die Spiegel der einen ganzen Seite eingestellt.
»Da ist Attila!« rief Fritz Rusart. »Er läuft frei herum! Wenigstens das erst!« er atmete auf. »Und eine Dame neben ihm! Näher heran!« kommandierte er zurück. »Mit Steuerbordschwenkung! – Halt!«
Nun waren die Fahrzeuge nur noch hundert Meter voneinander entfernt. Fritz Rusart schob das Sprachrohr über Bord. »Robur« – Havarie??«
Niemand antwortete. Nur über Attilas Gesicht sah man ein Lächeln fliegen.
Fritz Rusart zog sich zurück. Wer waren diese Kerle? Und wieviel? Von der eigenen Mannschaft war nichts zu sehen. Selbst von Witt nicht! Eine Antwort gaben sie auch nicht. »Wir wollen es anders versuchen.« Er wandte sich nach der Kommandokammer. »Fünf Längen vorwärts. – Genau über den ›Robur‹!«
Kaum war der Befehl ausgeführt, »Lotvisier?«
»Freies Gelände. Viehherden. Und Elbe!« klang es bald zurück.
»Genau!«
»Sumpfiger Abstieg zur Elbe!«
»Höhe?«
»1850 Meter!«
Fritz Rusarts Gesicht sah steinhart aus. Er ließ ein Zentnergewicht auf die Bordkante setzen, schob das Lotvisier heran und visierte. Dann richtete er sich aus. »Nur überkippen! Los!«
Das Gewicht fiel hinunter und krachte gegen die ins Visier gestellte Propellerachse. Zerschmettert schoß sie mit den vier großen Flügeln in die Tiefe.
»Wohin?«
Die Rohre waren nach unten gerichtet. »Verschwunden! Gurgelnder Sumpf. Man sieht noch Blasen steigen!«
Auf dem »Robur« hatte man die viel höher schwimmende »Pax« schon lange gesichtet. Den Engländern war die Erscheinung unheimlich gewesen. Und sie hatten instinktiv nach ihren Waffen, den Messern und Revolvern gefühlt.
Der Anführer war zu Attila getreten. In seinem Benehmen lag noch die volle Ehrerbietung, durch seinen Ton klang schon eine gewisse Gereiztheit. »Jenes Schiff gehört auch Ihnen. Und gehorcht Ihrem Befehle. Was haben wir davon zu erwarten?«
Attila sah bei ihm vorbei in die Luft. Er trug ein großes Schuldgefühl im Herzen, aber er war doch glücklich. Der andere war nahe. Die ehrliche Aufklärung – und – –
Der Führer ließ nicht locker. »Ich möchte nicht gern anders handeln, Herr, als ich bis jetzt getan habe. Aber ich bitte Sie auch, daran zu denken, daß wir nicht zur Notwehr gezwungen werden dürfen. Ein Wort von Ihnen genügt, um jenes Schiff, das dort kommt, Freund oder Feind werden zu lassen. – Und ich wiederhole nochmals: Von uns droht Ihnen keine Gefahr. Und ich glaube auch, Sie werden selbst die Sachlage richtig übersehen: Sie sind zu wichtig, um nicht unverletzlich zu sein. Und einmal im gastfreien England sind Sie freier als der Freieste, und werden mit allen Ehren überschüttet, wenn Sie Englands sein lassen, was zweifellos Englands ist, den Vormarsch durch Ihre Erfindung.«
Attila schritt an ihm vorüber und sah mit einem frohen Scheine in den Augen nach der »Pax«.
Der Engländer ließ noch nicht ab von ihm. »So sagen Sie uns wenigstens, Herr, was Sie vorhaben! Wenn Sie uns ohne jede Antwort lassen, müssen wir annehmen, daß Sie jenes Boot als Waffe gegen uns benutzen werden!«
Da schallte der fragende Ruf herüber: »Robur – Havarie?« Die Engländer steckten die Köpfe zusammen. Sie konnten nicht recht zu einem Entschlusse kommen. Wie sollten sie antworten, wenn jener es nicht tat! Jedenfalls faßten sie die feste Absicht, unter keinen Umständen auch nur einen einzigen Mann von jenem Schiffe auf das eigene herüberzulassen.
Shermon konnte es noch immer nicht aufgeben, an den Hebeln herumzuprobieren. Er ging sogar weiter. Er löste die schweren, hinter den Hebeln liegenden Verschalungen. Vielleicht! – Es konnte ja sein! – Und manchmal liegt's beider größten Maschine an einem kleinen Fehler. Aber als er das Gewirr von Drähten, Stiften und Schaltern sah, entsank ihm alle Zuversicht.
»Verdammt! – Das andere Boot hängt über unserm Schädel!« Der Führer schrie es zu ihm herein.
Shermon sprang zu den anderen. Unheimlicher Anblick, der sich ihm bot. Man war auf dem eigenen Schiffe nicht einmal Herr und nicht einmal zu Haus, und nun legte sich einem gar noch das zweite auf das Genick. Wieviel mochten drauf fein? – Und ob sie Waffen hatten? – Natürlich hatten sie Waffen! Und konnten schlimmstenfalles von dort oben mit ihren Knallbüchsen die unten wegputzen wie Spatzen!
Es stieg ein anderer Geist in den Engländern hoch. »Nach England soll er, so oder so! – und das Schiff auch! Dicht vorm Ziel – – Nun erst recht!«
Ohne diesen Entschluß besonders auszusprechen, machten sie sich insgesamt auf den Weg hinüber zu Attila.
Neben diesem stand Brigitte. Sie hatte seinen Arm umklammert. »Sag – du Liebster, was jetzt? Nun wird es alles noch gut!«
»Ja – meine Brigitte! Ja! Er ist ja da!« Aus jedem Worte sprach ein unerschütterliches Vertrauen. »Und so mag meine Schuld noch einmal an mir vorübergehen.« Er drückte ihren Arm an sich. »Sieh, jetzt kommen sie wieder! – Diese Bande! – Sie sollen bald das Reden verlernen!«
Die Engländer traten heran. Es lag schon ein unsicheres Drängen in den Männern. Einer schob den andern.
»Herr – –«
Attila wehrte kalt ab. »Erst nehmen Sie meinen Leuten die Fesseln ab!« Er wußte, daß das, wenn je, jetzt abgelehnt werden würde.
Aber ehe noch der Führer Zeit hatte zu antworten, erhielt der »Robur« einen Stoß, der durch das ganze Schiff zitterte. Und als sich alles erschreckt nach jener Seite wandte, sah man nur, daß ein ganzer Propellerantrieb verschwunden war und daß die eine Hälfte des zerschmetterten Achsenlagers lahm innenbords hing.
Attila sandte einen grüßenden Blick nach oben. »Nötig wäre das ja nicht gewesen. Aber das konntest du nicht wissen, mein Kamerad; und es war ein Beweis deiner überlegenen Kraft! – Und die Erlösung!«
Shermon sprang bei dem krachenden Ton zurück. »Eins gibt's bloß. – Rauf oder runter! – Herr! Wollen Sie jetzt denen da Befehl geben, daß sie uns zufrieden lassen?« Seine Geberde war drohend und sein Auge wild.
Der Führer riß ihn zurück. Unter keinen Umständen, mochte es gehen wie es gehe, mochte kommen, was da wollte, durfte der Erfinder angetastet werden. Dafür mußte er seinen hohen Auftraggebern aufkommen. Und seinem Vaterlande!
»So gehen wir erst mal zu Boden!« schrie Shermon und wollte nach der Kommandokammer springen. »Das können wir noch machen! Wie sollen wir uns denn hier oben wehren?! Runter nach der Erde!«
Der Führer vertrat ihm wieder den Weg. »Nicht diesen Ton, Shermon! – Der Herr hat noch nicht gesprochen!«
Er wandte sich an Attila. Da – dasselbe Krachen und Splittern! – Die zweite Achse an der gleichen Bordseite war verschwunden. Dafür sah man aber an Bug und Heck des oberen Schiffes je eine große Schleife aus Stahldrahttau schaukeln, die, den »Robur« umfassend, sich unter seinem Kiel festsetzte und sofort straff gezogen wurde. Das Experiment ging so schnell vor sich, daß selbst Shermon mit seinem Warnrufe: »Er hängt uns ein!« zu spät kam.
Als er nun nach den Hebeln sprang, schob sich oben in der »Pax« eine Klappe zurück. Einer von Fritz Rusarts Leuten schrie: »Zurück oder ich schieße!« und gleich darauf brach Shermon von der Kugel ins Knie getroffen zusammen.
Es entstand ein wüster Tumult. Der Führer versuchte mit durchdringendem Kommando das Toben niederzuhalten und die auf Attila und Brigitte Eindringenden zurückzustoßen. Shermon schleppte sich unter Aufbietung aller Willenskraft auf den Hüften liegend und den ganzen Körper mit den Fäusten ziehend in die Hebelkammer, eine blutige Spur auf seinem Wege zurücklassend. Dort schob er den Hebel herum, den »Robur« langsam zum Sinken bringend.
Frei konnte er ihn nicht mehr machen. Das dritte und vierte Stahltau hatte sich schon als Fessel um ihn gelegt. Und die »Pax«, die zwar das Gewicht nicht tragen konnte, aber durch vorsichtig entwickelte Steigkraft Gegenzug ausübte, ging unmerklich langsam mit ihm zu Tal.
Der Mehrzahl der Engländer war klar, daß die einzige Rettung beim Kampfe nur im Ausfechten auf dem Erdboden liegen konnte, – wie auch schlimmstenfalls dort nur eine Flucht möglich war.
Als sich nun aber oben am Unterschiff der »Pax« eine ganze Reihe von Platten zurückschoben, hinter jeder ein verbittertes Gesicht, das über einen blinkenden Gewehrlauf hinwegzielte; als eine schneidende Stimme befahl: »Hände hoch! oder es wird geschossen! Eins – –,« da stürzte der Führer zu Attila.
»Herr,« schrie er, »geben Sie jetzt das Gegenkommando – oder ich stehe für nichts mehr ein!« – Und als bei dem kühlen Lächeln Attilas sich die Fäuste des Führers verzweifelt zu dem Gesichte des Angeschrienen erhoben, da warf sich Brigitte zwischen die beiden und trennte sie in ihrer Todesangst. Und stieß hervor: »Er kann es ja gar nicht! Er ist ja nicht der Erfinder! Nicht der, den Sie meinen! Dort oben ist er! Da kommt er ja doch! – Er ist ja ganz unschuldig!«
Der Mann prallte zurück und sah nach oben. Und sah, wie von oben jemand in einer von Stricken gehaltenen Schale heruntergelassen wurde, jemand, der ebenso aussah wie der hier unten, und der mehr Gewalt zu haben und der der Einzige, der Rechte zu sein schien. Und wie zermalmend legte sich auf ihn das Bewußtsein, hier in fürchterlichstem Umfange genarrt worden zu sein.
Tierisches Lachen gelte über seine Lippen, und sein Gesicht verzerrte sich vor maßloser Wut. Ein Sprung, – und mit weit ausholendem Arm fuhr er mit seinem Messer durch die Luft.
»Fahr hin! – Du verdammtes Gespenst!«
Attila hatte keine Zeit auszuweichen. Die Waffe drang ihm bis ans Heft in die Brust.
Brigitte brach neben ihm zusammen. Von oben knatterten die Schüsse. Es war ein Wanken und Stürzen an Deck. Das Blut lief in zahllosen Rinnen über das geriffelte Eisen.
Wenige Minuten später befand sich Fritz Rusart mit acht Mann seiner »Pax« aus dem »Robur«.
Er stand erschüttert vor Attilas Leiche.
Man hob Brigitte von ihm weg. Sie war auch tot. Aus ihrer Brust sickerte Blut. Und als man die Wunden näher untersuchte, fand man, daß eine der Kugeln, die von der »Pax« abgeschickt waren, Brigitte von den Schultern her durchbohrt und noch ihren Weg in Attilas Brust genommen hatte. Wie ein letzter Herzensgruß.
Brigittes Gesicht sah verzweifelt aus; über Schwinds Zügen lagerte Frieden.