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Einundzwanzigstes Kapitel
Wer ist dir lieber?

Es ging schon dem Abend zu.

Elisa war dabei, den Schimpansen Peter zur Ruhe zu bringen.

Karl stand neben ihr und schaute finster drein.

»Ja, mein Lieber,« fuhr Elisa fort auf ihn einzureden, »du kannst mir nichts vormachen, mir nicht! Eine Schande, wie du die armen Bären behandelst ...«

Karl lachte höhnisch: »Schande! Warum nicht gar! Schande!«

»Gewiß!« beharrte Elisa. »Das ist es auch!« Sie überließ eine Hand dem kleinen Peter, der am Einschlummern diese Hand festhielt und leise spielend daran fingerte. »Das ist es!« bekräftigte Elisa. »Eine Schande! Ich weiß schon, was ich sage ...«

»Na, dann sag' gleich ... ein Verbrechen!« meinte Karl bitter. Er wußte sich im Unrecht und war eben darum nur noch trotziger.

»Wenn du selbst das aussprichst,« gab Elisa zur Antwort, »dann soll's dabei bleiben ... ein Verbrechen!«

»Elisa!« rief er zornig.

»Ssst!« mahnte sie. »Leise. Der Peter will schlafen.«

»Ah, was, der Peter!« murrte Karl.

»Du ... mit deinem ›ah was‹!« Elisa kehrte sich zu ihm. »Du denkst dir auch, ah was, die Bären ...«

»Die Bären,« unterbrach er sie und wurde zornig, »niederträchtige, tückische, boshafte Biester sind das ...«

»So?« Elisa wurde noch erregter. »Und daran, daß sie gefangen sind, denkst du nicht? Daß sie tückisch werden, weil du sie peinigst, das fällt dir nicht ein?«

»Natürlich,« brauste er auf, »natürlich! Alle Schuld hab' ich allein! Natürlich! Und diese Ludern, die infamen, die sind unschuldig, was? Die sind Mählämmchen, nicht wahr?«

Elisa sagte plötzlich ganz sanft: »Niemand behauptet, daß die Bären Mählämmchen sind. Aber, Karl, besinne dich doch! Dir geschieht kein Unrecht ...«

»Nicht?« Karl lachte bitter. »Und das ist vielleicht kein Unrecht, wie du zu mir bist ... he?«

»Ich kann zu dir nicht gut sein,« sprach Elisa ernst, »ich kann nicht, wenn du ...« Ihre Augen schwammen in Tränen.

»Wenn ich diese Kanaillen prügle!« ergänzte Karl. Er war außer sich, faßte sie am Arm und schüttelte sie: »Wer ist dir lieber ... dieses Viehzeug oder ich? Wer?«

»Laß mich los«, bat Elisa.

»Wer ist dir lieber?« tobte Karl.

»Laß mich los«, wiederholte Elisa. »Und hüte dich, daß der Direktor nicht erfährt, wie du ...«

»Der Direktor ...«, spottete Karl, »der kann mir gestohlen werden! Ich frag' jetzt dich! Ich will Antwort haben! Hörst du! Antwort!«

In dieser Sekunde richtete Peter sich auf. Er war beunruhigt, er hatte keinen Schlaf gefunden, er wollte seinen Arm schützend und Schutz suchend um Elisas Schulter legen.

Aber Karl packte ihn und schleuderte ihn wütend auf das Bett zurück: »Gib Ruh!« keuchte er. »Gib Ruh, verdammter Affe!«

Peter überkugelte sich, lag verdutzt und rollte langsam die großen, wehmütig klugen Augen.

Elisa trat dazwischen. »Geh!« befahl sie. Als Karl zögerte, sagte sie noch einmal: »Geh! Das ist meine Antwort!«

In ihrer Stimme war eine solche Entschlossenheit, daß Karl sich auf den Absätzen umdrehte, hinausging und die Türe zuschmetterte.


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