Emilio Salgari
Der algerische Panther
Emilio Salgari

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Aminas Rache

Fünf Minuten später fanden sich der Baron und Eisenkopf in einem feuchten Keller wieder.

Der arme Katalane war ergriffen worden, als er gerade in einem schönen Saale eine reichliche Mahlzeit verdaute.

So plötzlich war der Wechsel gewesen, daß er glaubte, sich jetzt wieder in einem Haschischrausch zu befinden.

»Warum hat man uns denn hierhergebracht, Herr Baron? Bin ich betrunken oder hat irgendeine Süßigkeit mir wieder den Verstand geraubt?«

»Auf Befehl der Prinzessin, die es bereut hat, uns gerettet zu haben. Ich zittere für das Leben der Gräfin Santafiora. Sie will sie verderben.«

»Donnerwetter, dann muß die schöne Maurin ja ein Raubtier sein!«

»Sie ist gefährlicher als Zuleik!«

»Herr Baron, ich kombiniere, sie muß unsterblich in euch verliebt sein. Sie ist reich und schön -- warum nehmt ihr sie nicht?«

»Schweig, Narr!« schrie ihn Sant' Elmo an. Ungeachtet der Beleidigung, fuhr der Katalane fort: »Hätte sie nur ein Auge auf mich geworfen! Aber ich habe kein Glück!«

»Und nun ist fast jede Hoffnung auf Rettung meiner Braut verloren!« seufzte der Ritter. »Der Normanne wird nicht mehr unter den Lebenden weilen...«

»Weiß denn die Maurin, daß ihr und Zuleik dieselbe Dame liebt?« fragte Eisenkopf.

»Das habe ich mich gehütet, ihr zu gestehen. Auch du darfst nicht schwatzen!«

»Ich verspreche es euch. Nie hat ein Barbosa sein Wort gebrochen!«

»Auch wenn man dich folterte?«

»Dann würde ich zeigen, wie ein Barbosa zu sterben weiß!«

Lauter Lärm, wie vom Galopp verschiedener Pferde, unterbrach das Gespräch.

»Es kommen Reiter, vielleicht Culkelubis Janitscharen. Diesmal rettet uns die Fürstin nicht!«

»Und nicht einmal eine Waffe zur Verteidigung zu haben!« murmelte Sant' Elmo voller Ingrimm.

Aber Eisenkopf hatte sich in der Herkunft der Reiter getäuscht.

Donnernd sprengten diese jetzt über die Zugbrücke.

Sie waren bestaubt wie nach einem langen Ritt. Zuleik führte sie an.

Er entließ sein Gefolge, sprang behend von seinem schweißbedeckten Pferd und rief: »Wo ist die Prinzessin?«

»In ihrem Zimmer!«

»Sagt ihr, daß ich sie im Spiegelsaal erwarte!«

Er erblickte die Tafel mit den zwei Gedecken und runzelte finster die Stirn ....

Amina war geräuschlos eingetreten.

»Willst du mich wegen meiner gestrigen Handlung zur Rede stellen?« fragte sie ruhig.

Zornig fuhr er sie an: »Culkelubi ist außer sich --«

Sie lachte laut auf.

»Daß ich seine Janitscharen zurechtgewiesen habe?«

»Daß du sie zum größten Teil hast umbringen lassen!«

»Pah, was liegt an ihnen! Man darf nicht den Palast einer Kalifenfamilie verletzen!«

»Die Strafe war dir wohl Nebensache. Du wolltest meinen Gefangenen aus ihren Krallen befreien. Wo ist der Baron?«

»Hier.«

»Gut bewacht?«

»So gut wie nur möglich«, antwortete Amina höhnisch. »Im Keller des Turms!«

Zuleik, der erregt im Saale auf und ab gegangen war, blieb überrascht stehen.

»Trotzdem du mit ihm hier zusammen gespeist hast? Der Baron ist ein Edelmann und verdient keine unwürdige Behandlung!«

»Aus welchem Grunde hast du ihn denn gefangen genommen?«

»Weil er auf San Pietro meine Pläne durchkreuzt hat!«

»Und was will er in Algier?«

»Eine Gefangene befreien!«

»Wie heißt sie?«

Zuleik schwieg.

»Ich werde ihren Namen schon erfahren!« schrie die Fürstin zornbebend.

Der Maure legte seine Hand auf ihre Schulter und schaute ihr fest in die Augen: »Du liebst den Malteserritter. Amina, es ist ein Christ!«

»Was tut es?«

»Er wird niemals dein eigen werden, denn sein Herz gehört einer andern Frau!«

»Die Culkelubi beseitigen soll!« zischte sie.

Zuleik erblaßte.

»Beim Barte des Propheten, kein Haar darf der andern gekrümmt werden!«

»Warum nimmst du denn solchen Anteil an der Christin?« fragte sie ironisch.

»Ich habe mich auf dem Schiff durch mein Versprechen verpflichtet, sie zu retten!«

»Ist sie schön? Ich will sie sehen!«

»Das kann nicht geschehen!«

»Zuleik!« rief sie drohend.

»Ich lese in deinen Augen ihr Todesurteil. Wenn du sie sähest, würde sie morgen nicht mehr leben. Mache mit meinem Gefangenen was du willst, aber um die Christin kümmere dich nicht!«

»Du hast sie also schon in deiner Hand? Ja, eine Sklavin ist mit den Schätzen der Ben Abad leicht zu kaufen!«

»Nicht alle«, erwiderte er düster. »Ich kenne eine, die alle Schätze der Welt zurückweisen würde!«

»Steht jemand dazwischen, der sie dir streitig macht? Dann schaff ihn beiseite!«

»Unmöglich. Er ist zu mächtig. Seine Beamten... haben sie mir schon... geraubt!«

»Wer hat es getan? Vertraue mir deinen Kummer an, Bruder!«

Aber Zuleik hatte schon den Saal verlassen.

Das Wiehern seiner Pferde draußen mahnte ihn an die eilige Rückkehr nach Algier. Er wollte Donna Idas Aufenthalt erkundigen. Amina eilte ans Fenster und blickte ihm lange nach, als er mit seinem Gefolge beim Mondenschein auf dem weißschimmernden Wege davongaloppierte.

Dann näherte sie sich einem mit Perlmutter ausgelegten Ebenholztischchen, auf dem sich ein goldenes Schreibzeug befand und schrieb entschlossen einige Zeilen auf ein Pergamentblatt.

Laut dröhnte wieder der Schall der Metallscheibe durch das Haus.

»Nimm sofort das beste Pferd und bringe diesen Brief zum Generalkapitän der Galeere!« befahl sie dem eintretenden Neger.

»Wird Culkelubi denn meine Botschaft annehmen, nach dem was gestern vorgefallen?« erlaubte sich dieser zögernd zu bemerken.

Sie lachte.

»Was gelten dem 10 Janitscharen mehr oder weniger! Ich wünsche, daß seine Leute morgen hier zur Stelle seien... Nimm aber einen anderen Weg, nicht den von meinem Bruder eingeschlagenen!«

Der Neger verbarg das Billet in seinem Gürtel und folgte dem Befehl.

Amina warf sich auf einen Diwan und überließ sich ihren Rachegedanken.

»Mich zu verschmähen! Eine Ben Abad! Seine Schöne soll die Sklavin eines Negerhäuptlings werden und ihre weiße Haut in der Wüstensonne verbrennen lassen! Und er -- er soll es am eigenen Leibe spüren, wie eine Afrikanerin hassen kann!«


»Eisenkopf.«

»Herr!« antwortete der Katalane gähnend und sich die Augen reibend.

»Es dämmert schon!«

»So früh? Ich glaubte, erst vor einer Stunde eingeschlafen zu sein... Im Hofe höre ich übrigens das Stampfen vieler Pferde. Vielleicht hat Culkelubi unsern Aufenthalt entdeckt!«

»Ich muß gestehen«, seufzte der Baron, »daß ich mich jetzt lieber in seinen Händen, als in denen der Prinzessin befände. Sie jagt mir mehr Schrecken ein, als er!«

»Hm«, meinte Eisenkopf, »ich ziehe einen weiblichen Panther einem so berüchtigten männlichen vor!«

Er trat zu der eisernen Tür und lauschte auf die Geräusche da draußen.

»Der Teufel, ich fürchte, es gilt uns!« rief er aus.

»Beweisen wir den Mauren, daß wir keine Furcht kennen!«

Die Tür öffnete sich. Die zwei riesigen Neger erschienen, gefolgt von einem Offizier mit vier bis auf die Zähne bewaffneten Soldaten.

»Was wollt ihr?« fragte der Ritter, ihnen entgegentretend.

»Ihr müßt sofort mit nach Algier!« antwortete der Neger. »Folgt ohne Widerstand. Sonst brauchen wir Gewalt!«

»Wir fügen uns dem Befehl!«

Man führte die Gefangenen in den Hof, wo einige 20 Soldaten warteten, die Gewehre bereit.

»Wem gehören diese Leute?«

»Dem Generalkapitän der Galeeren!«

Dem Baron stand kalter Schweiß auf der Stirn, aber er bestieg, scheinbar ruhig und ohne Furcht, das vorgeführte Pferd.

»Christ«, rief der Offizier, »wenn du zu fliehen versuchst, wirst du niedergeschossen!«

Als sie die Brücke passiert hatten, schaute sich der Ritter noch einmal um. Und er sah auf der durch den Mondschein erhellten Marmorterrasse die Prinzessin stehen. Im fliegenden Mantel, das schwarze Haar aufgelöst über die Schulter fallend. Haßerfüllt, triumphierend sah sie ihm nach.

Und fort ging es auf der weißen Landstraße nach Algier.

Im Morgengrauen hielt der Zug vor einem großen, von Soldaten und Seeleuten bewachten Gebäude.

Es war der Palast Culkelubis, des algerischen Panthers.


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