Emilio Salgari
Der algerische Panther
Emilio Salgari

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Der Verrat des Mauren

Einige Minuten später verließ der Baron mit dem Mauren zu Pferd die Burg. Die Gräfin auf der Terrasse folgte ihnen mit den Blicken, nicht ohne die Besorgnis, daß doch eine Korsarenschar unbemerkt landen und sich in der Nähe versteckt halten könnte.

Doch der Ritter war ruhig, solange er die Feluke noch ihren Kurs nach dem Süden der Insel richten sah. Er lockerte nur das Schwert in der Scheide und rückte den Dolch zurück.

Auch der Maure hatte, ehe er die Burg verließ, einen Stahlpanzer angelegt und sich mit Schwert und Dolch gewappnet.

Vom Ufer aus sahen sie, wie die Galeeren den Signalen der Feluke folgten, die mit Hilfe des Mondlichts durch einen Metallspiegel gegeben wurden. Aber sie waren noch fern, da die Brise sehr schwach wehte.

»Wir haben Zeit«, sagte der Baron.

»Ja, Herr, mehr als nötig«, antwortete der Maure.

Sie ritten nebeneinander den Weg zum Dorf entlang. Es waren nur ein paar Kilometer, die sich zu Pferd in zehn Minuten zurücklegen ließen.

»Galopp«, rief der Baron, sein Pferd anspornend.

Das Schloß verschwand hinter einem dichten Eichenwäldchen. Die beiden Pferde flogen nur so über den Sand.

Sie hatten den halben Weg zurückgelegt, als das Roß des Algeriers einen unerwarteten Sprung machte.

»Was tust du?« fragte der Ritter.

»Ich versperre euch den Weg«, antwortete der Maure, während Sant' Elmo sein Pferd parierte.

»Bist du wahnsinnig geworden? Was heißt das?«

»Daß einer von uns weichen muß!« rief der Afrikaner düster. »Die Dame, die ihr liebt und die mir die Ruhe meiner Nächte raubt, kann nur einem Manne gehören. Die Gräfin Santafiora!«

»Elender Sklave, du wagst es...«

»Der Sklave ist vom Blute der Kalifen, ein Fürstensohn. Mein Adel wiegt euren auf!«

»Hund«, schrie der Ritter. »So hast du also der Feluke die Signale gegeben und die Barbaresken angelockt?«

»Ich war es.« »Verräter, stirb!« Mit einem Satze war er dicht bei dem Mauren und führte einen Schwertstoß nach seinem Halse. Aber er fand einen ebenbürtigen Gegner. Zuleik, stark und gelenkig, parierte den Stoß, der nur den Hals seines Rosses traf und versuchte nun seinerseits, den Feind tödlich zu treffen. Jedoch prallte seine Klinge an dessen Panzer ab.

»Weg frei!« schrie Sant' Elmo.

»Niemals!« war die Antwort.

»Die Galeeren nahen!«

»Nur ihr habt sie zu fürchten, nicht ich!«

»Gib den Weg frei, um der Gräfin willen!«

»Um ihretwillen will ich euch töten!« entgegnete Zuleik.

Der Baron entschloß sich zum Angriff, das Schwert in der einen, den Dolch in der anderen Hand. Aber der Maure wich ihm aus. Im Galopp begann er den Ritter zu umkreisen, nach Art der Wüstensöhne, und so geschickt anzufallen, daß Sant' Elmo alle Aufmerksamkeit nötig hatte, um den Hieben des Gegners auszuweichen. Ein Streich des Algeriers zerfetzte seinen grünseidenen Ärmel.

»Ein guter Hieb«, rief der Ritter. »Es soll dein letzter sein!« Geschickt zwang er sein Pferd fast zur Erde, löste die Füße aus den Bügeln, sprang auf den Feind los und suchte ihn vom Pferde zu reißen.

Auch letzterer wußte sich vom Sattel frei zu machen. Im selben Augenblick rief er: »Zu Hilfe, zu Hilfe im Namen Allahs und Mohammeds!«

»Ah, Elender, du rufst die Leute der Feluke!« Er hieb auf ihn ein, konnte aber nicht seiner Herr werden. Die Panzer dröhnten von den Schwertstreichen.

Zuleik wich im Kampfe nach den Dünen zu. Hier ließ er plötzlich seinen Dolch fallen, ergriff eine Handvoll Sand und warf sie dem Gegner ins Gesicht. Aber dieser konnte dem Wurf ausweichen und streckte den Mauren durch einen wuchtigen Hieb auf den Helm zu Boden. Schon wollte er ihm den Dolch in den Nacken bohren, als 10 bis 12 Bewaffnete unter wildem Geschrei auf der Düne erschienen. Es mußte die Bemannung der Feluke sein. Ihre braunen, mageren Gesichter, die bunten, um die Helme gewickelten Tücher und die Gewänder bewiesen es.

Dem Baron blieb nur übrig, auf sein Pferd zu springen und im vollen Galopp nach dem Schlosse zu flüchten. Vergebens suchten die Korsaren ihn einzuholen.

Noch war er fern vom Ziel, als er von Süden her wildes Geschrei, Jammerrufe von Frauen und Kindern und Gewehrfeuer hörte. Ein Blick zeigte ihm eine helle Röte hinter dem Eichengebüsch. Offenbar hatten die Seeräuber das Fischerdorf überfallen und in Brand gesteckt.

Plötzlich rief eine Stimme in schlechtem Italienisch: »Halt!« Statt zu gehorchen, spornte der Ritter sein Pferd noch mehr an und schwang seinen Degen. Ein halbes Dutzend Bewaffneter suchte ihm den Weg zu versperren. Aber er sprengte die Reihen. Ohne Zögern streckte er mit einem Pistolenschuß den ersten Angreifer nieder und hieb so wild auf die anderen ein, daß sie momentan zurückschreckten. So konnte er im Galopp zum Schlosse gelangen.

Die Brücke senkte sich. Eben wollte sein Pferd sie betreten, als drei Schüsse fielen. Das arme Tier brach zusammen. Der Ritter fiel mit ihm, doch hatte er die Geistesgegenwart, noch rechtzeitig die Füße aus den Bügeln zu ziehen.

Von der Terrasse aus sah es die Gräfin. Sie schrie angsterfüllt auf, da sie ihn verloren glaubte. Aber schon im nächsten Augenblicke eilte Sant' Elmo über die Brücke.

Ein Kugelhagel ergoß sich vom Schlosse auf die heranstürmenden Feinde.

Gerührt begrüßte Eisenkopf den Geretteten, während die Brücke wieder hoch ging. »Ihr wart in Gefahr, mein Ritter, und ich, der eurem Vater versprochen, über euch zu wachen, war nicht dabei...!«

Der Baron stürmte an ihm vorüber zur Braut, die ihn, totenbleich vor Aufregung, erwartete.

»Wie habe ich um dich gezittert!«

Er schloß sie stumm in seine Arme.

»Wo ist Zuleik?«

»Sprich nicht von ihm, mein Lieb!... Sag', gibt es einen unterirdischen Gang hier im Schloß?«

»Jawohl. Er führt zum Turm.«

»Kennt ihn Zuleik?«

»Er ist nur mir und dem Wachthauptmann bekannt.«

Der Baron atmete auf. »Zuleik hat uns verraten. Nun aber an die Verteidigung der Burg!«


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