Emilio Salgari
Der algerische Panther
Emilio Salgari

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Die Jagd auf den Ritter

Die Mauren, geführt von Zuleik, hatten die Verfolgung mit wildem Geschrei aufgenommen.

Es war ihre Absicht, die Flüchtlinge nach Algier zu drängen, wo sie den Wachen auf den Mauern der Casbah in die Hände fallen mußten.

Als treffliche Reiter, flogen sie förmlich mit ihren feurigen Rossen, die kein Hindernis kannten, über die Steppe. Das Schauspiel, das sie mit ihren fliegenden Mänteln, bunten Turbanen und glänzenden Waffen boten, hätte unter andern Umständen auch bei dem Baron Bewunderung erregt.

Ihre Pferde schienen Flügel zu haben. Spalten im Boden, Baumstämme, Gestrüpp wurden mit zauberhafter Geschicklichkeit bewältigt.

Aber der Normanne, der Bescheid wußte, war nicht minder gewandt. Nachdem er sich einige Meilen gegen Algier hatte drängen lassen, warf er sich -- sicher der ausgeruhten, vortrefflichen Pferde -- in ein Eichenwäldchen und nahm von dort, im Schutze der Bäume, die Richtung nach Süden.

Die Verfolger, im Glauben, daß die Christen ihren Lauf nach Norden fortsetzten, um in der Stadt sich zu verbergen, bemerkten die List erst nach einiger Zeit. Sie entdeckten dann die Flüchtlinge erst auf dem Wege nach dem hinter den Hügeln liegenden Modeah.

»Wohin geht es?« fragte der Baron.

»In die Berge, fern von bewohnten Orten. Sie haben uns leider wieder entdeckt! Wir werden sie kaum loswerden!«

»Sind da nicht Minaretts? Droht uns auch dort Gefahr?«

»Es sind die von Modeah! Die Mauren können sich dort frische Pferde verschaffen... Hier ist uns alles feindlich gesinnt. Der Christ gilt nur als Ware, die auf dem Markte gut bezahlt wird!«

»Aber wie lange soll diese Flucht noch dauern?« Sant' Elmo fühlte sich schwebend, wie von einem Schicksal getragen.

»Solange unsere und ihre Pferde noch aushalten! Vor der Hand zeigen sie keine Spur von Erschöpfung. Wenn möglich, kehren wir diese Nacht noch nach Algier zurück!«

»Was mag nur aus Eisenkopf geworden sein?«

»Wahrscheinlich ist der feige Prahlhans längst nach Algier unterwegs, nachdem er uns im Stiche gelassen!«

»Er wird den Mirab benachrichtigt haben«, meinte der Ritter.

Die Gegend wurde nun immer wilder und wüster. Nur kleine Gruppen schwarzer Zelte, gewebt aus Fasern der Zwergpalme, Duars der Nomaden, zeigten sich hier und da neben Gebüschen von Eichen, Palmen, Aloe, Akazien und indischen Feigen. Schwarze Schafe stoben erschreckt vor den Reitern auseinander.

Die Flüchtlinge eilten den Hügeln zu, wo Eichenwälder etwas Schutz zu bieten schienen. Aber die Pferde zeigten jetzt immer deutlicher Spuren der Ermattung.

Auch von den Mauren verlangsamten viele ihren Lauf, wie der Normanne bei flüchtigem Rückblick feststellen konnte. Nur fünf bis sechs, mit Zuleik an der Spitze, rasten weiter auf der Spur der Christen.

So schwer auch den Tieren der ansteigende Bergpfad wurde, so setzten sie doch den Weg fort. Gegen Mittag erreichten sie die Höhe. Dann aber blieben die Pferde mit hängender Zunge erschöpft stehen.

»Kurze Ruhe ist unbedingt nötig! Wir müssen die verfluchten Mauren zum Stillstand bringen!«

Zuleik und sein kleines Gefolge zeigten sich in halber Bergeshöhe. Ihre Rosse schienen auch bis aufs äußerste erschöpft.

Die Christen machten die Gewehre zurecht, nachdem sie aus dem Sattel gestiegen.

Die Mauren sahen sich beim Anblick der schußfertigen Gegner nach Deckung um. Ehe sie eine solche fanden, hörten sie schon Schüsse knallen, und ein Pferd mitsamt seinem Reiter fiel.

Nun kletterten die andern unter wildem Wutgeschrei den Berg weiter in die Höhe.

»Fort!« rief der Normanne. »Wieder auf die Pferde! Wir haben keine Zeit mehr zum neuen Laden der Gewehre!«

Wieder sprangen sie in die Sättel und rasten den Abhang hinunter nach der anderen Seite zu.

Jetzt scholl das Geschrei der Feinde von oben herab. Sie folgten ihnen nach...

»Was für Pferde müssen nur diese Kerle haben! Die unsrigen brechen schon zusammen!«

Ohne Erbarmen spornten sie nun aufs neue die Pferde an. Da tauchten plötzlich vor ihnen Reiter mit braunen Mänteln auf, die aus einer Schlucht hervorkamen. Alle bewaffnet mit langen Lanzen und Säbeln, gegen 30 Mann.

»Kabylen!« schrie der Normanne.

»Neue Feinde?« fragte der Ritter hastig.

»Ja, alle sind's Feinde! Wir müssen uns trennen, wenigstens vorläufig. Ich locke die Kabylen nach Osten, ihr sucht euch in entgegengesetzter Richtung zu retten! Bleiben wir leben, sehen wir uns in Algier wieder!«

»Wie wollt ihr denn mit dem ermatteten Pferd weiterkommen?«

»Sorgt nicht um mich! Ich kann mich als Muselmann ausweisen. Ich bin nur um euch bange, da ihr nicht einmal arabisch könnt!«

Ohne weiteres jagte er nach rechts den Hügel entlang. Die durch das Geschrei der Mauren aufmerksam gemachten Kabylen folgten ihm sofort nach.

Der Baron dagegen jagte in die von ihnen verlassene Schlucht, wo er ein Palmenwäldchen zu erreichen hoffte. Er brauchte die Sporen...

Aber plötzlich brach sein Pferd zusammen, blutigen Schaum vor den Nüstern. Er hatte gerade noch Zeit, die Füße aus den Bügeln zu ziehen.

Den Säbel in der einen, eine Pistole in der andern Hand, so erwartete er den Feind.

»Arme Ida, was wird dein Schicksal sein!« seufzte er.

Von den zwei heransprengenden Reitern schoß er einen vom Sattel. Der andere aber rief ihm zu: »Ergib dich, oder ich töte dich!«

Die Antwort war ein Säbelhieb auf den Kopf des Pferdes, das zusammenbrach.

Jedoch der zweite Hieb auf den Reiter ging fehl. Der gewandte Maure warf sich nach hinten. Es gelang dem Ritter, ihn an der Gurgel zu packen.

Da erschien zum Unglück Zuleik mit seinen Begleitern auf dem Kampfplatz.

Schon schwang einer von ihnen den Yatagan über des Christen Kopf, als Zuleik schrie: »Daß keiner ihn berühre! Er gehört mir!«

Und ein Mantel wurde über Sant' Elmo geworfen. Im nächsten Augenblick stand er gebunden vor dem Maurenfürsten.

Zuleik betrachtete ihn mit gekreuzten Armen, während der Baron seinen Gegner mit verachtenden Blicken maß.

»Wohlan, Sklave, vollende dein Werk! Töte mich! Ein Ritter Sant' Elmo fürchtet den Tod nicht!«

»Und ein Nachkomme des Kalifen mordet nicht!« antwortete Zuleik. »Nur im Kriege tötet er, denn er weiß Tapferkeit zu schätzen!«

»Großmütig?« fragte der Baron ironisch.

»Vielleicht mehr als ihr glaubt. Gebt mir euer Wort, wenigstens bis zur Ankunft in Algier keinen Fluchtversuch zu machen!«

»Was wollt ihr mit mir anfangen?«

»Ihr werdet es hören, wenn wir allein sind! Euer Wort, Ritter!«

»Ihr wollt mich pfählen lassen!«

»Das habe ich noch nicht im Sinn!«

»Gut, ich gebe mein Wort!«

Darauf durchschnitt Zuleik, ohne auf die Bemerkungen seiner Begleiter zu achten, selbst die Fesseln und wies auf das Pferd des erschossenen Mauren: »Steigt auf und folgt mir!«

Schweigend wurde der Rückweg angetreten. Voran Zuleik, dann der Baron und hinter ihm die letzten vier Mauren.

Vom Gipfel des Hügels aus spähte Zuleik in die Wüste. Niemand war sichtbar. Auch kein Laut ließ sich hören.

»Wer war euer Begleiter, Baron?«

»Ich kann es nicht sagen!« antwortete der.

»Ein Berber oder ein Christ?«

»Was geht das euch an?«

»Vielleicht könnte ich ihn retten!«

»Um ihn später zu verderben! Nein, lieber bleibe ich in der Hand der Kabylen!«

»Wie ihr wollt!«

Man stieg den Hügel hinab, zu dessen Fuße die Falkner mit ihren erschöpften Pferden standen.

Nach einigen halblaut gegebenen Befehlen des Maurenfürsten ging es weiter.

Der Ritter sah sich fortgesetzt aufmerksam nach seinen beiden früheren Gefährten um. Um den Katalanen war ihm weniger bange. Der wußte sich schon zu helfen.

Aber wie stand es mit dem Normannen? Wer konnte sich jetzt, wo er gefangen war, um die Befreiung der Gräfin kümmern...? Wer konnte ihn selbst aus Zuleiks Klauen lösen?

Vertieft in seine Gedanken, bemerkte er kaum, daß sie sich Algier genähert hatten. Die Minaretts und Kuppeln seiner Moscheen zeigten sich schon auf den Hügeln. Erst als ihn das Straßenleben umgab, wußte er, daß er sich in der Stadt befand.

»Wohin bringt ihr mich?« fragte er den jetzt an seiner Seite reitenden Zuleik. »Zu Culkelubi? Dann hättet ihr mich lieber gleich töten können!«

Der Maurenfürst schüttelte den Kopf.

»In ein Bagno?«

»In mein eigenes Haus!«

»Um mich von euren Sklaven pfählen zu lassen?«

»Ein Kalifennachkomme ist kein Henker! Ihr werdet ja sehen!«

Plötzlich stieß der Baron einen leisen Schrei der Überraschung aus.

Zwei riesige Neger auf reich geschirrten Schimmeln betrachteten ihn aufmerksam, dann schlossen sie sich der Kavalkade an.

Es waren dieselben, die ihm gegen die Beduinen beigestanden hatten. Sollten sie ihm gefolgt sein oder ihn zufällig getroffen haben?

In jedem Falle erfüllte ihn eine geheime Freude bei dem Anblick der herkulischen Erscheinungen.

Sie wachten über ihm. Wer mochte seine Schutzgöttin sein?

Da hielt Zuleik vor dem Portal eines prächtigen Palastes, vor dem vier andere Neger Wache hielten.


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