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Zweiundzwanzigstes Kapitel.
Die Rückkehr zum Bengalow.

Toby und seine Gefährten verteidigten sich ununterbrochen gegen den furchtbaren Ansturm der Schlangen, entschlossen, das Leben teuer zu verkaufen, bevor sie unter die schleimigen Windungen der Riesenschlangen und Boa fielen oder den giftigen Bissen der Cobra und »Gulabi« erlagen.

Nachdem sie die letzten Kugeln verschossen hatten, setzten sie den Kampf mit den von den Spitzhacken losgerissenen Steintrümmern fort.

Die Barrikade hatte nicht genügt, um jene schleichende Horde aufzuhalten. Besonders die Riesenschlangen wanden sich leicht darüber hinweg und schlängelten sich unter tausend Windungen in den Saal.

Äußerst gereizt von jener verteufelten Musik, die keinen Moment verstummte, glitten sie zischend und züngelnd über die Steine des Saales. Ihre falschglühenden Augen warfen furchtbare Blicke auf die Unglücklichen und versuchten, sie mit den Blicken zu bannen.

Toby, wütend wie jene Reptilien, feuerte alle mit der Stimme und seinem Beispiele an.

Er packte gewaltige Steinblöcke und schleuderte sie gegen die Schlangenmasse, hier eine Riesenschlange, dort eine Cobra, eine »Gulabi« zerschmetternd.

»Verliert den Mut nicht, Freunde!« schrie er. »An Wurfgeschossen fehlt es nicht, und sie taugen mehr, als unsere Revolverkugeln.«

Kam ihm eine Boa zu nahe, so sprangen Indri oder Thermati, die mit »Tarwar«, kurzen, krummen Säbeln, bewaffnet waren, mit der Wut, die die Verzweiflung eingibt, hervor und enthaupteten sie mit einem gutgezielten Schlage.

Jener wilde, schauerliche Kampf konnte aber nicht mehr lange dauern, denn die »Gulabi« und Minutenschlangen, die kleinsten dieser Familie, begannen die Wände entlang zu klettern und drohten, die Verteidiger im Rücken anzugreifen.

Toby hatte schon mehr als eine zertreten, die versucht hatte, ihn in die Beine zu beißen.

Plötzlich war jedoch zu ihrem Erstaunen die Musik unverhofft verstummt und die Schlangen ließen von ihrem Angriff ab.

Diese, von jenen gellenden Tönen nicht mehr gereizt, waren stehen geblieben und hoben und senkten in langen, wellenförmigen Bewegungen ihre mehr oder weniger dreieckigen Köpfe.

Indri, Toby und ihre Gefährten hatten jenen Augenblick der Ruhe sofort benutzt, um nach dem entgegengesetzten Ende des Saales zu eilen.

»Ob der Spieler uns jetzt für tot hält?« fragte Toby.

»Ich weiß nicht, aber die Schlangen bewegen sich nicht mehr,« sagte Indri. »Sie scheinen zu lauschen und über jene Unterbrechung überrascht zu sein.«

»Ob noch viele im Gange sind? Wir haben schon manche getötet.«

»Er war voll,« sagte Thermati. »Die Nachhut muß noch zahlreich sein.«

»Wie können sie hier so viel Schlangen zusammengebracht haben?« fragte Toby. »Wir sind doch nicht in dem Dschungel.«

»Die Erklärung ist sehr einfach,« antwortete Bhandara. »Der Fakir hat eine Schar ›Sâpwallah‹ unter sich.«

»Und sie hätten diese Pagode zu ihrem Schlangenlager gemacht?«

»Es muß so sein, ›Sahib‹,« sagte der »Kornak«.

»Schweig,« versetzte Indri. »Die Musik setzt wieder ein.«

»Ja, aber in anderer Tonart,« antwortete Toby, der gespannt lauschte. »Sie ist sanfter geworden.«

»Und die Schlangen ziehen sich langsam zurück,« sagte Thermati. »Seht! –«

Nachdem die Schlangen einige Minuten an ein und demselben Flecke unbeweglich liegen geblieben waren, setzten sie sich wieder in Bewegung, aber diesmal schlängelten sie sich nicht mehr gegen die Belagerten.

Angezogen von jener geheimnisvollen Musik, die sie ganz zu beherrschen schien, glitten sie zur Barrikade und drängten sich über die Steinmassen.

Die »Gulabi« und Minutenschlangen, gewandter als die anderen, waren schon darüber hinweg und verschwanden hinter der Treppe.

»Was geht da vor?« fragte Toby.

»Eine sehr einfache Sache,« antwortete Indri. »Der Spieler ruft sie zurück.«

»Dann hält er uns für tot.«

»Oder hat uns nur erschrecken wollen.«

»Und wir benutzen die Gelegenheit und machen uns davon, nicht wahr, Indri? Jetzt haben wir hier nichts mehr zu tun; unsere Mission ist zu Ende.«

»Trauen wir der Sache nicht, Toby. Vielleicht erwarten uns die ›Sâpwallah‹ und Gaukler in der Pagode.«

»Tausend Rhinozerosse! – – Und wir haben keine einzige Kugel mehr! – – Alle Revolver sind abgeschossen.

Glücklicherweise haben wir noch die Dolche und ›Tarwar‹.«

»Und wir verstehen sie zu gebrauchen, Toby.«

»›Sahib‹,« sagte Thermati, der sich mit der Lampe zur Treppe vorgeschlichen hatte. »Die Schlangen haben auch den Gang geräumt.«

»Und der Spieler entfernt sich,« bemerkte Bhandara.

»Gehen wir davon,« sagte Toby. »Nehmt die Spitzhacken, das sind Waffen, die besser als die Messer arbeiten.«

Er ergriff eine, schwang sich über die Barrikade, auf der sich noch einige Riesenschlangen und »Gulabi« in den letzten Todeszuckungen wandten und stieg vorsichtig, mit erhobener Laterne, die Treppe hinab.

Die immer sanfter werdenden Töne der Flöte entfernten sich und wurden immer schwächer.

Nachdem der Spieler die Schlangen zurückgerufen hatte, führte er sie vielleicht an einen anderen Ort, um sie dann zu fangen und in die Körbe einzuschließen.

Da Toby und seine Gefährten niemand im Gange sahen, durchschritten sie ihn und erreichten die Bronzetür, die offen stand.

»Macht euch gefechtsbereit,« sagte der Jäger, »Hier können Leute im Hinterhalt liegen.«

Er erhob die Spitzhacke und sprang mit einem Satze aus dem Gange heraus, entschlossen, den Kampf aufzunehmen.

Zu seiner lebhaften Überraschung sah er aber niemand. Spieler und Schlangen waren verschwunden, tiefes Schweigen herrschte in der Pagode.

»Verstehst du das, Indri?« fragte er.

»Nein, Toby,« antwortete der Ex-Favorit des »Guicowar«, nicht weniger erstaunt, als der Jäger.

»Warum lassen sie uns frei, während uns der Fakir leicht, ohne jede Gefahr, auf die Seite hätte bringen können? Das ist etwas, was wir vielleicht nie erfahren werden.«

»Daher bin ich überzeugt, daß uns jener Mensch nur hat erschrecken wollen.«

»Immer noch? Wenn er einige Momente gezögert hätte, wäre es mit uns aus gewesen.

Nein, Indri, zweihundert, zum größten Teile giftige Schlangen, hetzt man nicht gegen Menschen, die man nur erschrecken will.«

»Wie erklärst du dann diesen Rückzug?«

»Überlaß' es anderen, dieses schwierige Geheimnis zu enträtseln. Ich bin froh, daß ich noch lebe und wieder frei bin.

Zum Teufel mit dem Fakir und seinen Schlangen! – – – Machen wir uns davon und kehren wir sofort zum ›Bengalow‹ zurück.«

»›Sahib‹,« sagte Thermati. »Auch die Haupttür des Tempels steht offen.«

»Jener Gauner von einem Fakir hat uns also auch die Mühe ersparen wollen, durchs Fenster zu steigen! Wirklich freundlich, jener Schurke!

Wenn er mir in die Hände fällt, werde ich mich zufrieden geben, ihn nur halbtot zu schlagen – – die Gnade soll er haben! –

Verschwinden wir, ohne einen Augenblick zu versäumen.«

Eiligst entfernten sie sich aus der Pagode, überglücklich, den Himmel wieder zu sehen, wo sie sich schon dazu verdammt glaubten, unter Schlangenbissen sterben zu müssen und suchten schleunigst die Pferde auf.

»Jetzt fühle ich mich sicher,« sagte Toby, als er im Sattel saß. »Mir ist's, als wenn ich einen schlechten Traum gehabt hätte.

Gebt den Pferden die Sporen! Ich kann kaum glauben, daß ich noch lebe.«

Sie feuerten die Pferde an und sprengten durch den Wald.

Sechs Uhr morgens, als es in Pannah lebendig wurde, klopften sie an die Tür des »Bengalow«.

»Wo ist Dhundia, unser Gefährte?« fragte Toby den Diener, der auf das Tamtamschlagen herbeigeeilt war.

»Er brach gestern Abend auf, um euch zu suchen, ›Sahib‹,« antwortete er. »Er war über deine Abwesenheit beunruhigt.«

»Ganz gut so,« brummte der Jäger. »Dann können wir frei reden.«

Er befahl, ein reichliches Frühstück herzurichten und kochenden Tee und »Gin« zu bringen. Dann wandte er sich zu Bhandara, der schon mit einem Zuge eine Flasche Bier geleert hatte und sagte:

»Und jetzt löse du die Zunge, mein braver ›Kornak‹ und sprich. Ich hoffe, endlich zu erfahren, aus welchem Grunde uns jener verwünschte Fakir so hartnäckig verfolgt und dich sogar in die andere Welt zu befördern suchte.«

»›Sahib‹,« sagte Bhandara, »der Fakir weiß von unserem Vorhaben. Er weiß, daß wir hierher kamen, um uns des ›Lichtbergs‹ zu bemächtigen.«

»Donnerwetter!« rief Toby, indem er aufsprang, während Indri erbleichte. »Der Fakir weiß das!« – –

»Dann ist alles verloren,« sagte der Ex-Favorit des »Guicowar«.

»Drück' dich deutlicher aus, Bhandara,« sagte Toby. »Erzähle alles, was du erfahren hast.«

Als der Jäger und Indri das vernahmen, was der »Kornak« in der Nacht im Tempel gehört hatte, schauten sie sich einander mit sichtbarem Schrecken an.

»Was beabsichtigen jene Menschen denn?« fragte Toby endlich. »Und wer kann sie von unseren Plänen in Kenntnis gesetzt haben?«

»Da steckt Parvati dahinter,« sagte Indri. »Jener Elende muß den Fakir und seine Bande in Sold genommen haben, damit sie mir in die Quere laufen und mein Unternehmen unmöglich machen.«

»In diesem Falle hätten sie den Radscha schon benachrichtigt, sie haben es aber nicht getan. Was meinst du, Bhandara?«

»Auch ich vermute, daß Parvati mit im Spiele ist und daß er sie von unseren Absichten in Kenntnis gesetzt hat.«

»Und der Grund?«

»Den kenne ich allerdings auch nicht, ›Sahib‹.«

»Indri,« sagte Toby entschlossen. »Verlieren wir keine Zeit mehr; bemächtigen wir uns des Diamanten und fliehen wir sofort nach Baroda.«

»Und wie werden wir in dessen Besitz gelangen?«

»Es genügt, wenn ich weiß, wo er sich befindet,« sagte Bhandara. »Ich übernehme es, ihn zu rauben.«

»Das versuchen wir zu erfahren. Ich werde den Radscha bitten, ihn mir zu zeigen, und ich hoffe, daß er mir dies nicht abschlagen wird.«

»Wir verzichten auf die Prämie, wenn es nötig ist,« sagte Indri.

»Heute bieten wir dem Radscha die Felle der beiden ›Menschenfresser‹ an.«

»Ja, Toby; bevor man neue Ränke schmiedet, handeln wir.«

»Bhandara, hast du die Betäubungsmittel noch bei dir?«

»Ja, Herr. Sie sind in der ›Hauda‹ Bangawadys versteckt.«

»Nach dem Frühstück gehst du sie holen.«

»Von welchen Betäubungsmitteln sprichst du?« fragte Toby.

»Das sollst du später erfahren,« antwortete Indri.

Das immer reichliche und mit großem Luxus servierte Frühstück, da sie ja noch Gäste des Radscha waren, wurde sofort aufgetragen. Alle langten auch tüchtig zu, zumal Toby, der immer seinen Jägerappetit bewahrte, selbst inmitten der dramatischsten Ereignisse.

Sie waren fast fertig, als sie vom Haushofmeister benachrichtigt wurden, daß der Radscha sie mittags erwarte, um den glücklichen, Erfolg ihres gefährlichen Unternehmens festlich zu begehen und ihnen die verdiente Prämie zu überreichen.

»Da bleibt uns nur eine Stunde zur Toilette,« sagte Toby. »Mit bemaltem Gesicht möchte ich mich doch nicht präsentieren.«

»Dhundia ist aber noch nicht zurück! – –« sagte Indri.

»Der mag uns suchen,« antwortete der Jäger. »Er wird später kommen.«

Kaum waren sie mit ihrer Toilette fertig, als ein Offizier des Radscha erschien, der beauftragt war, sie zu seinem Herrn zu führen.

Er kam unter einer Ehrenbedeckung, die aus »Sowar« bestand, eine Zusammenstellung seltsamer Typen, mit langen Bärten und riesigen, bunten Turbans, mit indischen Gewehren bewaffnet, weittragende und fabelhaft sichergehende Waffen, obwohl Vorderlader.

»›Sahib‹,« sagte der Offizier, indem er sich vor Toby verbeugte. »Mein Herr wünscht dich und deine Gefährten zu sehen, um dir dafür zu danken, daß du die Minen von den beiden ›Menschenfressern‹ befreit hast und dir zu Ehren ein Schauspiel zu geben.«

»Wir folgen dir,« antwortete Toby. »Hat dein Herr die Felle erhalten?«

»Ja, ›Sahib‹, sie dienen ihm schon als Teppiche.«

»Gehen wir, Indri. Einen so mächtigen Fürsten darf man nicht warten lassen.«

Vom Offizier geführt, verließen sie unter Bedeckung der »Sowar« den »Bengalow«. Auch Bhandara hatten sie mitgenommen, der prunkvoll gekleidet, als Wache dienen sollte, falls dies nötig geworden wäre.

Vor der Haupttür des Palastes erwies ihnen ein anderer »Sowartrupp« die militärischen Ehren.

»Ein fürstlicher Empfang,« sagte Toby.

Sie wurden eine prächtige, schneeweiße Steintreppe hinaufgeführt und dann in einen geräumigen Saal gebracht, mit prächtiger Mosaikdecke und roten, mit Arabesken und Lasurstein ausgelegten Marmorwänden.

Ringsum standen rotseidene, mit Silber durchwirkte Divans und am äußersten Ende ein prunkvoller Thronhimmel aus gelber Seide, mit Goldtroddeln.

Der Radscha hatte schon auf dem Divan Platz genommen, der sich unter dem Thronhimmel befand und hatte die Füße, die mit weißgestickten Hausschuhen bekleidet waren, auf einem prächtigen Tigerfell, das Toby und Indri als jenes des ersten ›Menschenfressers‹ wiedererkannten.

Der Radscha von Pannah war zu der Zeit etwa vierzig Jahre und galt als einer der besten indischen Fürsten und auch treuesten Verbündeten der Engländer.

Es war ein korpulenter, liebenswürdiger, stark gebräunter Mann, der nichts von jener, bei den asiatischen Fürsten üblichen Eitelkeit hatte.

Wie die Reformatoren Neuindiens, war er einfach gekleidet, mit Jacke und weißen, wenig verzierten Stoffhosen und einem roten Käpsel.

An den Handgelenken trug er jedoch breite, goldene Armbänder und um den Hals eine in Gold gefaßte Diamantkette, Erträge seiner Minen.

siehe Bildunterschrift

Als sich Toby ihm nach einer tiefen Verbeugung genähert hatte …

Als Toby sich ihm mit einer tiefen Verbeugung genähert hatte, streckte ihm der Sohn des Kischor Sing, Gründer der Dynastie, herzlich die Hand entgegen, indem er die des Jägers kräftig drückte.

»Ich bin ein aufrichtiger Freund der Engländer,« sagte er lächelnd, »und freue mich, den tüchtigsten Jäger Zentralindiens begrüßen zu dürfen, der meine Minen von den beiden schrecklichen Menschenfressern' befreit hat. Der Radscha von Pannah zeigte sich tatsächlich immer als Freund der Engländer. Denn während der blutigen Revolution von 1857 befreite er, anstatt sich mit den Rebellen zu vereinen, die Besatzung von Dumoh, die von Fantiz Truppen belagert wurde.

»Und ich, Hoheit, bin glücklich, den hochherzigsten und edelsten indischen Fürsten zu sehen,« antwortete Toby mit Würde.

»Ihr sollt die Prämie haben, die ich dem versprochen hatte, der so viel Kühnheit besitze, jene beiden blutdürstigen Raubtiere zu erlegen.«

»Hoheit,« beeilte sich Toby zu sagen, »mich und meine Gefährten trieb nur die Jägerleidenschaft her, nicht aber, um zehntausend Rupien zu verdienen – –«

»Zwanzigtausend,« verbesserte der Radscha, »denn es waren zwei ›Menschenfresser‹, nicht einer.«

»Sei es,« antwortete Toby, »aber ich verzichte auf die Prämie.«

Der Radscha schaute ihn erstaunt an.

»Wie soll ich euch dann belohnen?« fragte er. »Ihr habt dem Tode ins Angesicht geschaut.«

»Ich würde nur eins wünschen, als Gegendienst für den euch erwiesenen Gefallen.«

»Sprecht.«

»Den ›Lichtberg‹ sehen,« antwortete Toby kühn.

»Ein Wunsch, der gar nichts kostet,« sagte der Radscha lächelnd. »Nein, das ist zu wenig, mein braver Jäger.

Bedenkt den gewaltigen Dienst, den ihr mir erwiesen habt, indem ihr die Minen befreitet. In vier Wochen habe ich wenigstens hunderttausend Rupien an Diamanten verloren und wer weiß, wieviel mehr ich ohne euren bewundernswerten Mut unter der Erde hätte lassen müssen.«

»Eure Hoheit möge das tun, was Ihr beliebt, nur möchte ich den berühmten Diamanten sehen.«

»Man spricht also auch unter euch vom ›Kohinoor‹?«

»Man hält ihn für ein Weltwunder.«

»Vielleicht haben sie nicht unrecht,« sagte der Radscha. »Der ›Kohinoor‹ ist einer der wunderbarsten Diamanten, die man kennt und ich glaube, daß sich in ganz Asien kein schönerer findet.«

»Heute Abend, nach dem Empfang, den ich euch zu Ehren bereiten werde, sollt ihr ihn sehen.

Seid ihr zufrieden, Meister Toby Randal?«

»Danke, Hoheit.«

Der Radscha heftete seine Augen auf Indri und Bhandara.

»Wer sind jene?« fragte er.

»Zwei Fürsten von Baroda, meine Freunde und tüchtige Jäger,« antwortete Toby.

»Ihr werdet sie heute Abend mitbringen, damit ich auch sie belohne.

Und jetzt hoffe ich, daß ihr einem Schauspiele beiwohnen werdet, was ich euch zu Ehren aufführen lasse.«

»Wir stehen zu Eurer Verfügung, Hoheit.«

Der Radscha hatte sich erhoben und schlug gegen ein »Gong«, was am Thronhimmel hing.

Auf jenen schallenden Ton waren einige Offiziere seiner Leibwache eingetreten, indem sie sich tief bis zur Erde verbeugten.

»Führt diese Herren in die für sie bestimmte Loge,« sagte er.

Er drückte abermals Toby die Hand und verschwand hinter einer Tür, die von einem blauseidenen, mit Gold durchwirkten Vorhange verdeckt war.

Toby und seine beiden Gefährten waren den Offizieren durch einen langen, mit indischen Gottheiten geschmückten Gang gefolgt, der zu einem der großen Höfe des fürstlichen Palastes führte.

Ein großes Gebäude, teils aus Holz, teils aus Mauern, mit Galerien und Logen umgeben, die mit Dächern versehen waren, um die Zuschauer vor der Sonne zu schützen, erhob sich in der Mitte.

Minister, Favoriten, Offiziere, Hofdamen, Vasallen und Soldaten hatten schon alle Plätze besetzt, während eine Musikbande Trommeln rührte, Tantam schlug und verschiedene Blasinstrumente spielte.

»Der Radscha von Pannah will nicht weniger als der ›Guicowar‹ von Baroda sein,« sagte Toby zu Indri.

»Ja,« antwortete dieser. »Er will mit meinem Herrn wetteifern.«

»Genießen wir also das zu unseren Ehren gegebene Schauspiel, in Erwartung, den berühmten Diamanten zu sehen.«

Während sie in die Loge eintraten, nahm der Radscha in einer prächtigen Galerie Platz, deren Säulen mit kostbaren Seidenstoffen und scharfriechenden Blumenguirlanden bedeckt waren.

Als er Toby und Indri sah, grüßte er sie mit der Hand, dann gab er dem wachhabenden Hauptmann ein Zeichen, der in den Zirkus hinabgestiegen war.

»Halten wir die Augen offen,« sagte Toby. »Das Schauspiel beginnt.«


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