Egon Roland
Der Fall Landru
Egon Roland

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Das Ende Landrus.

Die erste Zeit nach dem Abschluß des Prozesses war Landru in seinem Gefängnis tief deprimiert. Er sprach wenig und betonte seine Unschuld. Der Gefängnisarzt konstatierte eine schwere Nervenzerrüttung.

Sein Verteidiger besuchte ihn und brachte ihm die Nichtigkeitsbeschwerde zur Unterschrift, die an die Justizbehörde weitergeleitet wurde. Der Beschwerde wurde nicht stattgegeben.

Fast drei Monate blieb Landru noch in Haft. Ende Februar sollte seine Hinrichtung stattfinden. Doch war die öffentliche Meinung entschieden für seine Begnadigung.

Er erhielt öfters den Besuch seiner Familie. Zu seinen Söhnen sagte er: »Ihr dürft nicht weinen. Sagt meiner Frau, daß ich ein Opfer der Verhältnisse bin. Ich habe keines dieser Verbrechen begangen.«

Der 25. Februar kam, der für die Hinrichtung bestimmte Tag.

Am 23. Februar empfing der Präsident der Republik M. de Moro-Giafferi, der ein Gnadengesuch für Landru vorlegte. Das Gesuch wurde abgelehnt. –

Landru schlief die letzte Zeit wenig. Er aß jedoch mit gutem Appetit, machte sogar Witze.

Am Nachmittag des Vortages der Hinrichtung empfing er den Friseur des Gefängnisses und trug ihm auf, ihm den Bart besonders sorgfältig zu stutzen, damit er »noch ein letztes Mal den Damen gefallen könne«.

Als der Friseur zufällig bemerkte, daß Landrus Brille zu schwach sei, meinte dieser mit Bezug auf die Guillotine: »Das ist egal – Deibler wird mir bald andere Brillen antragen«. –

Ab drei Uhr morgens sperrte ein Militärkordon den Platz mit der Guillotine ab. Seit dem vorangehenden Nachmittag wurden die Züge zum Schauplatz der Enthauptung von Neugierigen gestürmt, die vielfach unter freiem Himmel nächtigten. Doch werden nur wenige Zuschauer zugelassen.

Ein Urteil über diese erlaubte Bestialität, sich den Tod eines Menschen zum Schauspiel zu machen, erübrigt sich. –

Die Stunde ist gekommen.

Als eine Viertelstunde vor der Exekution die Vertreter der Staatsanwaltschaft und des Gerichtes sowie Landrus Verteidiger, der Gefängnisgeistliche und der Scharfrichter Deibler die Zelle des Verurteilten betreten, ist Landru wach. Er steht sofort auf und erklärt mit fester Stimme: »Ich stehe zu Ihrer Verfügung, meine Herren«.

Der Vertreter des Generalstaatsanwaltes fragte Landru, ob er vor seinem Ende eine Erklärung abzugeben wünsche.

»Mit wem habe ich die Ehre zu sprechen?«, fragt Landru. Als er hört, daß es der Staatsanwalt selbst sei, der sein Bekenntnis wünsche, erwiderte Landru: »Ich wundere mich darüber, daß die Gesetze in dieser Stunde, der letzten, die mir gehört, eine solche Frage erlauben. Ich habe stets erklärt, daß ich unschuldig bin, und habe nichts weiter zu sagen.« – Den Geistlichen zu sprechen, lehnt Landru ab, nicht mit zynischen Worten, sondern mit höflichem Dank für den guten Willen des Abbés. Auch das Gläschen Kognak und die Zigaretten, die ihm nach traditionellem Brauch angeboten werden, läßt er zurück.

»Wir wollen die großen Herren nicht warten lassen«, meint Landru mit einem traurigen Lächeln. – – –

Er schreitet zum Schaffott, leichenblaß, aber völlig gefaßt. Seinem Verteidiger, der ihn ein letztes Mal umarmt, ruft er zu: »Dank, Meister«. Der Advokat drückt ihm die Hand. Man hört laut über den Platz: »Auf Wiedersehen.«

Die Gehilfen Deiblers, des Scharfrichters, nehmen ihn in Empfang, das Beil fällt – Landru ist gewesen. – – –

Erschüttert wendet sich der Abbé zu den Gerichtspersonen. »Das war ein sehr ungewöhnlicher Mensch. Was gab ihm diesen unglaublichen Mut?« –

»L'Humanité« schrieb: »Landru wurde an diesem Morgen gerichtet. Ein Verbrechen also ist sicher!« –

Vor seinem Tod hatte Landru einen Brief an den Staatsanwalt geschrieben, Worte ohne Zorn, im Tone ironischer Überlegenheit, mit einem gewissen Gefühl des Mitleids sogar für die menschlichen Schwächen des Staatsanwaltes, der unter allen Umständen recht behalten mußte. Er versucht zu beweisen, auf welch unsicherer Grundlage die Anklage ruhte. – Und er schließt: »Ich war ruhig, Sie waren erschüttert. Ich sterbe mit ruhiger und schuldloser Seele. Ihnen wünsche ich mit der Versicherung meiner Hochachtung, daß Ihre Seele eben so ruhig bleiben möge.« –

So starb Landru, sein Geheimnis mit sich ins Grab nehmend.

*

Sämtliche Abbildungen nach dem »Matin«.

 


 


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