Alexander Roda Roda
Von Bienen, Drohnen und Baronen
Alexander Roda Roda

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Balkanleute

Die Sprache

Wie bildhaft, wie erfinderisch ist dieses Türkisch!

Da gibt es zwei Platten, die man aus Eierfrüchten bereitet; und die Platten heißen:

»Imam bajildi« – »Dem Probst ist übel worden« – und:

»Hunkjar bejendi« – »Dem Kaiser hats geschmeckt.«

Das Türchen in einem großen Tor:

»Kapu jawrussu« – »Kind des Tores.«

Ein Nebenarm der Bucht:

»Halidsch oglu« – »Sohn des Meerbusens.«

Nur für das alte Torpedoboot dort im Goldnen Horn hätten sie einen andern Namen finden sollen. Es heißt:

»Esser i merhamet« – »Werk der Barmherzigkeit.«

 
Die Flotte

Überaus traurig, das Schicksal dieses Torpedobootes.

Einst war es englisch und hieß ›Pinguin‹ oder so ähnlich.

Als es in türkische Hände kam, roch es schon stark nach Tran.

214 Sultan Abdul Hamid ließ sofort die Ventil aus den Maschinen nehmen und von den Geschützen die Verschlüsse, damit die Mannschaft nicht den Jildis-Kiosk überfalle.

So war das schöne Kriegsschiff zur Untätigkeit verdammt.

Als die Jungtürken den Admiral Gibson herbeiriefen, damit er die Flotte in Ordnung bringe, da wußten die Matrosen: ade, du schöne Jugendzeit; jetzt heißt es üben und putzen.

Und sie hatten nur eine bescheidene Bitte an den neuen, den strengen Admiral: das Gemüsebeet; das Gemüsebeet auf der Kommandobrücke; das sollte erhalten bleiben; sie hattens mit so vieler Mühe angelegt.

Die Jungtürken mußten den Alttürken weichen. Auf dem Torpedoboot zog wieder Frieden ein und Gemütlichkeit.

Und plötzlich hatte alles ein Ende: am 23. Oktober, bei dem großen Sturm, ist das Torpedoboot auf den eigenen Küchenabfällen festgefahren und gestrandet.

 
Gefahr

Admiral Gibson setzte durch, daß die ›Hamidije‹ zur Ausbesserung nach Kiel gebracht werde. Er selbst wollte das Kriegsschiff um Europa herum nach der Werft steuern.

215 Als die Lebensversicherung es hörte, kündigte sie ihm sofort die Police.

 
Zivilisation

Eine Gesellschaft von Jungtürken in Wien. Drei oder vier von ihnen sind aus Paris gekommen, zwei Neulinge gradenwegs aus Albanien.

Adil-Effendi, der Pariser, hat mich eingeladen, in der Gesellschaft seiner Landsleute zu Abend zu essen.

Adil-Effendi fragt mich, wie es mir vor so und sovielen Jahren ergangen wäre.

Ich erzähle.

Einer der Naiven unterbricht mich.

Adil fährt auf ihn los:

»Du bist ein Schwein, mein Lieber, und zwar ein zinzarisches Schwein. Du wirst dir nie die feine europäische Zivilisation aneignen. Warum schweigst du nicht, solang der Fremdling das Maul offen hat?«

 
Medizin

Bericht des Stadtarztes von Prisren:

»Die mir anbefohlene Untersuchung der Blatternepidemie erweist sich als Ekzem, hervorgerufen durch Läuse. Die Läuse sind aber nicht die landesüblichen, sondern Läuse mit großen roten Köpfen, wie solche bei Schweinen, Rindern und Gänsen vorkommen.« 216

 
Trauer

In Köprülü lebte ein junger Bej, der hatte ein Weib, von dessen Schönheit man sich flüsternd in den Basaren erzählte.

Eines Tages erkrankte die Frau und starb. Der Bej war seit Wochen nicht von ihrem Lager gewichen, er wich auch nicht von ihrem Sterbebett.

»Nimm dirs nicht garso zu Herzen,« trösteten ihn die Eltern, die Verwandten.

Der Bej legte seine Hand auf den Leichnam der schönen Frau und schwor:

»Bei meinem Glauben – keiner wage, mir diese Frau aus dem Haus zu tragen, eh er mir nicht eine oder zwei ebenso schöne gebracht hat.«

 
Die Versorgung

Isa-Bej hatte auf Kosten der Regierung in Paris Medizin studiert. Er war ein äußerst schneidiger Sanitätsbeamter.

Leider holte er sich in Angora die Lepra.

Sollte man ihn für ewige Zeiten kaltstellen – einen so tüchtigen, schneidigen Arzt?

Man tat ihn nach El Tor als Vorstand der Quarantänestation.

 
Der Spruch

In Brussa legte man einem türkischen Obersten das Fremdenbuch des Hauses vor.

217 Der Oberst hatte in Berlin gedient – er wollte auch zeigen, daß er Deutsch könne, und schrieb mit festen Zügen:

»Ohne Schweiß kein Preuß.

Reschid Bej.«

 
Die Hohe Pforte

Dem türkischen Würdenträger bleibt jene jahrelange Vorbildung erspart, die das Leben des westeuropäischen Diplomatennachwuchses so nutzlos umdüstert.

Der türkische Würdenträger macht nur eine kurze Schule durch, die etwa unsern Gymnasien entspricht – und dann einen dreimonatigen praktischen Kursus in abweisenden Gebärden.

 
Kjef

Es gibt keinen liebreichern Verehrer der Natur, des Wassers besonders, als den Muselmann. Er baut sich ein Haus an den Bach oder eine Laube, schlürft den Kaffee, raucht seine Zigarette und blickt ins Wasser. Mit diesem ruhigen, gedankenarmen Betrachten – Kjef – verglichen, ist das italienische Dolce far niente nervöse Hast. Ein Wasserfall, eine Kaskade zieht den Muselmann besonders an. Kaum eine ist in östlichen Landen, an der nicht wenigstens die Ruinen eines Landhauses stehen.

218 Moslim können sich stundenlang über das Wasser von Brunnen und Quellen unterhalten – seine Süffigkeit, Frische, Fülle oder Leere – wie bei uns etwa Kenner reden über Blume und Gehalt von Wein verschiedener Kreszenz.

 
Glaube

»Ihr Deutschen,« sagte mir einmal Ferhad-Bej, »wenn ihr hört, das Licht von diesem und diesem Stern brauche vierzig Jahre, um zu uns zu kommen – gleich nehmt ihr Fernrohr her und Zollstock und rechnet nach. – Wir aber? Wir kontrollieren Allah nicht – wir glauben ihm.«

 
Volkslied der Diplomaten

Wer Pilaw nie mit Unschlitt aß,
Wer nie am Mangal frierend saß,
Wer nie im Bett den Schirm aufspannte,
Der kennt dich nicht, du göttliche Levante.

Mangal ist der ortsübliche Ersatz für des Westens Zentralheizung.

 
Bakschisch

Als ich fort aus Konstantinopel ging, schenkte ich dem Briefträger einen halben Medschid.

Nachmittag kam ein Mann zu mir und sprach:

219 »Herr, ich bin dir fremd – du hast nie eine Depesche bekommen. Wisse: ich bin der Telegraphenbote. Wisse, daß es an mir war, dir Depeschen zu bringen, wenn irgendwelche für dich eingetroffen wären. Ich hätte sie dir ehrlich zugestellt. Du wirst gerecht sein und nicht einen Mann schädigen, der sich stets zu deinem Dienst bereithielt; wenn ich dir keine Dienste leisten konnte, ist es nicht meine Schuld. Auch ich verdiene einen halben Medschid.«

 
Das Geschäft

Die Italiener hatten Samos beschossen.

Afentis Theotokis, Tabakfabrikant von Ephesus, sprach zu seinem Sohn:

»Mach, mein Sohn, unsern größten Segler klar! Belad ihn mit dem besten Tabak und steuere gen Samos! Frag, wie der Kommandant der Italiener heißt, und grüße ihn; frag, wie das Schiff heißt, das den ersten Schuß auf die verhaßten Türken abgab, und laß dir die Kanone zeigen; umarm die Kanone, segne sie und vergieß deine heißesten Tränen, dann aber sieh zu, daß dir die Mannschaft den Tabak abkaufe!«

Es wurde nichts aus dem schönen Plan: die Italiener haben ihr Monopol und dulden auf ihren Schiffen fremden Tabak nicht – auch nicht, wenn er von Patrioten kommt. 220

 
Der Gastfreund

Ein reicher Moslem tief im Sandjak Taslidja hat mich zu Gast geladen. Mit Grausen denke ich an das bevorstehende Mahl; es wird kleine Tischchen geben ohne Messer und Gabel; Lammsdärme als Vorspeise, Knoblauchsuppe, Brathuhn mit Honig.

Da, als ich hinkomme – eine Überraschung: der Tisch ist gedeckt; ein hoher, richtiger Tisch. Es gibt Stühle, gibt ein Besteck.

Menü: Nudelsuppe. Rostbraten. Der Hausherr bietet mir Platz an und setzt sich mir gegenüber. Wartet, bis ich den Löffel, die Gabel ergriffen habe, und tut wie ich. Jede meiner Bewegungen wiederholt er wie ein Spiegel.

Da kann ich nicht länger. Ich tue, was niemand im Morgenland tut: eine Frage.

Und der Moslem bescheiden:

»Herr, ich habe dich zu Gast geladen. Ich wußte, du kommst aus Wien. Da wollte ich, du möchtest bei mir alles finden, was du zu Hause hast, und ließ aus Wien eine Köchin kommen. Sie mußte ihr Werkzeug mitbringen: Stühle, Tisch und Messer und Gabel, Tischtuch und Pfanne, Butter und Zimt. Damit du bei mir alles fändest, wie dus gewohnt bist.«

 
La Société

Im Club de la Levante in Smyrna war ein kleiner Skandal entstanden: Monsieur Menelaos 221 Patsikakis, Rosinengroßhändler, hatte Herrn Bedros Bagratunian beleidigt.

Man nahm einmütig Partei für Herrn Bagratunian; er war ein anständiger, durchaus friedfertiger Mann, hochangesehen und offizieller Kuppler des Klubs.

Und man nahm den ekelhaften Großhändler vor.

»Überhaupt, Muschu Patsikakis! Haben wir jemals Ehre mit Ihnen eingelegt? Als unlängst Seine Exzellenz, der rumänische Gesandte am bulgarischen Hof, zu Besuch bei uns weilten – was haben Sie getan? Geprügelt haben Sie Seine Exzellenz. Exzellenz waren genötigt, sich ein künstliches Hammelauge einsetzen zu lassen. Und beim Essen, beim Trinken, beim Spielen – immer handeln Sie gegen die Gesetze des Klubs. Sie rauchen im Damenzimmer. Sie spucken im Flur. Sie gerben im Salon. Muschu!! Es gibt überhaupt nur einen Punkt der Klubgesetze, den Sie noch niemals übertreten haben: das Verbot des Trinkgeldspendens an die Dienerschaft.«

 
Mythologie

»Sie erinnern sich, Herr, daß die Zauberin Kirke uns Griechen zuerst in Schweine verwandelt hat und dann wieder in Menschen . . . Von solchen Geschichten ist aber immer nur die eine Hälfte wahr . . .« 222

 
Schrifttum

»Die Italiener haben ihren Dante, die Deutschen den Faust – auch uns Rumänen ist ein Werk gegeben, worin das Herzblut des Volkes pocht:

Manolescu, der König der Diebe.«

 
Die Metöken

»Sie sind rumänischer Jude? Na, hören Sie: als Jude in Rumänien leben – das bringt auch wieder nur ein Jud fertig.«

 
Die geistliche Nacht

Zum Wunderrabbi von Bojan kam Simon Trümpetenschleim, Gutspächter weit drüben aus Kadobeschtje, brachte reiche Geschenke mit und bat flehentlich um Regen.

»Sei ohne Sorge,« sagte der Rabbi, »ün spann den Schirm auf. Eh du heimkimmst von deiner Pilgerreise, frommer Sohn, werd es schon haben angefangen zu tröppeln.«

Simon Trümpetenschleim in gläubigem Hoffen spannte den Schirm auf und fuhr heim. Zuerst tröpfelte es, dann knisterte der Regen.

Der Regen fiel, die Woche begann. Die Woche verging, der Regen prasselte.

Am dritten Schabbes kam ein Telegramm vom Rabbi aus Bojan: »trümpetenschleim was is? dratet ob weiter regnen soll.« 223

 
Das Gewissen

Ich hatte Händel mit dem Oberkellner des Restaurants Splendid, Bukarest, Calea Victoriei.

Ich habe mich fürchterlich an ihm gerächt.

Ich wartete, bis eines Samstags abend der große Salon voll und voll besetzt war mit eleganten Gästen – da trat ich ein und rief mit Stentorstimme:

»Fliehen Sie! Alles ist herausgekommen.«

Im Nu war die große elegante Gesellschaft davon.

Der Kellner stand da mit unbeglichenen Zechen in der Höhe von 4625 Lei.

 
Die Urkunden

Ein junger Bej in Philippopel – er politisierte gern und hielts mit den Jungtürken – erzählte mir sonderbare Dinge über Alexander von Battenberg.

Wenn ich zweifelte, schlug er sich in die Brust und rief:

»Alles die reine Wahrheit – urkundlich nachweisbar.«

Wie sollte ich auch zweifeln, wo doch alle Namen stimmten, alle Daten?

»Bej,« sagte ich, »bring mir die Urkunden, auf die du dich berufst, und ich kremple die Geschichte Bulgariens um.«

224 Er lächelte siegesgewiß, und zwei Stunden später brachte er mir – siegesgewiß – ein dickleibiges Buch:

»Mara, die schöne Bulgarin.«

Einen Hintertreppenroman.

 
Die Versöhnung

Vor ein paar Jahren besuchte Ferdinand von Bulgarien (noch als Fürst) den König Peter von Serbien in Nisch. Die alte Feindschaft zwischen Serben und Bulgaren hatte sich in eitel Wohlwollen verwandelt. Man sprach schon von einem Zollverein, einem Bündnis der beiden Balkanstaaten.

Ein Journalist in Belgrad, dem ging es wider den Strich. Es ist ja gleichgültig, warum – genug: Herr Mandel wollte durchaus die Freundschaft zwischen Serben und Bulgaren stören, wenn es in seiner Kraft läge.

Er depeschierte der »Wetscherna Poschta« nach Sofia:

»Die beiden Herrscher trafen heute in Nisch zusammen und begrüßten einander herzlich. Der König von Serbien schenkte dem Fürsten von Bulgarien eine schwere goldne Tabakdose im Wert von fünfhundert Frank.«

Der Journalist depeschierte zugleich den Budapester Blättern, aus denen es bald die serbischen übernahmen: 225

Die beiden Fürsten sind heute in Nisch zusammengetroffen und begrüßten einander herzlich. Der Fürst von Bulgarien schenkte dem König von Serbien eine kostbare, mit Brillanten reich gezierte Tabakdose im Wert von hunderttausend Frank.«

Zwei oder drei Tage später las man die serbischen Blätter in Bulgarien, die bulgarischen in Belgrad.

Und nun erhob sich ein Sticheln. Die Bulgaren verglichen die Tabakdose des Königs – 500 Frank – mit der des Fürsten – 100.000 Frank.

Die Serben ließen sich nicht lumpen, wurden ausfällig und behaupteten: die bulgarische Dose wäre lang nicht 100.000 Frank wert; die Brillanten seien falsch, das ganze Stück schäbig und alles eher denn ein Fürstengeschenk.

Dagegen verwahrten sich nun die Bulgaren leidenschaftlich. Um die beiden Tabakdosen entbrannte ein Pressekrieg – boshafte Denkzettel und Bemerkungen liefen mit – und der bulgarisch-serbische Zollverein war abgetan.

Es braucht nicht erst gesagt zu werden, daß an der ganzen Dosengeschichte kein Wort wahr gewesen ist.

 
Die Veterinärkonvention

Als ich aus Belgrad abreisen wollte, machte man mir Schwierigkeiten auf dem Bahnpolizeiamt: mein 226 Paß wäre gestern abgelaufen, und ich sollte meine Identität nachweisen.

»Erlauben Sie mir, wie soll ich denn – jetzt bei Nacht?«

Der Beamte gab nicht nach.

Ha, ein Ausweg! Ich kenne den königlich-serbischen Tierarzt Perowitsch, und grade er hat glücklicherweis heute Nachtdienst auf dem Bahnhof.

Ich pochte an die Tür seiner Amtsstube.

Alsbald bekam ich einen Zettel durch den Türspalt gereicht:

»Mikroskopisch untersucht. Frei von Finnen und Trichinen.«

 
Treffwahrscheinlichkeit

Einst sah ich – in Cetinje – einer Schießübung zu der montenegrinischen Armee. Mit mir Metodije Plamenatz, der Kriegsminister.

»Höre, Wojwode – wieviel Prozent Treffer pflegt ihr zu erzielen? Auf zwei, auf sechshundert Schritte?«

»Bruder, daß ich dir die Wahrheit sage: . . . wieviel Soldaten hat die Austria?«

»Auf Kriegsstand 900.000 Mann im ersten Aufgebot.«

»Bruder, daß ich dir die Wahrheit sage: der russische Zar hat unsrer Prinzessin ein herrliches Hochzeitsgeschenk gemacht – 25 Millionen Patronen. 227 Und wir erzielen vier Prozent Treffer. Wieviel Soldaten werden da der Austria bleiben, wenn es zum Krieg kommt?«

 
Der Verwunderte

Ein Montenegriner bei Wuk:

»Herr, man erzählt bei uns sicherlich viele Lügen über euch Deutsche, über euer sonderbares Leben. Sag mir, Herr: ist es denn wirklich wahr, daß es bei euch in Wien Leute gibt, die reich sind und doch kein Vieh haben? Männer, die ihrem Weib die Hand küssen? Und das Weib gar übers Wasser tragen, wenn sie hinüber müssen – statt daß das Weib den Herrn hinübertrage?«

 
Krongut

König Nikola von Montenegro brauchte eines Tages Geld, eine halbe Million. Man weiß, auf welche lustige Art er sich das Geld verschafft hat:

Er schickte einen Vertrauensmann nach Triest und richtete unentwegt Postanweisungen an ihn aus Cetinje. Täglich zwanzig Anweisungen, jede tausend Kronen.

Der Mann des Königs ließ sich die Anweisungen in Triest von der österreichischen Post auszahlen.

Mit dem ergatterten Geld kehrte der Mann des Königs heim nach Cetinje.

Die montegrinische Post aber rechnete mit der österreichischen niemals ab. 228

 
Das Tafelsilber

König Nikola hatte sehr kostbares Tafelsilber. Und alles doppelt, zwei vollständige, echte Garnituren.

Der Ursprung des Segens ist merkwürdig genug:

Sultan Abdul Hamid hatte seinem lieben Nachbarn eine kleine Jacht geschenkt. Sie ankerte auf der Reede von Antivari, der König ging sie besichtigen.

Da nahm er schmunzelnd das schöne Tafelsilber des Schiffssalons wahr und ließ es allsogleich nach seinem Palais bringen.

Andern Tags aber empfing er jenen türkischen Boten, der die Gabe des Padischahs begleitet hatte.

Finstrer Miene drückte Er dem Türken höchstseine Verwunderung aus: daß der Sultan dem fürstlichen Nachbarn sollte schundiges Alpaka geschickt haben . . . Wohl kaum. Ob denn da alles mit rechten Dingen zugegangen wäre . . .?

Der Türke berichtete es tief erschrocken an die Hohe Pforte.

Der Sultan wußte sofort Bescheid. Und lächelte. Er kannte seinen Nikola.

Und schickte ihm in Allahs Namen ein zweites Tafelsilber.

 
Das Ende

»In meinem Dorf,« erzählte mir ein albanischer Offizier, »haben wir keinen Friedhof.«

»Und wo begräbt . . .?«

229 Er nahm mir das Wort aus dem Mund.

»Die Unsrigen werden immer in der Fremde erschossen und gehenkt.«

 
Fortschritt

Der neue Landeskommandierende von Bosnien bereiste sein Gebiet.

Irgendwo im Wald an der Straße sammelte ein altes Weib Reisig.

Seine Exzellenz wünschten sich beliebt beim Volk zu machen und ließen zu diesem Zweck die Wagen halten.

»Na, Alte? Was? Die Sicherheit im Land ist jetzt anders als zu Türkenzeiten? Früher hättest du dein Reisig nicht ruhig sammeln können.«

»O – warum nicht, Herr?«

»Nun, Alte – damals gabs doch Räuber im Wald.«

»Du hast recht, gnädiger Herr, im Wald sind jetzt keine Räuber mehr. Sie dienen bei der österreichischen Gendarmerie.«

 
Der Esel

Ein serbischer Bauer in Bosnien erzählte mir:

»Ja, Bruder, es ist anders bei uns geworden, seit ihr Österreicher im Land seid. – Früher, zu Türkenzeiten, da war der Moslem Herr, und der Christ war Sklave. Ich setzte mich auf meinen Esel und ritt auf den Markt. Ein Türke kam die 230 Straße entgegen. Ich lenkte mein Eselchen in den Graben und ließ dem Türken die ganze Straße frei. Meinst du, es genügte dem Türken?

›Hund‹ schrie er, ›Christ, daß sich die Hunde um deine Knochen rauften! Herunter vom Esel und nieder mit dir in den Staub! Im Staub grüßt man den türkischen Herrn.‹

Was meinst du – ich mußte herunter vom Esel.

Jetzt? Seit ihr Österreicher im Land seid? Jetzt hab ich überhaupt keinen Esel mehr.«

 
Der Telegraph

Die Regierung hatte eine neue Drahtleitung legen lassen – von Prijedor nach Bihatsch.

»Was soll der Draht?« fragten sich die Moslem in einem kleinen Dorf.

Der Keimekam erklärte ihnen:

»Es ist ein Telegraph. Man kann Botschaften auf diesem Draht schicken von hier bis Stambul.«

Sie schüttelten die Köpfe.

»Wie ist es möglich, Keimekam, wie ist es denkbar, daß längs dieses Drahtes Botschaften laufen sollten?«

Der Keimekam sprach:

»Denk dir, du Tor, einen fürchterlich langen Hund – und sein Schweif ist gespannt wie dieser Draht die Stangen entlang von Stambul bis zu uns. Nun kneifst du ihn hier in den Schweif. Wird er nicht in Stambul heulen? 231

 
Die Widerspenstigen

Einst wollten über vierzig türkische Familien aus Bosnisch-Nowi nach Kleinasien auswandern.

Die Regierung schickte einen Hofrat hin, damit er den Leuten Vorstellungen mache über die Torheit ihres Beginnens.

Der Hofrat kam zurück und berichtete:

»Ich hab nix machen können. Diese Leut eignen sich garnicht zum Verkehr mit der Behörde.«

 


 


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